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Fantasyromane in der Ich-Perspektive?

Begonnen von Wollmütze, 09. März 2010, 16:10:29

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Rika


Luciel

Ich hatte meinen Fantasy-Roman in der ersten Version in der Ich-Form geschrieben, weil ich die Form eigentlich sehr mag. Allerdings musste ich nach einiger Zeit feststellen, dass man im High-Fantasy etliche Salto Mortale schlagen muss, um die Welt irgendwie zu erklären und das ganze nicht zu aufgesetzt klingen zu lassen. Und vieles fällt einfach weg, weil es fast unmöglich ist, eine Person, die in der Welt zuhause ist, alles erklären zu lassen. Ich habe mich irgendwann entschlossen, den Roman auf eine andere Perspektive umzuschreiben und habe es nie bereut.
Beim Urban-Fantasy ist es einfacher, weil man Land, Leute, Technik, Tiere und dergleichen nicht explizit erklären braucht - der Leser kennt sich aus und weiß was gemeint ist. Der Autor kann auf Augenhöhe mit seinem Leser reden, könnte man sagen. Als Autor von High-Fantasy weiß ich aber so viel mehr als mein Leser ...

Cayen

Die Tochter der Königin von Dawn Cook, ist auch in der Ich-Perspektive geschrieben. Ich war ersteinmal überrascht und brauchte ein paar Seiten, bis ich mich hineinfand. Ich hatte zuvor noch nie einen Fantasy-Roman in der Ich-Form gelesen. (Nagut, bis auf die Biss-Reihe.)
Aber ich bin echt positiv überrascht. Man kann sehr gut mit der Hauptperson mitfühlen. Deshalb ist die Perspektive ideal, wenn diese auch im Vordergrund steht. Es ist auch sehr schön, wenn die anderen Personen etwas zu verbergen haben. Von der Umgebung etc. bekommt man in dem Buch jedoch nicht allzuviel mit. Mich hat es nicht gestört, weil ich von den Charakteren so faziniert war. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass Einige ein paar mehr Infos zu Land und Leuten, nicht missen möchten. Wer also detailierte Beschreibungen und weitere Handlungsstränge mag, sollte wohl dann doch die klassische Persektive vorziehen.

Ich könnte mir jedoch gut vorstellen, selbst einmal so etwas zu vesuchen, denn ich mag es sehr wenn man sich in die Hauptperson so gut einfühlen kann.


Andrea

"Die Magier von Montparnasse" von Oliver Plaschka ist aus geschätzterweise 7 Ich-Perspektiven geschrieben. Teilweise sehr verwirrend, passt aber bei dem Buch irgendwie gut.

Ich denke, die Ich-Perspektive funktioniert am besten, wenn man einen sehr charakterbezogenen Roman schreibt. Also wie bei "Der Name des Windes", in dem es ja explizit um Kvothe Geschichte geht und nicht um das Schicksal irgendeiner Welt. Für Geschichten mit epischen Schlachten und solchen Dinge eignet sie sich wohl eher weniger.

Nycra

Also mir fallen da ganz eindeutig die "Schwestern des Mondes" von Yasemin Galenorn ein.

Was mich dabei fasziniert hat, war, dass die einzelnen Bücher jeweils aus der Perspektive einer Schwester geschrieben ist. Es ist eine Reihe mit mittlerweile 6 Büchern, die abwechselnd von den einzelnen Mädels erzählt wird. Dabei gehen die Protas immer auf ihre jeweilige Perspektive zu den Erlebnissen der anderen Schwestern ein (zusätzlich zu ihren eigenen Abenteuern). Am Anfang fand ich es grausig, mittlerweile bewundere ich die Autorin für Ihr Durchhaltevermögen...

