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Stumme Miene - macht das Sinn?

Begonnen von Herbstblatt, 27. Januar 2021, 20:45:29

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Herbstblatt

Huhu.  :D

Eine meiner Figuren hat das Markenzeichen, dass man nichts von ihrem Gesicht ablesen kann und dadurch habe ich alle möglichen Formulierungen ausgepackt, um ihre ausdruckslose Miene zu beschreiben. Bei einer hab ich allerdings meine Bedenken:

ZitatAls müsste sie ihm ihre Gleichgültigkeit beweisen, setzte sie wieder ihre stumme Miene auf und wandte sich ihrem Essen zu.

Google spuckt dazu nix aus, also ... kann nun eine Miene stumm sein?

Mondfräulein

Ich würde vielleicht nicht drüber stolpern, aber es gibt bestimmt schönere Formulierungen.

Aus welcher Perspektive schreibst du denn? Wenn du nicht aus ihrer schreibst, dann würde ich weniger ihr Gesicht an sich beschreiben sondern, wie es auf andere wirkt. Wenn man ihre Emotionen nicht an ihrem Gesicht ablesen kann, dann würden sich die anderen ständig fragen, was in ihr vorgeht und wie sie etwas meint. Vor allem aber würde ich immer eher die Ausnahmen beschreiben als die Regel. Du etablierst am Anfang, dass ihr Gesicht sehr ausdruckslos ist und was immer wieder vorkommt, ist dass die anderen Figuren nicht wissen, wie sie etwas meint. Der Leser merkt sich das und du musst es dann nicht mehr erwähnen, wenn es nicht relevant wird. Was du dann aber definitiv erwähnen solltest sind die Ausnahmen, wenn sie wirklich mal Emotionen zeigt. Dein Zitat klingt, als hätte sie vorher eine Emotion gezeigt, denn sonst müsste sie ihre stumme Miene ja nicht erst wieder aufsetzen. Das würde den anderen Figuren sofort auffallen, das würde ich dann hervorheben.

Marlemee

Mir persönlich gefällt die Formulierung gar nicht schlecht. Es ist aber die Frage, ob es zu deinem Stil passt, also ob du generell Sinneseindrücke vermischst, die ursprünglich nichts miteinander zu tun hatten. Also z.B. eine ruhige Farbe, etc... Alternativ würde verschlossene Miene ganz gut passen, denke ich.

Herbstblatt

Zitat von: Mondfräulein am 27. Januar 2021, 20:56:08
Ich würde vielleicht nicht drüber stolpern, aber es gibt bestimmt schönere Formulierungen.

Aus welcher Perspektive schreibst du denn? Wenn du nicht aus ihrer schreibst, dann würde ich weniger ihr Gesicht an sich beschreiben sondern, wie es auf andere wirkt. Wenn man ihre Emotionen nicht an ihrem Gesicht ablesen kann, dann würden sich die anderen ständig fragen, was in ihr vorgeht und wie sie etwas meint. Vor allem aber würde ich immer eher die Ausnahmen beschreiben als die Regel. Du etablierst am Anfang, dass ihr Gesicht sehr ausdruckslos ist und was immer wieder vorkommt, ist dass die anderen Figuren nicht wissen, wie sie etwas meint. Der Leser merkt sich das und du musst es dann nicht mehr erwähnen, wenn es nicht relevant wird. Was du dann aber definitiv erwähnen solltest sind die Ausnahmen, wenn sie wirklich mal Emotionen zeigt. Dein Zitat klingt, als hätte sie vorher eine Emotion gezeigt, denn sonst müsste sie ihre stumme Miene ja nicht erst wieder aufsetzen. Das würde den anderen Figuren sofort auffallen, das würde ich dann hervorheben.

Es ist nicht aus ihrer Perspektive.
Aber ja, das ist ein guter Einwand, das werde ich mir merken und beim Editieren darauf achten.

Zitat von: Marlemee am 28. Januar 2021, 18:48:15
Es ist aber die Frage, ob es zu deinem Stil passt, also ob du generell Sinneseindrücke vermischst, die ursprünglich nichts miteinander zu tun hatten. Also z.B. eine ruhige Farbe, etc... 
Hmm.. das werde ich mir ansehen.

Zitat von: Marlemee am 28. Januar 2021, 18:48:15
Alternativ würde verschlossene Miene ganz gut passen, denke ich.

Das gefällt mir.  :D

Trippelschritt

Stumme Miene fällt für mich in die Kategorie "Schiefe Metapher". Vor so etwas sollte sich ein Autor hüten, obwohl sie nicht gleich eine Katastrophe sind.

Ihre Miene wurde ausdruckslos. Ich konnte sehen wie jede Regung aus ihrem Gesicht flüchtete. Übrig blieb nur ein teigiges Nichts.
Das war jetzt etwas dick aufgetragen. Aber so in diese Richtung würde ich gehen. Je nachdem, wie wichtig das ist, was beschrieben werden soll, denn mit Kanonen auf Spatzen ist auch nicht gut.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Aphelion

Metaphorisch kann man "stumm" zwar für alles Mögliche verwenden, aber in diesem Fall wirkt die Beschreibung auf mich ebenfalls schief.

