Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum

Handwerkliches => Workshop => Thema gestartet von: AlpakaAlex am 31. Juli 2020, 18:51:16

Titel: Corona und Fantasy
Beitrag von: AlpakaAlex am 31. Juli 2020, 18:51:16
Ich sitze aktuell vor einer Frage für mein neues Projekt (nachdem ich bei meinem anderen einfach nicht voran komme). Es ist Urban Fantasy. Ich habe nicht genau festgelegt, wann es spielt, aber eigentlich sollte es "relativ jetzt" spielen. Was natürlich bei Urban Fantasy aktuell eine recht wichtige Frage mit sich bringt: Gibt es in meiner Geschichte den Corona-Virus mit all seinen Folgen? Müssen meine Charaktere Masken tragen, wenn sie rausgehen?

Meine aktuelle Neigung geht dahin, dass ich tatsächlich Corona als etwas einbaue, dass gerade passiert. Zwar nicht im Vordergrund, aber eben als eine Sache, die gerade passiert.

Gleichzeitig frage ich mich auch, wie sich das in der Urban Fantasy allgemein entwickeln wird. Wird man so tun, als gäbe es Corona nicht? Immerhin sind viele Geschichten nicht genau datiert. Auf der anderen Seite fand ich es damals in den Sookie Stackhouse Büchern richtig gut, dass Hurricane Katherina nicht nur vorkam, sondern auch eine zentrale Rolle für den Plot der späteren Bände spielte. Und letzten Endes ist das hier eine vergleichbare Situation - nur dass das hier global ist.

Allerdings habe ich auch schon Stimmen gehört, die sagen: "Na ja, man liest halt Fantasy um genau diesem Scheiß zu entkommen." Und das verstehe ich auch total. Fantasy ist Eskapismus. Und wenn einem diese Pandemie schon im echten Leben auf die Laune schlägt, will man eventuell nicht in der Fiktion damit konfrontiert werden.

Ein Gegenargument, das ich auch gehört habe, war: "Na ja, aber bald ist die Pandemie vorbei und dann wirkt das komisch." Was ... auch ein Argument ist, wenngleich diese Personen deutlich optimistischer sind als ich.

Wie denkt ihr: Würdet ihr Corona bei Urban Fantasy einbauen?

Oder auch allgemeiner gefragt: Seid ihr in Anbetracht der Umstände vielleicht eher geneigt, über Pandemien oder dergleichen auch in fantastischen Welten zu schreiben?

Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: FeeamPC am 31. Juli 2020, 19:47:10
Über einen Hurricane kann man schreiben, weil man da weiß, wie er ausgagangen ist. Über eine Seuche? Wenn man das Ende nicht kennt und es anders ist als im Buch ist das Buch relativ schnell für die Leser veraltet oder unglaubwürdig. Gebe ich nur zu bedenken...
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Elona am 31. Juli 2020, 19:58:12
Nimmst du Corona in der jetzigen Situation an, wird man dein Buch immer diesen Zeitraum zuordnen können. Also 2020. Du kannst deine Geschichte aber auch genauso in 2019 spielen lassen und hättest kein Corona.

In meinem ersten Fatum Corporation Band 1 (Gefährder) (https://www.amazon.de/Fatum-Corporation-Gef%C3%A4hrder-Fenja-W%C3%A4chter-ebook/dp/B07NCKWCLP/) hatte ich Anfang 2019 vom Prinzip her das Thema gehabt. Da war Corona in weiter Ferne, ändert aber nichts an der Grundlage für ein solches Problem, die nun einmal existiert. Es gab da auch noch ein ganz bekanntes Buch (vergessen wie es heißt, da nie gelesen), da ging es auch darum. Ironischerweise hatte der Autor den Namen der chinesischen (?) Stadt genommen, in der es in seiner Geschichte entstanden ist.

Dem jetzigen Stand vorweg greifen würde ich persönlich nicht. Wobei man selbst das machen könnte, wenn es dafür einen Grund gibt.

Am Ende ist es eine Frage, was du möchtest.
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Märchen am 31. Juli 2020, 21:30:14
Hmm, knifflige Frage... das, was du selbst, @NelaNequin und auch die anderen schon aufgegriffen haben, stimmt natürlich. Es kommt darauf an, ob du dein Buch immer mit Corona (ob du "deine" Pandemie jetzt so nennst oder nicht) in Verbindung gebracht sehen willst. Und Fiktion wird von vielen, einschließlich mir selbst, zur Alltagsflucht genutzt.
Andererseits ist es immer noch deine Geschichte, mit der du machen kannst und sollst, was du am besten findest. Gerade Urban Fantasy spielt halt in unserer Welt, und wenn so eine Pandemie hier passieren kann, dann auch in deinem Buch. Kommt auch drauf an, was du daraus machst. Solange immer noch der Plot im Fokus steht und die Pandemie vielleicht sogar ein zu überwindendes Hindernis für deine Charaktere darstellt, größtenteils aber nur im Hintergrund passiert könnte das durchaus machbar sein. Ich persönlich würde aber davon absehen, der Realität in dem Punkt vorzugreifen, weil wir -im Gegensatz zum Hurricane oder dem Tsunami- ja eben noch nicht wissen, wie es am Ende ausgeht.
Wenn du die Pandemie aber nur einbauen willst, weil es "jetzt" spielen soll, finde ich auch, dass du dann vielleicht eher eine Zeit (kurz) vor Corona nehmen solltest; so lange her wie sich das anfühlt ist es ja nicht.
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Romy am 31. Juli 2020, 21:59:40
Über diese Dinge habe ich mir auch schon Gedanken gemacht, Nela, wobei ich allgemein über alle (Unterhaltungs-)Medien und Genres nachgedacht habe, das betrifft ja nicht nur die Fantasy. Ich denke, Corona wird zukünftig noch in Romanen, Filmen und TV-Serien aller Genres irgendwie verarbeitet und wird dort in vielen Fällen einfach nur Hintergrund sein, um ganz andere Geschichten zu erzählen, ob nun Fantasy oder realistische Geschichten. Ich kann mir z.B. vorstellen, dass Serien der Coronazeit eine Staffel (oder mehrere) widmen, je nachdem wie lange es noch dauert.
Wie all das in der Realität ausgeht und was die Unterhaltungsmedien/Literatur etc. dann wirklich darauß machen, werden wir alles noch sehen, aber wir als Menschen und Autor*innen sind ja auch ein Teil davon und haben somit auch ein klein wenig Einfluss darauf. ;)
Viele Experten meinen ja auch, dass uns die Pandemie noch viele Jahre beschäftigen wird, selbst nachdem ein Impfstoff gefunden wurde und ich kann mir ehrlich nicht vorstellen, dass Autor*innen, Film- und Serienmacher*innen diese Zeit einfach so ignorieren werden, nicht einmal falls sie wirklich demnächst vorbei ist, wonach es realistisch betrachtet momentan wirklich nicht aussieht. Aber grundsätzlich kann man jede Art von Geschichte in jedem Genre erzählen, während die Figuren Masken tragen, Abstand halten etc. Ich fände es sogar unrealistisch all das zu ignorieren.
Gut, wenn man erzählen will, wie die Figuren irgendwelche Großveranstaltungen besuchen, dann ist auch für die Leser*innen sofort klar, dass es nicht in der Coronazeit spielt, sondern wohl eher davor, selbst wenn man es nicht genau datiert.

Welche Zeitspanne umfasst denn die erzählte Handlung Deines Romanes? Wenn es nur einige Tage oder Wochen sind, wüsste ich nicht, warum er nicht im Frühjahr oder Sommer 2020 spielen sollte, da wir ja bereits wissen, wie diese Zeit verlief. Aber die Handlung könnte auch im Herbst oder Winter spielen, die uns in diesem Moment zwar noch bevorstehen, aber immerhin wirst Du ja auch eine Weile zum Schreiben brauchen und wenn in der Realität ganz unvorhergesehene Dinge passieren, die unbedingt erwähnt werden müssen, kann man das später noch einarbeiten. Zu viel Arbeit sollte es ja nicht werden, wenn Corona sowieso nur Hintergrund darstellen soll. :)
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Churke am 01. August 2020, 00:01:01
Zitat von: NelaNequin am 31. Juli 2020, 18:51:16
Ich habe nicht genau festgelegt, wann es spielt, aber eigentlich sollte es "relativ jetzt" spielen.

Wenn du fertig bist, einen Verlag gefunden hast und die Sache in Druck geht, ist "relativ jetzt" vorbei. Das ergibt nur Sinn, wenn die Geschichte konkret im Jahr 2020 spielt und "echt" sein soll.

Zitat von: NelaNequin am 31. Juli 2020, 18:51:16
Wie denkt ihr: Würdet ihr Corona bei Urban Fantasy einbauen?
Ganz klar nein. Für eine Fantasy-Geschichte ist das Virus viel zu harmlos. 99 % der Beeinträchtigungen beruhen auf öffentlichen Panikreaktionen. Das ist soziologisch und ökonomisch interessant, aber wir reden hier von Fantasy.

Zitat von: NelaNequin am 31. Juli 2020, 18:51:16
Oder auch allgemeiner gefragt: Seid ihr in Anbetracht der Umstände vielleicht eher geneigt, über Pandemien oder dergleichen auch in fantastischen Welten zu schreiben?
Absolut. Man sieht ja auch, dass seit Corona die Dokus über vergangene Seuchen boomen. Seien wir ehrlich: Wir erleben gerade eine Realität, die wir uns vor einem Jahr nicht vorstellen konnten. So etwas regt die Phantasie an. Aber Corona ist für eine "Outbreak" zu lasch, da muss man schon eine paar Schippen drauf legen.
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Tintenteufel am 01. August 2020, 09:37:10
Bin da so ziemlich bei @Churke. Historische Seuchen sind, zum Glück, noch deutlich abgefahrener und tödlicher. Für Fantasy erwarte ich da größere Einschnitte, zumal je nach Art und Grad der Phantastik magische Seuchen und Seuchenbekämpfung ja noch abgedrehter sein sollte. Die gesellschaftlichen Auswirkungen sind, wie Churke sagte, bei Corona meiner Meinung nach auch am interessantesten. Um die richtig abzuschätzen muss die Pandemie aber erst einmal vorbei sein. Sonst ist man da vermutlich sehr schnell wieder draußen. Das lohnt sich also nur, wenn der Roman wirklich nicht in einem ominösen Gegenwart spielt, sondern 2020 in unserer Welt mit all dem anderen Kram - also nicht nur Corona, sondern auch Trump, BlackLivesMatter, Krimkrieg, Syrien etc. pp. Sonst ist das alles bisschen dünne.

Zitat von: Churke am 01. August 2020, 00:01:01
Zitat von: NelaNequin am 31. Juli 2020, 18:51:16
Oder auch allgemeiner gefragt: Seid ihr in Anbetracht der Umstände vielleicht eher geneigt, über Pandemien oder dergleichen auch in fantastischen Welten zu schreiben?
Absolut. Man sieht ja auch, dass seit Corona die Dokus über vergangene Seuchen boomen. Seien wir ehrlich: Wir erleben gerade eine Realität, die wir uns vor einem Jahr nicht vorstellen konnten. So etwas regt die Phantasie an. Aber Corona ist für eine "Outbreak" zu lasch, da muss man schon eine paar Schippen drauf legen.
Den Teil sehe ich allerdings etwas anders. In meinem aktuellen Projekt spielt eine Seuche eine Rolle, insofern sie vor Beginn der Handlung die Stadt zerlegt hat und die Handlung sich eben um den Wiederaufbau einer Polis nach einer schweren Krise dreht - allerdings wird mir wegen Corona jetzt niemand glauben, dass mir die Grundidee letzten Herbst eingefallen ist. Ich finde Corona aber immerhin als Material ganz interessant. Wir sehen jetzt live eine Entwicklung, die für die meisten zumindest schwer vorstellbar war und die viele Mechanismen an Seuchenbekämpfung reaktiviert, die wir noch nie in Aktion gesehen haben. Das finde ich zumindest spannend, um darauf dann meine Recherche aufzubauen und von dort aus weiterzudenken.

