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Wie viel (Voraus-)Planung braucht eine Buchreihe? Was tun als Discovery Writer?

Begonnen von Malou, 01. Mai 2021, 10:14:48

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Nikki

Ich glaube, ich habe als Discovery Writer angefangen und bin während des Schreibens zu einer Plotterin geworden. Ich kann zumindest von meinen anfänglichen Erfahrungen erzählen, als ich meine Monster-Serie (der Name rührt nicht nur von den Figuren, sondern auch vom Umfang her ...) begonnen habe.

Innerhalb von 4 Jahren habe ich die gesamte Geschichte (550.000 Wörter) heruntergeschrieben. Einfach drauf los, maximal auf Rechtschreibung und Grammatik überprüft, bevor ich sie kapitelweise Freund*innen zum Lesen ausgehändigt habe. Scheinbar wusste ich im Vorfeld genau, wie viele Kapitel es geben wird und wie diese heißen werden - womit der inhaltliche Schwerpunkt bereits feststand. Die Charaktere haben sich nebenbei ergeben. Ich hatte zwar ein von Anfang an festgelegtes Stammpersonal, aber wenn die Handlung eine*n neue*n Antagonist*in oder Helferlein gebraucht hat, habe ich die einfach dazu geschustert. Das hat man gemerkt. Diese Figuren waren einzig und allein auf ihre Funktionen begrenzt und hatten so gut wie keine Persönlichkeit.

Ich stecke nun inmitten der Überarbeitung jener Urversion drinnen und kann mich glücklich schätzen, dass ich trotz dieser schier endlosen Geschichte immer wiederkehrende Spannungsbögen drinnen habe, anhand derer ich die einzelnen Bände abstecken kann. Es ist also eine Struktur vorhanden, die mir beim Schreiben als solches nicht bewusst war.

Womit ich mir tatsächlich sehr schwer getan habe, war der Anfang. Das liegt wohl vor allen daran, dass mir, angesichts meines umfangreichen Personals, nicht sofort klar war, wer eigentlich meine Protagonist*innen sind. Ich habe einen 50-90seitigen Prolog verworfen, der in der Endversion nicht viel mehr als die Hintergrundgeschichte zweier Figuren ist, die hin und wieder angedeutet wird.

Das als kleine Zusammenfassung meines LeidensSchreibweg.  ;D Folgende Punkte halte ich für existentiell, wenn du eine komplexere Geschichte beginnst, ohne alles im Vorfeld ausgelotet zu haben:


  • Was ist der Kern deiner Geschichte? Der sollte in einem Satz zusammengefasst werden können. Das ist der Haupthandlungsstrang deiner Geschichte. Du kannst tausende Nebenhandlungsstränge haben, doch alle sollten auf den einen zurückgehen, der deine Geschichte ausmacht. In meinem Fall wäre das der Auserwählten-Mythos.
  • Figuren - du solltest einerseits wissen, was für eine Rolle jede einzelne deiner Figuren in der Geschichte spielt, aber auch die Richtung kennen, in die sie sich entwickelt. Hypothetisches Beispiel: Eine Figur erfüllt die Funktion, um jemanden zu verraten. Okay. Damit sollte die Geschichte dieser Figur aber noch nicht zu Ende erzählt sein, sonst ist für die Leser*innen schnell klar, dass sie nichts anderes als ein plot device ist. Vielleicht erkennt die Figur ihren Fehler und mausert sich in Laufe der Geschichte zu jemanden, ohne deren Hilfe deine Held*innen ihre Aufgabe nicht erfüllen können?
  • Setze Ankerpunkte. Zwei habe ich schon vorgestellt: den Haupthandlungsstrang und die Figuren. Gibt es noch andere Elemente, ohne die deine Geschichte nicht auskommen kann oder auf die du nicht verzichten willst? Diese Ankerpunkte verlangen keinerlei Rechtfertigung, es reicht, wenn du sagst: Das will ich schreiben! Wenn du willst, dass Einhörner in deiner Geschichte vorkommen, dann lass sie vorkommen und beginne ein Netz aus Figuren, Handlungssträngen und anderen Ankerpunkten, auf die du nicht verzichten willst, zu spannen, um alles in eine Beziehung zueinander zu setzen.

