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Nebencharaktere

Begonnen von Kalderon, 01. März 2006, 16:22:18

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Kalderon

Klar, es geht natürlich um Nebencharaktere

Nachdem ich im Forum des öfteren gelesen habe, dass die Leute trauern, weil (persönliche oder aus fremden Büchern) Nebencharaktere sterben, habe ich mich gefragt, woran das wohl liegt, dass denen und mir persönlich auch die Nebencharaktere so am Herzen liegen.

Spekulation: Vielleicht haben wir sie deshalb so gerne, weil wir den Hauptcharakter eher aus unserer eigenen Sicht sehen und bereits viel über ihn zu wissen meinen, während man die Nebencharaktere meist nicht klar im Kopf hat und sie erst noch kennenlernen muss. Das macht sie sehr interessant. Machmal auch ZU interressant.
Ich habe einem Nebencharakter in der letzteren Hälfte meines Manuskripts einige Kapitel gewidmet und so einen Nebenplott ins Rollen gebracht. Und ich muss zugeben, dass ich den Charakter schon nach den ersten zwei Seiten, die ihn und seine Charakterzüge aufzeigen, um längen interessanter fand als den Hauptcharakter, dem ich zuvor... *denk nach* naja, vielleicht doch nicht genug Platz eingeräumt habe. Komischerweise ist der Hauptcharakter der chaotischste und nicht nachvollziehbarste Charakter von allen. (Das Überarbeiten wird eine harte Nuss). Die Nebencharaktere hingegen sind so unterschiedlich und ausgearbeit - von jedem einzelnen habe ich eine klare Vorstellung. Nur vom Hauptcharakter nicht. Spricht vielleicht weniger FÜR die Nebencharaktere als vielmehr GEGEN den Hauptcharakter, heißt ... die Nebencharaktere sind eigentlich gar nicht so gut, der Hauptcharakter ist einfach nur schlecht.  :P

Naja, was haltet ihr davon? Warum haben wir die so gerne? Weil es unsere Wunschvorstellungen von perfekten Freunden sind?  ;)

Silvia

Mir geht es meistens so, daß ich den Haupthelden aufgrund seiner Funktion und seiner Eigenschaften oft zu langweilig finde.  ;)
Er ist immer derjenige, der die positiven Eigenschaften vertreten muß ... die "grauen" Nebencharas, bei denen man nicht immer so genau weiß, auf welcher Seite sie gerade stehen, sind oftmals viel interessanter, tiefer ausgearbeitet, widersprüchlicher.

Kalderon

Ich habe mir meinen Nebencharakter auch als zweiten Haupcharakter für den Nachfolgeband ausgewählt.
Vielleicht sollte man das öfter machen: sich eine Geschichte aufbauen, alles beschreiben und so weiter, sich dann einen interessanten Nebencharakter daraus auswählen und seine Story erzählen.
Aber damit stellt man den Nebencharakter zu sehr ins Rampenlicht und verliert irgendwie wieder das Interesse an ihm. Ich persönlich habe bisher keinen festen Bezug zu den Hauptcharakteren gehabt, obwohl oder gerade weil sie viel von mir selbst hatten.

Maja

Es gibt Nebencharaktere und Nebencharaktere. Die einen sind nur kurz im Bild, haben ein oder zwei Szenen und sind wieder weg. Ich verbringe nicht viel Zeit damit, sie großartig auszuarbeiten. Sie sind lebende Möbel. Irgend jemand muß ja den Wein hereintragen.
Die anderen sind die Kategorie, die in Filmen für den Oscar "Beste Nebenrolle" kandidieren - wichtige Figuren, oft mit genausoviel Anteil an der Handlung wie der Held, nur ohne deren Focus zu besitzen. Und mit einer deutlich höheren Todesrate - den Helden braucht man für gewöhnlich bis zum Schluß. Den Nebencharakter dagegen kann man töten, um der Handlung Tragik und Tiefe zu verleihen. In "Klagende Flamme" müssen viele Nebencharaktere das Leben lassen - Jarvis' Lehrmeister Dell hat den ersten Schritt getan und ist bereits von uns gegangen, und natürlich hat das geschmerzt - aber ich habe den Trick gemacht und die Szene, in der seine Leiche gefunden wird, vor den anderen geschrieben, in denen er noch lebt.

