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Antagonistische Kräfte ohne Antagonisten

Begonnen von Shin, 30. August 2012, 06:39:43

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Shin

Hallo, ihr Lieben!

Zu reichlich später Stunde (ja, mein komischer Rhythmus, ich weiß), lässt mich ein Thema nicht los, über das ich mir schon seit Wochen den Kopf zerbreche.
Also lade ich hier mal wieder zu einer kleinen Diskussionsrunde ein. (Wenn der Thread hier nicht hingehört, verschiebt ihn bitte, liebe Mods, ich wusste aber wirklich keine ansonsten passende Rubrik).

Ich habe seit geraumer Zeit das Gefühl, ich schreibe Soaps. Und das wurmt mich tierisch.
Wenn ich auf die kurzen und langen Geschichten zurück blicke, die ich bisher geschrieben habe, fällt mir auf, dass viele eine Eigenschaft gemein haben: Sie haben keinen Antagonisten.

Glück ist langweilig, Drama ist gut und ich lass es meinen Charakteren schlecht gehen. Aber es fehlt der große Bösewicht oder der heimtückische Fadenzieher im Hintergrund. Ich habe keinen Antagonisten, den meine Protagonisten bekämpfen. Viel mehr habe ich das Gefühl, meine Protagonisten bekämpfen sich gegenseitig, ehe sich die Situation in Wohlwollen löst. Okay, es gibt zwischenzeitlich ein paar böse Charaktere, die noch etwas Salz in die Wunden streuen, aber die tragen nicht zum Hauptkonflikt bei. (Panik! Habe ich überhaupt einen Hauptkonflikt?)

Als Beispiele:
- Zwei Studenten, die sich um ein Mädchen kloppen. Beide gehören zum selben Werwolf-Rudel - anonym. Als einer die Identität des Anderen heraus findet, ist noch größerer Stress angesagt.
- Schwuler Student und homophobes Gegenstück müssen sich ein Zimmer im Wohnheim teilen. Als der homophobe sein Gedächtnis verliert, lernt er seinen Mitbewohner quasi neu kennen und rastet aus, als er sein Gedächtnis zurück erlangt.
- Mein Mondschattendrama: Vampir rettet Incubus, findet dann heraus, dass dieser Nachfahre seines Feindes ist, kann sich nicht entscheiden, ob er den Kleinen tötet oder nicht.

Das sind alles Geschichten, die mir selbst gefallen oder gefallen haben, die in sich funktioniert haben, aber... Aber! Da fehlt doch etwas, oder nicht?
Ich muss mir gerade einen Leser vorstellen, der sich diese Dramen antut und am Ende denkt: "Und jetzt? Was habe ich davon mitgenommen? Was war eigentlich der Knackpunkt der Geschichte? Was wollte mir der Autor eigentlich mitteilen?"
Wenn ich mir meine Geschichten und groben Plots im Kopf ansehe und unter diesem Aspekt betrachte, verliere ich langsam die Achtung vor ihnen (und vor mir). Schreibe ich Geschichten in RTL-Nachmittagsshow-Qualität?
Vor allem weiß ich, dass ich nicht der Typ bin, der große Schlachten oder packende Katastrophen schreiben kann. Bei mir stehen eben immer die Charaktere im Vordergrund. Deshalb habe ich meist auch so wenige Darsteller. Ich beschreibe ja kein Ereignis, sondern einen Lebensabschnitt.

So langsam verzweifel ich echt daran und stelle alles in Frage...

Habt ihr schon einmal eine Geschichte ohne Antagonisten geschrieben? Nur mit antagonistischen Kräften?
Kennt ihr vielleicht sogar ein bekanntes Beispiel?
Oder habt ihr euch allgemein einfach über das Thema Gedanken gemacht?

Schon mal Vielen Dank für eure Antworten!

lg Shin
"Sometimes all I'm ever doing is trying to convince myself I'm alive."
- Daisy The Great
"It's OK, I wouldn't remember me either."         
- Crywank           

Alessa

Eine Geschichte kann auf jeden Fall ohne personifizierten Antagonisten funktionieren. Auch der innere Konflikt eines Protas kann den Anta ersetzen. In einem von meinem Projekten habe ich diese Variante gewählt und die Geschichte war in sich geschlossen und hat funktioniert.