Ich denke, mehr braucht es am Anfang nicht wirklich. Je mehr Ankerpunkte du hast, desto komplexer und griffiger wird deine Geschichte. :)

ZitatMir ist klar, dass man niemals jedes Detail wissen kann, aber es graut mir davor, eine tolle Geschichte zu verbauen, nur weil mir in einem der nächsten Bände etwas Geniales einfällt, was dann nicht mehr eingebaut werden kann, weil Buch 1 schon steht und dem entgegengeht

Das ist ein Risiko, mit dem du leben musst. Nach dieser Devise dürften gar keine Bücher veröffentlicht werden, weil irgendwann der Geistesblitz kommen könnte, der das Bisherige in den Schatten stellt. Besser geht immer und perfekt gibt es nicht. Darum ist es wichtig, sich im Vorfeld darüber klar zu werden, was deine Ankerpunkte sind und diese aufeinander einzustimmen. Wenn dir hier keine groben Schnitzer passieren, dann ergibt sich der Rest relativ von selbst.

Du kannst Band 1 nachträglich nicht neu schreiben, aber du kannst in den Folgebänden versuchen, deine neuen Erkenntnisse einzuflechten und die Geschichte in eine andere Richtung zu treiben. Nichts ist absolut. Wenn du wirklich eine Story hast, die Stoff für mehrere Bände hergibt, dann hast du einen gewissen Spielraum, in dem du dich von deinen bisherigen Prämissen und Plänen entfernen kannst.

Wenn deine neuen Pläne wirklich überhaupt nicht mit den vorherigen Bänden* vereinbar sind, dann solltest du dich mit dem Gedanken anfreunden, dass der neue Handlungsbogen, die neuen Figuren etc. in einer neuen Geschichte besser aufgehoben sind.

*Ich gehe jetzt davon aus, dass diese Bände bereits veröffentlicht sind, wenn der Fall eintritt, bei dem man glaubt, anders wäre es besser gewesen. Wenn es wirklich nur darum geht, ein noch nicht veröffentlichtes Manuskript zu überarbeiten, dann ist das dann viel Arbeit, aber kein Ding der Unmöglichkeit. Es ist dann wie Domino. Veränderst du ein Element, musst du überprüfen, welche Auswirkungen das auf die restlichen hat und musst dementsprechend reagieren.

ZitatAuf die Gefahr hin, dass das eine doofe Frage ist - lässt man denn das Outline wen sehen um zu beurteilen, ob das "gut" und logisch ist? Klar, dass mit einer Outline prinzipiell mehr Linie drin ist (höhö), aber ich stelle mir eben immer noch die Frage, ob man das unter Verschluss hält oder nicht... Denn man kann auch eine Outline schreiben, die zwar logisch aber "kacke" ist bzw besser sein könnte.

Meine LektorInnen kennen die Outline meiner Serie nur in den gröbsten Zügen. Das liegt daran, dass ich genau weiß, wohin ich will, aber auch offen für unvoreingenommene Meinungen bin. Ich rechne damit, dass mir jederzeit jemand Logiklücken vorhalten könnte und plane dementsprechend bzw. bin dementsprechend flexibel, um diese zu füllen. Wenn mir jemand sagt, "bist du dir bewusst, wie das wirkt? Willst du das so?", dann bin ich offen dafür, um diese Kritik umzusetzen. Natürlich habe ich im Hinterkopf dabei, wohin ich mit dieser Figur will und prüfe, ob diese Außenwirkung vereinbar mit ihrer späteren Entwicklung ist. In den Plotgruppen habe ich mein Projekt schon vorgestellt, wo ich mich entweder mit konkreten Fragen an andere Personen wende oder an der Einschätzung von gewissen Dingen/Figuren/etc. interessiert bin. Wenn ich selbst unsicher bin, weil sich etwas unrund oder nicht ganz richtig anfühlt, dann hole ich zusätzliche Meinungen ein, doch das betrifft nicht wirklich grundlegende Dinge, weil ich da zu überzeugt bin, um mich umstimmen zu lassen.

