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Aphantasia

Begonnen von Antennenwels, 21. April 2019, 19:38:57

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Antennenwels

Ich weiss nicht, ob dies der richtige Ort für diesen Thread ist, falls nicht entschuldige ich mich dafür. Ich habe vor kurzem durch Zufall (genauer gesagt durch ein Youtube Video) entdeckt, dass ich Aphantasia habe. Das bedeutet, dass ich keine Bilder vor meinem inneren Auge sehen kann. Ich dachte immer, dass es allen so geht. Wenn jemand davon sprach sich etwas vor seinem inneren Auge  bildlich vorzustellen, ich hielt das immer für eine Redensart. Ganz ehrlich, es fällt mir immer noch schwer zu glauben, dass andere wirklich Dinge visualisieren können. Bilder sehe ich nur wenn ich Träume, aber  definitiv nicht wenn ich wach bin.
Hier ist der link zum Wikipedia Artikel: https://de.wikipedia.org/wiki/Aphantasie.

Im Nachhinein erklärt dies nun aber einige Dinge. Beispielsweise weshalb ich nie wirklich konkrete Vorstellungen davon habe, wie Figuren aussehen, weder als Leser noch beim Schreiben. Weshalb mich lange Beschreibungen in Bücher immer schon gelangweilt haben und mir irrelevant erschienen. Oder auch, warum es mir schwer fällt Gesichter zu beschreiben, oder das Layout eines Raumes etc.

Ich frage mich nun, inwiefern mich dies beim Schreiben hindert und was ich tun kann, um besser darin zu werden Dinge zu beschreiben? Wie handhabt ihr Beschreibungen, was ist absolut notwendig um Bilder in euch zu erzeugen?

Ich bin auch neugierig, ob es anderen hier vielleicht ebenfalls so ergeht wie mir. 
"You still prided yourself on three things: firstly, bloody-minded composure; secondly, an inhuman intellect for necromancy; thirdly, being very difficult to kill."

- Muir, Tamsyn. Harrow the Ninth

Evanesca Feuerblut

Ich erzeichne mir Bilder - dann habe ich welche, die ich nutzen kann. Irgendwann kann ich mir (Monate bis Jahre später) tatsächlich mal ein reales Gesicht vorstellen, aber als Behelf habe ich in jedem Fall meine Zeichnung. Wenn ich bestimmte Charakteristika immer wieder einer bestimmten Person zuweise beim Zeichnen, hat sie die einfach irgendwann auch dann, wenn ich über sie schreibe.
Hier hilft mir aber auch in manchen Fällen Pinterest. Ich beschreibe dann ganz banal das, was ich auf den Bildern sehe. So sind sehr viele Beschreibungen in "der tote Prinz" entstanden.

Christopher

Interessant. War mir nicht bekannt, dass es sowas gibt. Reale Geschehnisse/Erinnerungen kann ich mir ziemlich gut vor Augen führen. Selbst erdachte Sachen sind schwieriger, aber möglich, lassen jedoch i.d.R. Details vermissen. Das ist aber nicht weiter verwunderlich, auch die Vorstellung von realen Dingen ist meist detailarm, aber mit etwas Konzentration kann ich es detailreicher vor dem geistigen Auge sehen.

Ich weiß nun nur nicht, ob das ein Handicap oder ein Vorteil beim Schreiben ist. Wie du schon sagst: Beschreibungen sind/können sehr langweilig sein. Das ist auf jeden Fall eine Falle, in die du vermutlich nicht hineintappst. Aber das kleine Bisschen, was man dann doch wissen will, fehlt dir vermutlich gar nicht  :hmmm:

Allerdings kenne ich auch einige Bücher, bei denen insbesondere Personen sehr wenig beschrieben werden. Und das muss nichts schlimmes sein. Je nach Genre ist das eben gar nicht notwendig.
Be brave, dont tryhard.

Kat

Zitat von: Antennenwels am 21. April 2019, 19:38:57
Ich frage mich nun, inwiefern mich dies beim Schreiben hindert und was ich tun kann, um besser darin zu werden Dinge zu beschreiben?

Die Idee von @Evanesca Feuerblut ist ziemlich gut. Falls du nicht zeichnen kannst oder willst, könntest du auch nach Fotos von Ortschaften und Schauspielern suchen und diese als Vorlage für deine Beschreibungen nutzen.