Grundsätzlich gilt, daß diese wichtigen Nebenfiguren mit der gleichen Akribie ausgearbeitet sein müssen wie die Hauptfiguren - aber nicht unbedingt besser. Ich mag keine langweiligen Hauptfiguren. Wer nicht die Kraft hat, ein ganzes Buch zu tragen, mit dem mag ich mich als Autor auch nicht lang abgeben. Mowsal, Held der "Spinnwebstadt", umreist die Welt mit einer Gruppe faszinierender Charaktere (klar, daß ich das sage - als Autorin!), aber als Kleinkrimineller, Feigling und notorischer Lügner bleibt er interessant genug, um den Leser bis zum Ende zu schleifen. Oder andersherum: Bei mir haben oft schon Haupt- und Nebencharaktere zwischen Konzept und Schreiben ihre Rollen gewechselt, weil mir der geplante Held nicht interessant genug war, aber noch eine passable Nebenfigur abgeben konnte. So erging es bei der "Flöte aus Eis", deren Heldin ursprünglich Schwinge die Elfe war (sie endete als "Der Nebencharakter, der stirbt"), und auch "Die Spinnwebstadt" war ursprünglich um Mowsals Schwester Lamorna herum aufgebaut, die am Ende noch in zwei Szenen überhaupt vorkam. So kann es gehen. Die Zuneigung des Autors entscheidet.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Kalderon

Vielleicht muss man den Hauptcharakter wirklich als eine gänzlich andere Person begreifen und völlige Distanz wahren, damit er interessant wird.
Er darf dann aber auch auf keinen Fall so sein wie man selbst, es sei denn, man kennt sich selbst gut genug und andere finden "dich" interessant.

Maja

Bei Hauptcharakteren gilt bei mir auch, daß sie mir nicht zu ähnlich sein dürfen. Darum habe ich immer Probleme damit, weibliche Figuren auszuarbeiten - sie denken automatisch wie ich, und dann macht das Schreiben keinen Spaß mehr. Die meisten meiner Helden sind demzufolge männlich. Und auch die meisten Nebenfiguren, irgendwie. Nur mit der "Welt in der Wühlkiste" habe ich mir jetzt so ein Ei gelegt. Die Heldin ist weiblich wie ich, Buchhändlerin wie ich, hat wie ich die eigentliche Lust am Lesen verloren... Ich habe sie daraufhin groß und dünn gemacht. Gehöre ja selbst zur kleinen und kompakteren Sorte. Bis jetzt komme ich mit ihr ganz gut klar, aber ob sie das Buch tragen kann?
Richtig begeistert bin ich dagegen jetzt schon von meinen (männlichen) Nebenfiguren. Keinem von ihnen würde ich die Handlung in die Hand legen mögen - aber bislang ist auch noch nicht geplant, daß einer von ihnen stirbt. Immerhinque.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Silvia

Ich seh schon, ich habe in letzter Zeit zu viel aus der Sparte "Jugendfantasy" zu mir genommen *lol* Dort sind die Haupthelden irgendwie generell entsetzlich "positiv" ... ich sollte mal wieder die Altersgruppe wechseln.  ;)

Rei

Hmm, meine Hauptcharas sind meistens weiblich (kann ich mich besser hineinversetzen) und meine Nebencharas männlich.

So richtig fasziniert hat mich bisher nur Darshan (ehemals Surya aus "Falsches Spiel"). Er hat eigentlich nicht viel zu tun, aber das, was er unterbewußt mit seinem Herrscher macht, hat mich dann doch faziniert... Sterben hätte ich ihn nie lassen... Niemals...

