• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Begriffe aus anderen Kulturen für Fantasy auslehnen

Begonnen von Ilva, 17. November 2014, 19:23:19

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Ilva

Hallo zusammen :)

Ich frage mich gerade, ob man Begriffe (Ortsbezeichnungen, Ränge etc.) aus anderen Kulturen entlehnen und in einem reinen Fantasy-Setting verwenden kann. Dass es in alternate History geht und nötig ist, ist für mich klar, aber Fantasy ohne Geschichtsbezug?

Als Beispiel: Eine magische Gemeinschaft in einem ägyptisch angehauchten Umfeld: Obwohl es nicht in Ägypten selbst spielt, könnte man ja das Oberhaupt Pharao nennen. Der Typ lässt sich dann auch in einer Pyramide begraben und man balsamiert ihn hübsch ein, damit er in ein paar Jahren als gruselige Mumie auferstehen kann.

Ich habe mir überlegt, dass man so mit wenigen Worten die gewünschte Atmosphäre schaffen kann. Der Leser hat ja dazu gewisse Assoziationen, die man ausnutzen kann.
Aber das Wort wird ja leicht zweckentfremdet und aus dem Kontext gerissen.

Da ich hin- und hergerissen bin, ob man das "darf", würde ich gerne euch alle fragen.

Kennt ihr Beispiele und was ist eure Meinung dazu?

Vielen Dank für eure Beiträge und Gedanken. :)

Veldrys

#1
Ob man es darf, ist keine Frage, denke ich. Natürlich darf man es.

Aber ich finde es keine gute Idee, Begriffe wie "Pharao" in einer Fantasywelt zu verwenden, auch, wenn sie ägyptisch angehaucht ist. "Pharao" ist etwas, das ich speziell mit der Erde verbinde sowie mit einem bestimmten Land und einer bestimmten Zeit in der Geschichte dieses Landes.

Wenn ich einen solchen Begriff in einem Fantasyroman, der nichts mit der Erde zu tun hat, läse, würde ich mich wahrscheinlich fragen: "Ist dem Autor oder der Autorin nichts Besseres eingefallen? Oder kommt da noch etwas? Soll das vielleicht ein Hinweis darauf sein, dass die Leute in diesem Roman doch irgendeine Verbindung zu unserer Welt haben?"

Ich habe selbst ein etwas ägyptisch angehauchtes Land auf meiner Fantasywelt, habe mich jedoch, um solche Gedanken seitens meiner potentiellen Leser zu vermeiden, entschlossen, eigene Namen für die Dinge zu verwenden.

Aber letztendlich ist das deine Entscheidung.

Pandorah

Ich finde das vollkommen in Ordnung und gut geeignet, wenn sich die Fantasywelt am historischen Ägypten orientiert, auch schon existente Wörter zu verwenden. Wenn sich eine Fantasywelt am hiesigen Mittelalter orientiert, benutzt man schließlich auch Wörter wie Königin und Ritter und nicht irgendwas wild Erfundenes wie "Die Alionama schickte ihre Uffnanuten aus." ;p Zumindest, wenn die "Alionama" wirklich an eine Königin angelehnt ist und nicht etwas vollkommen eigenes, genauso wie die Uffnanuten/Ritter.

Nur konkrete Sachen würde ich nicht verwenden - also wenn dein Pharao Cheops heißt, das fände ich als Leserin irritierend. Oder wenn deine Hauptstadt zuuufällig Kairo heißt und dein Hauptfluss Nil.

Ryadne

Klar "darf" man das und ich persönlich mag es auch. Vorausgesetzt, ich habe das Gefühl, dass die Begrifflichkeit bewusst genutzt wird und man markt, dass sich der Autor mit ihr auseinandergesetzt hat. Ich erwarte dann natürlich keine Deckungsgleichheit - ebenso wenig, wie ich von "Mittelalter-Fantasy" erwarte, dass sie die mittelalterliche Gesellschaft als direktes Vorbild nimmt -, aber eine gewisse Stimmigkeit mit der Kultur, aus der der Begriff entwendet wurde, sollte doch bestehen bleiben.

