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Beginner's Mistakes For Runaways - Anfängerfehler für Fortgeschrittene

Begonnen von Steffi, 22. August 2010, 21:57:39

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FeeamPC

ZitatMondwölfin: ....also das würde ich ganz ehrlich nicht als Anfängerfehler bezeichnen, kommt es doch vor allem auf das Umfeld des Romans/der Geschichte an. Spielt die Geschichte z.B. in einer internetlastigen Spaßgesellschaft der Nuller-Jahre ist Variante 2 sicherlich die besser. Ist die Story in einer z.B. romantisches Mittelalter-Umgebung angesiedelt, darf man ruhig ein bisschen "schöner" schreiben.

Ich würde ebenfalls beim romantischen Mittelalter eine Grenze ziehen, aber an einer anderen Stelle. Die Protagenten der Handlung dürfen sich gerne pathetisch ausdrücken- das paßt zu dem edlen Recken, der unter Lebensgefahr seine Angebetete rettet und anschließend vom König die Hand besagter Dame erbittet. Wenn allerdings die ganze Geschichte und nicht nur die wörtliche Rede der Protagenten in diesem Stil geschrieben ist, wird es schwierig.
Nicht, daß die Geschichte deswegen schlecht sein muß. Aber der Autor sollte dann diesen speziellen Stil so treffsicher verwenden, daß er weder allzu altmodisch noch umständlich noch am Ende langweilig wirkt, sonst hat er trotz guter Geschichte die Leser verloren. Und wenn man Pech hat, ist es obendrein genau das, was einen potentiellen Verlag dazu bewegt, die Geschichte gleich abzulehnen.

Derexor

Meine größten (mir bekannten) Fehler sind:
1. "und" Ich verwende dieses Wort SO oft...
2. Er/Sie/Es/Name sagt/macht/tut Ich habe jede zweite Zeile so was da stehen.
3. Zu geringe Beschreibung der Personen Ja, dass gibts. Ich stell die immer nur minimal vor.
4. Zu viel Handlung in Dialogen Der Charakter macht immer irgendwas, außerdem sind meine Dialoge langweilig.
Wie immer kommt es auf die Streuung der Elemente an. Zu viel? Überladen. Zu wenig? Das Schiff hebt ab.

Edit:
5. ich habe zu wenig (bis gar keine) Frauen in meinen Geschichten. Aber was soll ich machen, ich KANN aus deren Sicht nicht schreiben.

Telas

Oh ja, das ist ein toller Thread, da kann ich auch eine Menge dazu sagen.

1. Man stürzt sich zu schnell in ein Werk. Wenn mir eine neue Idee kommt, gibt es vor dem Schreibbeginn nur wenig konstruktive Plotarbeit. Ich bin einfach nicht der Typ dafür, der stundenlang nur dasitzt, um sich über jedes noch so kleine Detail eines zukünftigen Romanes Gedanken zu machen. Meistens denke ich mir, das wird sich schon von selbst ergeben und schreibe mit maximal vier A4 Seiten drauflos. Selbst Personen habe ich schon ganz spontan in die Handlung geworfen. Meistens um Plotlöcher zu stopfen. Das würde auch ganz gut funktionieren, wären deren Wesenszüge nicht immer so schwammig.

2. Bandwurmsätze. Einen Satz einfach mal auf den Punkt zu bekommen ist meine größte Schwäche. Oft reihe ich drei, vier, fünf Nebensätze aneinander, da meine Gedanken sofort in die Finger zu fließen scheinen. Erst im Nachhinein kommt mir dann die Idee, dass der Leser wahrscheinlich schon nach der Hälfte des Satzes die Lust verloren hätte und das Buch in die Ecke geworfen hätte.

3. Das Verrennen in Details. Viel zu oft passiert es mir, dass ich mich an kleinen, unbedeutenden Nuancen aufhänge, die dann über Seiten hinweg ausgeführt werden, ohne dass die Handlung auch nur einen Schritt weiterkommt. Aus dem eigentlich guten Vorsatz, dem Leser etwas anschaulich erklären zu wollen, wird am Ende ein schier endloser Sermon über die Facetten der unbedeutenden Dinge im Leben.

4. Die Spannungsbögen. Oh je, wie oft ist es mir schon passiert, dass die Spannung auf einem mäßig hohen Niveau herumdümpelte, ohne einmal eine klare Tendenz zum Höhepunkt aufzuzeigen. Und dann meistens ohne Vorwarnung musste ich etwas Dramatisches geschehen lassen, um den Leser aus seiner Starre zu erlösen.
Ich habe allerdings den deutlichen Verdacht, dass diese Aktionen aus heiterem Himmel eher gezwungen wirken, anstatt sinnvoll in die Handlung eingebettet zu sein.