Aber ebenso können Naturgewalten oder andere Ereignisse den Anta ersetzen. Mir fallen da zwar jetzt keine Bücher ein aber Filme: Vulkano, Titanic und Armageddon sind gute Beispiele dafür.

Es muss nicht immer der große Bösewicht sein, der aus einem Mauerblümchen die große Heldin formt. Ein Prota kann dies auch durch den Kampf letztlich gegen sich selbst schaffen und siegen. Der Wille, gegen sich selbst zu kämpfen hat genauso viel Potenzial (vielleicht sogar noch mehr), wie das (meist) erzwungenermaßen herbeigeführte Ziel, den personifizierten Anta zu bekämpfen.

Tika

#2
Da gebe ich Alessa absolut Recht und es ist auch vollkommen unerheblich, ob es sich um einen Roman oder einen Film handelt, denn beide Medien erzählen Geschichten.
Wenn Geschichten ohne personifizierten Antagonisten RTL-Niveau wären, dann würde z.B. Dirty Dancing, Seite an Seite, Vom Winde verweht, der alte Mann und das Meer, Schnee auf dem Kilimandscharo und viele Andere Geschichten darunter fallen. Du stimmst mir sicher zu, dass das blanker Unsinn wäre.
Ein Antagonist kann alles sein, gegen dass man Kämpfen muss. Ob es ein Geist, eine Person, ein brennender Vulkan, der innere Schweinehund, Das Klassensystem, eine Krankheit, Depressionen, Selbstzweifel und Selbstverleugnung, oder Vorurteile sind... da sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt.


Ary

Shin, ich glaube, bei den Ideen brauchst Du wirklich keinen personifizierten Antagonisten, weil Du in den Charakterkonstellationen schon genug Konfliktpotential hast, damit es ordentlich knistert. Da kannst Du viel mit den Spannungen zwischen den Charakteren machen, mit den inneren Konflikten, den herrlichen Gewissensqualen. ich arbeite auch gern mit unsichtbaren Antagonisten beziehungsweise nicht wirklich fassbaren Bedrohungen als antagonistische Kraft. Ganz einfach, weil ich Bösewichter nicht gut schreiben kann und sie bei mir entweder zu größenwahnsinnigen Witzfiguren oder zu tragischen Nebenhelden mutieren.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Kaeptn

Ein gutes Fantasy-Beispiel: Peter V.Brett, Das Lied der Dunkelheit

Da gibt es diese Dämonen, die Nachts auftauchen und alles niederwalzen, aber die sind im Grunde auch eine Naturgewalt. Es gibt keinen personifizierten antagonisten, abgesehen von einem Dämon der mal 2-3 Auftritte hat.

Shin

Hmm...
Da bleibt für mich noch die Frage: Was erwartet der Leser?
Eine gute Moral am Ende? Nur Unterhaltung?
Ist der alleinige Konflikt der Personen wertvoll genug, um zum Denken anzuregen?
Oder bleibt am Ende doch eine gewisse Enttäuschung?
Es ist ja auch ein bekanntes Phänomen, dass die Bösen eine große Fangemeinde hat. Meine Freundin ist zum Beispiel nie auf der Seite der Guten.
Kann man solchen Lesern überhaupt genug bieten?

Und geht das alles gerade über meine Anfangsfrage hinaus...? ;)

Ich finde das Thema irgendwie ziemlich schwierig. Vor allem mit dem Aspekt, dass ich wirklich glaube, nichts Anderes schreiben zu können. Das ist doch ein ziemliches Hinkebein.
"Sometimes all I'm ever doing is trying to convince myself I'm alive."
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Waffelkuchen

Zitat von: Shin am 30. August 2012, 08:37:43Da bleibt für mich noch die Frage: Was erwartet der Leser?
Das kann man meiner Meinung nach nicht beantworten, weil das total individuell ist. Und selbst bei mir schwankt es, weil ich an jedes Buch mit einer anderen Erwartungshaltung rangehe. Mal soll es Unterhaltung sein, mal will ich bewusst schweren Stoff und was zum Nachdenken.

Abgesehen davon ziehe ich ein Szenario, in dem das Konfliktpotential allein in den Protagonisten steckt, einem schlecht geschriebenen, scherenschnitt-mäßigen Antagonisten jederzeit vor. Gute Antagonisten haben natürlich ihren Reiz, keine Frage, aber wenn die Geschichte so glaubwürdig ist und funktioniert, dann reicht es mir. Ich mag aber auch stillere Bücher, die nicht auf jeder Seite irgendeinen Knall drinhaben und viel Wert auf Innenansicht legen.