Ein zwiespältiges Verhältnis habe ich zu Begriffen wie "Druide" oder "Schamane", die sich in der Fantasy inzwischen etabliert haben, ohne dass sich noch groß Gedanken darüber gemacht würde, was es Genre-extern mit ihnen auf sich hat. Einerseits denke ich mir da - nun, warum nicht? Bedeutungen entwickeln sich eben, Begriffe emanzipieren sich über ihren "Ursprung" hinaus. Andererseits hat gerade der "Schamanen"-Begriff insbesondere in der High Fantasy oft einen diffamierenden Beiklang, dem sich in meinen Augen viel zu selbstverständlich angenommen wird. Die Gefahr, hier in Klischees zu verfallen, ist leider groß, und das sollte man sich bei der Verwendung von sehr spezifischen Begriffen vor Augen halten.

Wenn ich mich richtig erinnere, wurde in "Das Licht hinter den Wolken" sehr schön mit solchen kultur-spezifischen Titeln gearbeitet und dadurch eine differenzierte Atmosphäre geschaffen. Leider habe ich das Buch gerade nicht hier, deshalb kann ich nicht nachsehen, wie das im Detail gemacht ist.

Feather

Ob man es "darf" oder nicht kann ich nicht beantworten. Jedoch Dennoch würde ich denken, es ist erlaubt, da es viele machen und bestimmt keinen auf den Deckel bekommen haben.

Wenn ich in einer Geschichte den Begriff Pharao oder Skarabäus lesen würde, dann hätte ich direkt alte Mumien, Götter, Käfer und Pyramiden vor Augen. Egal ob es auf der Erde spielt oder nicht.

Vorsichtig würde ich jedoch (<-- habe soeben mein anscheinend neues Lieblingswort entdeckt, mhm  :happs:) allerdings werden, wenn das Setting auf einem rein grün Land spielt, mit Wasser und Tieren im Überfluss. So etwas würde mir sauer aufstoßen, da ich die ganze Zeit den Sand, die Hitze und die Dürre hinter jeder Ecke erwarten würde. Es würde nicht passen, eben weil man mit solchen Begriffen etwas bestimmtes verbindet.

Genauso könnte ich es mir nicht vorstellen, es anders herum lesen zu wollen. Ein Ork könnte für mich nie ein kleiner zarter Knabe sein, der einen Bogen schwingt.

Dämmerungshexe

Ich schließe mich meinen Vorredner an, dass es ein durchaus legitimes Mittel ist um schnell und sicher das richtige Bild zu vermitteln - wenn die Leser "Pharao" lesen, wissen sie was los ist, ohne dass du ellenlang beschreiben musst.
Wenn du hingegen eine andere Vorstellung vermitteln möchtest als das gängige Bild, dann wäre es natürlich sinnvoll einen anderen Begriff zu finden. (Aber da das ja offensichtlich nicht der Fall ist, ist "Pharao" vollkommen in Ordnung.)

Ich bin im Moment auch ein wenig am Straucheln ob ich für ein Projekt das zwar in einer Fantasy-Welt spielt, aber stark an den Mittelmeerraum des Spätmittelalters angelehnt sein soll, neue Begriffe für Titel usw. suchen soll, die einfach den richtigen Klang haben, oder ob ich tatsächlich die "echten" Titel übernehme - wobei dann immer die Frage ist, ob die all das umfassen und so beschreiben wie ich mir das vorstelle.
Ist natürlich auch eine Frage wiviel Recherche man betreiben will - normalerweise nicht so mein Fall, aber im Moment finde ich es sher spannend mich da einzuarbeiten und dadurch auch neue Ideen zu bekommen.

Ich hatte mir auch schon überlegt solche realen Titel zu nehmen und leicht zu verändern, so dass der Leser weiß, dass etwas anders ist und ich das dann ausführen kann. Am Beispiel "der Pharao" vielleicht: "der Faron" (etwas holptig, zugegeben, aber ist ja nur ein Beispiel.)
Was würdet ihr davon halten?
,,So basically the rule for writing a fantasy novel is: if it would look totally sweet airbrushed on the side of a van, it'll make a good fantasy novel." Questionable Content - J. Jacques

