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Er, Sie, Es

Begonnen von Nebeldiener, 28. Dezember 2014, 04:33:53

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Nebeldiener

Da ich letztens eine Szene (ca. 1k Wörter) aus der Perspetive einer Frau geschrieben habe, habe ich mich gefragt, ob ich dem Leser die Frau glaubwürdig vermittelt hatte, oder ob ich ihm bloss einen Mann mit einer Frauenmaske vorgetischt hatte. Ich habe mich dann weiter gefragt, ob ich aus der Perspektive einer Frau anders schreibe, als aus der eines Mannes und ich musste diese Frage verneinen. Das Einzige, was ich bewusst geändert hatte, war das "er" oder "sie".

Reicht also ein "er" oder "sie" aus, damit der Leser einen Mann oder eine Frau vor Augen hat (sofern man nicht das Aussehen beschreibt), oder steckt da mehr dahinter?

Er ging die Strasse entlang, blickte auf seine Taschenuhr, nickte einem Passanten zu und bog in eine Nebengasse.
Sie ging die Strasse entlang, blickte auf ihre Taschenuhr, nickte einem Passanten zu und bog in eine Nebengasse.


Und wie ist es bei der "Ich"-Perspektive?
Ich, zog ein Taschentuch aus meiner Jackentasche, wischte meine tränenden Augen damit ab, liess eine Sonnenblume ins Grab fallen, drehte mich um und schlich zum Auto.

Mann, oder Frau? Oder ist es egal, ob der Leser hier mit dem "Ich" ein Mann oder eine Frau symbolisiert?

Also nun zu meiner Frage: Wie schreibt man richtig aus der Sicht eines Mannes und aus der einer Frau (sofern es ein richtig gibt)?

Zit

#1
Oh Gott. So eine komplexe Frage. Ich würde ja fast sagen, dass es die kleinen Dinge sind, die sich nicht an einem einzelnen Satz festmachen lassen. Genderrollen hin oder her gibt es doch feine Unterschiede zwischen den Geschlechtern. (Ob das nur Mann oder Frau sind oder noch etwas anderes, darf jeder für sich selbst festlegen.)
Als Gedankenstütze: Schreibt sich ein Echsenmensch genauso wie ein Vogelmensch oder schreibt sich eine Katze wie ein Hund. Im Endeffekt läuft die Frage nach der nötigen Wortwahl für die gewählte Perspektive wieder nur auf die Frage hinaus wie man die Charaktere konstruiert und welche Verhaltensweisen sie an den Tag legen.

Eine Taschenuhr zu ziehen und wortlos Passanten zuzunicken, sortiere ich in erster Linie in die Männerschublade -- das liegt aber auch nur daran, dass ich bei Taschenuhr an ein Setting von vor hundert Jahren denke und ich so etwas bisher nur von männlichen Figuren gelesen habe und nicht von weiblichen Figuren. (Die zweifellos sicher auch ihre Taschenuhren hatten, aber ob sie so kurz angebunden durch die Stadt eilten?)
Was dein zweites Beispiel angeht: Jetzt war ich schon auf mehreren Beerdigungen und ich habe es bisher nicht erlebt, dass man einfach nur eine Blume reinwirft und dann sogleich weggeht. Ich frage mich also, welche Beziehung dein Perspektivträger zum Toten hatte (der Einfachheit halber wähle ich grade nur die männliche Form). Dass geweint wird, könnte mich dazu verleiten lassen, aus dem Klischee heraus, zu denken, dein Perspektivträger wäre eine weibliche Person. Meiner Erfahrung nach heulen aber alle Menschen gleichermaßen an Gräbern. Wie stark hängt eher von der persönlichen Betroffenheit und Willensstärke ab. Wäre dein Beispiel also ein erster Satz, hätte ich erstmal kein Bild von einer Person im Kopf, sondern würde auf das Taschentuch, die Sonnenblume, das Grab, das näher kommende, parkende Auto fokussieren, ganz wie in Filmen manchmal stark an Objekte heran gegangen wird, und würde auf weitere Informationen warten, was die Person anbelangt. Das ist nicht unbedingt nur das Geschlecht sondern auch so einfache Sachen wie Kleidung, Alter, Aussehen. Bis dahin wäre die Person nur eine Gaswolke in meinem Kopf.