Ansonsten kommt es natürlich auch darauf an, warum und für wen du überhaupt schreibst. Wenn du nur für dich schreibst, kannst du Beschreibungen auch einfach weglassen, weil sie dich eh langweilen. Schriebst du dagegen für ein größeres Publikum, macht es vielleicht Sinn, wenn du dir ähnliche Geschichten von anderen Autoren ganz genau ansiehst und analysierst, wie sie geschrieben wurden und was du davon für deine eigenen Texte übernehmen könntest oder solltest.

Zitat von: Antennenwels am 21. April 2019, 19:38:57Wie handhabt ihr Beschreibungen, was ist absolut notwendig um Bilder in euch zu erzeugen?

Ehrlich gesagt brauche ich beim Lesen von Geschichten auch gar nicht so viele optische Beschreibungen. Beim Schreiben selbst versuche ich immer, die Beschreibung in Handlungen einfließen zu lassen. Zum Beispiel sowas wie: "Harry setzte sich auf einen ledernen Sessel in der Mitte des Raumes. Die Augen der Zauberer, die auf den Sitzbänken ringsherum saßen, waren auf ihn gerichtet. Harry seufzte und legte seine Brille auf den Tisch vor ihm."

Sicherlich nicht das eleganteste Beispiel, aber der Zweck sollte klar sein: Auf der einen Seite kann sich der Leser ein Bild von den Räumlichkeiten machen, gleichzeitig wird er aber nicht von reinen Beschreibungen gelangweilt.

Churke

Ich vermute, dass Aphantasten die Welt einfach nur anders wahrnehmen.
Du kannst eine Stadt wie ein Architekt betrachten oder wie ein Maler. Entsprechend ändern sich die Beschreibungen. 

Ich konzentriere ich darauf, wie ich die Welt sehe, und stricke daraus meine Geschichte.

Theophilus

Ich kann mir vorstellen, dass es eine große Einschränkung sein kann, wenn in einem keine Bilder entstehen. Ohne diese Vorstellungskraft hätte ich wohl mein erstes Buch nicht schreiben können.
Aber das hilft Dir jetzt nicht weiter. Was würde ich machen?
Ich stelle häufig fest, dass mich bestimmte Landschaftsbilder oder auch bestimmte Häuser und Straßen in schönen Orten dazu anregen, sie als Vorbild für eine Szene zu nehmen. Dann mache ich ein Foto, nehme es mir beim Schreiben vor und beschreibe einfach bzw. setze um, was ich dort sehe.
Das mache ich bei meinem jetzigen Buch auch, da ich die Schauplätze, an denen es spielt, gar nicht so konkret vor meinem inneren Auge habe, um es sofort umsetzen zu können.

Zudem sind manche Bauten, z.B. schöne alte, manchmal so vielfältig in den Details, die kann ich mir gar nicht so schnell ausdenken. Dann helfen mir die Fotos, um mich in die entsprechende Situation hineinzudenken.
Wie  @Evanesca Feuerblut schon sagt, Du kannst natürlich auch eine Szene malen. So wäre es ja auch möglich, verschiedene Bilder auf Fotos, die zueinanderpassen, "zusammenzumalen", um auf diese Weise die Umgebung einer Szene entstehen zu lassen.

Feuertraum

Vielleicht ist das jetzt eine "dumme" Frage, aber kann Aphantasie ein/das Problem sein, dass man nicht plotten kann?
Ich bin zum jemand, der schreibt und erst während des Schreibens die eine oder andere Idee für die nächste Szene hat. Ich bin immer davon ausgegangen, das liegt an meinem Mangel an Fantasie. Wenn ich den Artikel jedoch richtig verstanden habe, ist die Aphantasie die Nichtfähigkeit, Bilder zu sehen, und ich vermute, das ist eine der wichtigsten Voraussetzungen beim Plotten.
Kann es tatsächlich daran liegen?
Ein Bekannter von mir liebt Bier so sehr - ich bekam als Schutzimpfung gegen Corona Astra Zenica, er Astra Pilsener ...

