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Handwerkliches => Workshop => Thema gestartet von: Franziska am 05. April 2016, 21:09:31

Titel: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Franziska am 05. April 2016, 21:09:31
Es wundert mich, dass wir keinen Thread zum Thema haben, falls doch, habe ich ihn nicht gefunden. Ich merke immer wieder, dass es mir schwer fällt den zentralen Konflikt in einer Geschichte zu finden und somit auch, einen Spannungsbogen zu kreiren. In Schreibratgebern liest man immer wieder, dass Konflikte ganz wichtig sind. Ich finde es zwar etwas übertrieben, jede Szene mit einem Konflikt zu beenden, aber man braucht natürlich schon einen in der Story, sonst ist es ja langweilig.
Man hat einen Protagonisten, der eine Motivation hat und etwas will, etwas anderes steht ihm im Weg.=Konflikt, vereinfacht ausgedrückt.
Wobei ich sagen würde, der Antagonist kann genausogut etwas im Protagnonisten selbst sein, was überwinden muss.
So ist es ja häufig in Liebesgeschichten. A libt B, B liebt A auch, muss das aber erst realisieren, nachdem er sein Trauma aufgearbeitet hat oder so.
Natürlich kann man nichts wirklich Neues erfinden, aber ich merke doch, dass ich viele Geschichten gleich aufbaue, mit dem gleichen Konflikt. Das will ich eigentlich nicht. Ich habe Figuren, ich weiß, wie es endet, aber ich finde keinen Plot, weil ich keinen Konflikt finde, der sich so als Plot aufbauen lässt, dass man die klassische Romanstruktur rausbekommt. Ich habe auch schon viele Plottipps gelesen, aber die gehen eigentlich immer davon aus, dass man den Plot eigentlich schon hat und ihn nur ausarbeitet. Wenn ich in High Fantasy das Thema habe, Nation A kämpft gegen Nation B, oder bösen Magier etc. ist es recht klar. Beim Krimi ist es denke ich auch nicht so schwer. Aber gerade bei Romance, Romantasy oder realistischen Jugendbüchern finde ich es recht schwer.
Daher würde mich mal interessieren, wie ihr vorgeht. Denkt ihr überhaupt darüber nach? Habt ihr irgendeine Strategie, um einen Konlikt, Spannungsbogen und Plot zu finden, der die Leser an die Seiten fesselt?
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Tanrien am 05. April 2016, 21:18:42
Ganz spannend und etwas, was man vielleicht verwenden kann/im Bewusstsein haben kann, wenn es darum geht, aufbauende Konflikte auch in verschiedenen Phasen zu entwickeln, um sie beispielsweise auch zu unterbrechen, sind schlicht die theoretischen Konfliktstufen, etwa nach Glasl: https://de.wikipedia.org/wiki/Konflikteskalation_nach_Friedrich_Glasl

Überhaupt gibt es sehr viel Theorie zu Konfliktforschung. Eher auf Englisch, aber auf Deutsch gibt es auch ein paar prominente Vertreter. Natürlich nicht nur zwischenmenschlich und im Bereich Mediation, sondern auch zwischen Staaten und Gruppen und so weiter, die ich jedem nur ans Herz legen kann, der da ein paar Ideen braucht und von der akademischen Seite nicht abgeschreckt ist. Da kann man ganz viel rausholen, auch wenn es natürlich nicht fürs Schreiben ausgelegt ist. (Wer da Literaturvorschläge will, falls das jemanden interessiert, kann mich anschreiben. Dann hab ich das ganze nicht umsonst studiert, hah. ;) )

Generell entwickel ich meine Konflikte am Plotschema entlang, also für jeden Konflikt (sprich, jede Entwicklung) einen Plotstrang mit dem typischen Ablauf etwa vom 7-Punkte-Plot. Ich will aber irgendwann auch mal oben erwähnte Schemata mehr ausprobieren, damit die Konflikte - gerade alles, was "größere" Ereignisse anspricht, also etwa Jahrhunderte dauernde Familienfehden und so weiter, die gar keinen Plotstrang haben und nur kurz vorkommen - realistischer wirken.
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Maubel am 05. April 2016, 21:36:56
Meistens kommen mir die Konflikte gleich mit der Plotidee und so richtig planen tue ich die selten, was heißen soll, die internen entstehen bei der Charakterentwicklung und die äußeren waren in der Idee schon da. Letztere sind dann meistens die, die ich aktiv plane, wenn ich nämlich fest stelle, dass meine Geschichte mehr Spannung braucht. Äußere Konflikte können sehr vielfältig sein:

*Streit/Kampf
*schlechtes Wetter
*Unfall
*Bus verpasst u.ä.
*unwegiges Gelände
*Alkohol/Drogen
*Überfall
*Zeitrahmen (Held findet einfach keine Zeit sich um dies und das zu kümmern und alles wird schlimmer oder ablaufende Zeit)
*Rivalität
*Krankheit
*uvm

Intern sieht das nicht minder vielfältig aus, da gibt es:

*Ängste zu überwinden
*Traumata zu verarbeiten
*schlechte Eigenschaften ablegen
*Sucht überwinden
*konkurrierende Ziele
*Missverständnisse
*uvm

Aber wie nun konstruieren? Mein Rezept dazu wäre (willkürliches Beispiel Romanze):
1) Ziele aller beteiligten für den Plot generell oder die Szene festlegen - z.B. A möchte die große Liebe finden, B ist der beste Freund und liebt A
2) Hindernisse/Konflikte finden - z.B. A weiß nicht, dass B A liebt, B traut sich nicht das zu sagen und will A in ihrem Ziel unterstützen (Konflikt)
3) Folge - z.B. A stürzt sich von einer Beziehung in die nächste, B bleibt außen vor
4) Folgen der Folge ;) - z.B. A findet nicht den richtigen, B sieht wie A immer verletzt wird...
5) Verkomplizierung - B hat genug davon daneben zu stehen und trifft unverhofft C, mit der er etwas anfängt. A freut sich, aber irgendwie doch nicht so recht
6) Folgen von 5) - C und A verstehen sich nicht, B ist unglücklich, B stellt fest, dass er doch A liebt aber C nicht verletzten will.
...
Bis sie endlich alles überwinden und ihr Ziel erreichen oder sich dieses ändert, auch das ist schön :)
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Voitei am 05. April 2016, 21:37:33
"Größere" Ereignisse- gutes Stichwort. Oftmals finde ich die Handlung eines Romans viel zu sehr auf den Protagonisten bezogen. Jedoch sind es erst die Hintergrundgeschichten der anderen Charaktere, die eine Handlung in's Rollen bringen. Angie Sages Romanreihe "Septimus Heap" dreht sich um das Schicksal des jungen Zauberers Septimus, jedoch wird in fast jedem Buch gut die Hälfte der Geschichte aus der Sicht anderer erzählt, was natürlich auch Konflikte nachvollziehbarer macht. Tatsächlich sieht man sogar den "Bösewicht" und seine getreuen nicht als namenlose Dunkle, wie es in vielen anderen Geschichten der Fall ist, sondern eben auch nur Menschen, die, wie der Prota, etwas erreichen wollen.

Meine ganz persönliche Methode/ Empfehlung: In Klischees denken und dann langsam das Klischee zu etwas neuem, unerwarteten ablenken, jedoch mir Finesse, damit dies niemand auf den ersten Blick durchschaut. Negativbeispiel: Statt dem Prinzen, der seine Prinzessin rettet, gibt's eine Prinzessin, die ihren Prinzen rettet. Positives Beispiel: Statt die Prinzessin zu retten ist es dem Prinzen ganz recht, dass sie weg ist, da er sie eh nicht mochte.

Andere "modifizierte" Klischees (natürlich überspitzt):
Eine Jungfrau, die Drachen tötet
Ein Prinz, der seinen Thron loswerden will
Ein blutrünstiger Barde
Eine große Prophezeiung, die jedoch eigentlich für jemand anderen bestimmt war
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Ary am 05. April 2016, 21:53:34
Danke für den Thread, Franziska, mit den berühmten Konflikten habe ich auch immer so meine Probleme. Ich habe schon sooo oft angefangene Bücher an Testleser gegeben, weil ich das Gefühl hatte, sie sind langweilig. Und immer kam dann die Antwort: Klar, da fehlt Konflikt.
Urgs.
Meistens wird mir das gesamte Konfliktpotential erst klar, wenn ich schon ein Stückchen geschrieben habe und sich so langsam herauskristallisiert, wo ich mit der Geschichte hinwill. Gerade analysiert mein Hirn meinen letzten Nano-Roman und findet einiges an Konflikt.

- Zwei befreundete Völker wollen über ein Gebirge, das ihre Länder voneinander trennt, eine Pass-Straße bauen, aber die Bewohner des Gebirges stellen sich dagegen.
- Der König im Norden will deswegen Krieg anfangen, während Thronfolger und dessen Berater das Ganze lieber friedlich lösen wollen.
- Der Thronfolger und sein Berater sind beste Freunde, allerdings kann der Prinz nicht damit umgehen, als er zufällig rausbekommt, dass sein Berater schwul ist
- Die Prinzessin des Volkes im Süden will, um Frieden zu schaffen, eine Vernunftehe mit dem Thronfolger des Bergvolkes eingehen, doch ihre Mutter ist dagegen
- Die Hohepriesterin der Mondgöttin (und Mutter des schwulen Beraters) stellt nach einem Gespräch mit dem Botschafter des Südvolkes fest, dass sie eventuell einen Passus in ihren religiösen Regelwerken, der Homosexualität als "widernatürlich" darstellt, vollkommen falsch interpretiert hat, und hadert deswegen mit ihrem Glauben, hofft aber zugleich, dass damit die Seele ihres Sohnes "gerettet" ist

Das ist für meine Verhältnisse eine ganze Menge.
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Franziska am 05. April 2016, 21:55:54
@Tanrien das ist ein interessanter Tipp, darauf wäre ich auch nicht gekommen, mich würde das besonders in Hinsicht auf die psychologisch zwischenmenschliche Ebene interessieren. In Hinsicht auf Konflikte zwischen Staaten finde ich es aber auch interessant, sich reale Konflikte anzugucken oder eben Konflikttheorien. Ich fände es schon nett, mehr darüber zu erfharen.