Ich denke, es ist wichtig, sich immer vor Augen zu halten, dass Fehler gemacht werden, aber auch genauso leicht wieder aus der Welt geschafft werden können, wenn man zu ihnen steht. :)

Malou

@Sonnenblumenfee Danke fürs Verschieben!

Zitat von: Gizmo am 05. Mai 2021, 18:04:27

Mittlerweile fahre ich sehr gut damit, mir Eckpunke für das Projekt zu setzen. Ich muss zumindest wissen, wie ich anfange und wie der Schluss aussehen soll. Dazu am besten noch ein Wendepunkt. Dann habe ich ein festes Ziel, auf das ich zuschreiben kann, auch wenn ich dazwischen in einzelnen Teilen hin und herspringe. Während ich dann schreibe, halte ich die Eckpunkte in einer Outline fest und aktualisiere sie um meine Einfälle, sodass ich quasi die Outline während des Schreibens erhalte. Will ich etwas ändern, weil ich einen guten Einfall habe (oder das zumindest glaube) trage ich ihn ein und kann leichter sehen, wie er sich auf die bestehenden Teile auswirkt.


Ich werde ausprobieren, ob mir das hilft, danke dafür!  :jau:

@Mefisto Coole Idee mit den Stationen, vielleicht könnte es helfen, zumindest die Orte, an denen es stattfinden wird, zu kennen und dann kommen einem sicherlich auch bereits Ideen  :D

@Nikki Eine sehr ausführliche Antwort! Du hast natürlich Recht, das Risiko, dass einem später noch was Besseres einfällt, verschwindet nie. Vielleicht werde ich mit zunehmender Übung auch mehr zum Plotter (was tatsächlich einiges erleichtern würde  ;D), aber gleichzeitig gefällt es mir auch, selbst nicht (wirklich) zu wissen, was passiert. So habe ich weniger das Gefühl, auf ein bestimmtes Ziel hinzuarbeiten, was im Moment noch eher eine blockierende Wirkung hat. Ich kann auch keine Ziel festlegen, wie viele Wörter ich pro Tag schreiben will, weil mich das innerlich nervös macht, wenn ich merke, ich schaffe das nicht. Ich bin eigentlich ein sehr zielgerichteter Mensch, aber wenn es um Kreativität geht, funktioniere ich einfach anders. Zumindest noch. Natürlich habe ich jetzt auch regelmäßig damit zu kämpfen, mich zu fragen, ob es überhaupt gut und logisch ist, aber zugleich ist es spannend, sich vor den PC zu setzen und zu denken, OK und wohin geht es jetzt?
Ich arbeite sehr ernsthaft an dem Roman und stelle regelmäßig alles in Frage, hoffe, das kommt jetzt nicht schludrig rüber  ;D Man müsste nur mal meinen unfassbaren Haufen an Notizen sehen  :o Aber genau deswegen habe ich diesen Thread ja auch eröffnet, weil es eine richtige Herausforderung ist, den Faden nicht zu verlieren. Hätte ich bereits eine echte Wahl, würde ich mich definitiv doch mehr zum Plotten entscheiden, aber die unzähligen Versuche wurden jedes Mal von der Realität über den Haufen geworfen  :idee:

Vielen Dank für die Hilfe!
»Anders als die Kultur, die die Unterschiede zwischen uns betont, die Menschen und Gruppen voneinander trennt, verbindet die Natur uns miteinander. In ihr sind alle Menschen gleich.« (Der Gesang des Eises, Bakic)

Nikki

Bei mir hat es sich tatsächlich auch eher ergeben, Plotterin zu werden - wobei ich sehr selten konkrete Plotmethoden anwende. Ich liebe es nur zu planen und zu konstruieren und herumzuschrauben, Fitzelarbeit ist genau mein Ding. Deswegen liebe ich das Plotten und Überarbeiten, aber nicht so sehr das Schreiben des tatsächlichen ersten Entwurfes.  ;D
Ich kann mich noch erinnern, dass ich mich beim Schreiben der Urversion riesig auf das 20. Kapitel gefreut habe, weil für da das Erscheinen meiner Lieblingsfigur geplant war. Heute würde ich einfach direkt diese Szene schreiben, als zu warten, bis die 19 Kapitel davor geschrieben sind.