Minna

@Antennenwels: Ich wusste gar nicht, das es ein Wort dafür gibt, bzw. nicht normal ist, bis ich deinen Thread gelesen habe. Aber ich bin auch ziemlich gesichtsblind und ein bisschen autistisch, ich dachte das wäre einfach ein weiteres meiner "Features"  ;D Träumen ist für mich auch wie ein Hörbuch hören. Aber die Aphantasten träumen angeblich in Bildern  :hmmm: Ob der "Beschreibungstext" das einzige ist, an was ich mich von meinen Träumen erinnern kann?
Vermutlich überspringe ich deshalb in den meisten Büchern die rein visuellen Beschreibungen so oft...
Ich habe tatsächlich schon häufiger das Feedback bekommen, dass ich zu wenig beschreiben würde. Mir war nie so bewusst, das es daran liegen könnte, das ich in der Hinsicht einer Minderheit angehöre. Wenn ich mir aber Mühe gebe mit vielen Beschreibungen zu arbeiten, bereitet mir das keine Probleme. Ich greife da glaube ich auf Beschreibungen zurück, die ich in anderen Büchern gelesen habe und passe sie an meine Bedürfnisse an.
Bei Gesichtern, weil sie mir ja wirklich große Probleme bereiten greife ich beim Schreiben gerne auf das zurück, was ich auch als Alltagshilfe verwende. Meine Charaktere bekommen ein oder zwei hervorstechende Merkmale (spitze Nase, Stupsnase, hohe Wangenknochen, ect.) und je nach PoV Character auch gerne einen Spitznamen, der optimaler Weise eine starke Assotiation hervorruft (Pferdegesicht, Hamsterbacke, ect.) und wenn ich so darüber nachdenke, mache ich das bei Settings auch oft so. Und ich nutze bei Beschreibungen die anderen Sinne stark (Gerüche, Geräusche, Tastsinn, Emotionen).

@Feuertraum: Ich glaube nicht, das sich das auf die Fähigkeit zu plotten auswirkt. Ich plotte sehr gerne und ausführlich, dazu brauche ich keine Bilder. (Wenn ich ehrlich bin kann ich mir gerade nicht mal vorstellen, wie man bildliche Vorstellung beim Plotten verwenden sollte  :hmmm:)

Antennenwels

@Evanesca Feuerblut @Kat: Ich kann leider nicht zeichnen, aber Bilder sind eine ausgezeichnete Idee. Frage mich gerade wirklich, weshalb ich selbst nicht auf die Idee gekommen bin.  :o Ich sollte mir wohl einen Ordner anlegen für mein Projekt, mit Bildern die ich als Inspiration für das Setting, oder auch Charaktere nutzen kann. Wobei es bei den Figuren schwieriger wird... Ich weiss wie sie reden, wie sie sich bewegen etc, aber mal abgesehen von sehr oberflächlichen Details wie ungefähre Körpergrösse, Haar- und Augenfarbe habe ich keine Ahnung davon wie sie aussehen. Und einfach irgendwelche Gesichter als Referenz zu nehmen kommt mir seltsam vor und das scheint dann auch irgendwie nicht zu passen.

Zitat von: Churke am 24. April 2019, 10:58:01
Ich vermute, dass Aphantasten die Welt einfach nur anders wahrnehmen.
Du kannst eine Stadt wie ein Architekt betrachten oder wie ein Maler. Entsprechend ändern sich die Beschreibungen. 
Ich denke wahrgenommen wird die Welt ziemlich ähnlich, aber sobald es um Erinnerungen geht, oder darum sich etwas vorzustellen, dann  es unterscheidet  sich.

Zitat von: Theophilus am 24. April 2019, 13:22:27
Ich kann mir vorstellen, dass es eine große Einschränkung sein kann, wenn in einem keine Bilder entstehen. Ohne diese Vorstellungskraft hätte ich wohl mein erstes Buch nicht schreiben können.
Beim Schreiben, oder aber auch Plotten (@Feuertraum) stellt es kein wirkliches Problem für mich dar. Ich kann mir Dinge ja vorstellen, einfach nicht in Bildern. Wie gesagt, bis vor nicht allzu langer Zeit war mir gar nicht bewusst, dass dies nicht normal ist. Ich habe nun einfach Angst, dass die Art wie ich Dinge beschreibe vielleicht nicht ausreicht um bei anderen eben diese "Bilder" im Kopf entstehen zu lassen.
Aber @Minna hat wohl Recht. Das beste wird sein mich an anderen Büchern zu orientieren.
Zitat von: Minna am 24. April 2019, 22:42:09
@Antennenwels: Ich wusste gar nicht, das es ein Wort dafür gibt, bzw. nicht normal ist, bis ich deinen Thread gelesen habe. Aber ich bin auch ziemlich gesichtsblind und ein bisschen autistisch, ich dachte das wäre einfach ein weiteres meiner "Features"  ;D Träumen ist für mich auch wie ein Hörbuch hören. Aber die Aphantasten träumen angeblich in Bildern  :hmmm: Ob der "Beschreibungstext" das einzige ist, an was ich mich von meinen Träumen erinnern kann?
Ich hatte mich schon gewundert, ob allenfalls andere "unwissende" Aphantasten unter den Tintenzirklern sind. ;D  Meine Träume sind in Bildern, aber Hörbuch trifft ziemlich genau, wie ich mir Dinge normalerweise vorstelle.  ;D Das werde ich mir merken.
"You still prided yourself on three things: firstly, bloody-minded composure; secondly, an inhuman intellect for necromancy; thirdly, being very difficult to kill."