ZitatÜber diese Dinge habe ich mir auch schon Gedanken gemacht, Nela, wobei ich allgemein über alle (Unterhaltungs-)Medien und Genres nachgedacht habe, das betrifft ja nicht nur die Fantasy. Ich denke, Corona wird zukünftig noch in Romanen, Filmen und TV-Serien aller Genres irgendwie verarbeitet und wird dort in vielen Fällen einfach nur Hintergrund sein, um ganz andere Geschichten zu erzählen, ob nun Fantasy oder realistische Geschichten. Ich kann mir z.B. vorstellen, dass Serien der Coronazeit eine Staffel (oder mehrere) widmen, je nachdem wie lange es noch dauert.
Das denke ich tatsächlich gar nicht so. Ich meine einige "topical" Sendungen werden das sicherlich machen, vor allem amerikanische Sendungen. Aber ich bin mir unsicher, wie der gesellschaftliche Einschlag wirklich aussehen wird. Einfach, weil er noch nicht vorbei ist. In den härter betroffenen Ländern z.B. kocht - durch Corona als Katalysator - ja auch noch einiges anderes über derzeit. Und ich glaube zumindest in den USA kommt die Endzeitstimmung durch die Kombination von alledem auf. Ich bin mir nichtmal sicher, ob sich das reguläre Maskentragen im Winter in Deutschland durchsetzen würde, geschweige denn dass Corona selbst so eine große Rolle in irgendwelchen Sendungen spielen würde. Einfach weil Deutschland die Sache im internationalen Vergleich extrem gut im Griff hat bislang. Das ist natürlich Spekulation von meiner Seite aus, aber ich denke das sieht man wirklich erst, wenn die Pandemie offiziell vorbei ist und man das Ende absehen kann. Das hatten FeeAmPc und Elona ja auch schon angedeutet.

Zu deiner Frage, Nela:
Ich finde Corona als "Marker" durchaus sinnvoll. Gerade, wenn man den Handlungszeitraum einigermaßen eingrenzen, aber auch nicht einfach eine Jahreszahl nennen möchte. Allerdings neige ich dazu, solche Dinge immer sehr subtil im Hintergrund einzubauen. Einige meiner Geschichten lassen sich durch Nebensätze datieren, in denen auf die erste Körperweltenausstellung in Berlin angespielt wird, oder in denen bestimmte Gebäude noch nicht stehen. Dann wiederum habe ich aber auch das Stadtbild generell verändert und es gibt noch mehr alte Gebäude und mehr Rückbauten als im tatsächlichen Berlin - das ist dann eine Frage des Geschmacks.

Für mich ist es aber irrelevant. Meine Urban Fantasy Sachen handeln zwar oft von Medizinern und Krankenhäusern, aber die stecken alle auf die ein oder andere Weise in Blutmagie fest. Und die Geschichten sind ja wie gesagt sehr schwammig datiert. Für mehr oder minder unsterbliche Kannibalen/Vampire, die ohnehin nie krank werden, nicht atmen und Zeit in eher großen Sprüngen wahrnehmen ist eine bis zum Zeitpunkt dieses Postings gerade fünf Monate dauernde Pandemie... Ein Nickerchen.
Mein historisches Projekt ("Südlich des Südpols") ist dagegen eindeutig um den 30 Jährigen Krieg herum angesiedelt und nimmt sich ohnehin einige Freiheiten heraus. Da ist es für mich nur spannend, die Maßnahmen und Reaktionen und die historischen Parallelen jetzt aufgearbeitet zu bekommen - die kann ich dann nämlich auch dafür verwenden.
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: FeeamPC am 01. August 2020, 11:34:30
Für eine heute spielende Geschichte braucht man nur die Realität z.B. in den USA zu beschreiben. Klingt wie Fantasy. Pandemie, Katastrophenstimmung, ungekennzeic hnete Truppen auf den Straßen, die scheinbar willkürlich Leute verhaften, Witch Doctors, alien DNA, Schwangerwerden durch Geister ...  Und über allen ein evil bad man, der nur auf Profit und Selbstbestätigung aus ist (... warum lieben die Doktor Fauci und nicht mich?...). Klingt sehr nach einer dystopischen Horror-Geschichte, und man braucht noch nicht einmal etwas zu erfinden.
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Berjosa am 01. August 2020, 13:03:57
Diese Frage beschäftigt mich auch gerade.

Meine Geschichte soll eben keine Dystopie werden, sondern eher ein Wohfühl-Buch. Ich habe eine Plotvariante mit Corona und eine ohne, rein technisch geht beides.
Zur Zeit neige ich dazu, ein paarmal deutlich "2019" an den Rand zu schreiben und die zweite Variante zu verwenden. Corona nur mal kurz zu erwähnen oder für jedes seuchenbedingte Problem eine Ausrede aus dem Hut zu zaubern, erscheint mir nicht angemessen.
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Nikki am 01. August 2020, 13:44:49
Ich denke, du musst für dich klären, ob du dein/e Werk/e dem "Corona-Genre" zuordnen willst oder nicht. Nach der Dreifachkatastrophe in Fukushima 2011 gab es "Fukushima-Romane" zuhauf, genauso wie es auch "Nicht-Fukushima-Romane" gab. Fukushima wie Corona sind Teil unserer Gesellschaften, genauso wie Millionen von anderen Dingen. Nicht allen kann und sollte man Rechnung tragen.

Romane bieten Interpretationsmöglichkeiten für die Wirklichkeit, indem sie diese abstrahieren. Autor*innen entscheiden, wo sie den Rotstift ansetzen und wo nicht. Wenn du bspw. einen Vampirroman schreiben möchtest, ist dann Covid-19 in deinem Universum relevant für blutsaugende Geschöpfe? Wenn nein, dann weg damit. Wenn ja, dann bau es in deine Handlung ein. Ich würde es allerdings nicht als Randnotiz einbauen, à la "Vladimier beugte sich über sein Opfer. Er hielt in der Bewegung inne, als er sich fragte, ob er sich durch zwei Schlückchen mit Corona infizieren könnte." Das wirkt billig und wie Effekthascherei.

Ich für meinen Teil möchte, dass meine aktuelle Romanserie im beginnenden 21. Jahrhundert verortet wird, weil das meiner Lebenswelt und der des Großteils meiner protentiellen Leser*innen entspricht. Dabei versuche ich auf Trenderscheinungen wie Iphones, SMS etc. zu verzichten und halte mich allgemein, indem ich von Smartphones und Nachrichten schreibe. Sie könnte genauso gut 2010 wie 2030 spielen, für die Geschichte würde es keinen Unterschied machen. Mit der Verortung mit Wien als Schauplatz bin ich zwar spezifisch, doch zeitlich möchte ich nicht zu konkret werden, sodass die Romane auch nach ein paar Jahren noch immer lesbar sind.

Wenn ich explizit einen Roman über Pandemien schreiben wollen würde (was nicht der Fall ist, da ich Schreiben und Lesen als Eskapismus sehe und keine literarisierte Form von Zeitungsartikeln oder Verschwörungstheorien produzieren wie rezipieren will), dann würde ich mir die Frage stellen, ob ich die Reaktion und Handhabung von Covid-19 als Vorbild hernehme. Aber das fällt dann unter die gängige Recherche zum Thema.
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Eluin am 01. August 2020, 16:20:43
Ich sag es mal so: Ich habe letzten September ein Buch ("Myalig - gestohlene Leben", Märchenspinnerei + Shortlist Seraph - das als Rahmenbedingungen) veröffentlicht, in dem eine Seuche die zentrale Rolle spielt. Vor Corona war es einfach nur "interessantes Setting". Seit Corona, gerade als es darum ging, dass Zeitungen über die Seraph-Nominierung hier in der Region informiert wurden, wurde dann ständig Corona in den Artikeln erwähnt und spielte beinahe die Hauptrolle. DAS fand ich extrem nervig, vor allem weil die Seuche nichts mit Corona zu tun hat, sondern eigentlich die Aufmerksamkeit auf eine ganz andere, reale Krankheit gelenkt werden sollte  ::)

Ich denke, es ist wirklich die Frage, wie real du sein möchtest in der Urban Fantasy, wie sehr du es im Jetzt verorten möchtest oder ein paar Jahre zurück oder nach vorne gehst. Und welche Assoziationen du da im Leser wecken willst. Egal wie du die Seuche nennst, am Ende wird womöglich die Assoziation mit Corona da stehen, auch wenn du das gar nicht willst.
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Elona am 01. August 2020, 19:10:04
Ich glaube wir reden mittlerweile von zwei verschiedenen Dingen: Setting und Thema.

Grundsätzlich an alle die sagen, sie würden es außenvorlassen:
Wenn es hier in Europa jetzt beispielsweise einen Krieg gegeben hätte, würdet ihr ihn auch nicht erwähnen? So gar nicht?
Und hätte die Notre Dame bei euch gebrannt oder nicht, wenn sie in eurer Geschichte vorgekommen würde?

;)

Worauf ich hinaus will: Corona ist ein einschneidendes Erlebnis, von dem wirklich alle Menschen weltweit betroffen waren und sind. Deshalb ist diese Aussage in meinen Augen nicht korrekt:
ZitatSie könnte genauso gut 2010 wie 2030 spielen, für die Geschichte würde es keinen Unterschied machen. Mit der Verortung mit Wien als Schauplatz bin ich zwar spezifisch, doch zeitlich möchte ich nicht zu konkret werden, sodass die Romane auch nach ein paar Jahren noch immer lesbar sind.
2010 hat es niemanden gekümmert, ob man einen Mundschutz getragen hat, oder nicht. 2020 hingegen schon. Und 2030 ... wer weiß schon, was dann ist. Es könnte z.B. genauso gut sein, dass dann Mundschutz nicht mehr wegzudenken ist und verschärftere Hygeniemaßnahmen gelten. Und in dem Fall stimmen Beschreibungen vom Setting nicht mehr mit der Realität überein. Mal davon abgesehen, dass man dahingehend nie eine Sicherheit hat und die Geschichte spätestens mit einem anderen geschichtlichen Ereignis nicht mehr passt. Von daher kann und sollte man auch den Mut haben, es korrekt anzugehen und festzulegen, wenn man eben (leider) genau in einer solchen Zeit landet oder man legt aus Gründen eine andere Realität an. Gründe sollte dann aber auch da sein.

Die Frage ist ja nicht nur, ob Corona mein Romanthema ist, sondern behandel ich es, weil es einfach ein geschichtlich einschneidendes Erlebnis in der Menschheitsgeschichte war/ist (und sorry, dass ist es). Und dann bin ich ganz bei @FeeamPC , wenn sie sagt, es klingt veraltet bzw. was ich viel schlimmer finde: unglaubwürdig. Denn jeder von unseren Zielgruppen ist von diesem Ereignis betroffen. Persönlich. Und deshalb kann man es auch nicht mit einem Trend vergleichen, der durch den nächsten abgelöst wird.

Ich kann meine Aussage auch gerne mit Beispielen untermauern:
- Unser/e Prota ist z.B. Arzt/in - allein deren Vergangenheit wird davon geprägt sein, selbst wenn nach 2020 alles wieder beim Alten sein sollte (was ich ehrlich gesagt bezweifle).
- Ein Baby kam gerade zu der Zeit auf die Welt, wo der Vater nicht einmal im Kreißsaal dabei sein konnte - hat genauso Auswirkungen auf nach 2020.
- Das Unternehmen hat in der Zeit auf Home Office umstellen müssen, dann gemerkt wie toll das klappt und ist dabei geblieben
- Prota hatte Probleme wegen Abi
- Konkurse, Arbeitslosigkeit, Todesfälle und eventuelle gesundheitliche Langzeitfolgen ganz außer Acht gelassen

Das ist in meinen Augen Setting relevant und wird es immer bleiben!   

Mir ist gerade übrigens auch aufgefallen, dass ich zwar nicht mit meinem aktuellen Roman davon betroffen bin, aber mit den Folgebänden. Band 1 landet zeitlich noch fein in 2019, aber spätestens bei Band 3 habe ich nicht nur Corona, sondern auch die Thematik von Black Lives Matter. Das kann ich nicht ignorieren. Genauso wenig einen Präsidenten, der Truppen in seine Städte entsendet (vorausgesetzt "meine" Stadt ist davon betroffen). Das sind einfach geschichtliche Fakten, die ich nicht ignorieren kann. 
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Nikki am 01. August 2020, 19:52:02
Setting und Thema sind verschiedene Dinge, ja, aber für beides gilt die Regel der Abstraktion.