Wenn es dich beruhigt: Ich habe das Gefühl, nur mit vielen Protagonisten bzw. "Heldengruppen" schreiben zu können, die entstehen bei mir immer automatisch, ohne, dass ich viel dazutue. Und die Tatsache an sich nervt mich tierisch - aber andererseits macht mir das auch einfach am Meisten Spaß. Bewusst anders zu schreiben, das kommt vielleicht in der Zukunft dran. Aber so lange ich Spaß habe und das Gefühl, dass das zu den Geschichten passt, mache ich weiter. Wieso auch nicht?

Wenn du aber total unsicher bist, ob das bei dir überhaupt funktioniert, dann such dir Testleser. Viele Testleser. :) Aber allein von der Fakten her sehe ich nicht, wozu du einen Antagonisten brauchst und krampfhaft einen einbauen solltest, nur um einen zu haben. Du kannst es sowieso nicht allen Lesern recht machen. ;)
Ich heb mein Glas und salutier dir, Universum / Dir ist ganz egal, ob und wer ich bin
Du bist ungerecht und deshalb voller Hoffnung / Ich setze alles, warte auf den Wind
Fremde - Max Herre, Sophie Hunger

der Rabe

Hey Shin,

mir fällt als Beispiel gerade nur Herr Mozart wacht auf ein, in dem es (soweit ich es gelesen habe :versteck:) auch keinen "echten" Anta gibt. Aber wenn ich mein Bücherregal mal durchgehen würde, könnte ich dir bestimmt auch noch einige andere nennen.

Ich hab auch häufig keinen richtigen Anta in meinen Geschichten und finde das auch ganz OK. Wie Tika schon schrieb, gibt es genug andere Sachen, gegen die man kämpfen kann. Und ich finde das auch ganz in Ordnung, wenn man nicht immer das Klischeebild eines Antagonisten hat.

Wenn es bei dir gerade so läuft, würde ich mir keine Gedanken darüber machen. Testleser suchen finde ich einen guten vorschlag, oder du setzt dich mal bewusst hin, und denkst dir eine Geschichte mit einem richtigen Anta aus. Vielleihct stellst du ja dann fest, dass das gar nicht dein Ding ist - im Augenblick. Ich hab im Frühjahr meine erste realistische Geschichte so geschrieben und war ganz überrascht, dass es geklappt hat.

Ich würd mir einfach nicht zu viele Gedanken darüber machen. :knuddel:

Mit Gruß,
vom Raben
   :rabe:
Bist du erst unten im Tal angekommen, geht es nur noch bergauf. (C) :rabe:

Tika

Zitat von: Shin am 30. August 2012, 08:37:43
Da bleibt für mich noch die Frage: Was erwartet der Leser?

Entschuldige, wenn ich das jetzt so sagen, aber wenn du nun beginnst dich dieser Frage ernsthaft zu stellen, dann bürdest du dir eine Last auf, die dafür sorgen wird, dass du am Ende nie wieder irgendetwas schreibst, ohne das Gefühl zu haben, dass es vielleicht doch nichts taugt.

Es gibt so viele Menschen auf der Erde und es ist Wahnsinn jedermanns Geschmack treffen zu wollen. Das kann man nicht schaffen. Im Gegenteil, man blockiert sich dadurch nur selbst.

Davon ab, will der Leser doch auch eine gewisse Auswahl haben. Der eine liest Krimis, der andere Fantasy, wieder ein anderer lieber Romanzen usw. Wenn jetzt jeder Autor nur noch Thriller schreibt (egal ob er z.B. in Historischen Romanen viel besser wäre), weil er/sie glaubt, dass die Masse genau das haben will, dann verleugnet er 1. seine Individualität und 2. gäbe es keinerlei Auswahl mehr. Alles wäre Einheitsbrei und der Leser fühlt sich um seine eigenen Möglichkeit, eine Wahl zu haben betrogen.

Dasselbe was für das Genre gilt, kannst du auch in die Art und weise, wie eine Geschichte umgesetzt wird übertragen. Wenn jedes Buch einen personifizierten Antagonisten hätte, würde Lesen als solches todlangweilig.