- Muir, Tamsyn. Harrow the Ninth

Silvasurfer

#9
Das meiste wurde bereits gesagt und ich möchte mich den Aussagen anschliessen, dass du (und auch ich bekenne mich in diesem Fall) da einfach anders gepolt bist... das ist weder besser noch schlechter....
Bilder, also tatsächlich gemalte Bilder nicht die im Kopf können da in der Tat sehr behilflich sein, das stelle ich zur Zeut gerade fest. Ich habe erst kürzlich begonnen meine Figuren zu malen und bin malanfänger insofern möchte ich dir das ans Herz legen, da habe ich aus einem vergleichbaren Ansatz heraus erst vor kurzem ein Thema angefange, Figure Zeichnen, aber wie?

Vorher hatte ich, wie du kein Bild von den Wesen meiner Phantasiewelt, eher eine Psychoanalyse ihres Charakters und ich wusste einfach, bei den Figuren, die ich gut kannte, welchen humor sie gut finden würden, oder was sie zu einem bestimmten Thema sagen würden. Bestenfalls überkam es mich, dass ich den Dialog im Kopf einfach durchging und dabei das fühlte, was meine Figur fühlen würde, Ich bin mir sicher, dass es dir dann wiederum vielleicht leichter fällt, wie du dich beschreibst, Zusammenhänge in deine Phantasiewelt und Hintergründe glasklar und in sich sinnvoll, wenn auch nicht sinnlich im Kopf zu haben.

Kurzum: Du bist, wie du bist, vertrau darauf! Das macht deinen Stil aus und den kannst du natürlich pflegen und Hifestellungesn sind natürlich erlaubt, vor allem jedoch: Hab Spass an deine (A)Phantasie, so wie sie dich berührt, denn - auch wenn sie nicht visuell lebendig ist - so bin ich mir sicher dass eine lebhafte phantasie nicht unbedingt ein Bild vor Augen haben muss.

Aus reinem interesse: Wie funktioniert denn also dann deine Phantasie?
Bei mir ist das so, dass Gefühle und Gedanken mich einfach übermannen, die Welt um mich herum verblasst tatsächlich und meine eigene denkende Stimme plus meine Gefühle sind alles was dann noch bleibt und es überwältigt mich dann wie ein Sturm. Weshalb ich mich beim nachdenken oft dabei ertappe, wie ich auf der Strasse selbstgespräche führe, während man mich ansieht, als hätte ich eine Schraube locker... so laut wird meine denkende Stimme dann, ich kann sie einfach nicht mehr leise im Kopf behalten und merke nicht mal, was um mich herum geschieht.
Daher fällt es mir immer leichter zum Beispiel den Erzähler zu übernehmen und kämpfe wie du mit Beschreibungen, mit denen ich auch als Leser nie was anfangen konnte. SIe tauchen vereinzelt nur in meinem Text auf, als kleine Beobachtungen von Gesten etc, ich versuche das Bild gar nicht erst zu malen, gerade die Gesten, welche die Figuren einnehmen, nehme ich beim schreiben und denken selber ein, also nutze ich dass dann wiederum und beschreibe meine eigene Gestik und wie es sich anfühlt, sowas halt.
Dabei seh ich die Figuren nie vor Auge, manchmal jedoch verkörpere ich sie wie gesagt oder spreche laut mit mir selbst in ihren Namen, spiele die Szene quasi selber durch, nicht im Kopf sondern in echtzeit. Das habe ich schon als Kind gemacht, weshalb andere widerum meinten meine phantasie sei lebhaft während ich mich mit der Zeit fragte, warum andere in ihrer Phantasie die Figuren und die Welt sehen können und ich nicht... *Neid*

Den begriff aphnatastisch kannte ich gar nicht...