Das 7 punkte Modell ist an sich gut, passt aber auch nicht überall oder ich weiß nicht, wie ich es anwenden soll. Besonders schwer finde ich es, wenn man mehr als zwei Protagonisten hat.

@Votai:Ja, Klischees durchbrechen finde ich auch immer gut. Aber gerade bei Romance hat man ja doch immer die gleichen Muster.
qMaubel: Dein Beispiel wäre ja auch so ein 7 Punkte Plan.
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Fianna am 05. April 2016, 21:57:43
Zitat von: Franziska am 05. April 2016, 21:09:31
Daher würde mich mal interessieren, wie ihr vorgeht. Denkt ihr überhaupt darüber nach? Habt ihr irgendeine Strategie, um einen Konlikt, Spannungsbogen und Plot zu finden, der die Leser an die Seiten fesselt?
Bei mir ist es eigentlich genau umgekehrt, ich plotte mit Konflikten. Als erstes habe ich einen Konflikt im Kopf, teilweise auch schon, wie ich ihn auflösen will und/oder die Person, die Handlungsträger ist. Der Konflikt ist immer zuerst da.

Ich bin von dem Thema auch ein bisschen besessen, ich plotte auch Kurzgeschichten so: innerer Konflikt des Protagonisten, äußerer Konflikt des Protagonisten, handlungsbedingter Konflikt (äußerer Konflikt, der die Handlung anstößt), manchmal bekommt der Antagonist oder Sidekick auch noch einen verpasst, der seine Motivation erklärt oder der ihn in der Hilfe des Helden behindert.

Diese Konflikte fliegen mir einfach zu, wenn ich etwas lese oder schaue. In der Handlung wird ein Konflikt nicht konsequent durchgezogen, anders aufgelöst, untergeordnet behandelt oder einfach ignoriert, ich denke mir erstmal nur als Konsument "Oh, das ist ja schade / das hätte ich anders erwartet" - und meistens setzt sich diese Idee dann fest.
Und ich mache aus diesem Konflikt eine Kurzgeschichte oder Novelle.
Manchmal hängen die sich direkt in meinem Kopf fest, teilweise schreibe ich sie auch auf. Da steht dann ein kryptischer halber Satz wie "Er beschützt ihn nur, weil er ihn selbst töten will", (Gut, ich habe ein unkryptisches Beispiel gewählt  ;D), der sich eigentlich nicht stringent zu einem Roman / Film zurück verfolgen lässt, und ich greife dann irgendwann darauf zurück, wenn mir Ziel / Konflikt / Motivation von einer Figur fehlt oder wenn ich eine Kurzgeschichte schreiben will.
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Lothen am 05. April 2016, 22:03:53
Ich denke, die meisten Konflikte auf Personenebene ergeben sich durch ganz banale Dinge:
* Missverständnisse (klassisch z.B. das Vier-Ohren-Modell (https://de.wikipedia.org/wiki/Vier-Seiten-Modell))
* divergierende Wünsche oder Lebensentwürfe (z.B. Kind vs. Karriere)
* oppositionelle Charaktereigenschaften (sanftmütig vs. launisch, perfektionistisch vs. entspannt)
* unterschiedliche Erwartungen an eine Person
* unterschiedliche Bedürfnisse

Da könnte man, z.B., ganz gut mit einem Cluster arbeiten: Was ist der Ausgangspunkt des Konflikts, welche weiteren Probleme stößt das an und worauf läuft es hinaus? Da ist das Modell von Glasl, das Tanrien angesprochen hat, zum Beispiel ganz brauchbar.

Aber ich würde solche Modelle allgemein nicht überbewerten. Ich hab's an anderer Stelle schon mal gesagt, solche Schemata werden für die Masse entwickelt, nicht für individuelle Personen. Sie funktionieren im Allgemeinen sehr gut, aber jeder Mensch trägt Konflikte sehr unterschiedlich aus (gemessen an seiner Persönlichkeit, seinen Konfliktlösefähigkeiten und seiner eigenen Konfliktgeschichte), deswegen würde ich immer möglichst nah am Charakter arbeiten. Da kann am wenigsten schief gehen.
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Tigermöhre am 05. April 2016, 22:18:27
Ich habe in den letzten Jahren festgestellt, dass mir Konflikte immer leichter fallen. Während ich früher noch sehr zurück geschreckt bin, meinen Charakteren zuviel zuzumuten, werde ich langsam immer fieser. :darth: Bei mir ist es also einfach eine Frage der Übung.
Ich plotte eigentlich so ungefähr nach der 3-Akte-Struktur und schreibe dann darauf los. Meine Konflikte entstehen meisten so, dass ich mir denke, ne, das ist zu einfach, wenn sie einfach von A nach B reiten, was könnte jetzt passieren? Und dann tauchen da Räuber auf, sie werden entführt, und plötzlich kommen immer mehr Probleme. ;D


Zitat von: Voitei am 05. April 2016, 21:37:33
Eine große Prophezeiung, die jedoch eigentlich für jemand anderen bestimmt war

Du hast mich damit gerade auf eine Plotidee gebracht. ;D
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Maubel am 05. April 2016, 22:35:11
Zitat von: Franziska am 05. April 2016, 21:55:54
das ist ein interessanter Tipp, darauf wäre ich auch nicht gekommen, mich würde das besonders in Hinsicht auf die psychologisch zwischenmenschliche Ebene interessieren. In Hinsicht auf Konflikte zwischen Staaten finde ich es aber auch interessant, sich reale Konflikte anzugucken oder eben Konflikttheorien. Ich fände es schon nett, mehr darüber zu erfharen.

In meinem jetzigen Projekt arbeite ich gerade mit sehr vielen Staaten, bzw. kleineren Regionen und da behandel ich sie am Anfang ähnlich wie Charaktere. Was hat dieser Staat? Was will dieser Staat? Was ist sein Hintergrund (Geschichte)? - Die zweite Ebene ist dann bezogen auf die Leute in dem Staat. Was will er für den Staat? Was will er in/mit dem Staat erreichen? Welche Methoden liegen ihm? Dazu muss man beachten, dass der Charakter eben in dem Staat aufgewachsen ist und eine Bindung hat, oder eben anderen Staaten gegenüber Vorwürfe. Und dann verzweigt man sich immer weiter. Noch tue ich mich schwer mit alltäglicher Politik, da dann der ewige Staat durchkommt - Tendenz in Fantasy-Romanen seit Jahrhunderten einen festen Staat zu haben. Und genau da arbeite ich gerade wie mit Hammer und Meißel und baue gerade die Klischees ab. Grenzen werden verschoben, das Volk entwickelt sich, neue Ansichten verbreiten sich, die Technologie macht Vorsprünge und so ändern sich auch die Ziele.
Jetzt kommen bei Staaten aber eben noch die Bündnisse dazu. A und B haben seit zwei Jahrhunderten ein Handelsabkommen, weil sie da schön starke Handelsnationen waren. C hat sich nun aber aufgeschwungen und will auch was vom Kuchen. Da C gegen D Truppen senden würde, mit denen A gerade im Krieg liegt, will A natürlich C entgegen kommen, aber das würde B verstimmen und und und... das wird dann mit jedem neuen Bündnis immer verzwickter und so entstehen dann natürlich auch viele Konflikte, wobei nicht alle im Krieg ausarten. Da sind dann eben die Prinzipien und häufig auch einfach der wirtschaftliche Nutzen gefragt. Ein Land, dass sich keinen Krieg leisten kann, gibt vielleicht eher nach, als das Land, dass seinen Prinzipien treu bleibt, auch wenn ihm der Handel eigentlich schon wichtig ist.

Zitat von: Franziska am 05. April 2016, 21:55:54
Das 7 punkte Modell ist an sich gut, passt aber auch nicht überall oder ich weiß nicht, wie ich es anwenden soll. Besonders schwer finde ich es, wenn man mehr als zwei Protagonisten hat.

Ich habe mir das 7 Punkte Modell noch nie angeschaut, aber bei mehreren Protagonisten muss man einfach für alle Protagonisten die Ziele festlegen und wie sie die erreichen (man stelle sich Linien vor) und nun sucht man die Stellen, wo sich diese Linien kreuzen/in die Wege kommen. Sobald man einen Punkt zwischen zwei Protagonisten ausgekaspert hat, schaut man wieder ob das nicht die anderen beeinflusst, bzw. wer nun auf wessen Seite steht, kann sich auch während des Konflikts ändern. Mir hilft dabei echt die Gesamtlage aus der Sicht aller Figuren zu betrachten. Meine Regel dabei ist immer, dass jede Figur in ihrem Handeln ihrem Hintergrund und ihrer Motivation nach konsequent und logisch ist (inklusive unlogischer Handlungen, wie sich besaufen, gibt schließlich ein Grund dafür). Wenn es dir gelingt sogar Antagonisten auf diese Weise zum nachvollziehbaren Prota zu machen, ist das prima. Vor allem siehst du dadurch aber, wo die Reibepunkte liegen. Wo kann Char A eben einfach nicht anders auf B reagieren?
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: moonjunkie am 05. April 2016, 22:40:38
Konflikte ... das ist auch so ein Thema bei mir. Danke für den Thread, Franziska, eine super Idee und ich bin schon mal froh zu lesen, dass es nur nicht mir so geht.

Bei Fantasy habe ich das meistens mit einem Antagonisten gelöst, aber jetzt, wo ich etwas realistisches schreiben will, habe ich das Problem: da passt kein Antagonist hin. Klar, es gibt auch einfach die antagonistische Kraft, was alles Mögliche sein kann, was sich dem Helden in den Weg stellt. Trotzdem hadere ich dabei immer sehr. Bei manchen Dingen, die mir einfallen (oder anderen, mit denen ich brainstorme), denke ich dann oft: Nein, das kann ich weder A noch B antun, bzw. dann sind die Figuren ganz anders, als sie dafür sein müssten und dann finde ich sie wieder unsympathisch. Das ist bei mir jedenfalls immer ganz schwierig. Das blöde ist, wenn ich dann einen Konflikt habe, bin ich mir immer noch nicht sicher, ob der dann reicht.