Generell finde ich, dass solche Beschreibungen schnell übertrieben wirken - das ist mir bei einer entsprechenden eigenen Figur erst neulich wieder aufgefallen. In deinem Beispiel funktioniert der Satz z.B. wunderbar ohne die Mienen-Erwähnung. Sich abzuwenden (oder etwas anderem zuzuwenden), ist schon genug demonstrative Gleichgültigkeit.

Herbstblatt

Danke für die Inputs, das wirft für mich ein neues Licht auf meine Formulierung. [:

Felix Fabulus

Zumindest habe ich schon oft von stummen Mienen gelesen. Im Gegensatz zu @Trippelschritt finde ich, Metaphern dürfen gerne speziell sein, wenn sie bewusst eingesetzt werden und kraftvoll sind. Eine stumme Miene ist für mich nicht gleichzusetzen mit einer ausdruckslosen Miene. Wenn du also willst, dass die Leser*innen sich etwas unter einer stummen Miene vorstellen, dann benutz die Metapher. Wenn du dir nicht sicher bist, suche weiter.
Wortwebereien aus der Geschichtenmühle, gespeist vom Ideensee, der Fantasie und dem Bächlein Irrsinn.

Trippelschritt

Das ist jetzt ein interessanter Post, @ Felix und ich kann Dir da auch in einigen Dingen zustimmen.
In der Tat findet man die "stumme Miene" in verschiedenen Texten. Und ja, Metaphern dürfen gerne speziell sein, manchmal sollten sie das sogar. Gerade sie werden immer bewusst eingesetzt. Ich stimme nur in einer Kleinigkeit nicht mit dir überein.

"Wenn du also willst, dass die Leser*innen sich etwas unter einer stummen Miene vorstellen, dann benutz die Metapher." , schreibst du.

Meine Position ist, dass eine Metapher helfen soll, eine Aussage des Autors zu verstehen. Es geht weniger darum, dass der Leser sich etwas vorstellt, sondern dass er sich das richtige vorstellt. Deshalb sollten sie bewusst (s.o.) eingesetzt werden und dürfen deshalb auch gerne speziell (s.o.) sein.

Stumme Miene bedeutet für mich eine Miene, die nicht spricht, die deshalb nichts verraten kann. Der Unterschied zu ausdruckslos ist mir deshalb nicht klar, aber ausdruckslos ist ein schwaches Bild und deshalb auch nicht gut. Deshalb sollte es, wenn es um etwas geht, am besten du eine folgende Ergänzung verstärkt werden. Dann hat man wieder ein starkes Bild.

Schiefe Metaphern sind immer gefährlich, weil sie die Intention des Autors nicht unbedingt verstärken, sondern zu Missverständnissen führen können. Es gibt also bessere Lösungen.

Und vielleicht nioch etwas zum Nachdenken: Wie wäre es einmal mit den Metaphern blinde Miene, taube Miene. Zumindest die taube Miene wäre interessant, weil sie die Miene ist, die ein Nichtverstehen anzeigt. Aber ich habe taube Miene noch nie gelesen und würde sie auch nicht einsetzen.

Ihr merkt es schon, ich liebe Metaphern.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Linda

#9
Im Zweifel neige ich zu einer knackigen Formulierung, statt einer langen Beschreibung. Wenn man keine originelle Metapher (und der Vorteil einer Metapher liegt i.d.R. gerade in ihrer Kürze und Knappheit, die ein ganzes Bild vermittelt, ohne viel zu be-schreiben) zur Hand hat, finde ich nichts Verkehrtes daran, sich mit etwas Gängigem zu behelfen.
Ihr Ausdruck wurde leer.

Spart eine Miene - und da im Satzteil zuvor schon mit "Gleichgültigkeit" gearbeitet wird, würde ich es nicht 'doppelt moppeln'.

Oder

Edit: Gleichgültigkeit stand in ihren Augen (oder wenn es sein muss, Miene) und auch ihr Mund blieb stumm.

Vorteil, das bricht diese Miene (ich finde das Wort eher nichtssagend, da ein Gesicht aus vielen Teilen besteht  und die durchaus unterschiedlich agieren)

Felix Fabulus

@Trippelschritt: Okay. Ich gehe mit dir einig: Es gibt Ausdrücke, mit Hilfe derer sich den Leser*innen ein klareres Bild präsentiert.

Auch interessant: Eine leere, eine hohle, oder eine stumpfe Miene? Vielleicht eine sphynxerne? Ich stelle mir unter allen etwas anderes vor. Die Frage nun: Wie können wir sicherstellen, dass sich die Leser*innen genau das vorstellen, was ich mir wünsche?
Wortwebereien aus der Geschichtenmühle, gespeist vom Ideensee, der Fantasie und dem Bächlein Irrsinn.