Ich kann dir nur raten, vergiss den Leser, vergiss die Regeln - erzähle deine Geschichte so gut du kannst.

Ary

Beim Schreiben schon an die mögliche Erwartungshaltung der Leser zu denken, bremst nur aus, bei mir ist es jedenfalls so. Immer wenn ich denke, das ist doch Schrott, das will dich keiner lesen, endet es damit, dass ich tagelang nicht schreibe und am Ende in einer Blockade lande. Wie Tiak schrieb, Leser sind so unterschiedlich wie nur was, das merken wir ja hier schon bei den Lieblings-und Grausbüchern. was einer toll findet, mag der nächste überhaut nicht. Schreib, wie es sich für dich richtig anfühlt, dann such dir ein Rudel Testleser. :)
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Mogylein

Was meine Geschichten angeht, geht es mir ähnlich wie dir, Shin. Obwohl sie alle ziemlich unterschiedlich sind, haben die meisten doch keinen personifizierten Antagonisten.
Ich denke, zum einen Teil liegt das daran, dass ich die meisten Antagonisten einfach platt finde, ihre Beweggründe lasch sind, ich einfach nicht viel mit ihnen anfangen kann. Auf der anderen Seite gibt es auch einfach Geschichten, die ohne einen "bösen" Gegenspieler funktionieren und denen ein personifizierter Bösewicht eher schaden würde. Deine Beispiele fallen für mich in diese Kategorie.

Aber:
Für mich gehört es zum Verbessern dazu, mich aus meiner Komfort-Zone zu bewegen! Ich habe sozusagen nie Antagonisten geschrieben und mich sehr wohl damit gefühlt - zu wohl. Also wage ich mich jetzt an eine Geschichte, in der es einen klassischen Antagonisten gibt, um mich an etwas zu wagen, was ich noch nicht so gut kann und was mir schwerfällt. Ich bin mir sicher, dass ich durch diese Geschichte viel lernen werde und einiges für spätere mitnehme. Es ist viel schöner, sich für oder gegen einen Antagonisten zu entscheiden, wenn man beides beherrscht und die Entscheidung ganz von dem abhängig machen kann, was für die Geschichte am besten ist.
   "Weeks of Writing can save you hours of plotting."
- abgewandeltes Programmiersprichwort

Nurelie

Ich gebe Tinka recht. Es ist eine riese Bürde sich die Frage zu stellen was der Leser erwartet. Wenn du anfängst für den Leser zu schreiben dann kann nichts gutes dabei herauskommen. (ist meine Meinung). Das Schreiben soll ja DIR Spaß machen und DU sollst Freude haben. DU sollst eine Geschichte erzählen wollen. Ob deine Geschichte dann Leser findet sollte etwas sein, dass dich dann interessiert oder beschäftigt wenn deine Geschichte veröffentlicht ist.

Bezüglich Antas finde ich haben deine Beispiele eh welche. (wow, wie simple man sich ausdrücken kann ;)) z.B. Homophober Typ. Ja, er wird dann wahrscheinlich für einen Moment als nett empfunden werden und vielleicht fangen ihn Leute auch an zu mögen, aber im Hinterkopf ist er immer noch das A****loch (zumindest für Leute die nichts gegen Homosexualität haben).

Aber ich verstehe was du meinst. Für mich ist es tausend mal schwerer einen anständigen, interessanten Anta zu kreieren wie einen Prota.

Alana

#12
Ich denke auch, dass eine Geschichte ohne Antas funktioniert und deine Beispiele klingen auch so schon sehr konfliktbeladen. (Wer hätte gedacht, dass das tatsächlich was positives ist ;D)
Was mir als Leser wichtig wäre ist, dass die Geschichte eine eindeutige Frage aufwirft, die am Ende beantwortet wird. Das kann alles mögliche sein. (Wird der homophobe am Ende "bestraft" oder sieht er seine Fehler ein? Der Vampir muss in meinen Augen am Ende eine eindeutige Entscheidung treffen, was den Incubus angeht, etc.) Ich muss also das Gefühl haben, dass die Geschichte einen eindeutigen Abschluss hat und dass der Prota irgendeine Wandlung durchgemacht hat (aber davon gehe ich bei deinen Geschichten aus). Denn sonst plätschern die Geschichten für mich einfach nur so dahin.
Wenn das gewährleistet ist, dann kannst du meiner Meinung nach problemlos auf einen Antagonisten verzichten und das ist auch mal was Neues und ganz erfrischend. (Auch wenn ich einen guten Anta sehr zu schätzen weiß.)
Und von wegen Seifenoper: Ich sehe nicht, was daran schlecht sein soll (auch wenn ich verstehe, dass dich das nervt). Seifenopern handeln von den alltäglichen Dingen, die uns alle bewegen, und deswegen sind sie auch so erfolgreich. Was deine Geschichten davon abhebt, ist das Niveau, nicht das Thema. Nimm mal die Romane von Cassandra Clare, die sind eigentlich eine einzige Seifenoper.
Alhambrana

Nayoni

Zitat von: Tika am 30. August 2012, 09:39:53
Davon ab, will der Leser doch auch eine gewisse Auswahl haben. Der eine liest Krimis, der andere Fantasy, wieder ein anderer lieber Romanzen usw. Wenn jetzt jeder Autor nur noch Thriller schreibt (egal ob er z.B. in Historischen Romanen viel besser wäre), weil er/sie glaubt, dass die Masse genau das haben will, dann verleugnet er 1. seine Individualität und 2. gäbe es keinerlei Auswahl mehr. Alles wäre Einheitsbrei und der Leser fühlt sich um seine eigenen Möglichkeit, eine Wahl zu haben betrogen.

Ich kann dir nur raten, vergiss den Leser, vergiss die Regeln - erzähle deine Geschichte so gut du kannst.

Da muss ich mal ganz kurz gegenhalten: Meine Geschichten entstehen aus dem Anspruch heraus, den Leser an ein gewisses Genre haben. Schreibe ich ein Märchen, ist meine erste Frage, welche Moral das Märchen in sich tragen soll, schreibe ich Fantasy, entscheide ich mich für ein Hauptthema (Freundschaft, Identitätssuche, Liebe, Umweltfreundlichkeit etc.) und entwickle daraus meine Charaktere und deren Konflikte, damit der Leser sich in seinem Lieblings-Genre mit einem Thema auseinandersetzen kann, das in dieses Genre passt. Zum Glück sind gerade der Fantasy ja kaum Grenzen gesetzt, was die Themen angeht.

Ich mag Antagonisten im Fantasy Bereich sehr gerne und kann dich, Shin gut verstehen, wenn du dir nun deine Gedanken machst. Aber deine Charaktere scheinen viel Konfliktpotential in sich zu tragen und dürften daher auch alleine funktionieren, vor allem wenn du das Hauptthema nicht aus den Augen verlierst. Insofern sehe ich das wie Alana: Es sollte eine große Frage / ein Thema geben, das am Ende beantwortet wird. Und um die Frage beantworten zu können, sollten am besten  Opfer gebracht werden, egal ob es im Kampf mit dem Antagonisten geschieht oder in der innerlichen Auseinandersetzung der Protas.

Linda

#14
Hallo Shin,

am meisten Wumms kannst du erzeugen, indem du kombinierst. Im "Eiswolf" habe ich einen Antagonisten im Hintergrund, der erst im letzten Drittel (beider Handlungsstränge) auftaucht. Der augenscheinlichste Antagonist in diesem Arktis-Setting ist die Natur. Beide feindlichen Kräfte zusammen führen dann dazu, dass schwelende Konflikte angefacht werden, und schließlich die Figuren selbst aufeinander losgehen.

Ich würde mich einfach mal auf ein anderes Konzept einlassen und sehen, wie es läuft. Was hast du schonz u verlieren, wenn du mal eine Geschichte um einen Antagonisten planst? Du verkaufst damit ja nicht gleich deine schreiberische Seele an eine dämonische Wesenheit.
Ausprobieren, Neues kennenlernen, das gehört auch zur Kreativität dazu. Hinterher ist man schlauer und hat vielleicht eine ganz neue Seite des Erzählens entdeckt.

Aber möchtest du überhaupt Wumms, nur weil du Fantasy schreibst? Oder willst du im tiefsten Inneren nicht doch lieber Beziehungsdramen, Entwicklungs- oder Liebesgeschichten schreiben?
Dann sind andere Arten von Antagonisten möglich. Der böse Ex-Partner,  das eigene alte Ego, die Dreieckskonstellation mit einem bösen Nebenbuhler etc.

Gruß,
Linda