Trifft das in etwa das, was du als Antwort erwartet hattest?
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Valaé

Ich schreibe häufiger Ich-Perspektive und wurde dann auch schon mal damit konfrontiert, das bis zum ersten Fall des Namens des Perspektivträgers ein Leser ein anderes Geschlecht im Sinn hatte, als mein Perspektivträger tatsächlich hatte. Ich bin relativ überzeugt davon, dass man dem auch nie ganz und gar entgegen wirken kann, es sei denn natürlich man lässt gleich im ersten Satz ganz typisch Geschlechterspezifisches oder den Namen fallen (wobei natürlich auch ein Name nicht eindeutig sein muss, vollkommen eindeutig ist tatsächlich ausschließlich die Zuschreibung durch ein entsprechendes Pronomen durch einen Dritten (jemand sagt etwas wie "Der/Die ist aber schlecht drauf"  oder ein definitiv geschlechterspezifischer Name). Wenn man Ich-Perspektive schreibt muss man sich dieser Gefahr also irgendwie bewusst sein und wenn man es als schlimm empfindet, dass es diese Gefahr gibt müsste man sich bemühen, eben möglichst schnell das Geschlecht zu verdeutlichen. Dabei muss ich auch sagen, ich hatte Betaleser, denen war es egal, wenn sie nach einigen Sätzen oder gar ein paar Absätzen ihr Bild umwerfen mussten, andere fanden es störend und baten mich, das früher zu klären. Einmal habe ich es ganz vergessen und es kam über Seiten hinweg nichts vor, was das Geschlecht deutlich spezifiziert hätte und das hat mir nahezu jeder angestrichen. Egal ist es also auf keinen Fall - der Leser macht sich ein Bild im Kopf und sobald er sich daran gewöhnt hat, mag er es nicht mehr umwerfen - denken wir mal an Romanverfilmungen. Da mögen es viele Leser ja auch nicht, wenn ein Schauspieler eben so gar nicht ihrer Vorstellung der Figur entspricht. Und Leser machen sich auf jeden Fall anhand von Kleinigkeiten und Dingen, die sie als "spezifisch männlich" oder "spezifisch weiblich" empfinden ihr Bild über das Geschlecht. Man kann somit absichtlich Signale in die eine oder andere Richtung streuen, aber es wird einem auch unabsichtlich passieren, bzw. wird ein Leser auch manchmal etwas als Signal werten, was man selbst gar nicht so empfunden hat - je länger man also wartet, das Geschlecht klar zu stellen, desto größer die Gefahr, dass ein Leser sich schon das feste "falsche" Bild gemacht hat.


Besonders schön ist diese Eigenart der Ich-Perspektive allerdings, wenn man damit spielt. Nicht in jedem Buch praktikabel, aber es ist manchmal interessant, das Geschlecht eben nicht zu verdeutlichen und das ganze Buch hindurch nebulös zu lassen - und dann 1. mal nachzusehen, wann der Leser sich beschwert/merkt, das er gar nicht weiß ob hier Mann oder Frau spricht oder 2. sich anzusehen, wer deutet, was es ist.
Auch nett ist, ganz bewusst Signale in die männlich/weiblich Richtung zu streuen und dann ist der Perspektivträger genau das andere - eben zum Aufbrechen solcher Klischees und Vorstellungen ganz gut geeignet.
Im Übrigen kommt es vor, dass manche Leser gar nicht merken, dass ihnen verschwiegen wird ob es hier Männlein oder Weiblein ist - was aber nicht heißt, dass es egal ist. Sie schreiben ebenfalls natürlich automatisch ein Geschlecht zu und sie tun das so intuitiv, das sie an ihrer Zuschreibung gar nicht zweifeln und eben nicht darauf aufmerksam werden, dass es keine Absicherung ihres Eindrucks gibt. Egal ist es dennoch nicht, wenn man diesen Lesern hinterher sagt es sei anders, als sie gedacht haben, sind sie meist sehr baff und geben an, die ganze Geschichte nochmal neu lesen zu müssen unter diesem Aspekt. Es macht einfach oftmals einen signifikanten Unterschied, ob man eine Handlung einem Mann oder einer Frau zuschreibt: Beim Beispiel mit der Beerdigung oben könnte jemand Tränen eines Mannes als einen stärkeren Gefühlsausbruch werten, also indirekt eine stärkere Beziehung zum Verstorbenen unterstellen, als bei einer Frau, weil viele eben denken, das Frauen schneller weinen. Das tatsächlich an Gräbern nahezu jeder weint ist eine Tatsache, die bei diesen Zuschreibungen meistens gar keine Rolle spielt.