Da hilft vermutlich auch: mal Filme oder Bücher analysieren, was da der Konflikt ist. Etwas Ähnliches nehmen möchte ich dann aber auch nicht. Und ich finde auch, dass ich oft in ähnliche Muster abdrifte. Und was ich auch wichtig finde: dass jede Figur sein eigenes Ziel hat (ob sie es schon kennt oder unterbewusst), das wurde ja auch schon hier erwähnt. Und trotzdem finde ich das Suchen von geeigneten Konflikten für meine Geschichten wirklich schwierig.

Neulich habe ich auf der Buchmesse zu einem Lektorat-to-go die ersten drei Seiten meines realistischen Romans mitgenommen und da hieß es auch direkt: hmm, was ist denn der Konflikt? Beschreib doch mal das Buch in zwei Sätzen. Schwierig fand ich das, sehr schwierig. Und dabei fiel eben auf: da ist noch nicht so viel an Konflikt vorhanden. Mehrere kleine ja, aber kein zentraler, großer. Mich stört ja das Wort Konflikt manchmal schon, da sagte mir die Lektorin, ich könne auch Knackpunkt dazu sagen. Das gefällt mir ein wenig besser, aber viel einfacher wird es dadurch auch nicht.  :d'oh:
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Schneerabe am 05. April 2016, 23:03:09
ZitatDenkt ihr überhaupt darüber nach?
Mhm über das Nachdenken habe ich kurz nachgedacht und festgestellt, dass meine Charaktere die Konflikte oft stellen, ohne das mir das so klar bewusst ist...

Durch ihre Ziele und Motivationen kommt es zu einfachen Konflikten wie:
A will etwas
B will es auch
Desshalb will A nicht das B/ B will nicht das A...
oder C will es verhindern weil er A nicht mag oder in B verliebt ist...

Ihre Erziehung und Kultur bietet auch interessante Konflikte an wie:
Wenn das Weltbild nicht (mehr) mit der Umwelt übereinstimmt
Wenn eine Kultur auf die Wertevorstellungen einer anderen trifft

Um nur ein paar zu nennen, dann muss ich eigendlich nur noch zusehen was sich daraus ergibt und verknüpfe alles 'einfach' logisch und da ist in Plot
Das ganze passiert für mich auch mit verschiedenen Völkern, die beim Ausarbeiten verschiedene Denkweisen ausbilden, die dann zu Konflikten und auch Kriegen führen. - Das sind dann die externen Konflikte... Ich greife mir also keinen Konflikt der mir gerade gefällt, sondern bemerke irgendwann im Planen die Probleme die meine Charaktere/ Völker mit diesem und jenem haben und verbinde sie... das ist vielleicht nicht die beste Idee denn es stellte sich heraus das der 'einfach' logisch verknüpfen Part, doch nicht so einfach war.  ;D
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Franziska am 05. April 2016, 23:12:42
@moonjunkie: das Problem habe ich eben auch. Ich habe Figuren, ich habe eine grobe Idee für den Plot, aber oft reicht das dann noch nicht. Ich habe ja an sich kein Problem damit, die Figuren ein bisschen zu quälen. Oft heißt es ja aber in den Schreibratgebern, man soll eigentlich jede Szene mit einem Konflikt enden lassene, damit der Leser weiter liest und es spannend bleibt. Ich weiß nicht so recht, wie das funktionieren soll, wenn man nicht gerade einen Thriller schreibt und selbst dann. Vielleicht darf man den Begriff dann nicht so stark sehen, aber ich schrecke auch etwas zurück, es mit den Problemen zu übertreiben, das wird mir dann schnell zu überdramatisch, besonders bei Romance, wenn dann die Figuren das schlimmste Kindheitstauma haben, dann noch einer fast stirbt und sonstwas. Ich arbeite gerne etwas subtiler mit inneren Konflikten, dann wird es aber schwerer, besonders, bräuchte ich  da trozudem eine äußere Handlung, um die innere Entwicklung zu spiegeln. Gerade habe ich es mir auch sehr schwer gemacht mit einer polyamoren Romance Geschichte mit vier Figuren. ::)
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Maubel am 05. April 2016, 23:19:45
Also jede Szene mit einem Konflikt enden zu lassen, fände ich unnötig. Aber vielleicht habe ich auch zu viele Szenen. Ja, es braucht einen guten Endsatz, aber manchmal ist das auch die Lösung eines Konflikts oder so. Man liest in einem Buch die Szenen ja auch nicht wie Fernsehfolgen, wo dann immer ein Cliffhanger kommen muss. Kapitelende... ja vielleicht, aber auch da nicht jedes. Mir wäre so ein Buch auch viel zu anstrengend, wo ich immer auf Achse bin und nie das erlebte auch mal sacken lassen kann.
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Churke am 06. April 2016, 00:03:07
Zitat von: Franziska am 05. April 2016, 21:09:31
Man hat einen Protagonisten, der eine Motivation hat und etwas will, etwas anderes steht ihm im Weg.=Konflikt, vereinfacht ausgedrückt.

Ich glaube, dass das viel, viel komplexer ist.
Es gibt innere Konflikte. Der Held tut Dinge, die er nicht tun möchte, oder er möchte Dinge, die er nicht tut.
Es gibt politische Konflikte. Da geht es um Interessen, um Überzeugungen, vielleich auch mal um Werte.
Es gibt persönliche Konflikte. Da geht einem jemand auf den Sack.
Es gibt familiäre Konflikte. Seine Familie kann man sich nicht aussuchen.
Alle diese Konflikte sind miteinander verwoben und eigentlich müsste jede (!) Figur im Plot etwas davon mit sich herumtragen.

Vor allem aber sehe ich Konflikte als Möglichkeit, mit Rede und Gegenrede Schaltstellen im Plot herauszuarbeiten. Die einen sind dafür, die anderen dagegen, und natürlich hört der Held auf die Falschen...  :engel:
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Denamio am 06. April 2016, 00:04:39
Zitat von: Maubel am 05. April 2016, 23:19:45
Also jede Szene mit einem Konflikt enden zu lassen, fände ich unnötig. Aber vielleicht habe ich auch zu viele Szenen. Ja, es braucht einen guten Endsatz, aber manchmal ist das auch die Lösung eines Konflikts oder so. Man liest in einem Buch die Szenen ja auch nicht wie Fernsehfolgen, wo dann immer ein Cliffhanger kommen muss. Kapitelende... ja vielleicht, aber auch da nicht jedes. Mir wäre so ein Buch auch viel zu anstrengend, wo ich immer auf Achse bin und nie das erlebte auch mal sacken lassen kann.

Aber gerade da finde ich es als Leser oft deutlich spannender wenn jede Szene auch irgendwo einen Sinn hat und die Handlung weiter bringt. Nichts schmeißt mich schneller aus einem Buch, als Szenen wo in der Handlung nichts passiert, wo am Ende kein anderer Stand ist als vorher. Das wird dann schnell zum Hobbit Reisebericht.
Das heißt nicht, dass jedes Kapitel groß mit einem Knall und Cliffhanger enden muss. Aber ich finde es braucht Sinn und Verstand, die Figuren müssen etwas tun, das wichtig ist. Und hey, wenn sie entspannen müssen, dann ist ihr Konflikt ihre Erschöpfung. Wenn sie miteinander reden wollen, dann ist ihr Konflikt ihr Mitteilungsbedürfnis. Und wenn sie das dann gestillt haben, dann kann es im nächsten Kapitel auch gleich weiter gehen.

Das ist in meinen Augen mit Konflikt gemeint, wenn gesagt wird, dass es das in jeder Szene braucht. Konflikt ist nicht zwingend Streit oder Gefahr, sondern mehr oder weniger die Reibung beim Wechsel von Storypunkt A nach Storypunkt B).

Was die Planung eines größeren Konfliktes angeht, da kann ich als Gefühlsschreiber nur aussetzen. Ich plane nicht. Aber wenn ich meinen Figuren freien Lauf lasse, dann beginnen auch die größten Konflikte mit einem ganz profanen Bedürfnis. Der Konflikt ist dann die zunehmende Eskalation während die Person versucht es zu erreichen und dabei immer wieder fehlschlägt. Im Rahmen der Fehlschläge oder je nach gewähltem Weg zum Erfolg, bauen sich dann immer mehr Feinde und Hindernisse auf, bis es schließlich völlig im Dreck steckt und der große Konflikt beginnt.

/edit: Ich hab ein sagenhaftes Talent für die neue Seite.
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Maubel am 06. April 2016, 00:10:03
Zitat von: Denamio am 06. April 2016, 00:04:39Aber gerade da finde ich es als Leser oft deutlich spannender wenn jede Szene auch irgendwo einen Sinn hat und die Handlung weiter bringt. Nichts schmeißt mich schneller aus einem Buch, als Szenen wo in der Handlung nichts passiert, wo am Ende kein anderer Stand ist als vorher. Das wird dann schnell zum Hobbit Reisebericht.

Natürlich, das wollte ich auch gar nicht ausschließen. Da hast du mich jetzt falsch verstanden. Bei mir sind die ruhigen Szenen häufig die, in denen Schlüsse gezogen werden, Fäden beendet und Charaktere sich entfalten können. Alles wichtig für die Entwicklung. Nutzlose Szenen, die weder Charakter, noch Plot noch Welt weiter bringen wirst du bei mir auch nicht finden.