Zitat2010 hat es niemanden gekümmert, ob man einen Mundschutz getragen hat, oder nicht. 2020 hingegen schon. Und 2030 ... wer weiß schon, was dann ist.

Der Punkt ist, ich will keinen Roman für 2010, 2020 oder 2030 schreiben, sondern einen, der sowohl 2010, 2020, als auch 2030 "Sinn ergibt", weil er zu jeder der Zeiten spielen könnte. Sobald coronaspezifische Settingmarker eingebaut werden, ist er zeitlich spezifiziert. Sofern Corona nicht mein Thema ist, sehe ich keinen Anlass dazu, es in mein Universum (Urban Fantasy) einzubauen.

Kleine Nebenbemerkung: Meine Handlung startet im November, es liegt schienbeinhoher Schnee in der Stadt. Seit über einem Jahrzehnt hat es in Wien im November nicht mehr geschneit. Schreibe ich den Roman jetzt um, weil die Klimakrise micht ausgestochen hat? Nein, ich verbuche diesen Teil des Settings eben unter dem "Fantasy"-Aspekt. Wer seinen Roman immer aktuell halten möchte, schreibt über kurz oder lang einen Roman, der schnell altert bzw. sich in ein ganz spezifisches Genre ordnen lässt.

Der Vorteil daran, Corona nicht zu erwähnen, ist: Die Leser*innen können in das, was nicht gesagt ist, Coronaspezfisches interpretieren. "XY steigt in den Bus" (in Wien gilt Maskenpflicht in den Öffis) - nichts spricht dagegen, dass sich die Leser*innen vorstellen, die Figur trägt eine Maske.

Der Nachteil daran, Corona zu erwähnen, ist: Corona ist in dem Universum etabliert und damit auch der gesamte Diskurs, der im Gange ist, sodass der Roman von Haus aus in gewissen Szenen eine bestimmte Stimmung hat, die man vielleicht eigentlich ausblenden wollte - sowohl als Leser*in, als auch Autor*in.

Ich frage euch: Schildert ihr den Stuhlgang jeder einzelnen Figur oder überlasst ihr dieses Detail der Fantasie der Leser*innen, die davon ausgehen, dass die Figuren ähnliche Bedürfnisse haben wie sie selbst? Wenn ihr nicht jeden Stuhlgang schildert, wieso aber auf einmal jedes Händewaschen?

Es bleibt die Frage: Möchte ich einen Corona-Roman schreiben, sei es jetzt, weil Corona ein handlungstragendes Element ist, oder weil der Roman explizit zur "Coronazeit" spielt?

Ich kann diese Frage für mich (im Hinblick auf meine Romanserie) mit einem klaren Nein beantworten. Und aus meiner Perspektive als Leserin: Wenn ich einen amerikanischen Roman nach dem 11. September 2001 lese, möchte ich nicht zwangsläufig über das World Trade Center lesen. Wenn ich einen japanischsprachigen Roman nach 2011 lese, möchte ich nicht unbedingt von Fukushima lesen. Genauso wenig möchte ich Romane nach 2020 lesen, in denen Corona obligatorisch, explizit oder implizit, vorkommt.
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Yamuri am 01. August 2020, 20:18:53
Ich würde sagen, das ist ein Problem von Urban Fantasy, die den Anspruch erhebt sich möglichst nah an unserer Zeitlinie zu orientieren. Aber muss Urban Fantasy zwingend unsere Realität abbilden? Kann und darf es nicht eine alternative Zeitlinie sein in der verschiedene Ereignisse einfach nie stattgefunden haben?

Es gibt Bücher, die über eine Zukunft schreiben, die eines Tages kommen wird. Diese beinhalten ja auch Themen, von denen die Autor*innen damals einfach noch nicht wussten und die logischerweise daher auch nicht berücksichtigt wurden. Die Bücher wird es womöglich aber dann noch geben und sie werden dann der Realität auf einmal widersprechen.

Wenn bestimmte Ereignisse nicht zum Thema und Setting passen, würde ich sie rauslassen. Denn letztlich erschafft jedes Urban Fantasy Buch in gewisser Weise eine alternative Zeitlinie, nämlich eine in der es Magie gibt. Warum also nicht noch mehr ändern?

Bei Harry Potter z.B. hat es niemanden gestört, dass so getan wurde als würde Esoterik gar nicht existieren und als seien grundsätzlich alle nicht Zauberer so einfältig, dass man mit einem einfachen Obliviate verhindern könnten, dass sie herausfinden, dass Magie eben doch existiert. Das verbuche ich als alternative Zeitlinie, weil es einfach unserer Realität widerspricht.

Daher denke ich mir, man darf Corona, Black lives Matter oder einen Trump durchaus weglassen. Man darf sogar sagen, in der Buchrealität hat Amerika einen anderen Präsidenten. Wird in amerikanischen Serien ja auch öfters gemacht. Ich würde mich da wirklich nicht so stressen. Wenn man über keine Pandemie schreiben möchte, kann man Corona auch rauslassen, möglicherweise sollte man das sogar, weil die Erwähnung einer Pandemie den Fokus der Leser*innen automatisch auf die Pandemie lenken wird, die eigentlich gar nicht Thema ist.
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Elona am 01. August 2020, 20:34:58
Sorry, wenn du dich angegriffen gefühlt hast und ist doch fein, wenn du einen Grund hast.  :)

Die Notre Dame kann niemals gebrannt und ein Krieg nie stattgefunden haben. Ist alles möglich. Selbst, dass es Corona nicht gegeben hat. Meine Grundaussage ist folgende und die bleibt: Beim Schreiben sollte man wissen, warum man was macht oder auch nicht. Und man sollte sich vor Augen führen, dass Corona nun einmal geschichtlich relevant ist. Weicht man davon ab, ist das vollkommen okay und es kommt auch immer auf die Geschichte selbst an, weshalb man eigentlich grundsätzlich keine pauschale Aussage treffen kann. Bei einer Story mag es funktionieren, bei einer anderen meckern die Leser*innen (/Lektor*in oder sogar der Verlag, weil es einfach nicht "zeitgemäß" ist). Denn anders als die von dir angeführten Beispiele, hat Corona andere Auswirkungen.

Der Mundschutz mag nicht das beste Beispiel sein und ich finde es schade, dass es durch den Stuhlgang ins lächerliche gezogen wird. Neutral betrachtet schafft beides in einer Geschichte Tiefe. Kann man gerne lesen, muss man aber nicht. Besagten Stuhlgang habe ich schon in einem Buch "beschrieben" gesehen und auch wenn ich es persönlich eigentlich nicht lesen mochte, das war Tiefe. Dessen sollte man sich ebenfalls bewusst sein und dann sind wir beim Setting. Eine andere Aussage habe ich nie getroffen, weil ich mich von vornherein auf Setting und nicht auf Thema bezogen habe. Und wie umfangreich man Details zum Setting anlegt, ist dann ja auch noch mal eine ganz andere Frage.

(Unabhängig davon und OT: Das ein Buch 20-30 Jahre lang aktuell sein wird, bezweifle ich dennoch. 20 Jahre zurück hatten wir 2000, gänzlich andere Zeit als jetzt. 20 Jahre drauf usw. usf. Aber das ist nur meine persönliche Meinung, die mir genauso zusteht wie dir, was du lesen magst oder auch nicht.  ;) )

Edit: Mit Yamuri überschnitten.
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Nikki am 01. August 2020, 21:02:04
Ich fühle mich nicht angegriffen und hoffe, du ebenso wenig. :)

Eins vorweg:
ZitatDas ein Buch 20-30 Jahre lang aktuell sein wird, bezweifle ich dennoch

Ich glaube, wir verwenden das Wort "aktuell" mit unterschiedlicher Bedeutung. Ich habe den ideellen Anspruch, dass meine Bücher möglichst lange lesbar sind, will heißen, dass selbst nach zehn Jahren nach der Veröffentlichung die Leser*innen keine großen Erklärungen brauchen, um diesen Roman zu verorten, sondern dass er für sich stehen kann. Je mehr (jetzt) aktuelle Zeitmarker eingebaut werden, desto schneller altert er und desto mehr Erklärungen braucht es für ein späteres hypothetisches Publikum.

ZitatMeine Grundaussage ist folgende und die bleibt: Beim Schreiben sollte man wissen, warum man was macht oder auch nicht.

Da sind wir uns einig. Man muss sich aber auch bewusst sein, wie auch Yamuri oder Eluin angemerkt haben, je nachdem wie präsent Corona ist, sei es jetzt Setting oder Motiv, der Roman ganz schnell in ein gewisses Licht gerückt werden kann. Keine Frage, Corona ist jetzt für uns relevant, aber heißt das zwangsläufig, dass das auch für die Literatur ganz allgemein gilt? Natürlich hat Corona andere Auswirkungen als die Dreifachkatastophe bei Fukushima oder die Anschläge auf das World Trade Center, doch die Frage für die Autor*innen damals ist dieselbe, wie sie hier gestellt wird: Wie viel Platz räume ich dem Tagesgeschehen in meinem Roman ein? Erwähne ich das, was eh den meisten bewusst ist, dass es passiert ist, oder lasse ich es außen vor?

Mein Beispiel mit dem Stuhlgang zielt keineswegs auf einen Schmäh ab. Die Ausbreitung des Virus hat ganz klar den Alltag umgekrempelt, aber muss ich das auch extra erwähnen und reicht es nicht, wenn ich den Leser*innen Leerstellen lasse, die sie mit ihren eigenen Erfahrungen füllen können?

Wenn ich das Leben einer Figur 24/7 andeute, wird wohl niemand bezweifeln, dass die Figur am Klo war, auch wenn ich es nicht extra geschrieben habe. Genauso ist theoretisch Platz für Abstandregeln, Maske, Desinfizieren etc., wenn die Leser*innen es so wollen.

Ich meine, Bücher werden gelesen, nicht weil man wissen will, wie die Realität ist, sondern weil man wissen will, wie sie sein könnte. Ich gehe jetzt mal von YA aus und nehme das Beispiel einer unverfänglichen Berührung der Hände der Prota und ihres Love interests. Im Hier und Jetzt werden vielleicht die ersten Gedanken eines Teenagers bei einer solchen Berührung sein, soll ich das wirklich? darf ich das? Hat er/sie die Hände gewaschen? Habe ich mir vorhin ins Gesicht gegriffen? etc. Ist es dann nicht eine nette "Abwechslung", wenn im Buch einfach die Hand ergriffen wird und die Intimität beschrieben wird, anstatt all die Hindernisse und Bedenken, die sich im Moment ergeben?
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Elona am 01. August 2020, 22:24:10
Nöö, hatte nur den Eindruck, dass dem so war, und kann deine Argumentation schon nachvollziehen. So ist es ja nicht.  ;D

ZitatIch glaube, wir verwenden das Wort "aktuell" mit unterschiedlicher Bedeutung. Ich habe den ideellen Anspruch, dass meine Bücher möglichst lange lesbar sind, will heißen, dass selbst nach zehn Jahren nach der Veröffentlichung die Leser*innen keine großen Erklärungen brauchen, um diesen Roman zu verorten, sondern dass er für sich stehen kann. Je mehr (jetzt) aktuelle Zeitmarker eingebaut werden, desto schneller altert er und desto mehr Erklärungen braucht es für ein späteres hypothetisches Publikum.
Meinst du nicht, dass du dir da zu viele Gedanken drum machst?
Also wenn ich jetzt von mir als Leserin ausgehe. Wenn ich ein Buch nach 10 Jahren noch mal lese, dann weiß ich eben das es 10 Jahre alt ist. Außerdem habe ich es ja bereits schon mal gelesen und kenne auch die geschichtlichen Fakten. Und (sorry) dass ein neuer Leser nach so langer Zeit noch mal darüber stolpert ... eher unwahrscheinlich.  :D Andererseits könnte man jetzt auch so argumentieren, wenn man Corona einbaut, dass der Leser sich dann erinnert mit einem "ah ja, so war das damals", was u.U. auch ein positiver Effekt sein könnte.
Aber gut. Das ist ja jedem selbst überlassen. Wenn das dein Anspruch ist, alles fein.   