Nebeldiener

@Valaé
Das ist genau das, worauf ich unbewusst hinaus wollte  :jau:

Ich hatte auch schon mal in der Schule dieses "Problem". Ich hatte mir unter dem Ich eine männliche Figur vorgestellt. Viele der Mitschüler eine weibliche. Was dabei herauskam, war, dass meine Welt zerbrach.

@Zitkalasa
(Ich sollte vielleicht erwähnen, dass diese zwei Beispiele für diesen Tread erfunden wurden. Weiss nicht, ob das wichtig ist.)
Bei vielen ist es aber so, dass sie sich unbewusst für ein Geschlecht entscheiden, wenn es nicht expliziet genannt wird. Mich interressiert es, wie und ob man den Leser zu einem Geschlecht hinsteuern kann, ohne ihn mit einem "er" oder "sie" darauf festzunageln (kann auch gut sein, dass ich es einfach zu fest hinterfrage).

@all
Wenn man es nicht anders definieren kann, als mit "er", "sie", Beschreibung von Aussehen, etc. ist es eigentlich ja unmöglich für einen Mann eine Frau falsch darzustellen und somit auch für eine Frau einen Mann falsch darzustellen (ich habe da etwas ganz, ganz weit hinten in meinen Gehirn mit irgendeiner Problematik, wenn Mann aus der Perspektive einer Frau schreibt und wenn Frau aus der Perspektive eines Mannes schreibt, also als Prota)?


heroine

Hallo Nebeldiener,

ich denke es reicht tatsächlich vollkommen aus ein er oder ein sie zu nutzen, damit der Leser das Geschlecht vor Augen hat. Allerdings wird das Ganze total über den Haufen geworfen, wenn die Person auf einmal etwas komplett geschlechtsuntypisches oder -unmögliches macht. Er begann seinen Sohn zu stillen.

Allgemein finde ich Gegenbeispiele oft recht hilfreich, wann funktioniert es nicht? Das ist meiner Meinung nach der Fall, wenn der Autor zu viele Vorurteile hegt und die gängigsten Geschlechterklischees zu stark bedient. Das macht für mich Charaktere grundsätzlich unrealistisch. Es gibt viel mehr Variation innerhalb eines Geschlechts als zwischen den Geschlechtern. Zum Beispiel gibt es sehr feminine Männer und es gibt die klassischen Übermänner, eine Autorin, bei der alle Männer gleich sind, macht für mich etwas falsch. Aber eben wegen dieser vielen Möglichkeiten, finde ich reicht es "er" oder "sie" zu schreiben. Natürlich kann es dann passieren, dass ein Mann beim Schreiben zu burschikosen oder maskulinen Frauen tendiert, aber diese Sorte Frau gibt es genauso wie den Mann, der vielleicht öfter Mal eine Träne vergießt. Daher denke ich, es gibt dabei kein richtig oder falsch, nur die Möglichkeit zu spielen und zu experimentieren, sich in das andere Geschlecht hinein zu versetzen und mit Erwartungen zu jonglieren.
Dann sind im besonderen Maß auch die Charakterentwicklung und das Umfeld interessant. Kann die Person bleiben wie sie ist oder muss sie sich anpassen? Eine Frau in einer reinen Männergesellschaft verändert sich anders, wenn sie dort aktiv wird als ein Mann in einer gleichberechtigten Gesellschaft. Ebenfalls hat eine Frau in einer Frauengesellschaft ein anderes Profil. Man kann sich dabei überlegen, was macht in den jeweiligen Gesellschaften die Stärke des Geschlechts aus? Es ist genauso denkbar eine Gesellschaft zu haben in der Frauen nie weinen und Männer nur ausweichende Antworten geben. Und wie so oft finde ich selbst in dem Fall nicht das Allgemeine besonders erzählenswert sondern das Besondere, die Ausnahmepersönlichkeit.