Ich habe mich auch eher ein bisschen daran aufgehangen, dass hier vom Szenenende die Sprache gewesen war. Das klang so wie Cliffhanger nach Cliffhanger, ob nun emotional oder physisch mal ganz abgesehen.
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Fianna am 06. April 2016, 00:27:27
Ich hatte es anders verstanden: dass der Held neue Fakten bekommt oder die Szene mit einer Gefühlsbeschreibung endet, die dem, was er tun will / muss / rational tun will, entgegen steht.
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Franziska am 06. April 2016, 02:17:16
@Danamio: danke, das hast du gut erklärt. So ergibt das für mich auch Sinn. Bei dem Schreibratgeber, den ich letztens gelesne habe, habe ich es wirklich so rausgelesen, dass es ständig Cliffhanger geben soll. Das würde für mich nicht funktionieren, aber klar sollte jede Szene den Plot irgendwie weiterbringen. Aber das muss ja nicht heißen, dass sich die Figuren ständig streiten oder eine Katastrophe nach der anderen passiert.
Ich schreibe auch eher nach Gefühl und habe früher auch überhaupt nicht geplant, aber das bedeutet viel mehr Arbeit für mich, weil ich dann so viel neu schreiben muss, wenn ich denn endlich weiß, was passiert. Und mir dann am Ende auch manchmal die Konflikte gefehlt haben. Daher möchte ich eigentlich dahin kommen, das mehr zu planen. Wenn ich nicht weiß, was der Hauptkonflikt ist und ich nicht weiß, worauf es hinausläuft, dann komme ich meist über die ersten Seiten nicht hinaus.
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Trippelschritt am 06. April 2016, 07:49:21
Ich schließe mich Danamio an, was mit der Spannung in einer Szene gemeint ist. Und jetzt muss ich mal ein wenig in mir selbst gründeln, um zu schauen, ob ich etwas hilfreiches beitragen kann, denn ich habe überhaupt keine Probleme mit Konflikten und das hat nichts damit zu tun, dass ich nicht im Genre Liebesgeschichten unterwegs bin. Ich erinnere mich an einen historischen Frauenroman im Bücherschrank meiner Mutter. Amber! Da geht es in dem ganzen Schinken nur darum, dass sich ein junges Mädchen in einen Mann veliebt und nur den haben will. Ab und zu klappt es, ab und zu nicht. die Zeiten sind rau und es gibt viele externe Faktoren, die das Paar zusammenschweißt und auseinanderreißt. Sehr spannend geschrieben. Und darum geht es doch bei Liebesgeschichten. Die Spannung baut sich dadurch auf, dass ein paar nicht zusammenfindet. Und dafür gibt es unendlich viele Ideen.
Spannunghsbogen ist Handwerk. Es muss nicht immer ein Bogen sein, es kann auch eine Aneinanderreihung von Episoden sein, aber Bogen ist Standard.
In meinen eigenen Geschcihten habe ich gern Aufsteiger und die reiben sich immer am Rest der Gesellschaft. Übrigens: Motiv allein reicht nicht immer für den Konflikt. Viel häufiger ist es die Haltung, die dahinter steckt, wie jemand im Leben versucht, etwas zu erreichen. Schleimt und intrigiert er, ist er ein Motzer oder ein Rebell, pfeift er auf Regeln oder beherrscht er sie meisterhaft.
Und der große, der zentrale Konflikt ist bei mir immer schon ein Teil der zentralen idee und damit des Grundes, warum ich überhaupt eine Geschichte erzählen möchte. Wer mit der Schneeflockenmethode arbeitet, hat ihn bereit in Schritt 1 formuliert.
Für den Plot kann ich keine Ratschläge geben. Wie Danamio bin ich Bauchschreiber.

Liebe Grüße
ich hoffte ich konnte helfen
Trippelschritt
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Cailyn am 06. April 2016, 09:34:42
Hallo Franziska

Schön, dass du dieses Thema auf den Tisch bringst. Bislang habe ich mir darüber gar nicht so Gedanken gemacht, vermutlich, weil ich noch nicht so viele verschiedene Geschichten geschrieben habe wie mancher hier.

Ich finde, Churkes Beitrag deckt sich so ziemlich mit dem, was ich als erstes mache. Also grundsätzlich überlegen, worum es im Buch oder den Protas geht. Später kommen aber noch die Konflikte der einzelnen Kapitel, was ich etwas schwieriger finde. In den einzelnen Kapiteln habe ich das Gefühl, braucht es nicht viel, um etwas zu einem Konflikt zu machen. Vielleicht sucht man da auch zu lange. Was ich häufig tue - innerhalb der Kapitel -, ich habe ein Ziel, da soll es hin, und am Ende werfe ich aber eine gewisse Unsicherheit rein. So dass der Prota sich dann fragen muss: Ist das wirklich so? Soll ich mich für dies oder das entscheiden? Oder es läuft auf etwas hinaus, aber ein äusseres Ereignis stellt sich dem in den Weg, was der Leser eigentlich erwartet hätte.

Generelle Themen für Konflikte sind schwer zu benennen. Da gibt es ja tausende wie Sand am Meer. Ich denke, schwierig dabei ist, dass man oft auf Konflikte zusteuert, die man selber in einem gewissen Masse schon erlebt hat. Und da ist dann die Gefahr, dass sie sich wiederholen. Darum merke ich mir auch Konflikte aus meinem Bekanntenkreis/Freunde/Familie/Jobumfeld. Da entsteht dann schnell mal ein Sammelsurium für Konflikte, die man sich selber kaum hätte ausdenken können. Wie das Leben halt so spielt... ;)

Romanzen sind ein schwieriges Thema, weil da wirklich schon vieles zig Mal geschrieben wurde. Aber es kann ja auch interessant sein, eine Art bekanntes Schema zu wählen, das aber die Protagonisten durch ihren eigenen, speziellen Charakter ganz anders angehen als andere Paare. Zudem kann man natürlich eine Liebesgeschichte durch die äusseren Umstände zu etwas ganz eigenem machen. Gerade in Fantasywelten ist das ja einfacher, weil es in einer anderen Welt mit anderen Gesetzen oder gar mit Magie spielt. Aber mal ganz abgesehen davon: Wenn ich in Schmalz- und Schmachtstimmung bin, dann brauche ich eigentlich in Romanzen gar kein total spezielles Thema mit speziellen Konflikten. Dann bin ich innerlich darauf eingestellt, dass da eine Story nach Schema xy kommt und ich finde das auch in Ordnung, sofern die Protagonisten nicht langweilige Figuren sind.
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Dämmerungshexe am 06. April 2016, 10:51:02
Also wirklich Gedanken mache ich mir um Konflikte eigentlich sehr selten. Die sind meist in meinen Charakteren oder dem Setting, durch das sie stolpern "eingebaut". Nur wenn ich etwas hinzufügen muss/will, wird es schwierig. In solchen Fällen Frage ich mich immer welche Interessen oder Haltungen aufeinanderprallen könnten.

Es gibt ja zig verschiedene Modelle nach denen man Konflikte in Figuren oder in der Handlung erarbeiten kann.
Beispiele:
- drei Ebenen des Menschen: körperlich, sozial, seelisch-geistig (Lajos Egri)
- zwei Konfliktfelder: dramatisch (Mensch gegen Mensch), episch (Mensch gegen sich selbst) (Ulla Mothes)
- drei Ebenen: global (Mensch - Gesellschaft/Umwelt), Personal (Mensch - Mensch), innerlich (Mensch - sich selbst) (Robert McKee)
- vier Funktionen: Körper, Geist, Seele, Herz - der Figur fehlen diese Funktionen und sie muss sie wiederherstellen (Joachim Hamann)

Ich analysiere meine Charaktere meist erst nachdem ich schon eine Weile geschrieben habe und etwas über sie weiß. Oftmals passt dann alles zusammen und das was nicht passt lässt sich leicht " beheben".

Was den Spannungsaufbau betrifft mach ich es gerne so, dass ich zunächst ein gewisses Bild von einem Charakter oder einer Situation schaffe und dieses dann nach und nach untergraben, um es dann neu aufzubauen.

In Kapiteln mache ich selten echte Cliffhanger, aber ich füge gerade in den letzten Zeilen und Absätzen gerne eine neue Information oder Wendung ein, die den Leser beschäftigen soll. Das ist aber kein Muss, sondern ergibt sich meist von selbst.
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Churke am 08. April 2016, 10:35:20
Was soll der Konflikt eigentlich am Ende der Szene?

Ich meine, wenn es in der Szene darum geht, dass Figur A Figur B von irgendetwas abbringen will, dann steht der Konflikt doch am Anfang, oder habe ich da was missverstanden.

Laokoon warnt die Trojaner vor dem Pferd.
Der Konsul Varro will die Entscheidungsschlacht gegegen Hannibal, sein Kollege Paullus ist dagegen.
Flavius Victor warnt den Kaiser davor, die Goten anzugreifen.
Martin Luther wird vor den Reichstag geladen.
Heinrich VIII. will vom Papst geschieden werden.
Edward VIII. zeigt seinem Vetter Willi die Royal Navy.

Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Fianna am 08. April 2016, 10:43:33
Vielleicht ist es so gemeint, dass an beiden Enden ein Konflikt stehen soll bzw. der Konflikt aufgebaut wird...
Also Szenenbeginn: Henry will sich scheiden lassen. (Konflikt Aufbau)
Szenen-Ende: Der Papst lässt sich nicht von seiner Meinung abbringen (Konflikt)

Szenenbeginn: A will etwas, B ist dagegen (Konflikt 1)
Szenenende: Völlig überrascht stellt A fest, dass B in dieser Sache die Unterstützung von C hat (Konflikt 1 a)

Also, dass der Konflikt (wenn schon in der Szene eingeführt) eine Verschärfing/Erweiterung bekommt.