ZitatNatürlich hat Corona andere Auswirkungen als die Dreifachkatastophe bei Fukushima oder die Anschläge auf das World Trade Center, doch die Frage für die Autor*innen damals ist dieselbe, wie sie hier gestellt wird: Wie viel Platz räume ich dem Tagesgeschehen in meinem Roman ein? Erwähne ich das, was eh den meisten bewusst ist, dass es passiert ist, oder lasse ich es außen vor?
Jaein. Also ja, das ist grundsätzlich immer die Frage. Wie detailverliebt bin ich und natürlich können die Leser*innen Lücken auch aus ihrer Erfahrung schließen. Der große Unterschied ist tatsächlich, dass jeder (wirklich jeder) persönlich betroffen ist. Wie du in dem Beispiel schon geschrieben hast, es hat geprägt und tut es auch noch.

Ich muss dir auch ehrlich sagen, dass ich es schwierig finde, gute Beispiele zu finden. Z.B. bei deinem würde ich ehrlich gesagt nicht so weit gehen. In dem Zusammenhang wird (Unterstellung) jeder Teenager sämtliche Regeln in dem Moment vergessen und sich wie ein Keks freuen. Weil huuii Love Interest und so.  ;D
Bei dem Beispiel könnte man höchstens im Nachgang ein schlechtes Gewissen bekommen und dann sind wir bei folgenden Punkt, was sich auch ein wenig noch auf @Yamuri Post bezieht: Authentizität und Identifikation. Und die bekommt man u.a. auch durch Tiefe und Details.

Das habe ich zuvor versucht zu erklären, alle haben die Coronakrise mitbekommen, alle haben einen Bezug dazu. Sie haben selbst persönliche Erfahrungen gemacht und können sich identifizieren und das ist der große Unterschied zu allen anderen Katastrophen.

In wiefern man das nutzt, oder nicht, und wenn ja, wie tiefgehend, ist ja jedem frei überlassen. Aber, und das möchte ich zu bedenken geben, haben wir nun zwei Manuskripte beide Urban Fantasy, beim einen wird ein Bezug hergestellt beim anderen nicht. Welches wird ein Verlag aller Wahrscheinlichkeit nach nehmen?
Zugegeben, das ist eine Unterstellung. Aber zeitgemäß ist eindeutig das mit Corona. Vor allem, wenn das noch gut umgesetzt ist. Sich also u.U. wirklich mit den Problem der Zielgruppe auseinandergesetzt und damit Identifikation geschaffen wird. Wie gesagt, persönlicher Bezug, von jedem von uns.
Deshalb hat auch das zu anfangs erwähnte Buch Eindruck hinterlassen. Es hat sich eben genau damit auseinandergesetzt. Die Leser haben diesbezüglich Gefühle und die werden genutzt (und sei es nur, dass man es von Nachrichten gehört hat).

Mal folgende Fragen: Was würdet ihr tun, wenn die Coronakrise 5 Jahre her ist? Ignorieren oder nicht? Und dann sind wir bei meinem Beispiel mit dem/der Arzt/in. Es wirkt sich ja auch auf die Charaktere aus. Selbst wenn es abgeschlossen sein sollte. Die haben eine Vergangenheit damit. (Außer wir schaffen eine andere Realität, was man ja machen kann und was auch legitim ist). Wenn ich jetzt also über einen Vampirarzt schreibe, der immun ist, weil Vampir halt, dann kann ich das durchaus reinbringen und wenns nur eine Anspielung und ein Nebensatz ist mit "ja ja, damals und so, musste ich mich auch um alles kümmern". Wenn das nicht passen sollte, weil der Vampir - tja, ehrlich gesagt fällt mir gerade auf Anhieb kein Beruf ein, der nicht betroffen ist ... also, sollten sich die Auswirkungen in der Vergangenheit (2020) im Rahmen halten, muss man da natürlich nichts bringen. Aber anders wüsste ich nicht, warum man so ein gravierendes Ereignis unter den Tisch fallen lassen sollte.

Unabhängig davon: Ganz ehrlich, ich werde das bei Band 2 und 3 auch nicht ausarten lassen und zugegeben, es ist zeitgenössisch und kein Fantasy. Aber Erwähnung müssen die Ereignisse bei mir irgendwo finden. Sonst steigt mir sicherlich auch meine Lektorin aufs Dach.  :rofl:
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Yamuri am 01. August 2020, 22:57:24
@Elona: Bei einem zeitgenössischen Werk würde ich auch ganz klar sagen, dann muss Corona mit thematisiert werden. Wobei in kriminellen Kreisen, wenn wir als Beispiel dein Gay Romance Werk nehmen, vermutlich weniger darauf geachtet wird sich an Regeln und Bestimmungen zu halten. Der Polizist würde sich wohl Gedanken machen, aber den meisten andren an die ich mich vom betalesen erinnere, würde ich so einschätzen, dass sie tun würden was ihnen passt. Da stellt sich dann eher die Frage, inwiefern das fahrlässige Verhalten dann eben auch Folgen hat.

Grundsätzlich denke ich, dass Corona thematisieren durchaus interessant sein kann, wobei ich an dieser Stelle dann auch den Fokus auf die Pandemie legen würde und alles andre Beiwerk würde. Einfach weil Corona und die Verschwörungstheorien allein schon genug Potenzial für eigene Geschichten bieten und ein Zuviel an Themen in einer Geschichte den Leser auch überfordern kann.

Bei @Nikkis Urban Fantasy würde ich Corona rauslassen, weil soweit ich das verstanden habe, in dem Projekt das Thema alternative Realitäten ohnehin schon einen gewissen Fokus hat, von dem was ich bei unsren Treffen darüber erfahren habe und durch den letzten Nano Thread. Damit würde ich dem auch mehr Aufmerksamkeit schenken, weil alternative Realitäten als Konzept schon komplex genug sind für die Leser.

Und ich denke, bzgl. Elonas Frage. Nicht die Einbeziehung von Corona wäre ausschlaggebend, sondern die Stimmigkeit. Denn wenn Corona einbezogen wird, dadurch aber von der Geschichte ablenkt und sie verworrener macht, wäre das keinesfalls besser als eine Geschichte ohne Corona. Nur wenn es stimmig ist, hätte die Corona Geschichte auch mehr Chancen beim Verlag, einfach weil Corona sich gut anbietet momentan als Thema. Wobei eine Geschichte, in der es Hauptthema ist, sicher am besten ankommen würde.
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Churke am 02. August 2020, 00:15:21
Zitat von: Elona am 01. August 2020, 20:34:58
Und man sollte sich vor Augen führen, dass Corona nun einmal geschichtlich relevant ist.

Das ist alles andere als sicher. Die Gegenwart pflegt ihre Aufmerksamkeit den Fußnoten zuzuwenden und Ereignisse von historischer Tragweite zu übersehen. Ob der Brand von Notre Dame ein einschneidendes Ereignis oder ein No-Event gewesen sein wird, hängt von der Zukkunft ab. Vielleicht baut man sie 1:1 wieder auf und in 50 Jahren weiß niemand mehr, dass sie je gebrannt hat. Vielleicht reißt man die Ruine aber auch ab und baut ein Parkhaus für Elektroautos. Das wissen wir einfach nicht und wenn ich mich als Autor festlege, laufe ich Gefahr, dass mich die Wirklichkeit überholt.

Bei Corona ist die Sache noch verworrener. Corona ist eine Fußnote. Von historischer Tragweite ist die politische Reaktion darauf - deren Ausgang indes völlig offen ist. Den müsste man aber kennen, um Corona zu bewerten. Vielleicht wird man die Politiker in 5 Jahren für eben die Maßnahmen verfluchen, die man heute beklatscht. Warum soll ich mich da als Autor mit einer Prognose aus dem Fenster hängen?
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Tintenteufel am 02. August 2020, 07:29:30
Zitat von: Elona am 01. August 2020, 19:10:04
Grundsätzlich an alle die sagen, sie würden es außenvorlassen:
Wenn es hier in Europa jetzt beispielsweise einen Krieg gegeben hätte, würdet ihr ihn auch nicht erwähnen? So gar nicht?
Und hätte die Notre Dame bei euch gebrannt oder nicht, wenn sie in eurer Geschichte vorgekommen würde?

Joa, würde ich nicht erwähnen. Das heißt tue ich bislang auch nicht. Jugoslawien-Kriege, die ganzen Sachen in Georgien - tauchen bei mir nicht auf. Nichtmal der Krimkrieg. Weil es mir nicht darum geht, eine möglichst realitätsgetreue Alltagswelt darzustellen.
Dein zweites Beispiel finde ich ist ein guter Punkt, um das Problem zu erläutern: In meinem Berlin stehen noch das Stadtschloss (nicht dieses widerliche Humboldt-Forum) und die alte Garnisonkirche.Deren Zerbombung und anschließende Sprengung sind in der Realität wichtige Marker für die Geschichte der Stadt. für den zweiten Weltkrieg, den Umgang mit dem Kaiserreich, die Mauer und die SED Regierung und jetzt den architektonischen Revisionismus der Bundesrepublik, die alles nach 1930 auch lieber vergessen würde. Diese Ruinen sind Architektur gewordene Geschichte.
Und in meiner Fantasy-Version meiner Stadt gibt es die nicht. Die stehen da wie am 22. November 1944 und keinen Tag älter. Aus dem schlichten Grund, weil es mir nicht um ein realistisches und naturgetreues Bild der Geschichte oder der Alltagswelt geht, sondern ein expressionistisches. Mir geht's nicht um die Überformung und Veränderung von Stadt durch Bewohner, sondern um die Kontinuität zwischen damals und heute. Die für mich relevanten Charaktere sind die exakt selben Monster, die seit dreihundert Jahren im Schatten auf uns lauern (buchstäblich, weil alles Vampire). Ergo weniger sichtbare Bombenschäden in Berlin, obwohl der zweite Weltkrieg selbstverständlich statt gefunden hat.

Gerade was du, Elona, als settingrelevant beschreibst - und ich stimme dir völlig darin zu, dass es eine bewusste Entscheidung dafür sein sollte - ist doch meine künstlerische Freiheit. Ich entwerfe das Setting so, dass es zu den von mir gewählten Themen passt, dass es meiner Vision entgegen kommt und die sich da nahtlos einfügt. Gerade bei einem zeitgenössischen Setting. Was für mein Setting relevant ist, das wähle ich aus, um eine bestimmte Stimmung, ein bestimmtes Gefühl zu erzeugen. Da lasse ich mir weder von ner Seuche noch von den sozialen Problemen der Amerikaner reinquatschen.
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Araluen am 02. August 2020, 09:08:39
Ich denke, die Pandemie gehört vorläufig erst einmal dazu, nicht weil sie ein wichtiges und dramatisches Ereignis für uns darstellt, sondern weil durch die Pandemie viele neue Dinge Einzug in unseren Alltag gehalten haben, von denen ich annehme, dass sie noch länger Bestand haben werden.
- wer krank ist, geht nicht zur Arbeit, wurde noch nie so rigoros durchgesetzt wie jetzt. Ich bin sogar mit einem einfachen Schnupfen daheim im Home Office geblieben. Vor der Pandemie bin ich noch mit beginnender Lungenentzündung dort aufgeschlagen.
- Büroleute arbeiten viel mehr von zuhause aus
- in Schulen ist digitales Lernen und Fernunterricht kein Ding der Unmöglichkeit mehr (nur nicht immer ei fach und wünschenswert umgesetzt). Prota kann also durchaus mal zuhause bleiben, weil ihre Gruppe in der virtuellen Woche ist eine Stunde Mathe via Zoom machen und dann von einem Werwolf entführt werden direkt aus ihrem Zimmer.
- wir tragen Mundschutz im öffentlichen Raum und desinfizieren uns mehr oder minder regelmäßig die Hände
- wir halten größeren Abstand voneinander, wenn wir uns auf offener Straße treffen und unterhalten
- Outdoorsport boomt
- Virtuelle Treffen boomen
- der Ellenbogencheck löst zunehmend andere Grußformen wie Händedruck und Umarmung ab. Ich fühlte nich erst letztens wie ein Verräter als ich meine Freundin zur Begrüßung umarmte, als wir uns nach einem Jahr zum ersren Mal wieder sahen. Es steckt schon tief drin in unseren Köpfen.
Das sind Details, die man gut einbauen kann, um der Geschichte mehr Aktualität zu geben. Den Namen Corona oder Covid-19 würde ich dabei gar nicht fallen lassen - neuer Winter neues Virus.
Aber all diese Sachen gehören zu unserem neuen Lifestyle, genauso wie  Smartphones, soziale Netzwerke, Suchmaschine und Chats wie Whatsapp. Diese Dinge finden auch Eingang in die Urban Fantasy. Und ich wäre sehr befremdet, wenn Prota statt ins Internetcafe zu gehen und zu googlen im ersten Impuls zur Bibliothek geht. Dass Protagonisten über Whatsapp in Verbindung bleiben ist auch völlig normal. Nur konkrete Namen fallen meist nicht, weil man eben nicht weiß, was morgen noch in ist und man ja auch keine falsche Werbung machen möchte.

