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NS-Sprache

Begonnen von Herbstblatt, 24. Februar 2021, 22:28:22

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Sonnenblumenfee

Zitat von: Herbstblatt am 25. Februar 2021, 16:51:34
Meinst du das hier?
ZitatStrafgesetzbuch (StGB)
§ 211 Mord
(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.
(https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__211.html)

Ich finde darin nichts Bedenkliches, möchtest du mir das näher erläutern?

Ja genau, den Paragraphen meine ich. Ich bin eigentlich keine Strafrechtlerin, deshalb kann ich das Thema nur in Grundzügen wiedergeben.
§ 211 StGB ist im deutschen Strafrecht insofern einzigartig, weil er von der Formulierung her nicht an die Handlung anknüpft (anders zB § 212 StGB (Totschlag): "Wer einen Menschen tötet..."), sondern an die Person ("Mörder ist..."). Diese Formulierung geht auf die sog. Tätertypenlehre zurück. Grob gesagt besagt diese Theorie, dass man schon als Straftäter zur Welt kommt, also ein bestimmter "Typ" Mensch ist, und durch die Straftat nur sichtbar wird, dass man (von Geburt an) zu dieser (niederen) Klasse Mensch gehört.
Das ist natürlich (mittlerweile) völlig überholt, denn auch wenn es vermutlich bestimmte (auch) genetisch beeinflusste Eigenschaften gibt, die manche Straftaten begünstigen (zB Jähzorn), kommen da natürlich noch viele Faktoren zusammen, die zB mit der Sozialisierung und den konkreten Umständen der Tat zusammenhängen. (wie gesagt, ich bin keine Strafrechtlerin und auch keine Rechtssoziologin oder Psychologin, deshalb kann ich das im Detail nicht aufdröseln). Der Mord-Paragraph wird natürlich durch Staatsanwaltschaft und Gerichte auch nicht (mehr) im Sinne der Tätertypenlehre angewendet, aber die Formulierung ist bisher trotz massiver Kritik im Gesetz geblieben. (Rechtstechnisch wird der Mord-Paragraph auch noch aus ganz anderen Gesichtspunkten kritisiert, aber die Details dazu bewegen sich dann endgültig außerhalb meiner Kenntnis).
Ich hoffe, das hat es einigermaßen klar gemacht.

Zitat von: Ahneun am 25. Februar 2021, 17:33:35
Vor Gericht in einem Verfahren ist er dann "Beschuldigter". Kommt darauf an, wie die Polizei gearbeitet/ermittelt hat.  :flausch:
Nur ganz kurz, weil das eigentlich nicht mehr zum Thema gehört: von Gesetzes wegen ist der Tatverdächtige nicht erst vor Gericht "Beschuldigter", sondern bereits sobald ein Ermittlungsverfahren gegen ihn geführt wird. Sobald die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt, wird er zum sog. "Angeschuldigten" und mit dem Eröffnungsbeschluss des Gerichts zum "Angeklagten" (wobei als Überbegriff für alle drei Phasen (Ermittlungsverfahren der Polizei/Staatsanwaltschaft - Zwischenverfahren - Hauptverfahren vor Gericht) der Begriff "Beschuldigter" verwendet wird).
"Discipline is my freedom" - Gretchen Rubin

Herbstblatt

@Sonnenblumenfee : Danke, das hast du schön erklärt. Der Unterschied mit dem Fokus wird schön deutlich, wenn man es mit dem Paragraph im österreichischen StGB vergleicht:

ZitatStrafbare Handlungen gegen Leib und Leben
Mord
§ 75.

Wer einen anderen tötet, ist mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu bestrafen.


Bisschen off-topic...
Jedenfalls ist das Buch gestern angekommen. Ich habe noch nicht die Zeit und Energie gefunden, es durchzulesen, nur durchzublättern. Von dem, was ich bisher gesehen habe, finde ich es gut, wie auf die Bedeutung und Kontext der Wörter eingegangen wird und am Ende findet sich in zwei Sätzen eine kurzer Abschlusskommentar, in welchem Kontext es ratsam wäre, diese Wörter zu verwenden - oder vielleicht auch gar nicht.

Auf die Schnelle fallen mir die Wörter wie Gutmensch oder Festung Europa ein, die da drin behandelt werden. Auch Kristallnacht (bzw. Reichskristallnacht) ist schrecklich negativ behaftet... nicht, dass ich es verwendet hätte, aber ich habe mir darunter eine Nacht mit Polarlicht oder so etwas vorgestellt. :/
Meine Lehrer haben häufig das Wort Sonderbehandlung verwendet, hm.