Meine Hand würde ich nicht dafür ins Feuer legen, wie sich meine Schreibanfänge (und diese sind ident mit dem Erstentwurf meines Mammutprojektes) genau abgezeichnet haben. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich aus einer inneren Überzeugung heraus genau wusste, wie die Geschichte verlaufen soll. Es gibt sporadische Notizen aus dieser Zeit, in der ich die Kapitel benannt und gepitcht habe, bei denen ich mir genauso ziemlich sicher bin, dass sie vor dem eigentlichen Text da waren. Das heißt, ich habe im Vorfeld skizziert, wohin ich wollte und dann einfach drauf losgeschrieben. Viel mehr Planung war da nicht. Mit den üblichen Fallstricken eben und fehlender Schreibroutine, was dazu geführt hat, dass ich alles neu schreiben durfte, damit es auch für Leute lesbar ist, denen nicht aus reiner Sympathie zu mir meine Texte gefallen.

ZitatIch arbeite sehr ernsthaft an dem Roman und stelle regelmäßig alles in Frage, hoffe, das kommt jetzt nicht schludrig rüber 

Wie du auf andere wirkst, soll deine geringste Sorge sein. Die Hauptsache ist, dass du eine oder mehre Schreibmethoden gefunden hast oder dabei bist, sie zu finden, die für dich funktionieren. Das Allesinfragestellen kenne ich und ist auch bis zu einem gewissen Grad gesund, weil es das schriftstellerische Ego, ein unfehlbares Genie zu sein, in Schach hält. Erst wenn diese Einstellung in die Richtung kippt, in der du ständig dein eigenes Urteil kritisierst und Zweifel Anerkennung überwiegen, wird sie destruktiv.

Wir Autor*innen haben nicht nur die Kreativität gemeinsam, sondern auch eine unbeschreibliche Ausdauer, um Fehler zu machen und aus ihnen zu lernen. :) Es ist noch kein*e Meister*in vom Himmel gefallen, also lass dich nicht von dem Gedanken entmutigen, dass bei dir gefühlt alles länger dauert als bei anderen. Über Schreiberfolge lässt sich öfter und lieber reden als über Flops. ;D

Exlibris

Ich habe einmal eine Reihe zusammenhängender Kurzgeschichten "aus dem Bauch heraus" geschrieben. Damals umfasste mein Veröffentlichungsplan als Redakteur einen Beitrag pro Woche und ich wollte mich ein wenig austoben. Im Endeffekt wurde die Geschichte weitaus länger als angenommen und wies am Ende einige Mängel auf. In puncto Kurzgeschichten bleibe ich zwar ein "Discovery Writer", aber bei längeren Projekten tut Planung Not.

@Mefisto Ich ähnele dir in meinem jetzigen Schreibverhalten (zumindest nehme ich es an, da ich schließlich noch keinen "richtigen" Roman verfasst habe).
"Turning history into avantgarde"
- Krzysztof Penderecki

Manu_Barget

Da meine größte Herausforderung ja ist, Projekte zu beenden, sind meine Erfahrungen mit Vorsicht zu genießen – wobei ich dieses Problem gerade angehe und es bisher ganz gut läuft. Ich bin übrigens Plotterin, alles andere funktioniert für mich einfach nicht. Ich habe mich allerdings selbst bewusst davon abgehalten, die Fortsetzungen im Voraus im Detail zu plotten, weil Plotten bei mir sonst zu einer Form des Prokrastinierens werden kann und ich gar nicht mit dem eigentlichen Schreiben anfange.