In meinen Augen kommt es da wirklich drauf an, wie sehr diese Dinge den Alltag der Protas beeinflussen können. Blacklifematter ist eine wichtige, politische Bewegung. Doch wie sehr hat sie den Lifestyle und Alltag der Massen beeinflusst? Kommt halt auch drauf an, wo es spielt und was wir für Protas haben (die gleiche Frage sollte man sich auch bei der Pandemie stellen). Urban Fantasy in Amerika würde ich darauf prüfen und entsprechend einbauen. Urban Fantasy in Prag... vielleicht mal als Schlagzeile, wenn Prota Zeitung liest, aber ansonsten vernachlässigbar.
Fukushima hat den Alltag vieler Japaner sicher stark beeinflusst. Aber außerhalb von Japan? Nach dem Schock über die Schlagzeile hat sich hier nichts verändert. Man kann es also mal als Schlagzeile erwähnen, nur die Art wie die Protas in der Geschichte agieren hat es vermutlich nicht beeinflusst. Bei der Pandemie sieht das anders aus. Unser Alltag hat sich sehr dadurch verändert.

Natürlich kann man sich bewusst dagegen entscheiden, wenn man für sich einen Grund hat und dieser nicht Bequemlichkeit heißt. Ich selbst habe auch noch ein Urban Fantasy Projekt in der Warteschlange und die Veränderungen durch die Pandemie werden Teil davon sein. So werden die Protas im Schulbus wohl Communitymasken tragen oder vielleicht auch Präsenzunterricht im Wechselmodel haben. Das kann plotrelevante Punkte sagar vereinfachen ;)
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Amanita am 02. August 2020, 10:48:06
Über dieses Thema habe ich mir auch schon Gedanken gemacht und sogar überlegt, einen Thread zu eröffnen, allerdings immer morgens im Zug und bis abends hatte ich es wieder vergessen. ;)
Bei meiner Pferdegeschichte wird Corona nicht thematisiert. Die versuche ich aber auch bewusst nicht zu datieren, weil es darin auch einige Reitsportfunktionäre und bekannte Sportler gibt, die es halt in Wirklichkeit nicht gibt, wegen Persönlichkeitsrechten und so. Das wäre dann schwierig, wenn explizit gesagt würde, dass die Geschichte 2020 spielen soll. Außerdem wäre es mit monatelanger Unterrichtspause und ohne Turniere auch ein bisschen doof.
Auch bei meinen Unikrimis lässt es sich eher schwer einbauen, denn wenn die Protas nur zuhause sitzen und sich Online-Vorlesungen anhören, habe ich keinen Plot. ;)

Bei Urban Fantasy kommt es meiner Meinung nach darauf an, ob einem die genaue Datierung wichtig ist und ob man Corona und die Auswirkungen in die Geschichte einbauen möchte, oder nicht. Der Lockdown Anfang des Jahres würde beispielsweise einige Möglichkeiten bieten, wie jemand oder etwas diese Situation für seine Zwecke ausnutzen könnte und wäre sicherlich auch eine spannende, eine düstere Stimmung erzeugende Kulisse.
Die aktuelle Situation in Deutschland hätte meiner Meinung nach aber keine großen Auswirkungen auf einen Fantasyplot, wenn dort nicht gerade Großveranstaltungen eine zentrale Rolle spielen. Oder der Prota jetzt zum Einkaufen die Maske überzieht oder nicht, ist tatsächlich ein Thema, das man wie schon von anderen geschrieben ähnlich wie andere Alltagsdinge auch ignorieren und der Fantasie des Lesers überlassen könnte.
Bei Harry Potter legen ja viele Fans einen großen Wert auf die Datierung, aber wenn man sich die Details anschaut, passt das auch nicht immer. Beispielsweise hat der Premierminister von 1996 einen männlichen Vorgänger, obwohl es eigentlich Margaret Thatcher gewesen wäre. Gerade im Hinblick auf den Wunsch nach Eskapismus würde ich es wohl eher ambivalent lassen.
(Wobei ich mir sowieso nicht zutrauen würde, eine Geschichte zu schreiben, die in den USA spielt, weil ich das mangels detailliertem Wisesn genauso schwierig finde wie die viel diskutieren Geschichten über PoC und deren Lebenswirklichkeit. Dort wäre es dann auch noch deutlich schwieriger die aktuellen Ereignisse auszuklammern.

Sicherlich gäbe es auch einige Möglichkeiten, Corona tatsächlich zum Teil der Geschichte zu machen und manche Reaktionen der Leute auf die Einwirkung finsterer Mächte zurückzuführen, oder sogar das Virus selbst, aber das wäre auch ziemlich heikel und kontrovers, würde aber vermutlich gleichzeitig die Chance mit sich bringen, Aufmerksamkeit zu erregen.
Wenn man sich manche Aktionen von Trump so anschaut (Desinfektionsmittel injizieren...) könnte man ja wirklich meinen, dass der unter dem Imperiusfluch oder dem Confundus-Zauebr steht, um mal in der Harry Potter-Terminologie zu bleiben.

ZitatAber außerhalb von Japan? Nach dem Schock über die Schlagzeile hat sich hier nichts verändert.
Das stimmt nicht so ganz. Immerhin hat sich Merkel deswegen dafür entschieden, die Atomkraftwerke doch zeitnah abschalten zu lassen. Für Fantasygeschichten dürfte das aber zugegebenermaßen eher weniger relevant sein.
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Anj am 02. August 2020, 17:22:20
ZitatNatürlich kann man sich bewusst dagegen entscheiden, wenn man für sich einen Grund hat und dieser nicht Bequemlichkeit heißt.
Warum darf es denn eigentlich nicht Bequemlichkeit sein? Für den Leser macht es ggf. gar keinen Unterschied und wer bestimmt, dass ich es mir als Autor nicht auch einfach machen darf?
Ich kann ja verstehen, dass das zu eigenen Autorenehre irgendwann dazugehört, aber wenn die Geschichten trotzdem gelesen, vielleicht sogar gemocht werden, warum nicht mit Bequemlichkeit als Grund?

Davon abgesehen: Dass ein Buch über viele Jahre hinweg lesbar ist, hängt meiner Meinung nach eher von der Story an sich ab, als von spezifischen Merkmalen aus der Entstehungszeit. Ich habe gerade eine Buchserie aus dem 90ern gelesen, in der die Prota einen Pager hat. Total aus der heutigen Zeit raus, aber für mich funktioniert es sehr gut. Vielleicht auch deswegen, weil die hier nie so verbreitet waren wie in den USA. Aber viel wichtiger ist für mich die Story und die Konsistenz in der Story. Und dann finde ich es sogar schön, wenn es eindeutig aus früheren Zeiten stammt. Zumal alleine der technische Fortschritt heutzutage das Buch ratzfatz veralten lässt. Ob ich ein Handy aufschiebe, aufklappe oder damit im Internet surfe, ist nahezu genauso zeitspezifisch wie Corona.

Ich lese ja nahezu ausschließlich Urbanfantasy, aber ich bräuchte Corona jetzt nicht unbedingt. Vielleicht in 2-3 Jahren, wenn wir dann immer noch Masken tragen und immer noch Restaurantbesuche nachzuhalten sind, wir ggf. sogar zwangsweise eine (Corona-)App installieren müssten, Grenzen langfristig wieder dicht wären, usw. Dann irgendwann fände ich es vielleicht wirklich merkwürdig. Aber jetzt bräuchte ich das noch nicht. Zumal wir ja noch nicht absehen können was langfristige Folgen sein werden. Im Zweifel würde ich eher eine klare Alternative Zeitlinie etablieren, wenn ich Corona einbauen wollen würde und davon ausgehe, dass das Buch erst in 1-2 Jahren erscheinen wird. Für SP könnte man das dann ja deutlich schneller und flexibler planen.
Immerhin ist jetzt auch seit 2015 nicht unbedingt massenhaft Urbanfantasy mit massenhaft Flüchtlingsthematik erschienen obwohl ich finde, dass das gerade in Kleinstädten stark präsent war, einfach weil das Straßenbild plötzlich sehr viel diverser war und seither zum Beispiel auch in Kleinstädten die Shisha-Bars boomen. Und ich persönlich fühle mich nur peripher betroffen. Klar - virtuelle Seminare statt Präsenztrainings und Masken im Laden - aber davon abgesehen hat sich bei mir im Grunde nichts geändert. Im Straßenbild fällt es immer noch kaum auf, wenn ich nicht grad indoor unterwegs bin und die wegfallende Umarmerei begrüße ich sehr (die war in Romanen aber auch nie repräsentiert^^).

Kurz gesagt: Wenn ich als Autorin den Impuls hätte, Corona einzubauen, würde ich das tun. Wenn nicht, würde ich es lassen, einfach, weil ich denke, dass es nicht richtig oder falsch gibt und beides Leser findet.
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Nikki am 02. August 2020, 18:13:00
ZitatFukushima hat den Alltag vieler Japaner sicher stark beeinflusst. Aber außerhalb von Japan?

Ich habe Fukushima auch nicht unter dem eurozentrischen Blickwinkel reingebracht, sondern unter dem japanischen. Da mussten Autor*innen, deren Umfeld unmittelbar von der Dreifachkatastrophe betroffen war, sich auch bei jedem einzelnen Buch bzw. bei ihrem allgemeinen Narrativ entscheiden, inwiefern sie diese Begebenheiten berücksichtigen.

Ich habe ein bisschen Bauchweh, wenn Black Lives Matter als Beispiel in diesen Diskurs mit reingebracht wird. Ein kurzer Blick in Wikipedia lässt wissen, dass es diese Bewegung schon seit 2013 gibt. Sie ist eine Reaktion auf systematischen Rassismus, der v.a. in Amerika kumuliert. Systematischer Rassismus ist allerdings allgegenwärtig, auch wenn das viele nicht so sehen bzw. wahrnehmen. Die Darstellung von diversen Figuren ist ein Teil dieses Diskurses. Auch wenn BLM als Schlagwort nicht im Roman vorkommt, sollte dem Diskurs zumindest im Subtext Rechnung getragen werden und nicht schlichtweg ignoriert werden.

ZitatImmerhin ist jetzt auch seit 2015 nicht unbedingt massenhaft Urbanfantasy mit massenhaft Flüchtlingsthematik erschienen obwohl ich finde, dass das gerade in Kleinstädten stark präsent war, einfach weil das Straßenbild plötzlich sehr viel diverser war und seither zum Beispiel auch in Kleinstädten die Shisha-Bars boomen.

Ich habe ehrlich gesagt nur darauf gewartet, dass jemand auch dieses Beispiel anspricht unter dem Aspekt, wie "aktuell"/"realitätsgetreu" soll/muss mein Roman sein. Hier wird argumentiert, Corona hätte den Alltag verändert, aber das hat das Jahr 2015 auch in Europa (vermutlich auch anderswo, aber ich kann nur von meinen eigenen Beobachtungen und Erfahrungen sprechen) getan. Ausländer*innenfeindlichkeit hat spürbar zugenommen und das Miteinander gravierend verändert, sonst hätten es Trump, Johnson, Kurz und andere populistische Konsorten nie an die Spitze geschafft. Wo war da die Diskussion, inwiefern auf diese Ereignisse in Fiktion Bezug genommen werden sollte? (Falls es hier eine gab, bitte ich um die Verlinkung)

Eine ganz naive Frage, die sich mir stellt: Kann Corona und alle, was damit zusammenhängt, zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt neutral, und sei es jetzt nur vom Setting her, in einen Roman eingebaut werden, ohne ihn damit unweigerlich in einen Diskurs zu setzen, der nichts mit dem eigentlichen Romanthema zu tun hat? Wenn ich mir den Thread bzgl. Corona im realen Alltag anschaue, wo immer wieder über die Sturheit von Leuten, die sich gegen das Tragen von Masken aussprechen, über Verschwörungstheorien über den Ursprung und noch vieles mehr diskutiert, dann frage ich mich, inwiefern allein nur vom Setting her Corona auch nur angedeutet werden kann, ohne ein Fass aufzumachen, das man nie aufmachen wollte?