PS: Metaphern und Vergleiche könnten für dich auch ein gutes Stilmittel sein, da sie kein Bild im Kopf sind eben, sondern eine Annäherung beziehungsweise ein sinnvolles überlappen zweier Dinge, ums blöd auszudrücken, die meist nur eine bis zwei Eigenschaften teilen... bzw gar nicht teilen aber gemeinsam ein neues Bild schaffen... Oder vielleicht bist du ein besonders kreativer Wortneuschöpfer oder ein Wortakrobat, wer weiss das schon, mein tipp bleibt geb dir selbst kein label, sei du selbst.

Zauberfrau

Hallo Antennenwels,

das Thema ist ja hochinteressant! Und wie ich lese, ist Aphantasie noch gar nicht genau erforscht. Bin mal gespannt, was sich da noch in der Forschung zeigen wird.

Ich habe beim Lesen vom Thread mal darüber nachgedacht, wie ich die Welt sehe. Ich bin eigentlich ein Mensch, der sehr bunt ist und "in Farben denkt". Aber wenn ich ehrlich bin, sind meine Bilder, die ich mir vor Augen führe, sofort weg, wenn ich mich auf sie konzentriere. Als ob sie sich verstecken, wenn ich sie in den Fokus nehme. Deswegen lasse ich meine inneren Bilder oft ausgelassen herumtoben, betrachte sie aus den Augenwinkeln und freue mich an ihnen.
Als Rückschluss frage ich mich gerade, ob du vielleicht nur zu genau hinguckst? Oder zu streng mit dir bist? Denn sobald ich hingucke, ist eigentlich alles weg, auch wenn ich der Meinung bin, ein wirklich ausgeprägtes visuelles Vorstellungsvermögen zu haben. Ich kann gar nicht beschreiben, wie ich meine inneren Bilder sehe. Da sind sie, aber sobald ich den Fokus drauf werfe...
Ich glaube, es wäre wirklich einmal sehr interessant, wenn die Forschung da mal tiefer graben würde.

Zu den Bildern: Ich sammle schon sehr lange Screenshots oder fotografiere Ausgefallenes mit meinem Handy, was mir gerade über den Weg läuft. Die Sammlung ist für mich ganz privat und mein Inspirationsschatz. Hab schon viele Megabyte davon gesammelt. Es gibt auch sehr schöne Bücher zu diesem Thema. Ausdrucksstarke Menschen findet man auch in dem Buch Portraits von Steve McCurry (Verlag Phaindon), das ich richtig klasse finde. Ich habe auch ein Buch über Dinge, in denen man Gesichter sehen kann. Aber das ist gerade in irgendeiner Kiste (man glaubt gar nicht, wie hartnäckig sich manche Umzugskisten halten können). War glaube ich von einem französischen Fotografen...

Liebe Grüße,
Zauberfrau

FeeamPC

#11
Wobei man durchaus für den Leser farbige, interessante Szenen entwerfen kann, ohne sie selbst genau zu kennen. Schließlich haben die meisten Leser Fantasie genug, um nach einigen wenigen Stichpunkten sich selbst etwas vorzustellen.
Ich weiß bis heute (nach 7 Bänden) nicht, wie genau mein Königspalast aussieht.
Er ist groß, aus Stein, hat hohe Mauern, innen einen Harem und mehrere Gärten sowie einzelne Wohnpavillions für die Frauen.
Ach ja, und Geheimgänge in den dicken Mauern.
Das war's auch schon. Weder Zimmer noch Lage noch Farbe noch Ausstattung sind genauer bekannt. Hin und wieder eine Andeutung, dass es Vorhänge, Betten, Schreibtische und so gibt. Hat sich trotzdem noch kein Leser über mangelnde Beschreibung beschwert.
Denn was kommt den meisten Lesern bei den Stichworten Palast und Harem in den Sinn? Genau. 1001 Nacht und Disney. Sie setzen ihre eigenen Versatzstücke in meine Geschichte ein. Schwupps, schon haben sie ein Bild von einem Palast orientalischer Machart. Das, was nicht dazu passt, blenden die Leser vermutlich einfach aus.