Ich habe in den ersten Monaten dieses Jahres eine Geschichte geschrieben, bei der sich im Laufe des Plottens herausgestellt hat, dass es wohl mindestens eine Fortsetzung geben muss und beim Sammeln von groben Ideen für die Fortsetzung ist dann eine Trilogie daraus geworden. Einfach, weil der serienübergreifende Plot dann stimmiger und runder wird. Teil 1 habe ich ausführlich geplottet (und inzwischen in der Rohfassung runtergeschrieben), für die beiden anderen Teile habe ich eine grobe Vorstellung, was der Hauptkonflikt wird und ein paar unzusammenhängende Ideen. Ich kann also für Band 2 und 3 nur grob in 1-2 Sätzen zusammenfassen, was passieren wird.
Bei meinem aktuellen Projekt ist es ähnlich – das ist auch ein Trilogie-Auftakt, bei dem ich Band 1 bereits geplottet und vor Kurzem mit dem Schreiben angefangen habe. Bei Band 2 und 3 weiß ich grob den Hauptkonflikt und habe ein paar Ideen aufgeschrieben, die mir beim Brainstormen für Band 1 gekommen sind, damit sie nicht vergessen gehen. Die groben Plots für die Fortsetzungen sind jeweils während des Plottens von Band 1 entstanden.

Wie gut es am Ende funktioniert, auf diese Art eine Trilogie auf die Beine zu stellen, wird sich herausstellen, aber ich bin eigentlich zuversichtlich. Ich kenne ganz grob den übergreifenden Plot und die Hauptkonflikte der Folgebände, kann also sicherstellen, dass sich die Konflikte zuspitzen und es später keinen Durchhänger gibt, und alles Weitere wird sich schon ergeben, wenn ich den nächsten Band dann plotte. Ich weiß ja bei Band 1 bereits grob, wohin sich die Trilogie entwickeln soll. Noch weniger Wissen über die Fortsetzungen würde bei mir allerdings nicht funktionieren.

NatNat

Zitat von: Malou am 01. Mai 2021, 10:14:48
- Plottet ihr schon grob für die anderen Bände? 
Ich würde mich selbst auch als Pantser (Discovery Writer) beschreiben. Dennoch plane ich immer ein wenig, damit keine Plotholes entstehen.
Mir kommen die Ideen meistens wie Filmszenen in meinen Kopf, viele lasse ich dort, um später darauf zurückzugreifen. Einige halte ich fest. So ergibt sich dann ein grober Handlungsstrang, den ich verfolgen kann - von dem ich aber auch manchmal abweiche.
So auch bei mehreren Bänden.
Ich schau mir an, was ich schreiben könnte, denke darüber nach, lasse meine Charaktere im Geiste verschiedene Situationen durchgehen.
Und je nachdem, was ich als wichtig erachte, wirds aufgeschrieben.
Dazwischen bewegen sich meine Charaktere von selbst - immerhin ist das Leben nicht planbar und damit lasse ich ihnen einen gewissen Freiraum.


Zitat von: Malou am 01. Mai 2021, 10:14:48- Wie sieht euer Outlining dann aus? Wisst ihr schon genau, wie das Ende aussieht?
Zum Beispiel so:
- Hannah lernte ihn nachts kennen, versuchte zu fliehen
- Später: Hannah arrangiert sich damit, versucht, ihre Erwartungshaltungen runterzuschrauben, findet ihren Platz in der Welt.
- Viel Später: Krieg zeichnet sich ab.
- Ending A: Hannah stirbt, weil sie sich opfert; Ending B: Hannah überlebt, weil sie flieht und ihre Freunde zurücklässt; Ending C: Hannah kämpft mit und sie gewinnen gemeinsam.

Dazwischen bewege ich mich dann hin und her - auch das Ende kann sich noch ändern.
Habe mir diesen Handlungsstrang (Himmel, er ist grauenvoll XD) eben aus den Fingern gesaugt, weil ich es daran gut verdeutlichen kann.


Zitat von: Malou am 01. Mai 2021, 10:14:48- Habt ihr euch schonmal durch (zu) wenig Planung bestimmte Ideen / Möglichkeiten "versaut"

Ja. Und dann hat mich das so genervt, dass ich das gesamte Ding umgeschrieben habe - seitdem plane ich zumindest ein wenig. Minimal. Also ... zumindest die groben Handlungsstränge. Die Arbeit mache ich mir kein zweites Mal.