5. Immer wieder dasselbe Wort. Passiert mir vor allem bei meinen Bandwürmern. Wenn ich sagen möchte, dass etwas für eine Person klar ersichtlich war, dann geht das meistens nicht, ohne in jedem Nebensatz ,,offensichtlich" zu verwenden.
Noch schlimmer ist aber, dass mir das Schlamassel meist erst bei der Korrektur auffällt und ich mich danach maßlos über mich selbst ärgere.

6. Wechselnder Stil. Ich habe mir auch schon einmal vorgenommen, ein komplettes Buch in der typisch- geschwollenen Mundart des mittelalterlichen Adels zu schreiben, mit all den gehobenen Ausdrücken. Wenn es mir bis zum Ende gelungen wäre, hätte es sicherlich keinen schlechten Eindruck gemacht. Allerdings bin ich mehr und mehr in Umgangssprache verfallen.

7. Das Ende vom Lied ist auch das Ende vom Buch. Bei meinen Werken ist der Abschluss immer der schwächste Punkt. Selbst wenn ich es schaffe, die Handlung vernünftig dorthin zu leiten, so passiert es mir immer, dass ich das Ende viel zu kurz fasse oder es derart skurril wird, dass man nur den Kopf darüber schütteln kann.
In Zukunft werde ich eben mehr Zeit in das Plotten der Schlusssequenzen investieren müssen, denn hier habe ich immer noch Nachholbedarf.

8. Zuletzt: Viel hilft viel. Ich leide an dem krankhaften Glauben, dass Bücher, die sich über vierhundert Seiten und mehr erstrecken die Besten sind. Deswegen bin ich von einem fast schon schädlichen Ergeiz besessen, möglichst viele Worte und Normseiten zu Papier zu bringen, in der Hoffnung, damit besser zu fahren. Das Resultat ist das oben genannte Verrennen in Details.   

Kati

Telas: Bis auf den letzten Punkt mache ich genau das alles auch.  :o Besonders Punkt sieben ist bei mir ganz schlimm ausgeprägt. Ich baue ein bisschen Spannung auf und dann ist das Ende drei Seiten lang und geht viel zu schnell. Aber, ist das wirklich ein Anfängerfehler? Ich fühle mich da eher mit meiner Geschichte überfordert und versuche so schnell wie möglich alle Handlungsstränge zu Ende zu bringen, damit ich keinen vergesse.
Es hilft da ein bisschen, sich alle Handlungsstränge und das gewünschte Ende aufzuschreiben, dann kann man sich Zeit lassen.  ;D

Das Absatzproblem habe ich übrigens auch. In Word sehen die langen Absätze nicht so doof aus, aber als Normseiten hat man da wirklich auf einer Seite mal überhaupt keinen Absatz und das geht gar nicht...

LG,

Kati

gbwolf

#34
Ein Anfängerproblem sehe ich auch darin, bei Figuren nicht konsequent zu sein. Wenn der Charakter diese und jene Eigenschaften hat, dann wird er manche Situation gegen die Wand fahren, ob es nun in den Plot passt oder nicht. Viele Autoren neigen dazu, dann den Charakter in den Plot zu biegen und er verliert seine Eigenheiten. Es wird nur noch behauptet, der Charakter sei "widerspenstig", "wild", "liebenswert", "gerecht", usw.; entweder erfährt der Leser das durch endlose Gedankengänge oder durch Kommentare anderer (Wobei man durchaus eine Nebenfigur ständig sagen lassen kann, der Charakter betrage sich grauenhaft, wenn dies eben die Meinung dieser Figur ist. Es muss aber deutlich sein, dass es eine Figurenmeinung ist und der Autor dem Leser nicht seine Meinung aufdrücken möchte).

Für mich sind solche Beispiele:
- Elfen/Elben, die genau in dem Augenblick ihre Supersinne verlieren, wenn sie dem Bösen in die Falle tappen müssen
- Frauen, von denen behauptet wird, sie seien unnahbar und kratzbürstig, weil das halt cool ist. Bei der ersten Gelegenheit hüpfen sie aber ohne jede Teenager-Scheu mit dem Charmeur ins Bett und zicken höchstens noch ein wenig herum, wirken aber keine Sekunde des Buches lang emanzipiert oder wirklich "ungezähmt"
- Der geheimnisvolle Mann, der aus Gründen, die absolut nichts mit der Realität zu tun haben keine interessante Frau an seiner Seite haben möchte, sondern ausgerechnet die jammernde Protagonistin. Zahme Hausfrau zu so einem dominanten Kerl, ok, aber freiwillig eine Zicke?
- Eigentlich sollte der böse König weiter böse sein, aber es passt halt besser, wenn sich am Schluss alle lieb haben (Auch umgekehrt: Der gerechte Monarch entpuppt sich dank hahnebüchener Begründung als Bösewicht).

Alia

ZitatIch fühle mich da eher mit meiner Geschichte überfordert und versuche so schnell wie möglich alle Handlungsstränge zu Ende zu bringen, damit ich keinen vergesse.

Mhmm, das Problem habe ich nicht. Allerdings habe ich einen Trick für meinen Job, der da vielleicht nützt. Ich schreibe in fast schon Telegrammstil das Wesentliche auf, schiebe es dann hin und her, bis die Reihenfolge stimmig ist und fange dann von vorne an, die kurzen Sätze durch ausführliche Absätze zu dem Thema zu ersetzen. Bei einer 20 Seiten Klageschrift verliere ich mich sonst total und schreibe absoluten Schwachsinn  :wums:, der mehrfach überarbeitet werden muss, bevor die Kollegen mich halbwegs verstehen.  :schuldig:

Calysta

ZitatWenn der Charakter diese und jene Eigenschaften hat, dann wird er manche Situation gegen die Wand fahren, ob es nun in den Plot passt oder nicht.
Ich glaube das tut den meisten Autoren weh, wenn ihre Charaktere zwar sie selbst sein sollen, aber doch irgendwie in die Geschichte passen. Wenn man seinen Charakter mit 130 Sachen gegen die Wand fahren lässt, passiert danach meist eine ziemlich hässliche Auseinandersetzung, oder der Böse krieg den Elben einfach nicht, weil er so gute Sinne hat. Man sollte aber demnach die Storyline teils um den Charakter herumbauen, weil sich die Geschichte mit dem Charakter verändert/bewegt. Ein Roman steht und fällt mit seinen Charakteren...

Einer meiner liebsten und zugleich schlimmsten Fehlern: Autorenblindheit. Ich hab meinen Anfang 120 mal durchgelesen, diverse Szenen weggestrichen und umgeschrieben. Ich sehe keinen Punkt mehr, an dem er verbessert werden könnte und doch weiß ich "da ist etwas". Aber ich erkenne es nicht mehr.

gbwolf

Zitat von: Calysta am 23. August 2010, 14:44:05
Ich glaube das tut den meisten Autoren weh, wenn ihre Charaktere zwar sie selbst sein sollen, aber doch irgendwie in die Geschichte passen.
Mir scheint es oft eher so zu sein, dass die Charaktere doch nicht so stark sind, wie man das vermutete hat. Vor allem, wenn ich an meine Geschichten denke bis zu dem Punkt, als ich Ende 2008 einen sehr professionellen Kurs zur Figurengestaltung besucht habe. Auch hier braucht es diesen Moment, in dem es einem wie Schuppen von den Augen fällt.
Ich weiß nicht mehr genau, welcher Schreiber (Stein? Gardner) gesagt hat, dass ein Plot sich aus den Charakteren heraus entwickelt und sich nicht die Figuren nach dem Plot biegen. Beim Plotten habe ich mittlerweile eine Grundidee, die ich nicht stark ausarbeite. Erst, wenn die Charaktere stehen, arbeite ich mich von Szene zu Szene durch die Struktur und schaue, wie sie miteinander und mit meinem Problem interagieren. Die Hex hat mir ein schönes Buch empfohlen: Scene & Structure. Dort beginnt auch alles damit, dass der Protagonist ein Problem hat, das er lösen möchte - und zwar auf seine Art.
Natürlich kann das auch mit einem völlig verschulten Stil enden, der irgendwie nach Baukasten aussieht, aber die Kunst ist es ja, diese Statik rechtzeitig zu bemerken und zu umgehen.

Calysta

Zitat von: Die Wölfin am 23. August 2010, 14:51:22
Beim Plotten habe ich mittlerweile eine Grundidee, die ich nicht stark ausarbeite. Erst, wenn die Charaktere stehen, arbeite ich mich von Szene zu Szene durch die Struktur und schaue, wie sie miteinander und mit meinem Problem interagieren.
Ich arbeite ähnlich, allerdings habe ich dabei immer das Problem, dass meine Charaktere sich verselbstständigen. Sie machen dann auch einfach nicht mehr das, was in meinen Charakterbeschreibungen drin steht. Dabei sind alle meine weibl. Protas entweder zickig oder audgedreht und meine männlichen neigen dazu sich selbst auf die Schippe zu nehmen...

Steffi

Zitat. Die Hex hat mir ein schönes Buch empfohlen: Scene & Structure. Dort beginnt auch alles damit, dass der Protagonist ein Problem hat, das er lösen möchte - und zwar auf seine Art.

Das klingt nach etwas, das man sich auf einen Zettel schreiben und über den PC hängen sollte.

Guilty as charged!
Sic parvis magna

Sprotte

Exzessive Kleiderbeschreibungen kann ich noch anführen - wobei es da auf die Art des Romans ankommt. Bei Georgette Heyer gehört es dazu, dort finde ich es auch nicht extrem.
Aber wenn bei jedem Auftauchen der Heroine eine halbe Normseite mit ihrer schicken Kleidung gefüllt wird, dann ist mir das zu viel.

Rika

Zitat von: Sprotte am 25. August 2010, 13:17:02
Exzessive Kleiderbeschreibungen kann ich noch anführen - wobei es da auf die Art des Romans ankommt. Bei Georgette Heyer gehört es dazu, dort finde ich es auch nicht extrem.
Aber wenn bei jedem Auftauchen der Heroine eine halbe Normseite mit ihrer schicken Kleidung gefüllt wird, dann ist mir das zu viel.
Hängt auch damit zusammen, ob die Kleidung denn relevant ist, finde ich. Sagt sie innerhalb der dargestellten Gesellschaft etwas über die sie tragenden Charas aus? Z.B. in einem "Kostümdrama" über Status oder Charaktereigenschaften ("gewagte" Kleidung, "unpassende" Kleidung, Trendsetter, Eleganz...). Dann ist Kleidung relevanter, das muß aber halt auch deutlich werden. Und bleibt trotzdem auch nur "Würze".
Plotrelevant kommt wohl eher seltener vor, außer bei extremen Klimaverhältnissen...

Redwood

Mein Lieblingsfehler liegt wohl auch im Bereich der Cliffhanger:
Mir ist letztens aufgefallen, dass mein Protagonist häufig am Ende einer langen Szene ordentlich etwas auf die Mütze kriegt und sich dann vom Bewusstsein verabschiedet (=Ohnmacht)  :seufz:
Irgendwie krieg ich das nicht in den Griff...

Sternenlicht

Mal ganz provokant: manche Fehler sind auch Geschmacksache. Damit will ich nicht sagen, dass ich diese Regeln für falsch halte. Aber sie sind eben doch nur Anhaltspunkte, weder Erfolgs- noch Misserfolgsgarantie, sondern ein Versuch, zu erklären, wann ein Text "stimmig" oder "gut" ist.


Adjektive - Es wird viel darüber geschrieben wird, wie wenig man sie benutzen soll, aber wenn man in die Buchhandlung geht, 10 Bücher der Sparte "Unterhaltung" durchschaut, scheinen sie offensichtlich doch recht beliebt zu sein. Und oft sind sie auch einfach notwendig. "Sie trank das verseuchte Wasser." ist eben doch ein Unterschied zu "Sie trank das Wasser"

show don't tell - natürlich könnte man jetzt seitenlang darüber schreiben (möglichst ohne Adjektive), wie es dazu kam, dass das Wasser verseucht worden ist, das wird dann von Autorenkollegen möglicherweise hoch gelobt, von dem Durchschnittsleser aber womöglich nur als grottenlangweilig empfunden.

Bandwurmsätze - ein Blick in die sogenannte Weltliteratur zeigt, dass auch 100 Wörter und mehr in einem Satz als akzeptabel oder sogar besonders schön empfunden werden können.

Infodumpartige Beschreibungen von Personen - einmal bitte "Vom Winde verweht" erste Seite aufschlagen. Trotzdem (oder gerade deswegen) liebt die ganze Welt Scarlett O'Hara

Benutzen von Füllwörtern - Siehe "Vom Winde verweht" erster Absatz (und Füllwörter werden seit Goethes Zeiten für ein Problem gehalten)

Churke

Zitat von: Redwood am 25. August 2010, 14:23:09
Mein Lieblingsfehler liegt wohl auch im Bereich der Cliffhanger:
Mir ist letztens aufgefallen, dass mein Protagonist häufig am Ende einer langen Szene ordentlich etwas auf die Mütze kriegt und sich dann vom Bewusstsein verabschiedet (=Ohnmacht)  :seufz:

Bei Karl May kommt das ständig vor und den würde ich nicht als Anfänger bezeichnen.

Überhaupt scheinen mir viele der hier aufgeführten "Fehler" eher die fehlerhafte Ausführung zu sein. Cliffhanger sind nicht immer nervtötend und Info ist immer Dump. Der Fehler des Autors liegt darin, dass er es verkennt. Insofern kann es also genauso verkehrt sein, z.B. "Infodump" heraus zu streichen. Wenn man das bei "Alatriste" täte, würden die Romane ganz erheblich verlieren. Aber der Autor weiß eben, was er sagen will und warum und wie weit er gehen kann.