Antennenwels

Zitat von: Silvasurfer am 25. April 2019, 00:11:02
Kurzum: Du bist, wie du bist, vertrau darauf! Das macht deinen Stil aus und den kannst du natürlich pflegen und Hifestellungesn sind natürlich erlaubt, vor allem jedoch: Hab Spass an deine (A)Phantasie, so wie sie dich berührt, denn - auch wenn sie nicht visuell lebendig ist - so bin ich mir sicher dass eine lebhafte phantasie nicht unbedingt ein Bild vor Augen haben muss.
Damit hast du wohl Recht, ich sollte mir wohl keine Gedanken darum machen wenn es ums Schreiben geht. Wenn meine Geschichte nicht funktioniert, dann wird es ziemlich sicher an anderen (grösseren Problemen) liegen ;), als an fehlenden Beschreibungen.Und Spass beim Schreiben habe ich durchaus, sonst würde ich es gar nicht tun.  ;D

Zitat von: Silvasurfer am 25. April 2019, 00:11:02
Aus reinem interesse: Wie funktioniert denn also dann deine Phantasie?
Von deinen Beschreibungen ausgehend, ziemlich ähnlich, wenn vielleicht auch weniger intensiv. Wenn ich eine Szene plane, dann "schreibe" ich sie schlicht in meinen Gedanken, empfinde dabei aber in der Regel was meine Hauptifigur empfindet. Ich habe noch nie wirkliche selbstgespräche geführt, aber ich muss gestehen ab und an habe ich auch verschiedene Körperhaltungen eingenommen um zu entscheiden, welche Geste denn am besten zur Situation passt.  ;D

Zitat von: Zauberfrau am 25. April 2019, 01:36:50
Ich habe beim Lesen vom Thread mal darüber nachgedacht, wie ich die Welt sehe. Ich bin eigentlich ein Mensch, der sehr bunt ist und "in Farben denkt". Aber wenn ich ehrlich bin, sind meine Bilder, die ich mir vor Augen führe, sofort weg, wenn ich mich auf sie konzentriere. Als ob sie sich verstecken, wenn ich sie in den Fokus nehme. Deswegen lasse ich meine inneren Bilder oft ausgelassen herumtoben, betrachte sie aus den Augenwinkeln und freue mich an ihnen.
Als Rückschluss frage ich mich gerade, ob du vielleicht nur zu genau hinguckst? Oder zu streng mit dir bist? Denn sobald ich hingucke, ist eigentlich alles weg, auch wenn ich der Meinung bin, ein wirklich ausgeprägtes visuelles Vorstellungsvermögen zu haben. Ich kann gar nicht beschreiben, wie ich meine inneren Bilder sehe. Da sind sie, aber sobald ich den Fokus drauf werfe...
Ich glaube, es wäre wirklich einmal sehr interessant, wenn die Forschung da mal tiefer graben würde.
Anfangs dachte ich auch, dass ich das ganze vielleicht nur falsch verstehe. Aber nachdem ich alle meine Freunde/Familie ausgefragt habe, bin ich ziemlich sicher, dass ich Dinge wirklich anders "sehe". Nur in ganz wenigen Situationen, geschieht in der Regel nur kurz vor dem Einschlafen, geht es mir wie dir und ich habe eine vage Vorstellung eines Bildes, aber es verschwindet sobald ich mich darauf konzentriere. Aber normalerweise im Alltag stelle ich mir wirklich nichts in Bildern vor.
Soweit ich das verstanden habe, wobei wie du sagst, die Wissenschaft scheint noch ganz am Anfang zu stehen, handelt sich wohl um ein Spektrum. Einige Leute sehen gar keine, oder kaum "mentale Bilder", während andere es nur für kurze Momente können, oder nicht wirklich klar bis hin zu Leuten die praktisch Fotos vor ihrem inneren Auge sehen und diese auch manipulieren können (sprich Farbe ändern, Objekte drehen etc). Ähnliches scheint für die anderen Sinne zu gelten. Es gibt anscheinend Leute, die können sich auch keine Stimmen, oder Geräusche vorstellen.

@FeeamPC Damit hast du sicherlich recht. Oft braucht es sehr wenig, damit Leute sich etwas vorstellen können (ob nun in Bildern oder nicht ;)). Zudem gibt es auch viele Details die gar nicht wirklich notwendig sind und oft man kann vieles Getrost der Fantasy der Leser überlassen, sie werden die Lücken schliessen wie es für sie am Besten passt.
"You still prided yourself on three things: firstly, bloody-minded composure; secondly, an inhuman intellect for necromancy; thirdly, being very difficult to kill."

- Muir, Tamsyn. Harrow the Ninth