Pintana

Ich gehöre ja auch zu den bekennenden Nicht-Plotter. Ich fühle mich oft schon eingeengt, wenn ich mehr als den angestrebten Schluss kenne, bevor ich mit einem Projekt anfange :rofl: Wenn ich mich an Plots versuche, dann halten die meistens nur ein paar Seiten, bis die Figuren ein Eigenleben entwickeln und ich mich entscheiden muss: Weiterschreiben ohne Plan- sprich Plot vergessen-, oder wegen bockiger Figuren (Ja, die sind immer sehr eigensinnig und weigern sich, dem Willen ihrer Autorin zu folgen) und gleich aufgeben? Deshalb schreibe ich ohne viel Planung, schnell und wenn dann viel, weil ich sonst den Faden verliere und die Geschichte dann auf der Festplatte vergammelt.

Für meine Projekte habe ich mir ein paar Hilfstechniken angeeignet, die mir den Überarbeitungsaufwand etwas verringern. Die sich im Endeffekt auf eine Art ausführliches Notizsystem reduzieren lassen. Sowas wie plotten beim Schreiben, quasi.
1.: Beschreibungen ausführlich notieren. Mein Lieblings Fehler ist Inkonsistenz bei den Figuren, nicht im Charakter, ihrer Funktion oder so, aber in den Feinheiten. Beispielsweise wechselten ständig die Augenfarben oder die Figur hatte beim ersten Auftritt einen Tick, den ich dann einfach vergessen habe. Sowas wird also jetzt notiert (Charakterkarten- aktuell direkt im Schreibprogramm, sehr hilfreich, geht aber auch mit einer Excel Tabelle). Da kopiere ich Beschreibungen rein, die andere Figuren abgeben, sollte ich die Perspektive Wechseln wird mit vermerkt, wer die Beschreibung vorgenommen hat.

2. Schlüsselsätze sortiert aufheben
Schlüsselsätze, also wortgenaue Formulierungen, die wieder aufgegriffen werden sollen werden genauso gesammelt. Wer was zu wem sagt und welche Idee beim in den Fließtext schreiben verfolgt wurde. Darunter fallen auch Ankündigungen, Prophezeihungen und Vorausdeutungen aller Art.   

3. verfügbare Gegenstände Aufschreiben
Meine Figuren bekommen mittlerweile sowas wie ein Inventar in Videospielen. Dann weiß ich immer, was sie noch mit sich rumschleppen und was sie eigentlich gar nicht gebraucht hätten, damit ich in der Überarbeitung überflüssgies Rauswerfen oder vorher in der Rohfassung direkt verarbeiten kann.

4. Aufgeworfene Fragen auf Notizzettel schreiben und nach Abarbeitung sofort weg damit.
Wenn ich Fragen aufbringe, oder wichtige Hintergründe andeute gibts einen Notizzettel, auf dem sich das alles sammelt und nach und nach abgearbeitet wird.

5. spontane Einfälle
Spontane Einfälle, die sich mittlerweile auf vollständige Szenen auswachsen, einfach runterschreiben, sobald sie mir einfallen. Bisher habe ich versucht, sie für die entsprechende Stelle aufzuheben, aber das funktionierte nicht. Damit ist die Geschichte nicht mehr ganz chronologisch erzählt, aber das hilft wirklich, sich nicht zu verrennen, alles, was nicht passt wird dann eben einfach nicht ins Manuskript gepackt.

6. Plotholes
Wenn beim Schreiben Plotlöcher auffallen, ihr ahnt es, werden die direkt notiert.

Daraus hat sich ein buntes Sammelsurium an verschiedenen Notizzetteln ergeben, die ich im Dokument anlege und entsprechend nutze.

7. Plotten im Nachhinein
Die Rohfassung steht, aber wo beim Überarbeiten anfangen. Der zwischenschritt wichtiges von unwichtigem zu trennen ist unbequem, aber hilfreich: Exposé schreiben. Alles, was darin keinen Platz hat, gehört nicht zur obersten Prioität für die Handlung und muss kritisch überprüft werden.