Zitat- wer krank ist, geht nicht zur Arbeit, wurde noch nie so rigoros durchgesetzt wie jetzt. Ich bin sogar mit einem einfachen Schnupfen daheim im Home Office geblieben. Vor der Pandemie bin ich noch mit beginnender Lungenentzündung dort aufgeschlagen.
- Büroleute arbeiten viel mehr von zuhause aus
- in Schulen ist digitales Lernen und Fernunterricht kein Ding der Unmöglichkeit mehr (nur nicht immer ei fach und wünschenswert umgesetzt). Prota kann also durchaus mal zuhause bleiben, weil ihre Gruppe in der virtuellen Woche ist eine Stunde Mathe via Zoom machen und dann von einem Werwolf entführt werden direkt aus ihrem Zimmer.
- wir tragen Mundschutz im öffentlichen Raum und desinfizieren uns mehr oder minder regelmäßig die Hände
- wir halten größeren Abstand voneinander, wenn wir uns auf offener Straße treffen und unterhalten
- Outdoorsport boomt
- Virtuelle Treffen boomen
- der Ellenbogencheck löst zunehmend andere Grußformen wie Händedruck und Umarmung ab. Ich fühlte nich erst letztens wie ein Verräter als ich meine Freundin zur Begrüßung umarmte, als wir uns nach einem Jahr zum ersren Mal wieder sahen. Es steckt schon tief drin in unseren Köpfen.

Das sind teilweise aber Begebenheiten, die sich auch ohne Corona erklären lassen könnten, je nachdem wie die Charaktere und Handlung ausgelegt sind. Gerade das Beispiel mit dem größeren Abstand würde ich persönlich nicht unweigerlich mit Corona in Verbindung bringen, wenn es nicht explizit erwähnt wird. Ich würde mir denken, die zwei Figuren mögen sich nicht, haben sich gestritten, die eine stinkt, whatever, wenn da ohne Erklärung steht, dass ein möglichst großer Abstand eingehalten wird. Und wenn dann die Erklärung mit Corona (oder einem unbenannten Virus etc.) kommt, dann geht in meinem Kopf automatisch der aktuelle Diskurs um Corona los und der Roman liest sich für mich - obwohl Corona nur ein Teil des Settings ist - ganz anders als ohne Corona, weil ich damit viel stärker im Hier und Jetzt verankert bin, was nicht unbedingt positiv ist. Ich schreibe einen Romankomplex, der in Wien beginnt, und würde nie auf die Idee kommen, die FPÖ oder Kurz zu erwähnen, auch wenn diese maßgeblich das Leben in Österreich und Wien die letzten Jahren beeinflusst haben. Nicht alles, was uns jetzt bewegt, muss Eingang in Romane finden, deren primäres Thema ein anderes ist.

Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Amanita am 02. August 2020, 19:41:18
Thema Flüchtlingskrise: Kommt bei mir tatsächlich vor, ich finde aber trotzdem, dass es im Gegensatz zu Corona ein Thema ist, was den Alltag vieler Menschen nicht wesentlich beeinflusst. Gut, da laufen jetzt ein paar mehr "südländisch" aussehende Leute rum und im Bus sitzt auch öfter mal eine schwarze Familie, aber den Alltag beeinflusst das ja nur für diejenigen, die das als Bedrohung empfinden. Und aus der Sicht von so jemandem zu schreiben, ist dann auch wieder nicht unbedingt erwünscht.
Corona beeinflusst aber schlichtweg den Alltag von jedem und teilweise auch nicht unerheblich.
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Churke am 02. August 2020, 20:16:27
Zitat von: Nikki am 02. August 2020, 18:13:00
Kann Corona und alle, was damit zusammenhängt, zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt neutral, und sei es jetzt nur vom Setting her, in einen Roman eingebaut werden, ohne ihn damit unweigerlich in einen Diskurs zu setzen, der nichts mit dem eigentlichen Romanthema zu tun hat?

Warum nicht? Corona ist in der Popkultur angekommen. Das kann man zur Kenntnis nehmen, ohne es kommentieren zu müssen.

Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Nikki am 02. August 2020, 20:20:28
Zitat von: Amanita am 02. August 2020, 19:41:18
Thema Flüchtlingskrise: Kommt bei mir tatsächlich vor, ich finde aber trotzdem, dass es im Gegensatz zu Corona ein Thema ist, was den Alltag vieler Menschen nicht wesentlich beeinflusst. Gut, da laufen jetzt ein paar mehr "südländisch" aussehende Leute rum und im Bus sitzt auch öfter mal eine schwarze Familie, aber den Alltag beeinflusst das ja nur für diejenigen, die das als Bedrohung empfinden. Und aus der Sicht von so jemandem zu schreiben, ist dann auch wieder nicht unbedingt erwünscht.
Corona beeinflusst aber schlichtweg den Alltag von jedem und teilweise auch nicht unerheblich.

Ich bin weiß, Wienerin/Österreicherin (was immer das auch heißen mag - habe zwar schon gesagt bekommen, ich sähe "tschechisch" oder "türkisch" aus, was auch immer das heißen mag) und ich bekomme sehr wohl mit, wie salonfähig Rassismus, Diskriminierung, Othering, schlichtweg alles, was auf "die gegen uns" runtergebrochen werden kann, in den letzten Jahren geworden ist. Dass Regierungsmitglieder offen gegen Personengruppen hetzen dürfen und die Medien das munter unterstützen, schlägt sich sehr wohl im Alltag nieder, auch wenn es nicht so offensichtlich wie Mundschutz oder Desinfektionsmittel ist. Hetzparolen, die früher noch hinter der Hand ausgetauscht werden, werden ganz offen zum Besten gegeben.
Der Unterschied zu einem Virus wie Corona und der "Flüchtlingskrise" von 2015 ist, dass Letzteres an den persönlichen Werten und Moralvorstellungen rührt und je nachdem, wie sensibel/politisch aktiv/etc. man ist, man einen Abstand dazu schaffen kann, auch wenn das nur vermeintlich der Fall ist. 2015 hat einen super Nährboden für Populismus geboten, die den Diskurs um Flüchtlinge (ist Asyl suchende Personen die adäquate Bezeichung?) nach ihrem Gutdünken geformt haben. Die Folge sind Wahlergebnisse zugunsten von Personen, deren lautestes (oder sogar einziges) Argument war, die bösen Anderen, wir die armen Inländer, die geschützt werden müssen.

Ich will hier wirklich nicht politisieren, aber wenn man den Anspruch an sich und die eigenen Werke stellt, das aktuelle Tagesgeschehen, sei es jetzt als Thema oder als Setting, zu verarbeiten, dann sollte man sich die Frage stellen, wo ziehe ich die Grenzen (was erwähne ich und was nicht) und wieso ziehe ich sie genau dort?

Müssen Ereignisse, die mich als real existierende Person beeinflussen, aktiv meine Figuren und meine Geschichten beeinflussen? Ich sage grundsätzlich nein, weil für mich persönlich immer die Geschichte Vorrang hat und wenn da die Verbreitung eines Virus und dessen Einschränkung keinen Platz hat, dann ist das eben so. Wenn ich aber meine, ja, das sollte eine Rolle spielen, muss ich auch absehen können, was das für meine Geschichte bedeutet. Im Fall von meinem Romankomplex hat @Yamuri ein Argument dagegen gebracht, nämlich, dass es der bereits bestehenden Komplexität nicht gerecht wird. Denn Corona ist an sich schon komplex genug. Es ist nicht nur ein Virus mit so und so vielen Todesfällen, es hat wirtschaftliche, soziale und kulturelle Folgen, die sich auf so vielen unterschiedlichen Ebenen abspielen. Auch wenn jetzt, wenn ich diesen Beitrag schreibe, Corona scheinbar das häufigste Wort in den Tageszeitungen ist, ist es als "Konzept", das man nebenher so streifen könnte, noch nicht in den Köpfen der Leser*innen etabliert, dass diese einfach so drüber lesen könnten. Der Diskurs um Mund-Nasen-Schutz wird als ein Machtsymbol zwischen Regierung und Bürger*innen geführt, der Ursprung des Virus dient als Ausrede, um rassistisch geprägte Anfeindungen gegen Personen mit asiatischem Phänotyp anzubringen, (willkürliche) Grenzschließungen mit Corona als Begründung durchgeführt, um sich die Lieblingshandelspartner herauszupicken etc. All das und noch viel mehr schwingt bei der Etablierung von Corona im Romanuniversum mit. Und selbst wenn ich das Virus namenlos lasse, werden alle Leser*innen im Kopf "Corona" lesen.

Ich will niemandem ausreden, Corona im eigenen Universum zu etablieren oder zu thematisieren, aber man sollte sich darüber bewusst sein, dass ein ganzer Rattenschwanz an Überlegungen folgen muss, um der Thematik gerecht zu werden und nicht nur "mit dem Trend" zu gehen.

Ein "Gutes" an der jetzigen Situation ist die Bewusstwerdung von Hygienestandards, deren Einhaltung meiner Meinung nach, weder in der Realität noch in der Fiktion, oft genug beachtet wird. Das wäre ein Punkt, den man nebenbei etwas mehr Beachtung schenken könnte, ohne das Fass namens Corona aufzumachen, aus dem man gar nicht schöpfen möchte (außer man möchte einen "Corona-Roman" schreiben).

EDIT

ZitatCorona ist in der Popkultur angekommen.

Wie meinst du das? Mir wäre noch kein Beispiel untergekommen, außerhalb von "Corona-Romanen", die das Virus explizit zum Thema hätten, dass Corona als fester Bestandteil der (Pop-)Kultur angesehen wird. Die Coronasongs auf YT haben Memecharakter und sind eine Bewältigungsstrategie, eine eigene Textsorte für sich.
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Anj am 02. August 2020, 20:28:11
Naja also es kommt darauf an, was als Beeinflussung empfunden wird. Das Thena an sich ist präsenter, egal ob über Annäherung oder Angst. Und auch das optische Straßenbild finde ich eine starke Beeinflussung. Vielleicht subtiler als Masken, aber allein die optische Repräsentation im Alltag ist anders als vor 2015 - zumindest in Kleinstädten und Dörfern. Mich beeinflusst es Beispielsweise insofern als dass ich nicht nur öfter versuche fremde Sprachen zuzuordnen, ich achte auch vielmehr auf die Reaktionen, bzw. das Verhalten aller Umstehenden.
Und zugegebenermaßen gab es Phasen in denen ein verwaiste Koffer oder eine verwaiste Tasche in den Öffis mir aufgefallen sind und eine gewisse Nervosität hervorgerufen haben. Hat sich wieder gelegt, war aber durchaus eine einschneidende Erfahrung.

Und wieso ist es nicht erwünscht aus der Sicht derer zu schreiben, die Angst haben? Wenn damit auf vernünftige Weise Verständnis geschaffen würde für die Effekte, die Ängste auslösen, könnte vielleicht von mehr Menschen konstruktiv und wissensvermittelnd oder wenigstens empathisch abholend darauf reagiert werden. Was die Chance bergen könnte, die Angstspiralen zu durchbrechen.
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Nikki am 02. August 2020, 20:29:53
NACHTRAG Wer natürlich will, dass der Roman erkennbar in 2020 und in den Folgejahren spielt, der kommt nicht darum herum, Corona zu erwähnen.

Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.