Valaé hat ja bereits sehr viel zu Ich-Perspektive geschrieben. Ich glaube bei dieser Form der Perspektive kann man es genauso handhaben, wie auch zuvor mit er/sie. Man sucht sich das Geschlecht aus, entwickelt den Charakter und legt los. Es wird ebenfalls schwierig es 'falsch' zu machen. Allerdings glaube ich an der Ich-Perspektive sieht man doch ein klein bisschen deutlicher, wie gut sich ein Autor in eine andere Person hineinversetzen kann (1) und das unabhängig vom Geschlecht. Wenn alle Geschichten aus der Ich-Perspektive vom gleichen Protagonisten sein könnten, finde ich das nicht gut, dann ist es mir aber auch egal ob das Geschlecht hin und her wechselt.

Dass gar nicht feststeht was für ein Geschlecht ein Charakter hat, geht auch mit er oder sie Erzählung. Dabei wird es jedoch schneller deutlich, dass der Autor es bewusst vermeiden will, wenn er nur den Namen verwendet oder Personenumschreibungen. Das mag ich übrigens auch recht gerne, einfach weil es für manche Geschichten keine Rolle spielt ob es nun eine Frau oder ein Mann ist, weil es für beide Geschlechter gleichermaßen ablaufen könnte und relevant ist. Dazu hätte ich aber ein kleine Frage: Kann es sein, dass Leser bei der Ich-Perspektive oft erst von ihrem eigenen Geschlecht ausgehen?

(1) Ich weiß, darüber kann man sich streiten und es gehört nicht ganz hier her. Es ist einfach mein persönliches Empfinden, dass wenn man über sie oder ihn schreibt, ein größerer Teil dessen was im Charakter vor sich geht ein Geheimnis des Charakters bleibt. In der Ich-Perspektive liegt aber alles auf dem Tisch. Außerdem sagt es nichts darüber wie sehr sich ein Autor wirklich in seine Charaktere hinein versetzen kann, nur dass man es ein wenig besser sieht, wenn es klappt oder wenn es nicht klappt.

Siara

Zitat von: heroine am 28. Dezember 2014, 09:07:30
Es gibt viel mehr Variation innerhalb eines Geschlechts als zwischen den Geschlechtern.
Guter Punkt, dem stimme ich vollkommen zu. Darin sehe ich für das Schreiben außerdem vor allem das Problem. Andeuten und in eine Richtung lenken kann man vieles, aber eindeutig festzulegen ist es meiner Meinung nach nur, wenn es ausdrücklich gesagt wird. Oder wenn es wirklich an geschlechtsspezifische Fähigkeiten wie das Stillen eines Kindes geht. Wobei viele von uns ja Fantasy schreiben, was selbst diese Regel umwerfen könnte. Theoretisch. ;D

Ansonsten gibt es dazu noch diesen Thread: Na, was bin ich? - Woran erkennt man das Geschlecht des Ich-Erzählers?
I'm going to stand outside. So if anyone asks, I'm outstanding.

Guddy

#6
Zwischen Individuen gleichen Geschlechts können viel mehr Unterschiede herrschen als zwischen Mann und Frau.

Ich schreibe meistens aus der Sicht eines Mannes und schreibe anders, als wenn ich aus meiner eigenen Perspektive heraus eine Geschichte erzählen würde. Auch zwischen Prota und Prota ändere ich meine Schreibweise (nicht bewusst, sie haben einfach eine andere Erzählstimme), manchmal nur im Detail, manchmal im Großen. Dabei gehe ich nach dem Charakter, nicht nach dem Geschlecht, letzteres fließt allerdings natürlich wiederum in den Charakter ein (zB auch je nach Kultur stärker oder schwächer).