Eins bleibt, wenn man damit fertig ist dann immer noch: Überarbeiten, überarbeiten, überarbeiten. Auch eine meiner größten Schwächen, aber leider grade für  Bauchschreiber unbedingt notwendig. Das wichtigeste dabei ist und bleibt aber: Aufs eigene Gefühl bzw. den Bauch vertrauen, immerhin kommen da ja irgendwie auch die Geschihten her ;D, was hilfreich ist und was blockiert zeigt einem nur Ausprobieren.

Malou

@Exlibris @Manu @NatNat @Pintana
Lieben Dank für eure Rückmeldungen und das Teilen eurer Erfahrungen!  :vibes:

@Manu
ZitatIch kenne ganz grob den übergreifenden Plot und die Hauptkonflikte der Folgebände, kann also sicherstellen, dass sich die Konflikte zuspitzen und es später keinen Durchhänger gibt
Wenn einem das möglich ist, macht es natürlich sehr viel Sinn, das vorher festzulegen! Bei mir selbst kam es jetzt nur schon mehrmals vor, dass ich es mir vorher festgelegt hatte und dann habe ich mich doch dazu entschieden, die Szene im Voraus zu schreiben (selbst wenn es ein Folgeband war, hab schon sehr viele Schnipsel der Folgebände geschrieben) und zack, da stellte sich raus, es ging woanders hin. Mir ist da vlt auch einfach nicht zu helfen  ;D aber ich versuch's fleißig weiter und freu mich, wenn die Tipps anderen helfen  :vibes:

Insofern wäre mein Tipp aus meiner bisherigen Erfahrung, nicht davor zurückzuschrecken, bereits Szenen aus Folgebänden zu schreiben. So sieht man oft, wie gut die Idee tatsächlich umsetzbar ist und auch, ob sich die Charaktere benehmen wollen oder einen mit der Nase voran auf einen anderen Verlauf stoßen (oder schmerzhaft schleudern, je nachdem ;D)

@NatNat
ZitatIch schau mir an, was ich schreiben könnte, denke darüber nach, lasse meine Charaktere im Geiste verschiedene Situationen durchgehen.
Finde ich gut, wenn man das schon durchspielt. So merkt man evtl. schon, ob es gut ist bzw. was die Charaktere jetzt schon wieder anstellen wollen (und kann mal drüber nachdenken, ob man da mitgehen würde)  :engel:

Zitat- Wie sieht euer Outlining dann aus? Wisst ihr schon genau, wie das Ende aussieht?
ZitatHabe mir diesen Handlungsstrang (Himmel, er ist grauenvoll XD) eben aus den Fingern gesaugt, weil ich es daran gut verdeutlichen kann.
Haha  ;D Finde aber das mit den verschiedenen Möglichkeiten fürs Ende gut (Ende A, B, C). Da hat man dann ein paar Überlegungen, die gut in die Story passen würden und kann die Story/ den Charakter / das Worldbuilding angleichen. Wenn man es noch gar nicht weiß, kann da am Ende manchmal eine böse Überraschung warten. Man schreibt ein wundervolles Ende und merkt dann, dass dem Chara ein Skill dafür fehlt oder die Magie in der Hinsicht nicht funktionieren könnte und das ist dann  :brüll:

:o Wie hast du denn diesen coolen Hüpfsmiley hingekriegt? Den will ich auch!  :bittebittebitte:


@Pintana
Ohhh, das ist ja mal eine hilfreiche "Anleitung"! Da sind so viele gute Anregungen drin, dass ich einfach mal fürs Gesamtpaket sage: Richtig gut, da werde ich mir sicher was abgucken  :wolke:
»Anders als die Kultur, die die Unterschiede zwischen uns betont, die Menschen und Gruppen voneinander trennt, verbindet die Natur uns miteinander. In ihr sind alle Menschen gleich.« (Der Gesang des Eises, Bakic)