Nochmal EDIT Ich glaube, ich würde, wenn es sich nicht explizit um einen Corona-Roman handelt oder aus dem Klappentext nicht hervorgeht, dass der Roman ab 2020 spielt, etwas wie eine Triggerwarnung setzen, wenn Corona im Setting etabliert wird. Corona ist aus den oben genannten Gründen mittlerweile ein rotes Tuch für viele und ich kann mir vorstellen, dass viele so etwas in Fiktion, wie Fantasy es ist, nicht lesen wollen.
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Elona am 02. August 2020, 22:32:58
@Tintenteufel da stimme ich vollkommen mit dir überein. Das was du nennst sind ja Gründe, warum du es halt so machst, wie du es machst.  :)
Und im Zweifel kann man alles unter "künstlerischer Freiheit" verbuchen.  :rofl:

Ich glaube das Hauptproblem ist wirklich, dass jeder einen anderen persönlichen Bezug zu Corona hat. Ich für meinen Teil glaube nicht, dass das Thema in den nächsten Jahren erledigt sein wird. Kann mich natürlich auch täuschen. Klar. Ein geschichtliches Ereignis bleibt es trotzdem und am Ende ist es die gleiche Frage wie: Wenn ich einen Urban Fantasyroman im Mittelalter ansetze - Pest, ja oder nein? Muss jeder für sich selbst entscheiden. Auch, in welchem Umfang er es dann (wenn) einfließen lässt. Und jaaa, ich wiederhole mich. Ist auch mein letzter Post zu dem Thema.

Zitat von: AnjanaDavon abgesehen: Dass ein Buch über viele Jahre hinweg lesbar ist, hängt meiner Meinung nach eher von der Story an sich ab, als von spezifischen Merkmalen aus der Entstehungszeit.
Sehe ich genauso!

Und deshalb finde ich es persönlich auch nicht schlimm Details für ein Setting zu verwenden. Dann steht da halt ein Röhrenfernseher oder ein Flachbildschirm. 2030 tragen wir alle Brillen, mit denen wir Fernsehen, während wir mit dem Hund Gassi gehen und damit ist alles, was ich bis dahin (nach besten Wissen) geschrieben habe hinfällig.  :engel:
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Churke am 02. August 2020, 23:53:25
Zitat von: Nikki am 02. August 2020, 20:20:28
Wie meinst du das?

Wenn die Corona-Maske ein modisches Accessoire ist, kann man wohl von Popkultur sprechen.
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Nikki am 03. August 2020, 11:24:05
Zitat von: Churke am 02. August 2020, 23:53:25
Wenn die Corona-Maske ein modisches Accessoire ist, kann man wohl von Popkultur sprechen.

Ich würde das eher als Zeichen dafür sehen, dass der Kapitalismus nicht schläft und selbst aus einer Krise wie dieser Kapital schlägt. Mich würde es nicht wundern, wenn in den neuesten Simpsonsfolgen Figuren mit Mundschutz herumlaufen. Das wäre für mich ein Zeichen, dass die Maske in der Popkultur angekommen ist. Simpsons lebt ja von Aktualität und Subversivion, wer sich in einem ähnlichen Fahrwasser bewegt, für den ist Corona ein gefundenes Fressen.
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Sonnenblumenfee am 03. August 2020, 21:40:30
Aus meiner persönlichen Perspektive hat Corona bzw. die ganzen rechtlichen und gesellschaftlichen Folgen viel mehr Auswirkung auf meinen Alltag, als es die anderen hier genannten Beispiele haben. Die Krise hat Auswirkungen auf ganz alltägliche Handlungen, nicht "nur" die Frage wie ich bestimmte Aspekte sehe oder ob ich für bestimmte Probleme sensibilisiert bin. Damit meine ich nicht nur die Alltagsmaske, sondern auch so Dinge wie dass man sich für alle möglichen Veranstaltungen und Tätigkeiten anmelden muss (Schwimmbad, Tanzkurs, Zoobesuch). Damit geht ein gutes Stück Spontaneität verloren.

Wenn man Corona und seine Auswirkungen nicht zumindest am Rande einbaut, datiert es das Setting auch in gewisser Weise. Wenn die Protas einfach spontan ins Freibad fahren und auf der Liegewiese sich die Handtücher beinahe berühren, weiß der Leser, dass es ganz sicher nicht im Jahr 2020 spielt, sondern entweder vorher oder (vielleicht?) später. Zumindest sofern nicht klar ist, dass sich die Geschichte in einer leicht alternativen Geschichtsschreibung bewegt.
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Nikki am 06. August 2020, 07:05:52
Um nochmal auf die Ausgangsfrage mit dem Beispiel der Sookie-Stackhouse-Serie und Hurrikan Katrina zu kommmen:

ZitatGleichzeitig frage ich mich auch, wie sich das in der Urban Fantasy allgemein entwickeln wird. Wird man so tun, als gäbe es Corona nicht? Immerhin sind viele Geschichten nicht genau datiert. Auf der anderen Seite fand ich es damals in den Sookie Stackhouse Büchern richtig gut, dass Hurricane Katherina nicht nur vorkam, sondern auch eine zentrale Rolle für den Plot der späteren Bände spielte. Und letzten Endes ist das hier eine vergleichbare Situation - nur dass das hier global ist.

Der Hurrikan fand August 2005 statt, laut Wikipedia spielt der Hurrikan erst ab dem 7. Band Vampire schlafen fest eine Rolle. Dieser ist 2007 erstmals erschienen. Ich kann mich nicht erinnern, dass er in den Bänden eine größere Rolle gespielt hat oder überhaupt erwähnt wurde. Das sind 2 Jahre, in denen Aufräumarbeiten vonstattengegangen sind, sich viele Menschen von dem Schicksalsschlag erholt haben oder auch nicht. Auf jeden Fall gab es die Möglichkeit, Abstand zu dieser Katastrophe zu schaffen, räumlich, zeitlich, emotional oder sonst wie. Die Auswirkungen und globale Verbreitung von Corona sind noch lange nicht abgeschlossen oder absehbar, ich weiß nicht, ob man in dieser Hinsicht von derselben Bereitschaft der Leser*innen ausgehen kann, sich mit dem anhaltenden "Trauma", das Corona auf die eine oder andere Weise bei manchen ausgelöst hat, auseinanderzusetzen.

Den Faktor Zeit im Hinblick auf Produktion und Rezeption eines Romans sollte man auf jeden Fall nicht außer Acht lassen. Selbst wenn du jetzt beginnst, einen Roman zu schreiben und der erst in 3 Jahren publiziert wird, kann das für manche noch immer "zu nah" sein.

Ich habe mich in meinem Umfeld umgehört und da waren sich so ziemlich alle einig (nicht von mir beeinflusst): Sofern es sich um keinen "Corona-Roman", also einen Roman handelt, der Corona zum Thema hat, oder explizit 2020 angesiedelt ist, reagierten die meisten mit: "Was brauche ich den Schas auch noch in Unterhaltungsmedien?" (salopp in Wienerisch ausgedrückt :engel:) Natürlich ist es völlig legitim Corona literarisch oder sonst wie zu verarbeiten, nur für die wenigsten wäre das ein Argument, das Buch zu kaufen, geschweige denn, zu lesen. Ich habe nur lesende, nicht selbst schreibende Personen gefragt.
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Adiga am 20. September 2020, 12:20:17
Wenn man eine gute Idee hat um Corona und Fantasy zusammenzubringen und man Spaß dran hat sich damit zu befassen, kann man das durchaus machen. Freiwillig käme mir aber dazu keine gute Idee und dass ich thematisch betrachtet dabei in eine Spaßspirale die mein Arbeitspensum steigert abdrifte, kann ich mir auch nicht vorstellen.
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Sparks am 30. September 2020, 20:52:43
Zitat von: NelaNequin am 31. Juli 2020, 18:51:16
Allerdings habe ich auch schon Stimmen gehört, die sagen: "Na ja, man liest halt Fantasy um genau diesem Scheiß zu entkommen." Und das verstehe ich auch total. Fantasy ist Eskapismus. Und wenn einem diese Pandemie schon im echten Leben auf die Laune schlägt, will man eventuell nicht in der Fiktion damit konfrontiert werden.

Ja. Aber vielen Leuten bedeutet das eher wenig. Weil sie beruflich und privat kaum so dicht mit anderen Menschen zusammen kommen, und zum Einkaufen die Make tragen ist ja nicht wirklich eine Einschränkung. Eine CO-Schutzausrüstung ist wesentlich schwerer und bietet beim Atmen viel mehr Widerstand.

Zitat von: NelaNequin am 31. Juli 2020, 18:51:16
Ein Gegenargument, das ich auch gehört habe, war: "Na ja, aber bald ist die Pandemie vorbei und dann wirkt das komisch." Was ... auch ein Argument ist, wenngleich diese Personen deutlich optimistischer sind als ich.

Wie denkt ihr: Würdet ihr Corona bei Urban Fantasy einbauen?

Nunja, über diese Erkrankun ist ja noch lange nicht alles bekannt. z.B. das auch das Nervensystem betroffen sein kann, und dass dort persistente Schäden auftreten können bzw. das man den Verdacht hat, das Viren auch nach abklingen der Symtome in Nerventzellen überdauern können und Spätschäden verursachen können.
Der fantasievolle Fantasyautor liest daraus natürlich, dass die Zombieapokalypse noch nicht vom Tisch ist....und warum hat jetzt der Nachbar, der die Krankheit ansonsten gut überstanden hat, immer die Fenster abgedunkelt und verläßt nur noch Nachts das Haus? Und warum läuft dort fast ununterbrochen die Waschmaschine, aber nie hängt Wäsche auf der Leine?

Zitat von: NelaNequin am 31. Juli 2020, 18:51:16
Oder auch allgemeiner gefragt: Seid ihr in Anbetracht der Umstände vielleicht eher geneigt, über Pandemien oder dergleichen auch in fantastischen Welten zu schreiben?

Warum nicht? Es muss ja nicht die aktuelle sein, Epidemien kennt die Menschheit doch zu genüge aus dem Geschichtsbuch.
Ich denke gerade an Edgar Allan Poe "Die Maske des Roten Todes"
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Herbstblatt am 09. November 2020, 00:53:48
Nun, ich bin bei meiner Geschichte ein bisschen ins Extremere gegangen. Ich hab mich an der Pest im europäischen Mittelalter orientiert. In der Welt, in der meine Geschichten spielen, wütete vor Jahrhunderten eine Blutegelplage, die eine Krankheit übertragen haben (ich habe sie nicht näher genannt, auch nichts Näheres ausgeführt) und der - ähnlich wie bei der Pest - viele Bewohner zum Opfer gefallen sind. Als die Pandemie vorbei war, galt es als ein Wunder, dass es Überlebende gab und dem hmmm... zu Ehren ... hat man eine neue Zeitrechnung begründet. Es ist ein Teil der Geschichte dieser Welt.  :P
Das Ganze wird nur am Rande erwähnt. Einer der Bewohner erklärt einem außenstehenden Charakter, der in diese Welt gelandet ist, diese besondere Zeitrechnung im Zusammenhang mit dieser Plage.

Ich würde die Pandemie nicht in den Vordergrund rücken und somit auch nicht den  (ungewissen) Ausgang behandeln, sondern im Hintergrund mitlaufen lassen und das Zeigen, indem die Charaktere Mundschutz tragen und sich an die Maßnahmen halten müssen.  :P
Abgesehen davon würde ich es in eine Urban Fantasy nicht hineinpacken, ich wäre auch als Autor froh, mich nicht damit herumschlagen zu müssen. Es gibt dafür andere Dinge, die ich hineinverarbeite und sie meistens ins Lächerliche ziehe, das ist meine Art, mit Frust umzugehen, aber hier wär's unangebracht. Somit hätte ich mir die Frage nicht einmal gestellt, ob ich Corona einbauen würde.

Zitat von: NelaNequin am 31. Juli 2020, 18:51:16
Ich sitze aktuell vor einer Frage für mein neues Projekt (nachdem ich bei meinem anderen einfach nicht voran komme). Es ist Urban Fantasy. Ich habe nicht genau festgelegt, wann es spielt, aber eigentlich sollte es "relativ jetzt" spielen. Was natürlich bei Urban Fantasy aktuell eine recht wichtige Frage mit sich bringt: Gibt es in meiner Geschichte den Corona-Virus mit all seinen Folgen? Müssen meine Charaktere Masken tragen, wenn sie rausgehen?