Lili ist auch aus der Ich-Perspektive geschrieben, weil es für diesen Roman einfach passt. Ich denke, es kommt hier stark auf die Situation an. Die "Wächter" hätte ich nie in der Ich-Form schreiben können. Dazu hätte ich die ganze Welt aus Sicht meiner Prota beschreiben müssen, was gar nicht möglich gewesen wäre. Da Lili sich die Erfahrungen mit den Drachen erst machen muss und der Leser unsere aktuelle Welt eigentlich kennen dürfte (Ausnahmen bestätigen die Regel), musste ich hier nicht viel erklären und konnte einfach loslegen. Bei einer neugeschaffenen Welt denke ich, ist das eher schwierig.


Drachenfeder

Ich schließe mich der Wölfin voll und ganz an.
Mir ist sofort "Die Tribute von Panem" eingefallen. Ich-Perspektive + Präsens.
Ich musste mich erst mal sehr dran gewöhnen, da ich die Ich-Erzählung nicht ganz so liebe und Romane in der Gegenwart, soweit ich mich erinnern kann, noch nie gelesen habe.
Aber es hat mich überzeugt, dass es trotzdem toll geschrieben sein kann.
Wobei ich weiterhin eher Abstand davon halte.

Ich selbst habe auch schon mal in der Ich-Perspektive geschrieben, was jedoch nur eine Kurzgeschichte von 5 Seiten war. Hat sehr viel Spaß gemacht und ist mir leicht gefallen. Doch bei größeren Projekten bevorzuge ich die 3. Person. Da habe ich den Rundumblick.



thewingedshadow

Ich mag die Ich-Perspektive.
Besonders wenn es Charaktere sind, mit denen ich mich gut identifizieren kann. Aber wenn es gut geschrieben ist, kann ich mich mit allem identifizieren. *schmunzel*
Es wundert mich dass keiner noch Avala - Die Zeit des Adlers erwähnt hat von Sherryl Jordan. Es gibt auch andere Bücher von ihr aber ich hab auch nicht alle gelesen und kann also nicht sagen ob sie noch andere in der Perspektive hat.
Ach und Polgara die Zauberin von David und Leigh Eddings fällt mir noch ein. Ist immer noch eines meiner Lieblingsbücher. Besonders die Szene mit der Erbsensuppe oder was das auch immer war.
"Oder willst du, dass es dir eines Tages ins Bett gekrochen kommt?"

Und ich selbst schreibe gerade mein Hauptprojekt auch in der Ich-Perspektive. Es ist aber auch so aufgebaut, dass der Prota, jetzt alt und gebrechlich, bei sich zu Hause sitzt und beschließt, Memoiren zu schreiben, da er helluva lot Sachen erlebt hat und sie der Nachwelt erhalten will.
Manchmal gibt es da auch Sätze wie "Ich erinnere mich noch genau, wie..." oder "Heute würde ich es nicht mehr tun, aber damals...".
Und es hat sich noch keiner beschwert.

Simara

Auf Anhieb fallen mir da nur die "Vampirchronik" (also "Gespräch mit einem Vampir und co.) ein. Ich selber sehe meine größte Schwäche in der Ich-Perspecktive, versuche allerdings aus genau diesem Grund gerade einen Übungs-Roman auf diese Art zu schreiben. Selber lessen tuhe ich solche Romane nur wenn sie wirklich gut sind, denn, meiner Meinung nach ist es einfach zu sehr auf eine einzige Figur versteift.

Steffi

Zitat von: Joscha am 09. März 2010, 16:33:24
Ganz klar, für mich eines der besten Fantasy-Bücher, die es zur Zeit gibt, ist "Der Name des Windes" von Patrick Rothfuss. Das ist in der Ich-Perspektive geschrieben und hat meine Einstellung zu dieser Erzählperspektive auch deutlich zum Positiven verändert.

Das unterschreib ich so. Und es wird auch ziemlich schön erklärt, warum nur die Ich-Perspektive funktioniert, denn Kvothe erzählt ja seine Lebensgeschichte.

Noch 10 Monate bis zum zweiten Band... *seufz*
Sic parvis magna

Fatua

Jemand hatte bereits die Farseer-Trilogie von Robin Hobb erwähnt. Die Bücher sind mitreißend geschrieben und gerade auch aufgrund der Ich-Perspektive fühlt man richtig mit. Auch hier wird übrigens wieder die Lebensgeschichte einer Person erzählt, das scheint ja ein oft zutreffendes Kriterium zu sein.