NatNat

Zitat von: Malou am 04. Juli 2021, 11:21:54

@NatNat
ZitatIch schau mir an, was ich schreiben könnte, denke darüber nach, lasse meine Charaktere im Geiste verschiedene Situationen durchgehen.
Finde ich gut, wenn man das schon durchspielt. So merkt man evtl. schon, ob es gut ist bzw. was die Charaktere jetzt schon wieder anstellen wollen (und kann mal drüber nachdenken, ob man da mitgehen würde)  :engel:

Zitat- Wie sieht euer Outlining dann aus? Wisst ihr schon genau, wie das Ende aussieht?
ZitatHabe mir diesen Handlungsstrang (Himmel, er ist grauenvoll XD) eben aus den Fingern gesaugt, weil ich es daran gut verdeutlichen kann.
Haha  ;D Finde aber das mit den verschiedenen Möglichkeiten fürs Ende gut (Ende A, B, C). Da hat man dann ein paar Überlegungen, die gut in die Story passen würden und kann die Story/ den Charakter / das Worldbuilding angleichen. Wenn man es noch gar nicht weiß, kann da am Ende manchmal eine böse Überraschung warten. Man schreibt ein wundervolles Ende und merkt dann, dass dem Chara ein Skill dafür fehlt oder die Magie in der Hinsicht nicht funktionieren könnte und das ist dann  :brüll:

:o Wie hast du denn diesen coolen Hüpfsmiley hingekriegt? Den will ich auch!  :bittebittebitte:


Danke, das mit den verschiedenen Endings habe ich mir angeeignet, weil ich das Problem oft hatte, dass ich in eine vollkommen andere Richtung gelaufen bin.
Das Problem ist, meine Charakter "leben" in meinem Kopf. Ich kann mit ihnen kommunizieren.
Das führt aber dazu, dass sie teilweise ihre ganz eigenen Wege gehen - wenn ich die nicht vorausplane, macht die Geschichte, was sie will  :rofl:

Äh, den Hüpfsmilie durfte ich eigentlich gar nicht benutzen. Hab ihn jetzt gelöscht. War Hotlinking, habe den Punkt, wo das verboten ist, leider überlesen gehabt  :brüll: :ithurtsandstings!:

Anderland

Ich hoffe sehr, dass folgender Aspekt nicht bereits angesprochen und von mir konsequent überlesen wurde:

Die Frage ist ja auch, wann genau ein neuer Band beginnen soll/muss und ob das notwendig erscheint. Hat jedes deiner Bücher beispielsweise 200 Seiten, könnte man durchaus auch einen 600-Seitigen Wälzer daraus bauen - Es sei denn, es bietet sich vom Plot her an, in drei oder zwei "kürzere" Geschichten zu unterteilen. Tut es das nicht, steht einem Einzelband mit hoher Seitenzahl ja auch nichts im Weg. Gerade die Fantasy-Leser sind längere Bücher ja gewohnt.

Leider habe ich noch kein Buch verfasst, da ich eher Geschichten schreibe. Würde ich es aber tun, würde auch ich die für mich essentiellen Plottpunkte aufschreiben. Das würde ja bereits gesagt.
Habe ich nun also meine - sagen wir 30 - wichtigen Plottpunkte, gewichte ich diese nach Bedeutsamkeit und Spannung von beispielsweise eins bis fünf. Wenn ich dann sehe, dass die wichtigsten Punkte sich alle nacheinander sammeln, überlege ich mir ob die Reihenfolge der Punkte variabel ist und ändere sie entsprechend. Wenn ich dann am Ende eine überarbeitete Liste der Wichtigsten Punkte habe, kann ich daraus ja einen Spannungsbogen sehen. Entsprechend des Spannungsbogens ließe sich dann gut entscheiden, ob es wohl letztendlich auf einen Einzelband, zwei, drei, fünf oder zehn Bände hinausläuft.

Ich schreibe auch hauptsächlich in der Discovery-Writing-Technik und mir wurde von meiner anderen Hälfte mal das Kartenspiel "Fabula" geschenkt. Kann ich für Zwecke des Plottens nur weiterempfehlen.