Ich hätte mir überhaupt die Frage gestellt, ob denn in Urban Fantasy der entsprechende Zeitgeist mitschwingen muss? Gibt's da etwa eine Regel oder erwarten Leser dieses Genre das?
Ist nicht gerade ein Genre,was ich häufig lese, wenn ich es lese, dann eher weil ich es aus der Produktbeschreibung und Klappentext nicht herausgelesen habe, also habe ich da weniger Erfahrung.
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Amanita am 20. Dezember 2021, 07:34:47
Ich grab diesen Thread mal wieder aus.
Eigentlich würde ich gerne mal wieder an meinen Uni-Krimis weiterarbeiten, aber inzwischen bin ich auch unschlüssig, wie ich mit Corona umgehen soll. Ursprünglich hatte ich eigentlich vor, die Geschichten "nach Corona, wenn alles wieder normal ist" spielen zu lassen, aber inzwischen deutet sich ja an, dass das allenfalls für eine Geschichte Richtung Science Fiction denkbar wäre und das will ich eigentlich nicht.
Einfach im Hintergrund mitlaufen lassen, wäre  auch eine Option, aber es wäre für die Geschichte definitiv wichtig, dass Präsenzlehre stattfindet. Natürlich könnte man auch was mit nem Lockdown machen, aber dann wäre es eben wieder eine sehr datierte Corona-Geschichte und ich weiß auch nicht, ob ich das möchte.

Wie handhabt ihr das also jetzt, ungefähr ein Jahr nach dem letzten Beitrag und ohne, dass ein Ende des ganzen Elends in Sicht ist?
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Araluen am 20. Dezember 2021, 08:04:36
Du könntest die Geschichte im Sommer stattfinden lassen. Da sind die Zahlen ja sehr niedrig, sodass die meisten inklusive Politik ohnehin vergessen, dass eigentlich gerade Pandemie ist ;)
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: caity am 20. Dezember 2021, 08:53:16
Ich ignoriere das für meine Urban Fantasy-Romane noch und schreibe so, als wäre es vor Corona. Ich glaube, noch ist die Kenntnis über die Vor-Corona-Zeit genug vorhanden, um sich das vorstellen und in diese Fantasiewelt hineinflüchten zu können. Die Geschichten jetzt danach anzupassen, wäre mir ehrlich gesagt zu anstrengend. Also, solange das von Verlags- und/oder Agenturseite nicht explizit erwünscht ist, spare ich mir die Arbeit. Ob ich das bei neuen Romanen anders handhabe, weiß ich ehrlich gesagt noch nicht, kommt auch ein bisschen darauf an, wie sich das jetzt in den nächsten 2-3 Jahren entwickelt, vorher habe ich eh nichts komplett Neues in der Mache.
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Waldhex am 20. Dezember 2021, 11:22:54
Der Entwurf für mein übernächstes Buch (Urban Fantasy) war schon vor Corona geschrieben. Das füge ich jetzt nicht nachträglich ein, zumal dann manches nicht mehr so richtig funktionieren würde. Aktuell schreibe ich reine Fantasy, da bleibt es auch außen vor.
Eines meiner nächsten Projekte wird wieder Urban Fantasy/Märchenadaption, ich denke, da lasse ich die Pandemie auch weg, da die Geschichte davon lebt, dass mein Protagonist "umherwandert". Was dann 2024 wird, sehe ich dann.
Als Leser muss ich sagen, mich nervt die Pandemie schon genug, da will ich nicht auch noch in (Urban) Fantasygeschichten was darüber lesen.
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Malou am 20. Dezember 2021, 11:31:41
Ich sehe das auch so wie @Waldhex .

Die Pandemie ist markant genug im Alltag und ist psychisch wirklich sehr herausfordernd und stressig. Man liest ja u.a. auch (Fantasy), um aus der Realität auszubrechen. Ich persönlich fände es echt schlimm, wenn plötzlich alle Bücher Corona in sich integriert hätten. Vermutlich würde ich sie nicht lesen. Einzelne Bücher, die das Thema eben bewusst behandeln wollen, fände ich ok und vielleicht durchaus lesenswert, aber das so mainstream als "Regel" umzusetzen, um es mal etwas zu überspitzen... bitte nicht. Mal sehen, wie ich in ein paar Jährchen darüber denke, falls die Pandemie dann immer noch aktuell sein sollte (Gott bewahre), aber noch habe ich die Hoffnung, dass wir wieder einigermaßen zur Realität zurückkehren können und Corona eventuell sowas wird wie die jährliche Grippe(nimpfung). Noch gebe ich nicht auf und sage daher:

Bitte nicht nur noch Urban Fantasy, wo Corona schon automatisch mit drin ist. Es würde mir, zumindest aktuell, sehr die Freude am Urban Fantasy oder auch anderen Genres vermiesen.
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Jen am 20. Dezember 2021, 12:27:54
Um mal mit den Worten meiner Agentin zu sprechen: Niemand will Corona in Büchern, die Verlage vermeiden das vehement. Das Thema wird, wenn überhaupt, nur sehr selten stattfinden, egal in welchem Genre.

Für meinen Fantasykrimi hatten wir das Thema auch, aber wir haben direkt abgemacht, dass es Corona einfach nicht gibt. Fertig.
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Andersleser am 23. Dezember 2021, 15:45:08
Also ich würde es zumindest für riskant halten.
Wenn ich ein Buch lese kann es natürlich auch irgendein Virus, irgendeine Epidemie oder Pandemie und Zombieapokalypsen, meinetwegen das Ende der Welt und was auch immer geben, da habe ich Spaß dran das zu lesen. Aber ein Buch, hier auch noch Fantasy, mit Corona würde ich vermutlich gar nicht erst lesen wollen, was sicher um manche Geschichte sehr schade wäre. Einfach weil das Thema irgendwann nervt, weil es so extrem präsent ist. Als Beispiel kann man ja gut Serien nehmen, die das aktuell mit drin haben. Ich habe von zweien jede Folge gesehen bisher, dann kamen die neuen Staffeln mit Corona, da habe ich zwei, drei Folgen gesehen und hatte schon keinen Bock mehr. Das kann einem echt schnell Sachen die man mag sehr vermiesen.

Wenn das Thema im Hintergrund ist und die Leute tragen Masken oder so, keine Ahnung wie es dann wäre. Aber so richtig wie das nun alles ist, das fände ich persönlich nicht so klasse zu lesen. Vor allem auch wenn ich mich in den Neuerscheinungen umsehe und alle möglichen Corona Bücher sehe. Nicht Fantasy, aber alles mögliche von Themen bezüglich Gesundheit bis zu Geschichten die direkt schon "Lockdown" im Titel haben.

Ich glaube da machen ohnehin einige Menschen einen ganz großen Bogen drum. Fantasy ist ja gerade nicht vollkommen realistisch. Auch Urban Fantasy. Es ist ja immer noch Fantasy drin. Und allein dieses Wort gibt einem so viel Spielraum, sich auch die echte Welt für sich umzugestalten. Eigentlich kann da genauso gut 2021 in einem Buch sein, es aber kein Corona geben - wenn es dort Magie gibt, kann das ja schon Grund genug sein, dass es A: abgewendet wurde, bevor überhaupt jemand wusste dass es das gibt, oder B: es nie auftauchte. Gibt ja auch Bücher die "heute" spielen (also in dem Zeitraum der 2020er) die aber nicht so sind, weil diese Jahre zum Schreibzeitpunkt noch Zukunft waren. So wie wenn wir jetzt ein Buch schreiben, dass 2034 spielt, oder wenn man Zurück in die Zukunft als Premiere gesehen hat. Es ist eben einfach Fantasie um die es geht.

Selbst wenn es Urban Fantasy ist. Ich glaube nicht, dass immer alles 1 zu 1 so sein muss wie es echt ist. Nicht im Fantasy Bereich. Und ohnehin nicht, wenn doch sowieso "unechtes" vorkommt. Da macht Corona weglassen glaube ich auch nicht mehr viel aus. :vibes:

Bei einem Nicht-Fantasy Buch... Uff, da finde ich das eine schwere Frage. Aber ich glaube da würde ich es auch einfach weglassen. Einfach, weil viele das glaube ich gar nicht lesen wollen. Es gibt jedenfalls genug Leute die Corona in Film und Serie z.B. so gar nicht ausstehen können. Weil man auch das "realistischere" nicht im Fantasy spielende eben als Freizeit und Spaß und Flucht schaut. Oder in diesem Fall: liest. Ansonsten kann man ja auch ein Sachbuch oder eine Erfahrung/Biographie lesen  :hmmm:
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Mondfräulein am 23. Dezember 2021, 16:09:18
Im Moment stecken wir ja auch noch mitten drin. Ich muss ständig überall Maske tragen und an meine Maske denken und aufpassen, dass sie nicht auf einmal doch FFP2-Pflicht in Bahnen einführen und ich die falsche Maske dabeihabe. Ich muss mich über Kontaktbeschränkungen informieren, kriege bei jedem kleinen Halskratzen Panik, habe ständig Sorge, dass ich besser jetzt nochmal zu IKEA fahre, nicht dass nach Weihnachten wieder alles zu hat. Leute umarmen sich nicht mehr so gerne, halten in sozialen Situationen Abstand zueinander, tragen bei privaten Treffen Maske, wenn man sich treffen will, muss man immer schauen, ob sich jeder damit wohlfühlt und wenn nicht macht man es lieber online. Ich kümmere mich um Impftermine, da ändern sich die Regeln aber auch ständig, ich gehe in die Apotheke, um einen QR-Code für meine Impfung zu bekommen, ich muss ständig überall meinen Impfnachweis vorzeigen und wenn ich irgendwo hin will, auch immer kurzfristig informieren, ob ich nicht doch noch einen Test brauche.

Sprich: Auch so nimmt das Thema in meinem Alltag mehr Raum ein, als ich möchte. Ich bin schon eine derjenigen, die sich eher weniger informieren und und trotzdem ist das Thema ständig präsent. Es ist belastend. Ich möchte wenigstens in meinen Romanen das Gefühl haben, dass alles normal ist.

Aber gerade weil wir alle gerade noch mittendrin stecken, wird sich der Umgang mit dem Thema in Büchern in den nächsten Jahren glaube ich auch nochmal stark verändern. Wenn wir den ganzen Mist endlich hinter uns haben, sind wir vielleicht eher bereit für Geschichten, die das thematisieren oder damit zu tun haben. In zehn Jahren lassen wir unsere Bücher vielleicht während des Lockdowns spielen. In siebzig Jahren gewinnt sowas vielleicht Preise als toller historischer Roman.

Gerade deshalb finde ich es auch schwierig, Bücher nach der Pandemie spielen zu lassen. Wir wissen noch nicht, wie es hinterher aussehen wird und wie die Pandemie unser Leben und unsere Gesellschaft verändern wird. Das Risiko ist auch, dass wir unsere Bücher damit wahnsinnig schnell wahnsinnig altern lassen können. Die Geschichten, die wir jetzt schreiben, erscheinen ja in der Regel allerfrühestens in einigen Monaten. Bis dahin sieht die Welt vielleicht ganz anders aus. Wer will kurz nach der Pandemie ein Buch lesen, das kurz nach der Pandemie spielt und sich somit klar in einem bestimmten Zeitraum verortet, aber überhaupt nichts mit unserer Lebenswirklichkeit zu tun hat? Wir können nur raten, wie es nach der Pandemie sein wird.

Ich klammere das Thema komplett aus meinen Büchern aus. Sie sind auch für mich Eskapismus. Irgendwann kommen wir wahrscheinlich an den Punkt, an dem man nicht mehr so tun kann, als hätte es das Thema nie gegeben, weil Corona genauso Teil unserer Geschichte geworden ist wie andere wichtige und einschneidende Ereignisse. Dann kommen flapsige Bemerkungen wie "Glaubst du nach Corona wirklich noch, dass die Menschheit sich je vernünftig verhält?" und es stört sich niemand mehr daran. Aber im Moment ist es eben noch nicht Geschichte und wir sind an dem Punkt, an dem wir ein Zwischenfazit ziehen können, aber noch kein komplettes Fazit. Wir wissen nicht, wie die ganze Sache ausgeht. Deshalb würde ich das Thema erstmal ausklammern.
Titel: Re: Corona und Fantasy
Beitrag von: Amanita am 08. Januar 2022, 21:23:30
Entschuldigt, dass ich mich nicht eher noch einmal hier gemeldet habe.
Die Tendenz scheint jedenfalls ziemlich eindeutig zu sein, dass man das Thema zumindest in der aktuellen Situation besser außen vor lassen sollte.