Gleiches erwarte ich eigentlich auch von einem Autor. Ich mag es nicht, wenn die Charaktere durch die Bank weg aus ernst gemeinten Genderklischees bestehen und die Perspektive sofort blümchengeschwängert wird, sobald aus weiblicher Perspektive geschrieben wird. (oder eben vor Klischeetestosteron strotzend, sobald ein Mann die Story erzählt).

Wenn man vom (gut gemachten) Charakter des Protas ausgeht, kann man mEn. nicht allzu viel falsch machen, was die Geschlechterrollen angeht. Dann denkt der Leser bei einer Ich-Erzählerin eben seitenweise, dass es sich um einen Mann handelt. Er wird schon noch lernen, dass nicht jede Frau bis zum Erbrechen "weiblich" sein muss.

Der Psychologie nach sind bestimmte Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen natürlich eher männlich oder eher weiblich. Aber das bedeutet nicht, dass man die nun en masse in den jeweiligen Text streuen muss. Ich würde einfach darauf achten, die Protagonisten vielschichtig zu gestalten. Ein allzu in den erwarteten Geschlechter-Gegensatz rutschender Char kann natürlich unfreiwillig?) komödiantisch erscheinen, das muss man dann abwägen ;)

Edit: Ach so: Ich finde nicht, dass Mann und Frau identisch sind, allein schon die hormonellen Unterschiede erzählen eine andere Geschichte. Gerade körperlich (bzw. den physisch-psychischen Reaktionen) kann man in feinen Dosen sehr gut die Unterschiede herauskristallisieren, finde ich. Aber ich würde Abstand davon nehemen, zu stark in Geschlechtern zu denken, da es der Komplexität eines Charakters nicht gerecht werden würde.

Edit: ich saß btw. Stunden an dem Beitrag, weil ich zwischendurch geschlafen hatte. Daher überschneidet er sich vermutlich mit anderen. Komplett löschen wollte ich ihn allerdings dann auch nicht.

Churke

Zitat von: Nebeldiener am 28. Dezember 2014, 04:33:53
Reicht also ein "er" oder "sie" aus, damit der Leser einen Mann oder eine Frau vor Augen hat (sofern man nicht das Aussehen beschreibt), oder steckt da mehr dahinter?

Mit dem Suchen und Ersetzen von Personalpronomen ist es nicht getan. Männer und Frauen ticken unterschiedlich. In einem idealen Text drückt sich in jedem Satz das Geschlecht der Hauptfigur aus: Gedanken, Motive, Satzbau, Wortschatz.
Wie man das macht? Na ja, wenn man eine Figur darstellen will, muss man sie verstehen. Das ist bei Männern und Frauen nicht anders...  ;)

HauntingWitch

Im Grossen Ganzen stimme ich Heroine zu. Ich schreibe aus beiden Perspektiven oft und ich habe mir nie besonders viele Gedanken darüber gemacht, ob jetzt eine Frau etwas typisch Männliches macht oder ein Mann sehr feminin wirkt. Ich schreibe Menschen, nicht Geschlechter. Die Gedanken und Gefühle sind bei allen dieselben, typisch menschliche nämlich.

Es gibt Gewisse geschlechterspezifische Unterschiede im Verhalten nach aussen, das stimmt. Ein Klischeebeispiel, um es einfach zu machen: Frauen sammeln Schuhe, Männer lieben Autos. Darf eine Frau deswegen keine Auto-Liebhaberin sein und ein Mann keine Schuhsammlung besitzen? Etwas vermeintlich Untypisches macht interessant und lebensecht. Wie Heroine schon sagte, Charaktere, die vollständig ihren Gender-Klischees entsprechen, wirken künstlich. 

Ich als Leserin finde es immer wichtig, dass das Geschlecht von Anfang an klar ist. Ja, ich finde, ein er oder sie reicht dafür völlig aus. Viele Dinge fallen einem nämlich gar nicht als typisch männlich oder typisch weiblich auf, solange man nicht mit der Nase darauf gestossen wird. Bei der Ich-Perspektive sollte ich mir ein Bild des Charakters machen können, über Aussehen, Alter, Lebensumstände, am besten auch gleich Name. Dazu gehört natürlich auch die Klärung des Geschlechts.