Ich mache das aber auch nicht so stringent. Bei mir endet eine Szene durchaus mit Konflikt /Verschärfung, oft aber auch mit einer neuen Information/Problem, negative Bewertung der Situation oder jemand macht eine Feststellung (wenn im positiven Sinne, wird das später relativ zeitnah aufgegriffen und jemand verhält sich entgegen dieser positiven Erwartungshaltung, was Überraschungsmoment und neuen Konfliktpunkt darstellt).
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: moonjunkie am 08. April 2016, 12:37:46
Also bei einzelnen Szenen achte ich gar nicht auf Konflikte. Was ich brauche ist eher der Hauptkonflikt in der Geschichte. Die einzelnen Szenen oder Kapitel mache ich mit kleinen Cliffhangern oder offenen Fragen spannend. Das kommt meistens ganz von selbst - ich höre einfach da auf, wo es spannend wird und hüpfe dann zu einer anderen Perspektive, was aber natürlich nur geht, wenn man mehrere Perspektivträger hat. Darüber habe ich auch noch nie wirklich nachgedacht, das scheint aber zu klappen.

Nur beim Hauptkonflikt habe ich auch oft Probleme. Aber ich glaube auch - wie auch schon jemand früher im Thread erwähnt hatte - dass hier mit Konflikt nicht Streit oder etwas Schlimmes gemeint ist. Ein Rätsel würde genügen und allein die Frage: was hält er/sie von mir (weil jemand in der Szene merkwürdig agiert hat z.B.)? Oder: wenn einfach noch nicht klar ist, ob etwas klappt, was sich Person A oder B vorgenommen hat. Es reicht meiner Meinung nach am Ende einer Szene, eines Kapitels (und sicherlich auch nicht am Ende von jedem Kapitel oder jeder Szene) etwas zu erwähnen, dass den Leser neugierig macht, so dass er weiterliest. Das kann wirklich eine Kleinigkeit sein.

Was natürlich auf jeden Fall sein sollte: jedes Kapitel muss entweder Neues über eine Figur verraten, den Plot vorantreiben oder etwas anderes wichtiges auflösen. Vielleicht ist das auch in dem Schreibratgeber mit "Konflikt" gemeint, wie Denamio auch schon sagte. (Ganz ehrlich: Mittlerweile hasse ich das Wort geradezu, weil ich nie weiß, was jemand von mir will, wenn er fragt: was ist denn der Konflikt in deiner Geschichte?)  :brüll:

Aber du hast schon recht, gerade für Bauchschreiber ist es sicherlich wichtig, sich das Hauptproblem, das große Thema der Geschichte vorher zu überlegen. Der Rest kann ja dann beim Schreiben kommen. Das versäume ich auch öfter, bzw. lasse die Geschichte treiben. Bisher hat das gut funktioniert, aber eher bei Fantasy, wenn ich einen Antagonisten habe.
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Tigermöhre am 08. April 2016, 13:06:30
Apropos Konflikthöhepunkt am Ende einer Szene, ich habe mal ein Buch gelesen, mit einer Methode, die man eindeutig nicht machen soll. Da baute sich über ein Kapitel ein Konflikt an, wurde immer größer und größer, schließlich kam der Zeitpunkt der Konfrontation. Dann Kapitelende, nächstes Kapitel 2 Jahre später und in einer Rückblende wurde erwähnt, wie sich alles in Wohlgefallen aufgelöst hatte. ??? Ich habe mich selten von einem Buch so verarscht gefühlt.
Ich habe das Buch nur Zuende gelesen, weil ich nach 2x wissen wollte, ob die Autorin das wirklich an jedem Kapitelende so macht - und ja, machte sie. :pfanne:
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Big Kahuna am 08. April 2016, 14:36:16
ZitatApropos Konflikthöhepunkt am Ende einer Szene, ich habe mal ein Buch gelesen, mit einer Methode, die man eindeutig nicht machen soll. Da baute sich über ein Kapitel ein Konflikt an, wurde immer größer und größer, schließlich kam der Zeitpunkt der Konfrontation. Dann Kapitelende, nächstes Kapitel 2 Jahre später und in einer Rückblende wurde erwähnt, wie sich alles in Wohlgefallen aufgelöst hatte. ??? Ich habe mich selten von einem Buch so verarscht gefühlt.
Wow, da wär ich stinksauer gewesen und hätte das Buch vermutlich verbrannt  :wums:

Wie es bei mir mit Konflikten ist:
Ich weiß nicht, bei mir ergeben sich die meisten Konflikte irgendwie von selbst. Teilweise auch in einer Form, die ich nicht beabsichtigt hatte, und die mir dann den ganzen Plot umkrempeln. Allerdings stelle ich da immer wieder fest, dass genau diese Konflikte immer die besten und natürlichsten sind. Wenn ich mir Mühe gebe, einen zu erarbeiten, wirken die sehr oft ... naja, konstruiert.

Manchmal gelingt es mir sogar, dass aus einem gelösten Konflikt weitere (teilweise innere) Konflikte resultieren. Ich glaube, das kommt tatsächlich von selbst, wenn man sich gut genug mit den Figuren identifizieren kann und weiß, wie sie denken, fühlen und handeln. Bei meinem aktuellen Projekt "Der Wolfsreiter: Weg des Kriegers" sind da massig Konflikte entstanden, einfach weil mein Prota in gewisse Situationen geraten ist und ich gemerkt habe: Also da muss er jetzt sein Maul aufmachen.
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: moonjunkie am 08. April 2016, 15:01:10
Ich habe gerade einen interessanten Artikel gefunden, der mir, glaube ich, weiterhilft: Wie schreibt man ein Buch? (http://www.die-schreibtrainerin.de/wie-schreibt-man-ein-buch/)

Vor allem finde ich gut einmal ein Beispiel zu sehen, weil ich ehrlich gesagt immer Probleme mit dem Konflikt habe. Wenn mich einer fragt, was ich der Konflikt, weiß ich es selten. Ich finde es so abstrakt. Und die Sache mit dem einen Satz finde ich klasse.

Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Trippelschritt am 08. April 2016, 16:42:34
Ich glaube nicht, dass a. jede Szene einen Konflikt enthalten muss nd b. dieser Konflikt am Ende am stärksten ist. Jede Szene muss ene Funktion habe, die der ganzen Geschichte hilft. Aber darüber herrscht hier wohl auch Übereinstimmung, wie ich das gelesen habe. Konflikt nach Konflikt ist entweder stressig oder langweilig. Und wenn ein Konflikt behandelt wird, dann kann er in einer Szene abgeschlossen werden, eskalieren und einen Ausblick auf eine weitere Szene schaffen oder mittendrin abbbrechen. Das ist dann der berühmte Cliffhanger.
Aber den einen großen Konflikt sollte man haben und kennen. Es sei denn man schreibt Literatur mit einem ganz anderen Ziel.
Also auch hier wieder: Keine Regel ohne Ausnahme.

Liebe Grüße
Trippelschritt
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Churke am 08. April 2016, 19:59:39
Imho sollten Konflikte nicht isoliert stehen, sondern voneinander abhängen. Auch Antagonisten brauchen glaubwürdige Motive und müssen von Sachzwängen unter Druck gesetzt werden.

Um noch einmal das Beispiel mit Heinrich VIII. aufzugreifen: Man kann den Papst als sturen Betonkopf darstellen. Das ist das klassische Protagonist-Antagonist-Modell. Oder aber man zeigt den Papst als besonnenes Kirchenoberhaupt, dem die Habsburger im Nacken sitzen. Der Papst kann also überhaupt nicht frei entscheiden, sondern steht seinerseits im Konflikt mit einer dritten Partei. Und er weiß: Wenn Karl V. seine Armee nach Rom marschieren lässt, kann ihm Heinrich nicht helfen.

Das bringt uns dann zu einem Zielkonflikt. Ein Zielkonflikt ist, wenn man zwei Dinge möchte, aber nur eine Sache haben kann. Dann muss man sich entscheiden, und schon hat man das nächste Problem an der Backe.
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Alana am 08. Juni 2016, 09:53:23
Ich versuche schon, jede Szene mit einer Art Cliffhanger zu beenden. Der Leser soll ja keinen Grund haben, das Buch am Ende eines Kapitels wegzulegen. ;D Ich finde dabei den Tipp aus "Rock your plot" sehr hilfreich. Natürlich hat jede Szene eine Art Konflikt, sonst müsste man sie ja nicht schreiben. Das bedeutet aber, wie Denamio schon sagte, dass es auch einfach nur darum geht, die Handlung voranzubringen, also dass der Protagonist etwas erreichen will, was ihn näher an sein Ziel bringt. Das ist dann sozusagen das Szenenziel. Ich mache mir für jede Szene eine Aufstellung:

Szenenziel (sollte immer mit dem Gesamtziel der Figur zu tun haben, eine Szene, die kein klares Ziel hat, ist eine Szene, die man höchstwahrscheinlich weglassen kann.)
Motivation
Hindernisse (= Konflikt, können innere oder äußere Hindernisse sein, also Gefühle, die den Protagonisten daran hindern, sein Ziel zu erreichen, oder auch jemand, der ihn daran hindern will)

Das Ende einer Szene darf nie sein, dass der Protagonist sein Ziel erreicht und gut. Es sollte immer eine der drei Versionen sein:

Der Protagonist erreicht sein Ziel nicht.
Der Protagonist erreicht sein Ziel nicht und alles wird noch schlimmer, weil ...
Der Protagonist erreicht sein Ziel, aber ... (er hat sich zum Beispiel über seine Gefühle hinweggesetzt und jemanden verletzt etc. pp.)

Diese Methode ist sehr sinnvoll, um den roten Faden zu behalten. Außerdem umschifft man damit sehr leicht die Gefahr von Durchhängern. Wichtig ist dabei, dass man danach den Konflikt eskaliert. Also dass man nicht das gleiche Level von Konflikt noch mal verwendet. (Der Ritter fragt jemandem nach dem Artefakt, der sagt, dass er es nicht hat, also fragt der Ritter jemand anderen. Das ist nicht sehr spannend. Er kann einmal jemanden fragen und man kann natürlich sagen, dass er mehrere Leute gefragt hat, aber die nächste Szene sollte dann eine andere Handlung beinhalten.)

Das bedeutet nun nicht, dass eine Szene immer mit einem großen Knall enden muss. Man kann das auch sehr schön mit leisen inneren Konflikten und kleinen Details bewerkstelligen.