Mein momentanes Projekt schreibe ich auch in der 1. Person. Allerdings tue ich mich manchmal ebenfalls schwer, weil ich unsicher bin, ob die Geschichte nicht langweilig wird oder zu sehr auf die Hauptperson fixiert ist. (Die Büchertipps werde ich mir also auch zu Herzen nehmen...)

Tokanda

Da fällt mir doch gleich der Zyklus "Das Geheimnis von Askir" ein. Richard Schwartz gelingt es darin ziemlich gut, die Geschichte aus der Ich-Perspektive zu erzählen.
Vielleicht etwas Action-lastig geschrieben... Hat allerdings den Vorteil, dass man sich wirklich nicht langweilt.  ;D

Maria

Ich habe die ersten hundert Seiten für ein Projekt in der Ich-Perspektive begonnen, weil mir einige Fernsehserien gefallen, wo man die Stimme der Hauptperson das Geschehen kommentieren hört.

Nach einer Weile musste ich aufgeben, nicht allein wegen der Welt und den Erklärungen dazu, sondern weil die Figur des ich ein junger Barbar war und ich Zweifel hatte, glaubhaft männlich genug zu klingen.

Runaway

Mir fällt spontan das Valashu-Epos von David Zindell ein, beginnend mit "Der magische Stein". Das ist in der Ich-Perspektive geschrieben und von gewissen Langatmigkeiten abgesehen ganz schön. Schade nur, daß der vierte Teil nie übersetzt wurde, den habe ich dann auf Englisch gelesen.

Ich schreibe aktuell in der Ich-Perspektive und habe auch mein Buch "Himmelsfeuer" aus der Ich-Perspektive erzählt - komplett bis auf den Anfang. Der Prolog ist aus einer anderen Perspektive erzählt.
Anfangs mußte ich mich da echt dran gewöhnen, weil man nicht mehr so schön springen kann und in der Perspektive total beschränkt ist, denn man kann ja eigentlich nur noch das erzählen, was der Ich-Erzähler gerade erlebt. Das kann aber auch gerade sehr reizvoll sein.
Ich muß allerdings meiner Vorrednerin zustimmen - man ist da geschlechtlich irgendwie beschränkt, ich schreibe auch nur aus der Ich-Perspektive von Frauen, weil ich nun mal eben eine bin ;)

Waffelkuchen

Die Bartimäus-Bücher von Jonathan Stroud sind auch zu wenigstens 50% in der Ich-Perspektive geschrieben. Da funktioniert das auch außerordentlich gut und da mag ich auch das etwas Schwafelnde sehr gerne, weil es so ironisch ist. (Gut, als "klassische" Fantasy würde ich das auch nicht bezeichnen.)

Ich lese auch generell gerne in der Ich-Perspektive, das macht für mich als Leser eigentlich keinen großen Unterschied- wenn es gut gemacht ist.
Ich bin bis jetzt immer noch davor zurückgeschreckt, sie selbst zu verwenden. Aber ich hab mir fest vorgenommen, es zumindest mal auszuprobieren, wenn mir eine dafür geeignete Idee vor die Füße flattert.
Ich heb mein Glas und salutier dir, Universum / Dir ist ganz egal, ob und wer ich bin
Du bist ungerecht und deshalb voller Hoffnung / Ich setze alles, warte auf den Wind
Fremde - Max Herre, Sophie Hunger

Smaragd

Was mir noch einfällt, ist die Alcatraz-Reihe von Brandon Sanderson, läuft als Fantasy für Junge Erwachsene. Die ist auch komplett in der Ich-Form geschrieben und gehört zu den wenigen Büchern, bei denen mich die Ich-Form nicht stört, weil immer wieder Selbstironie dabei ist und der Protagonist mir dadurch sympathisch ist. Grob gesagt erzählt der Protagonist seine Lebensgeschichte, womit wir wohl wieder beim Klassiker für die Ich-Form wären.