Mondfräulein

Zitat von: Guddy am 28. Dezember 2014, 11:41:07
Der Psychologie nach sind bestimmte Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen natürlich eher männlich oder eher weiblich.

Nur kurz dazu: Eigentlich nicht. Ja, es gibt im Bezug auf bestimmte Charaktereigenschaften schon einen statistischen Unterschied zwischen Männern und Frauen. Zum einen wird dieser aber überschätzt und die Überlappungen unterschätzt. Zum anderen heißt das nur, dass Männer im Durchschnitt vielleicht ein wenig aggressiver sind als Frauen, aber auf Individuen kann man das nicht runterbrechen, weil es immer noch viele Frauen gibt, die überdurchschnittlich aggressiv sind und viele Männer, die es gar nicht sind. Selbst, wenn man von einer Normalverteilung ausgeht, gibt es ja immer noch genug Individuen, die vom Durchschnitt abweichen. Außerdem ist nicht vollständig klar, woher dieser Unterschied kommt, ob das nicht auch teilweise stark daran liegen kann, dass es in der Gesellschaft bestimmte Stereotype gibt, denen man sich anpasst, inwieweit das genetisch vorhergegeben ist. Bestimmte Eigenschaften sind sowieso nicht Männern oder Frauen zugeschrieben, im Durchschnitt unterscheiden sich die Geschlechter wenn dann lediglich darin, wie sehr diese Eigenschaft ausgeprägt ist. Aber, wie gesagt, auch weniger, als man eigentlich denkt. Und nur im Durchschnitt.

Guddy

#10
Aber nichts anderes habe ich doch auch gesagt :) (oder gemeint. Vielleicht war ich auch krass undeutlich. Ich neige generell zu kurzen Formulierungen. Habe ich etwas schon im Halbsatz (oder auch nur in einem Wort wie "eher" *g*) erwähnt, schlachte ich das nicht noch seitenweise aus, sodass das dann untergeht, sorry. Dabei hatte ich mich hier im Forum echt länger fassen wollen. Wird mein Vorsatz für 2015  ;D)

Nebeldiener

@Siara
Danke für den Link. Ich habe gedacht, dass es schon einen Thread dafür gibt, konnte aber keinen finden.

FeeamPC

Speziell für Fantasy ist da wohl das Setting entscheidend. Die meisten Fantasy-Welten sind mittelalterlich angehaucht, und da ist die Rollenverteilung so streng, dass bereits  mit den ersten Sätzen klar sein dürfte, ob der Prota männlich oder weiblich ist.

Coppelia

Kann ja sein, dass ich da zu unmainstreamig drauf bin, aber das sehe ich ein bisschen anders. In vielen Fantasyromanen sind die Geschlechter trotz mittelalterlichen Settings inzwischen "gleichberechtigt", sodass ich mir beispielsweise unter einem Ich-Erzähler, der seine Waffe für den Gefechtseinsatz vorbereitet, auch ebensogut eine Frau vorstellen könnte. :)

FeeamPC

Sorry, aber mein Posting war nicht auf Gleichberechtigung oder nicht aus.
In mittelalterlichen Welten sind (wie zum Beispiel im Zunftwesen) Verhaltensweisen und Kleidung in der Regel eher starr vorgegeben. Ich bin sicher, in einer mittelalterlichen Welt konnte ein Stadtbewohner auf Anhieb erkennen, ob er einen Mann oder eine Frau vor sich hatte, ob der- oder diejenige aus der Stadt kam oder von woanders her, und welchen wahrscheinlichen Beruf oder Stand er/sie hatte.
Unabhängig von der rechtlichen Stellung gab es mit Sicherheit keinen Unidress oder androgynen Look, wie heute üblich.
Natürlich gibt es mittlerweile Fantasy-Welten, die unsere modernen Verhaltensweisen übergestülpt bekommen, aber das betrachte ich dann gefühlt als Entfremdung des Settings.