Aber ich muß sagen, daß ich Nebenfiguren nicht hinterhertrauere, denn wenn ich sie erschaffe, dann nur, um sie später hinrichten, umbringen, entführen oder sonstiges zu lassen. Dazu sind sie da. Darum gibts da auch kein Geheule drum, wenn sie dran sind...  ;D

Jules

Jaja, die Nebencharas....Snape, Staubfinder, der Marquis de Carabas....
Die meisten Nebencharas lassen sich eher zu diesen sympathischen Schurken machen, die man eh viel lieber hat, als all die Hauptpersonen, die ja halt nun mal zumindest einigermaßen heldenhaft sein müssen. Und um ganz ehrlich zu sein, wenn einer von den oben genannten die Hauptperson in einem Buch wäre, ich bin mir ziemlich sicher, dass ich es nicht hätte zu Ende lesen können. Solche Personen braucht man. Sie sind das Salz in der Suppe. Man liebt sie, man leidet mit ihnen und wenn sie sterben, fragt man sich, warum es nicht den blöden Helden hat treffen können. Aber sie eignen sich schlichtweg nicht zur Hauptperson.
Ich löse das Ganze für mich, indem ich immer aus sehr vielen verschiedenen Perspektiven erzähle. Und die eine Nebenfigur wird sowieso in jedem Buch auftauchen, dass ich noch in dieser Welt ansiedele.  :D Geht leider bei den anderen nicht, weil die alle sterblich sind und einige auch schon während der Geschichte drauf gehen. (schlimme Woche für mich...auf einmal sinds zwei Tote mehr...)

Jules

An Frodo ist ja auch nichts zum interressant finden -.-

Aragorn! Faramir! Gollum!

Termoniaelfe

ZitatIch wiederhole mich, aber es waren beim Herrn der Ringe nicht die Hauptpersonen, die ich interessant fand, sondern mehr die Nebenpersonen. Das ist bei mir oft so in Büchern oder Filmen.

Schelmin

Ja, da muss ich Dir wieder recht geben, Schelmin. Mir ging und geht es immer bei Harry Potter so. Ich bin ein Fan von Ron, der für mich mein heimlicher Favorit ist. Harry dagegen finde ich eher langweilig. Auch ich achte bei meinen Geschichten immer darauf, dass meine Nebenprotas immer gut zum Zug kommen. (oh mein Gott, hoffendlich hat der heut nicht wieder verspätung;D ;D) Nein Mal im Ernst, Nebenfiguren machen eine Geschichte doch erst so richtig erzählenswert und ich will nicht auf sie verzichten.

LG
Termi

Jules

Ron...*hass* *glare* *schlimmster von allen* *soll steeeeeeerben!*

Gelten Nebencharaktere noch als Nebencharaktere, wenn die Geschichte teilweise aus ihrer Sicht erzählt wird?

Kalderon

Zitat
Gelten Nebencharaktere noch als Nebencharaktere, wenn die Geschichte teilweise aus ihrer Sicht erzählt wird?

Dazu kann ich nur sagen: Defenitiv ja! Ist jedenfalls meine Meinung. Meist gewährt man ihnen ja auch nicht viel, höchstens ein paar Szenen, in denen sie an der Reihe sind. Ich finde, auch wenn es wie bei der Herr der Ringe so viele Charaktere gibt, kann es beinahe nur einen Hauptcharakter geben. Alle anderen sind grundsäztlich Nebencharaktere, es sei denn, mann widmet ihnen im Buch mehr Zeit und mehr Hintergrund, mehr Buch sozusagen.

Rei

Hmm, wenn sie nur beoachten, was passiert, dann sind sie immer nich Nebencharaktere... Meiner Meinung nach...

Maja

Ich erzähle gern die Geschichten aus der Sicht von Nebenfiguren, weil die Hauptfigur dann unterschiedlich beleuchtet werden kann. Perspektive allein macht noch keinen Helden. Auch Dr. Watson war nur eine Nebenfigur, selbst wenn er der Erzähler war.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt