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Bezeichnungen für Lehrpersonen außerhalb der direkten Rede

Begonnen von Nikki, 13. September 2020, 14:46:20

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Nikki

Huhu  :)

Ich stehe gerade vor dem Problem, dass ich mit mir nicht ganz eins bin, wie ich meine Figuren über Lehrer*innen im Erzähltext (personale Perspektive) reden lasse.

Im Moment steht da nur der Nachname à la "Müller erteilte ihnen einen Arbeitsauftrag". Nun gibt es aber auch die Möglichkeit, ein Frau/Herr voranzusetzen oder, die wohl österreichischere Variante, den bestimmten Artikel, also: "Die/Der Müller erteilte ihnen einen Arbeitsauftrag".

In der direkten Rede ist der Fall klarer, da bietet sich ein "Herr/Frau (Professor)" bei der direkten Ansprache bzw. ein "der/die" an, wenn über besagte Person gesprochen wird. Im Erzähltext aber fühlt sich jeglicher Zusatz vor dem Nachnamen "falsch" an, da es mir zu umgangssprachlich vorkommt. So in etwa als würde ich nicht schreiben "Paulis Mutter erschien in der Tür", sondern "Mami erschien in der Tür".

Wie handhabt ihr das? Wie gehen andere Autor*innen, die ihr lest, damit um?

Trippelschritt

#1
Ich muss zugeben, dass ich Dein Problem nicht verstanden habe.
Sollte es um die indirekte Rede gehen, dann ist die wortwahl wie in der direkten Rede.
Sollte es um die Erzählstimme gehen, hängt es davon ab, was für eine Erzählstimme Du gewählt hast. Dummerweise gibt es kaum einen Schreibratgeber, der darüber aufklärt, dass a. es ganz unterschiedliche Erzählstimmen gibt und b. Die Erzählstimmen in erheblichem Maße den Erfolg einer Geschichte bestimmen. Dass es neutrale Erzählstimmen gibt, die man in jeder Geschichte findet, ist ein Trugschluss, was man spätestens bei der Analyse von Erzählstimmen herausfindet.

Ein überdeutliches Beispiel gefällig: Die frühen amerikanischen Kriminalromane gegen Tolkien. Da werden die Extreme sichtbar.

Aber vielleicht meinst Du ja auch etwas ganz ganz anderes.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Mindi

Ich empfinde es als respektlos, nur den Nachnamen zu schreiben. Da gehört für mich immer ein Herr/Frau/Professor usw. davor, oder ich würde es vermutlich anders umschreiben. Im Text könnte man den Namen vielleicht umgehen, indem man vom Mathelehrer oder von den Matheaufgaben spricht, ohne zu erwähnen, wer sie aufgegeben hat.

Vielleicht verstehe ich das Problem noch nicht. Wie sehe denn so ein ganzer Satz mit Lehrernamen aus, an denen du gerade knabberst? Wenn ich mir spontan welche ausdenke, erscheint es immer unnötig, den Namen es Lehrers überhaupt zu erwähnen.

z.B: Paul setzte sich, um die Aufgaben zu lösen, die Herr Müller ihnen aufgegeben hatte.
Da würde auch reichen: Paul setzte sich, um seine Matheaufgaben zu bearbeiten.
"When we are asleep in this world, we are awake in another." - Salvador Dalí

Ryon

Also ich empfinde nur den Nachnamen bzw. die Variante mit "die/der" als zu umgangssprachlich in der 'neutralen' Erzählperspektive.
Das vorangestellte "die/der" + Nachname wird - zumindest in Österreich - in der direkten Rede verwendet, um über Lehrer*innen zu sprechen, wenn diese nicht angesprochen werden.

Sonst würden mir für die neutrale Erzählperspektive eben auch folgende Varianten einfallen:
* Herr / Frau
* Proffesor/in
* Mathelehrer/in (bzw. jedes andere Fach natürlich)

Oder du lässt, wie Mindi schon geschrieben hat, die Anrede einfach weg und formulierst die Sätze um. Damit sollte sich genügend Abwechslung ergeben.

Anj

Also im direkten Kontext als Schüler_in oder Eltern in Bezug auf aktuelle Lehrer_innen (egal ob im Gespräch über die Person oder in einer Hsndlkngsbeschreibung) würde ich Herr/Frau (ggf. +Titel) dazuschreiben.
Im Rückblick und (damit vor allem im Gespräch über ihn oder sie) für Lehrer_innen ab der Oberstufe nur noch den Nachnamen. Ausnahmen sind geläufige Spitznamen, so hieß ein Lehrer bei uns nur "Schäfchen" als Abkürzung/Verballhornung des Namens. Allerdings durchaus eher liebevoll-fürsorglich. Und in der Oberstufe wurden die eher coolen Lehrer, meist älteren Leher_innen auch nur mit Nachnamen benannt. (Vielleicht weil schon unsere Eltern sie kannten und nur Nachname irgendwie gewohnt war.)
Das spiegelt meine Realität wieder und damit auch die der meisten meiner Giguren. Wenn Erzähler_in nun eher altertümlich ist, dann würde ich es entsprechend der Erzählerfigur anpassen.
"Wenn du andere Leute ansiehst, frage dich, ob du sie wirklich siehst, oder ob du nur deine Gedanken über sie siehst."
Jon Kabat-Zinn.

Nikki

#5
Danke euch für eure Antworten  :)

Auf die Nennung der Lehrperson als solches kann ich an manchen Stellen nicht verzichten, wie @Mindi es vorgeschlagen hat, da die Person selbst thematisiert wird. Von wegen Lieblingslehrerin und so.

Ich glaube, ich weiß jetzt, wieso sich in mir alles gegen die Variante mit Herr/Frau spießt - was wäre, wenn besagte Lehrperson nonbinär wäre? Wie würde dann die Bezeichnung in diesem binärgeprägten System ausschauen? Ich versuche, mich vom generischen Maskulinum zu trennen, um all-gender-inclusive Formulierungen in meinem Romankomplex zu etablieren. Wenn ich nun aber Bezeichnungen verwende, die die Lehrer*innen von Haus aus in männlich-weibliche Kategorien ordnen, stelle ich mir ja selbst ein Bein.

EDIT In den HP-Büchern ist meines Wissens auch immer nur die Rede von den LehrerInnen mittels Nachnamen - wen hat das gestört?

Mindi

Über unsere Lieblingslehrer haben wir immer mit Vornamen geredet und auch so "gedacht", zumindest oft. (Aber sie trotzdem mir Herr/Frau angesprochen) @Anjanas Einwurf mit den Spitznamen ist auch gut.
Hieß es in den Potter Büchern nicht immer Professor XYZ? Oder sagen die das nur in den Filmen so  :hmmm:

Wie würde man denn eine Person bzw. eine nonbinäre Lehrkraft höflich ansprechen, wenn Frau/Herr nicht infrage kommt? Ich habe ehrlich keine Ahnung.
"When we are asleep in this world, we are awake in another." - Salvador Dalí

Nikki

Zitat von: Mindi am 13. September 2020, 22:22:49

Hieß es in den Potter Büchern nicht immer Professor XYZ? Oder sagen die das nur in den Filmen so  :hmmm:

Also ein flinker Griff zum 5. Band und einmal wahlloses Blättern darin ergeben, dass im Fließtext nur "Snape" steht und auch in der direkten Rede von nur "Dumbledore" die Rede ist.

Zitat
Wie würde man denn eine Person bzw. eine nonbinäre Lehrkraft höflich ansprechen, wenn Frau/Herr nicht infrage kommt? Ich habe ehrlich keine Ahnung.

:-\ Mein Dilemma. Momentan würde mir nur einfallen "Professor*/:_in XY" (je nachdem welcher Platzhalter verwendet wird. Das ist wohl am ehesten eine Alternative zum nackten Nachnamen. :hmmm:

Mindi

"When we are asleep in this world, we are awake in another." - Salvador Dalí

Nikki

Zitat von: Mindi am 13. September 2020, 22:32:36
Aber nur die wenigsten Lehrkräfte sind Professoren :hmmm:

An der AHS in Österreich ist "Herr/Frau Professor" eine gängige Anrede für die jeweilige Person (gewesen). Hätte ich mit der Verwendung also wieder mal Lokalkolorit abgedeckt.  :rofl:

Trippelschritt

#10
Zitat von: Nikki am 13. September 2020, 21:49:22

Ich glaube, ich weiß jetzt, wieso sich in mir alles gegen die Variante mit Herr/Frau spießt - was wäre, wenn besagte Lehrperson nonbinär wäre? Wie würde dann die Bezeichnung in diesem binärgeprägten System ausschauen? Ich versuche, mich vom generischen Maskulinum zu trennen, um all-gender-inclusive Formulierungen in meinem Romankomplex zu etablieren. Wenn ich nun aber Bezeichnungen verwende, die die Lehrer*innen von Haus aus in männlich-weibliche Kategorien ordnen, stelle ich mir ja selbst ein Bein.

EDIT In den HP-Büchern ist meines Wissens auch immer nur die Rede von den LehrerInnen mittels Nachnamen - wen hat das gestört?

Jetzt beginne ich zu verstehen.
Aus meiner Sicht willst Du zwei Dinge gleichzeitig erledigen, die sich beißen. Du möchtest eine Geschichte erzählen, in der Menschen reden, wie sie nun einmal reden, und gleichzeitig möchtest Du Dich vom generischen Maskulinum trennen. Ich denke, dass das nicht möglich ist. Der Ausflug in die HP-Serie ist da keine Lösung, da dort andere Gewohnheiten herrschen, die nicht aus der Zauberwelt heraus übertragbar sind.
In meiner Schülerzeit (BRD) wäre es möglich gewesen von der Rottmann und dem Braun zu sprechen, aber da wurden auch die Schüler mit dem Nachnamen angesprochen. Das ginge möglicherweise auvh in Deiner Geschichte, wenn die Erzählstimme (s. o. Post) eine nicht sehr höfliche, eher jugendliche Stimme wäre.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Edit: Professor für einen Lehrer ist kein Lokalkolorit, sondern eine offizielle Sprechweise in vielen lateinamerikanischen Staaten, teilweise auch immer in Italien. Dort zählt ein Doktortitel mehr als die Anrede Professor. Könnte in Österreich auch so sein, wo die Vergangenheit noch in die Gegenwart hineingreift.

Zit

Ich denke, dass deine Lehrer sich mit bevorzugtem Pronomen vorstellen, und sich daraus auch ableitet, ob die Schüler Herr/ Frau verwenden. Maja hatte mal an anderer Stelle geschrieben, dass ansonsten eine volle Namensnennung auch geht. Also nicht ,,Frau Lehrerin" sondern eher ,,Jo Lehrperson", wenn ich das richtig verstehe.

edit:
Unter https://nonbinarytransgermany.tumblr.com/language sind noch andere Anreden gelistet, vielleicht sagt dir davon etwas zu?
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Aphelion

Da du personal schreibst, hängt die Wortwahl der Erzählstimme von der Figur ab, aus deren Perspektive du die fraglichen Szene(n) schreibst - und davon, wie "nah" der Erzähler dieser Figur ist.

Umgekehrt bedeutet das natürlich auch: Wenn du eine bestimmte Wortwahl für die Erzählstimme im Voraus festlegst, musst du ggf. die Figur und deren Umfeld entsprechend anpassen. Bei High Fantasy, SciFi  u.ä. kannst du natürlich auch das Setting passend konstruieren.

Da es in der realen Welt derzeit nicht generell üblich ist, genderneutral zu formulieren, kann die Figur in diesem Fall nicht beliebig konstruiert sein. Vor- und Nachname kenne ich ebenfalls als Anrede für nonbinäre Personen, aber viele empfinden das als irritierend bis grob beleidigend, weil es nicht der weiter verbreiteten sozialen Norm "Herr/Frau Müller" entspricht: Durch das Weglassen von "Herr/Frau" kann (ungewollte) kommuniziert werden, man wolle das Gegenüber herabwürdigen - völlig unabhängig davon, wie es wirklich gemeint ist. Dabei geht es "nur" um soziale Normen; um eine Bewertung dieser sozialen Normen geht es in diesem Post nicht.

Durchgängige genderneutrale, direkte Anreden sind derzeit ein sehr spezifischen Merkmal von bestimmten sozialen Gruppen und können innerhalb dieser Gruppe normativ sein. Die Frage ist also: Zu welcher sozialen Gruppe gehört deine Figur, aus deren Perspektive der personale Erzähler berichtet, und welche Sprachvariante nutzen ähnliche reale Gruppen?

Wenn du genderneutral schreiben willst, ohne zwingend eine Figur als Perspektivträger zu haben, zu der dieses Stilmittel passt, dann wäre ein auktorialer Erzähler auch eine Option. Dann könntest du z.B. auch über einen Neonazi schreiben und trotzdem genderneutrale Begriffe außerhalb der direkten Rede verwenden.