Die meisten dieser Tipps stammen übrigens aus "Rock your Plot", ein Buch, das ich jedem echt nur ans Herz legen kann.
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Trippelschritt am 08. Juni 2016, 11:47:35
Ich sehe das nicht ganz so extrem. Zwar kann man die Bedeutung großer und kleiner Konflikte gar nicht genug betonen, aber trotzdem muss ich und sollte auch nicht jede Szene mit einem Cliffhanger beenden. Mein liebstes Szenenende ist die Lösung eines Konfliktes, wobei der Leser dann merkt, dass eigentlich gar nichts gelöst ist oder aber sich dadurch nur der nächste Konflikt ergibt, der größer ist, oder aber, dass sich eine Wenung im Plot ergibt, der dazu führt, dass einige der Konflikte neu bewertet werden müssen. Es gibt unzählige Varianten und kein Schema. Jedenfalls habe ich noch keines gefunden.
Unterstreichen möchte ich aber, dass jede Szene eine Funktion zu erfüllen hat und dass der Autor diese Funktion auch erkennen sollte. Das ist schon schwer genug.

Trippelschritt
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: HauntingWitch am 08. Juni 2016, 13:14:12
Dieser Thread ist super, danke Franziska. :) Ich hadere teilweise auch immer noch mit Konflikten und finde das auch eher schwierig. Es geht mir aber besser von der Hand, seit ich mich wieder auf meine alte Arbeitsweise von früher besinne und aufgehört habe, um ein Thema herumzuplotten und dann die Charaktere da hineinzuquetschen, sondern die Themen (hier gleich Konflikte) aus den Charakteren entstehen lasse. Das ist in etwa auch die Botschaft von Elizabeth Georges Schreibratgeber "Wort für Wort oder die Kunst ein richtig gutes Buch zu schreiben", den ich nur wärmstens empfehlen kann. ;D

Heisst, nicht zu sagen, ich möchte etwas über Problem X schreiben und dann darauf aufzubauen (@Franziska, das habe ich auch bei dem Skript, das du betagelesen hast, gemacht),
sondern, zu schauen, was habe ich denn für Charaktere und welche Konflikte ergeben sich daraus. Ich muss dazu sagen, dass bei mir immer zuerst die Charaktere anklopfen. Also bei meinem neuen Projekt habe ich z.B. Charakter A, der Musiker ist. Daraus ergeben sich schon einmal gewisse Konflikte wie Probleme mit der Plattenfirma, Bandstreits, Stress im Job usw. Desweiteren, da er ja ein kreativer Mensch ist und die oft schwierig sind bzw. eine schwierige Vergangenheit haben (mich eingeschlossen, und nichts dagegen, nur als Feststellung ;)), ergeben sich daraus automatisch gewisse innere Konflikte oder Probleme. Er war zum Beispiel oft allein als Kind und denkt deshalb, dass ihm alleine alles besser gelingen würde und er eigentlich sowieso niemanden braucht, aber in Wirklichkeit braucht er halt doch Leute um sich (sowohl emotional als auch sozial/geschäftlich). Oder er steht z.B. auf seine Bandkollegin, ist sich dessen aber nicht bewusst...
In einem anderen Projekt habe ich einen Typ mit magischer Herkunft, der aber lieber einfach sein normales Leben weiterführen möchte (Klassiker, I know ;D). Die magischen Wesen möchten ihn aber alle für sich benutzen, Hexe A für ihre bösen Pläne, Hexe B für ihre guten Pläne - und schon wieder ein Konflikt, nämlich der, zwischen den beiden Hexen...

Dann fange ich an, mit diesen Dingen zu arbeiten. Mittlerweile mache ich sogar Listen für jede Figur und dann schiebe ich herum. Ich plane zwar nicht, das passiert bei mir, während ich wie zufällig Szenen sammle, einfach nur einzelne Szenen. Später kann man die dann zusammensetzen oder die einen Ideen daraus weiterentwickeln. So habe ich es bisher eigentlich bei allen Projekten gemacht, aus denen dann auch etwas Brauchbares wurde. Das gibt dann auch genug Material.

Wie man allerdings da den einen zentralen Konflikt herausfiltert und in eine klassische Romanstruktur bekommt, weiss ich auch noch nicht. Irgendwie ging das bei meinen bisherigen Projekten immer intuitiv und mit viel Gebastel.
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Trippelschritt am 08. Juni 2016, 13:50:09
@ witch Ob`s jetzt hilft, was ich zu erzählen habe?
Wenn ich eine Idee für eine Geschichte (Roman) habe, dann steckt mein zentraler Konflikt immer in diesem ersten Kern einer Idee und deshalb muss ich mich auch kaum darum kümmern, nur ihn sprachlich sauber fassen und so präzisieren. Ich muss aber auch dazu sagen, dass nie eine Idee zu einer Person Ausgangspunkt einer Geschichte ist und schon gar kein Plot oder Teilplot.
Und dann mache ich es so wie du. Ich gehe unbedingt von den beteiligten Figuren aus. Jede Figur hat ihre eigenen Probleme/Konflikte und dazu ihre rolle oder Funktion innerhalb des Gesamtkonflikts. Und der Plot? Der ergibt sich von selbst wie bei jedem Bauchschreiber. Meine Hauptarbeit steckt nicht im Plot, sondern in der Erarbeitung der Figuren und der Überarbeitung der ersten, meist grottenschlechten Grobfassung.

viel Erfolg Dir
Trippelschritt
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: wortglauberin am 12. Juni 2016, 19:16:42
Wie schön, zu wissen, dass man nicht alleine mit einem Problem ist!
Ich denke sogar sehr oft darüber nach in letzter Zeit, weil bei mir vor allem so ein bisschen der innere Betaleser mitschreibt; bei meiner jetzigen Geschichte würde ich so gerne über die inneren Konflikte der Figuren schreiben, so gerne zwischenmenschliche Verwicklungen zu den größten Plotpunkten machen- aber ich habe das Gefühl, das darf ich nicht, das macht es (in Ermangelung eines besseren Wortes) zu langweilig, geradlinig, flach- zu wenig actionlastig.
Ich möchte auch keinen Antagonisten, aber ohne einen äußeren Handlungsanstoß zu haben, geschehen viele der Entwicklungen innerhalb meiner Figuren eben gar nicht- und wenn, habe ich Angst, dass es zu alltäglich wirkt, zu gewollt, extreme Emotionen ohne einschlagende Ereignisse zu präsentieren. Obwohl ich natürlich weiß, dass das Blödsinn ist  ;)
Das Problem ist, dass ich in letzter Zeit viel Fanfiction mit Liebesgeschichten gelesen habe, und obwohl es da natürlich auch etliche ausgeklügelte Plots mit äußeren Handlungsanstößen gibt, liest man doch auch sehr viele emotionale Verwicklungen, Zustandsbeschreibungen und sehr detaillierte Entwicklungen von Beziehungen. Das gefällt mir! Ich weiß gar nicht, woran es liegt, dass ich mir, wenn ich so etwas selbst schreibe, seltsam vorkomme.  ???
Hat jemand vielleicht ein ähnliches Problem und kann mir da einen Rat geben?

Zitat von: Trippelschritt am 08. April 2016, 16:42:34
Ich glaube nicht, dass a. jede Szene einen Konflikt enthalten muss nd b. dieser Konflikt am Ende am stärksten ist. Jede Szene muss ene Funktion habe, die der ganzen Geschichte hilft.

Sehe ich ganz genauso.  :) Die Funktion einer Szene kann ja auch in der Übermittlung eines bestimmten Gefühls oder einer Information liegen, dem Leser etwas zeigen, das ihn auf kommende Geschehnisse vorbereitet, Atmosphäre aufbauen...
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Maubel am 12. Juni 2016, 20:50:58
@wortglauberin
Zitat von: wortglauberin am 12. Juni 2016, 19:16:42
Ich möchte auch keinen Antagonisten, aber ohne einen äußeren Handlungsanstoß zu haben, geschehen viele der Entwicklungen innerhalb meiner Figuren eben gar nicht- und wenn, habe ich Angst, dass es zu alltäglich wirkt, zu gewollt, extreme Emotionen ohne einschlagende Ereignisse zu präsentieren. Obwohl ich natürlich weiß, dass das Blödsinn ist  ;) ...
Hat jemand vielleicht ein ähnliches Problem und kann mir da einen Rat geben?

In einem schlauen Buch ;) habe ich mal was gelesen, was mir sehr eingeleuchtet hat. Ein Antagonist ist nicht immer eine Person. Ein Antagonist kann alles sein, was dem Protagonisten entgegen steht: Ein Widersacher, ja, aber auch eine Umweltkatastrophe, eine schwere Krankheit, eine chronische Krankheit, seine eigenen Unzulänglichkeiten, sein fehlendes Selbstbewusstsein, die (bisher) unerfüllte Liebe. Was auch immer der zentrale Konflikt deines Werkes ist, steht ganz nah am Antagonisten, dem großen Hindernis, dass es zu überwinden gilt.

Du merkst doch bereits beim Lesen, dass dir die emotionalen Verwicklungen gefallen. Und da bist du nicht die einzige. Den Autoren dieser Fanfics gefällt, den Lesern dieser Fanfics gefällt und es gibt eine Menge anderer Leute, denen das auch gefällt. Das heißt natürlich wiederum: Du darfst dein Buch genauso schreiben, denn die Zielgruppe existiert.
Sind deine extremen Emotionen nachvollziehbar? Ja? Prima, dann brauchst du auch kein schicksalsträchtigen Unfall.
Nein? Dann schau nach warum nicht? Kommen sie wirklich übertrieben vor oder hast du einfach noch nicht tief genug im Charakter gebohrt, um ihn zu verstehen?
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: wortglauberin am 18. Juni 2016, 19:35:31
@Maubel Was du über die Antagonisten sagst, gefällt mir gut! Und ich weiß ja im Grunde, dass es auf jeden Fall eine Zielgruppe für "character driven" Geschichten gibt (wobei das, muss ich sagen, gar nicht so das Ausschlaggebende im Moment ist), aber ich muss einfach das Gefühl haben, dass die Geschichte in sich und ihrer Atmosphäre stimmig ist.
Ich denke, da wird es tatsächlich helfen, nochmal gaaanz tief in das Innenleben meiner Figuren einzutauchen und zu schauen, ob ihre Motivationen denn ihre Reaktionen rechtfertigen.  :)
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Michael W am 10. Juni 2023, 18:36:13
Bei der Suche nach einem Thread über Konflikte bin ich auf diesen hier gestoßen. Das Thema ist komplexer, als ich dachte. Ich finde, das hier sind gute Anhaltspunkte:
Zitat von: Churke am 06. April 2016, 00:03:07Es gibt innere Konflikte. Der Held tut Dinge, die er nicht tun möchte, oder er möchte Dinge, die er nicht tut.
Es gibt politische Konflikte. Da geht es um Interessen, um Überzeugungen, vielleich auch mal um Werte.
Es gibt persönliche Konflikte. Da geht einem jemand auf den Sack.
Es gibt familiäre Konflikte. Seine Familie kann man sich nicht aussuchen.
Zitat von: Lothen am 05. April 2016, 22:03:53Ich denke, die meisten Konflikte auf Personenebene ergeben sich durch ganz banale Dinge:
* Missverständnisse (klassisch z.B. das Vier-Ohren-Modell (https://de.wikipedia.org/wiki/Vier-Seiten-Modell))
* divergierende Wünsche oder Lebensentwürfe (z.B. Kind vs. Karriere)
* oppositionelle Charaktereigenschaften (sanftmütig vs. launisch, perfektionistisch vs. entspannt)
* unterschiedliche Erwartungen an eine Person
* unterschiedliche Bedürfnisse
Genau diesen Wikipedia-Artikel über das Vier-Ohren-Modell hat mir erst vor wenigen Monaten jemand verlinkt. Da hat sich mir eine ganz neue Welt aufgetan, denn meistens achte ich in Gesprächen nur auf den Informationsgehalt. Auch beim Schreiben ging es mir lange so, dass ich selten aktiv an diese Komponente dachte. Aber damit lassen sich natürlich leicht Missverständnisse und damit Konflikte konstruieren.

Es ist in den meisten Fällen sehr hilfreich und sinnvoll, einen Roman auf den zentralen Konflikt herunterzubrechen, um einen Klappentext oder Pitch zu formulieren. Ich habe aber bemerkt, dass das bei vielen meiner Geschichten nicht die beste Methode ist. Einen Hauptkonflikt gibt es zwar meistens und der ist auch einfach zu benennen, aber für mich oft nicht das essentielle Element der Geschichte.
Ein Extrembeispiel: Der Protagonist erkundet aus Neugier eine leerstehende Villa. Was den Protagonisten und im Idealfall auch den Leser vorantreibt, ist die Neugier. Der Schwerpunkt ist die Erkundung, welche Geheimnisse gibt es zu entdecken? Zusätzlich kann man auch einen tieferen Sinn einbauen, damit es nicht zu platt wird.

Konflikte sind sehr nützlich, aber es gibt viele Möglichkeiten, eine Geschichte aufzubauen. Man muss nicht ganz bei Null anfangen, aber mir hat es zumindest geholfen, eine Methode zu wählen, mit der ich selbst zurechtkomme.
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Mondfräulein am 08. Juli 2023, 13:11:49
Ich glaube, Konflikte, die nur auf Missverständnissen beruhen, sind keine guten Konflikte. Gute Konflikte in Romanen sind finde ich solche, bei denen ich als Leserin nicht sofort weiß, wie man sie auflösen könnte. Also zum Beispiel: Figur A will nicht aus der kleinen Heimatstadt wegziehen, weil ihre Eltern dort leben und ihre Hilfe brauchen. Figur B wird in der Heimatstadt niemals glücklich werden und will zurück in die Stadt. Wie können die beiden zusammen sein? Beide haben unterschiedliche Interessen, die ich gut nachvollziehen kann. Da gibt es so auf Anhieb keine gute Lösung. Das erzeugt Spannung und ist gleichzeitig nachvollziehbar.

Aber wenn ich mir bei einem Konflikt denke, dass der sofort gelöst wäre, wenn die beiden nur mal miteinander reden würden (zum Beispiel, wenn Figur B nur denkt, dass Figur A in der Heimatstadt bleiben will, aber eigentlich hat sie das nie so gemeint, sondern wollte nur über die erdrückenden Erwartungen der Eltern reden), dann ist das nicht spannend, sondern einfach nur frustrierend.

Ein guter Konflikt erzeugt Spannung, weil er scheinbar unlösbar scheint. Aber wenn die Lösung für mich als Leserin absolut offensichtlich ist, die Figuren aber 200 Seiten Drama darum machen und einfach nicht darauf kommen, dann verliert mich das Buch.

Zitat von: Michael W am 10. Juni 2023, 18:36:13Ein Extrembeispiel: Der Protagonist erkundet aus Neugier eine leerstehende Villa. Was den Protagonisten und im Idealfall auch den Leser vorantreibt, ist die Neugier. Der Schwerpunkt ist die Erkundung, welche Geheimnisse gibt es zu entdecken? Zusätzlich kann man auch einen tieferen Sinn einbauen, damit es nicht zu platt wird.

Da würde mir aber persönlich noch irgendetwas fehlen. In dem Fall kann aber zum Beispiel das Geheimnis, das entdeckt werden soll, einen Konflikt beinhalten. Oder der Konflikt zwischen dem Protagonisten und jemandem, der nicht will, dass das Geheimnis entdeckt werden soll. Oder der innere Konflikt, wenn der Protagonist nicht weiß, was er mit dem Geheimnis jetzt tun soll. An die Öffentlichkeit bringen? Oder lieber doch nicht? Denn wenn der Protagonist wirklich nur durch die Villa schlendert, worum geht es in der Geschichte? Was ist die Handlung?

Ich habe auch zum Beispiel gerade beim Lesen von "Das Erbe der Elfenmagierin" gemerkt, dass mich Bücher unglaublich langweilen, in denen es keinen ernsthaften Konflikt gibt und in denen vor allem die Hauptfigur nichts hat, woran sie irgendwie zu knabbern hat. Der Protagonist ist mit sich selbst vollkommen im Reinen und stolziert fröhlich und freundlich durch die Welt. Das hat mich unglaublich gelangweilt. Dabei hätte man aus ihm einen interessanten Protagonisten machen können. Ich fand das wahnsinnig frustrierend zu lesen. Für mich persönlich geht es ohne Konflikt einfach wirklich nicht.
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: selkie am 08. März 2024, 21:59:18
ZitatIch glaube, Konflikte, die nur auf Missverständnissen beruhen, sind keine guten Konflikte. Gute Konflikte in Romanen sind finde ich solche, bei denen ich als Leserin nicht sofort weiß, wie man sie auflösen könnte. Also zum Beispiel: Figur A will nicht aus der kleinen Heimatstadt wegziehen, weil ihre Eltern dort leben und ihre Hilfe brauchen. Figur B wird in der Heimatstadt niemals glücklich werden und will zurück in die Stadt. Wie können die beiden zusammen sein? Beide haben unterschiedliche Interessen, die ich gut nachvollziehen kann. Da gibt es so auf Anhieb keine gute Lösung. Das erzeugt Spannung und ist gleichzeitig nachvollziehbar.

Das sehe ich auch so, vor allem, wenn man als lesende Person schon um das Missverständnis weiß, wie das bei manchen Liebesgeschichten der Fall ist. Natürlich kann es auch manchmal einen Reiz haben, aber es ist dann irgendwie auch ein wenig vorhersehbar. Ich denke aber der Kern des Problems ist, dass sich solche Konflikte zu schnell in Wohlgefallen auflösen.

Das wäre ein Punkt, der mich manchmal stört, wenn auch schwerwiegende Konflikte viel zu schnell aufgeklärt werden oder sich einfach in Luft auflösen. Wenn man einen Konflikt einbaut, dann sollte er am Ende nicht plötzlich verschwunden sein, außer es gibt hierfür einen wirklich guten Grund. Das ist mir beim Lesen manchmal schon aufgefallen, zum Beispiel ist Protagonistin A wütend auf Protagonistin B und in der nächsten Szene ist das komplett weggefallen und sie verstehen sich wieder so gut wie sonst auch, ohne dass je auf den Streit den sie hatten noch einmal eingegangen wird.

ZitatIn einem schlauen Buch ;) habe ich mal was gelesen, was mir sehr eingeleuchtet hat. Ein Antagonist ist nicht immer eine Person. Ein Antagonist kann alles sein, was dem Protagonisten entgegen steht: Ein Widersacher, ja, aber auch eine Umweltkatastrophe, eine schwere Krankheit, eine chronische Krankheit, seine eigenen Unzulänglichkeiten, sein fehlendes Selbstbewusstsein, die (bisher) unerfüllte Liebe. Was auch immer der zentrale Konflikt deines Werkes ist, steht ganz nah am Antagonisten, dem großen Hindernis, dass es zu überwinden gilt.

Finde ich einen sehr guten und wichtigen Punkt, dass auch widrige Umstände ein Antagonist sein können  :)
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Alana am 09. März 2024, 02:09:22
The Big Misunderstanding ist nicht zu Unrecht ein sehr beliebtes Trope, das man nicht vorschnell abtun sollte. Das Problem ist, dass es meistens schlecht umgesetzt wird. Dann finde ich es auch extrem nervig. Es kann aber auch extrem gut funktionieren, wenn es richtig gemacht wird. Essentiell ist dafür, dass die Gründe für das Missverständnis und die nicht erfolgende Aufklärung nachvollziehbar und logisch sind, und dass es nicht unnötig in die Länge gezogen wird. Ich habe einige Bücher gelesen, die das Trope meisterhaft umsetzen und in denen ich es sehr geliebt habe. Die pauschale Verurteilung ärgert mich deswegen immer etwas. Ich habe es selbst auch schon verwendet, bei einer Protagonistin, die erst lernen musste, zu sagen, was sie will, und das aus verschiedenen Gründen z.B. eine psychische Erkrankung nicht kann. Sie kann eben nicht "einfach mit ihm reden". Ein Thema, das ich persönlich als sehr realitätsnah und die Bearbeitung wichtig empfinde.

Bücher ohne Konflikt finde ich persönlich auch unerträglich. Habe lange gebraucht, bis mir klar wurde, wie viele Leute das aber tatsächlich mögen. Man lernt ja nie aus. ;D Ich wüsste aber wohl nicht, was diese Zielgruppe mag und könnte sowas nicht schreiben. Es gibt aber nicht wenig Interessenten dafür, wer also weiß, wie man das schreibt, kann auch damit viel Erfolg haben.

Was ich generell nicht gern mag, sind Dinge, die ich als non-problem problems betrachte. Zum Beispiel: "aber meine Freundin hat ihn zuerst gesehen und sich verliebt" oder "aber er ist mein Stiefbruder". Wers mag, solls gern lesen, diese Tropes / Konflikte haben ja auch viele Fabs, aber ich kann das nicht nachvollziehen und entsprechend auch nicht mitleiden. Dann schon eher sowas wie in "Der Tod in Venedig". Soll er den Jungen vor der Epidemie warnen und riskieren, ihn nie wiederzusehen? Oder es nicht tun und riskieren, dass er stirbt? Sowas finde ich sehr spannend. Abgründe halt. ;D

Generell finde ich, dass auch kleine und alltägliche Konflikte sehr interessant sein können. Es muss nicht immer um Leben und Tod oder den Weltuntergang gehen. Außerdem hängt es natürlich auch immer vom Genre ab, das man schreibt, wie man einen Konflikt gestaltet.

Ich habe eine Weile lang versucht, innere und äußere Motivation und Konflikte sehr akribisch zu plotten und habe festgestellt dass ich mich damit meistens in sehr unrealistische, konstruierte Situationen bringe. Inzwischen mache ich das Ganze eher nach Gefühl, nehme mir nur einen Startpunkt und entwickle diese Dinge dann innerhalb der Story, während ich schreibe, so wirkt alles organischer und natürlicher. Aber als Anhaltspunkte sind diese ganzen Tipps durchaus hilfreich.
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Mondfräulein am 09. März 2024, 16:16:13
Zitat von: Alana am 09. März 2024, 02:09:22The Big Misunderstanding ist nicht zu Unrecht ein sehr beliebtes Trope, das man nicht vorschnell abtun sollte. Das Problem ist, dass es meistens schlecht umgesetzt wird. Dann finde ich es auch extrem nervig. Es kann aber auch extrem gut funktionieren, wenn es richtig gemacht wird. Essentiell ist dafür, dass die Gründe für das Missverständnis und die nicht erfolgende Aufklärung nachvollziehbar und logisch sind, und dass es nicht unnötig in die Länge gezogen wird. Ich habe einige Bücher gelesen, die das Trope meisterhaft umsetzen und in denen ich es sehr geliebt habe. Die pauschale Verurteilung ärgert mich deswegen immer etwas. Ich habe es selbst auch schon verwendet, bei einer Protagonistin, die erst lernen musste, zu sagen, was sie will, und das aus verschiedenen Gründen z.B. eine psychische Erkrankung nicht kann. Sie kann eben nicht "einfach mit ihm reden". Ein Thema, das ich persönlich als sehr realitätsnah und die Bearbeitung wichtig empfinde.

Ich habe persönlich noch nie ein einziges Buch gelesen, in dem das Trope gut umgesetzt war (außer das Missverständnis dauerte nur ungefähr 20 Seiten an). Ich würde aber auch behaupten, dass dein Buch (ich habe es nicht gelesen und gehe von dem aus, was du schilderst) nicht unter dieses Trope fällt. Das Trope ist für mich wirklich nur dann erfüllt, wenn das Missverständnis der Kern des Problems ist. Von dem, was du schilderst, ist der Kern des Konflikts, dass sie nicht sagen kann, was sie will. Das ist in dem Fall ein Konflikt zwischen ihr und sich selbst bzw. ihrer psychischen Erkrankung. In dem Fall kann ich mir gut vorstellen, dass das im Buch funktioniert, aber eben auch nur, weil mir dann als Leserin klar ist, dass das Missverständnis nicht das eigentliche Problem ist und dass die Aufklärung des Missverständnisses das eigentliche Problem nicht lösen würde. Aber sobald ich das Gefühl habe, das Missverständnis aufzuklären, würde das Problem lösen bzw. alles wesentlich vereinfachen, empfinde ich das beim Lesen einfach als wahnsinnig frustrierend. Das fühlt sich künstlich in die Länge gezogen an.
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Alana am 09. März 2024, 17:05:06
Das sehe ich nicht so. Ein Trope wird nicht dadurch gelöscht, dass es nicht den Kern des Problems berührt. Das wirkt für mich eher so, als würdest du dagegen andiskutieren, dass man das Trope auch gut machen kann.  ;D (Nicht böse gemeint. Aber kommt bei mir so an.) Ich denke, es ist vielleicht immer so, dass das Missverständnis nicht das Hauptproblem sein kann, das ist vermutlich der große Fehler, den die meisten machen. Das Missverständnis ist eine von vielen Möglichkeiten, den Hauptkonflikt zu eskalieren, aber nie der Mittelpunkt aller Probleme. Abgesehen davon: jedes Buch, das auf einem einzigen Hauptkonflikt von vorn bis hinten aufgebaut ist, nervt schnell. Das ist ein typischer Anfängerfehler, den ich auch gemacht habe. Man startet mit einem Konflikt und der muss sich dann natürlich entwickeln.
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Franziska am 09. März 2024, 18:04:33
Ich überleg gerade, ob das bei Stolz und Vorurteil auch zutrifft. Zumindest gibt es viele Missverständnisse über die Persönlichkeiten von Personen und deren Absichten
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Mondfräulein am 09. März 2024, 18:39:56
Ich würde sogar offen dazu stehen, dass man das Trope meiner Meinung nach nicht gut umsetzen kann, aber wir gehen da glaube ich vor allem darin auseinander, was unter das Trope fällt und was nicht. Das ist ehrlich gesagt auch nur meine persönliche Einschätzung und vielleicht liege ich falsch, aber auf der anderen Seite fällt ja auch nicht jedes Missverständnis unter dieses Trope. Ich persönlich verstehe darunter, dass es zu einem Missverständnis kommt, das den Hauptkonfliktpunkt darstellt und alleine das Aufrechterhalten das Missverständnisses dazu führt, dass die Figuren nicht zueinander finden. Da zähle ich auch zum Beispiel "Ich kannte die Person einfach nicht gut genug und hatte einen anderen Eindruck von ihr" nicht drunter.

Ich verstehe schon, was daran attraktiv erscheint. Man kann großes Drama durchspielen ("Er hat mich betrogen!", "Er hat gesagt, dass er mich hasst!", "Nächste Woche heiratet er eine andere!"), die Auflösung geht aber sehr bequem und einfach. Große Emotionen, aber wir müssen nichts davon wirklich auflösen. Es liest sich eben nur wahnsinnig frustrierend. Absolut nicht meins.

Das ist glaube ich einfach eine viel engere Definition als deine, weil ich solche Beispiele wie deins nicht darunter zähle. Aber letztendlich ist es ja auch nicht so wichtig, wie das Trope letztendlich definiert ist, weil wir uns im Kern glaube ich einig sind: Das Missverständnis sollte nicht der einzige Konfliktpunkt sein. Viele gute Konflikte werden glaube ich auch erst dann gelöst, wenn die Figuren eine Entwicklung durchmachen und das ist zum Beispiel in deinem Beispiel der Fall. Die Figur vom Anfang des Romans kann den Konflikt nicht auflösen, die Figur am Ende aber schon.
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Araluen am 10. März 2024, 09:26:40
@Alana
ZitatBücher ohne Konflikt finde ich persönlich auch unerträglich. Habe lange gebraucht, bis mir klar wurde, wie viele Leute das aber tatsächlich mögen. Man lernt ja nie aus. ;D Ich wüsste aber wohl nicht, was diese Zielgruppe mag und könnte sowas nicht schreiben. Es gibt aber nicht wenig Interessenten dafür, wer also weiß, wie man das schreibt, kann auch damit viel Erfolg haben.
So selten ist das tatsächlich gar nicht. Viele Manga oder Anime kommen ohne konfliktgetriebenen Plot aus. Die Erzählform nennt sich Kishotenketsu und besteht aus Einleitung (ki), Entfaltung von Figuren und Geschichte (sho), eine neue Wahrheit, die alles bisher gelernte auf den Kopf stelkt (ten) und dem Ende (ketsu). Der Anime "Your name" ist ein Paradebeispiel für diese Erzählform.
Ich finde diese Herangehensweise auch sehr gewöhnungsbedürftig - im westlichen Kulturraum sind wir nunmal eher die Heldenreise gewohnt - und es hatte etwas gedauert, bis ich alle Hirnknoten entwirrt hatte, um diese Erzählform zu verstehen. Aber es war sehr interessant sich damit zu beschäftigen.
Titel: Re: Gute Konflikte erarbeiten
Beitrag von: Anj am 10. März 2024, 16:19:09
Interessant zu hören, dass es einen eigenen Namen hat. Ich mag so etwas inzwischen ganz gerne und ich merke, dass mich viele der typischen Plots inzwischen sehr langweilen.
Und ich denke auch, dass die Gewohnheiten sehr viel ausmachen. Gleichzeitig wird es aber auch vielfältiger, weil eben auch Alternativen zur Heldenreise mehr werden. Ich finde das gerade bei Webcomics aus anderen Kulturen sehr schön zu beobachten/lesen, wie westliche Tropes und Stereotype plötzlich völlig anders dargestellt oder über den Haufen geworfen werden.