Ilva

Zitat von: Veldrys am 17. November 2014, 20:06:44
Wenn ich einen solchen Begriff in einem Fantasyroman, der nichts mit der Erde zu tun hat, läse, würde ich mich wahrscheinlich fragen: "Ist dem Autor oder der Autorin nichts Besseres eingefallen? Oder kommt da noch etwas? Soll das vielleicht ein Hinweis darauf sein, dass die Leute in diesem Roman doch irgendeine Verbindung zu unserer Welt haben?"
Das ist ein guter Punkt, auf den ich selbst nicht gekommen wäre, danke. Mir ist das noch nie passiert.
Ich bin mir nicht sicher, wie man das umgehen könnte. Vielleicht ist das aber weniger ein Problem, wenn das Setting bzw. die Geschichte keine Reisen durch Raum und Zeit zulässt, also wenn die Verbindung gar nicht erst möglich ist, d.h. keine Portale o. Ä.
Zudem glaube ich auch, dass man diese Überlegungen mit einer deutlich eigenständigen Welt, die sich von unserer stark unterscheidet, gar nicht erst unbedingt aufkommen lässt. Aber da ist vermutlich die Wahrnehmung jedes einzelnen individuell.

Zitat von: Pandorah am 17. November 2014, 20:17:04
Ich finde das vollkommen in Ordnung und gut geeignet, wenn sich die Fantasywelt am historischen Ägypten orientiert, auch schon existente Wörter zu verwenden. Wenn sich eine Fantasywelt am hiesigen Mittelalter orientiert, benutzt man schließlich auch Wörter wie Königin und Ritter und nicht irgendwas wild Erfundenes wie "Die Alionama schickte ihre Uffnanuten aus." ;p Zumindest, wenn die "Alionama" wirklich an eine Königin angelehnt ist und nicht etwas vollkommen eigenes, genauso wie die Uffnanuten/Ritter.

Nur konkrete Sachen würde ich nicht verwenden - also wenn dein Pharao Cheops heißt, das fände ich als Leserin irritierend. Oder wenn deine Hauptstadt zuuufällig Kairo heißt und dein Hauptfluss Nil.

Danke auch für diese Punkte. Stimmt, das europäische Mittelalter als Vorbild ist breit akzeptiert und wird gerne verwendet. Und die Königin würde auch jeder Königin nennen.
Also inspirieren lassen - ja, aber abkupfern - nein. Ich denke, das ist eine gute Richtlinie. :)

Zitat von: Ryadne am 17. November 2014, 20:30:29
Ein zwiespältiges Verhältnis habe ich zu Begriffen wie "Druide" oder "Schamane", die sich in der Fantasy inzwischen etabliert haben, ohne dass sich noch groß Gedanken darüber gemacht würde, was es Genre-extern mit ihnen auf sich hat. Einerseits denke ich mir da - nun, warum nicht? Bedeutungen entwickeln sich eben, Begriffe emanzipieren sich über ihren "Ursprung" hinaus. Andererseits hat gerade der "Schamanen"-Begriff insbesondere in der High Fantasy oft einen diffamierenden Beiklang, dem sich in meinen Augen viel zu selbstverständlich angenommen wird. Die Gefahr, hier in Klischees zu verfallen, ist leider groß, und das sollte man sich bei der Verwendung von sehr spezifischen Begriffen vor Augen halten.

Wenn ich mich richtig erinnere, wurde in "Das Licht hinter den Wolken" sehr schön mit solchen kultur-spezifischen Titeln gearbeitet und dadurch eine differenzierte Atmosphäre geschaffen. Leider habe ich das Buch gerade nicht hier, deshalb kann ich nicht nachsehen, wie das im Detail gemacht ist.

Damit bin ich einverstanden. Man sollte sich schon im Klaren sein, woher der Begriff stammt und in welchem Zusammenhang man ihn verwendet.
Und danke für dein Beispiel, das werde ich mir mal anschauen. Der Titel klingt auch toll :)

Zitat von: Feather am 17. November 2014, 22:10:55
Wenn ich in einer Geschichte den Begriff Pharao oder Skarabäus lesen würde, dann hätte ich direkt alte Mumien, Götter, Käfer und Pyramiden vor Augen. Egal ob es auf der Erde spielt oder nicht.

Vorsichtig würde ich jedoch (<-- habe soeben mein anscheinend neues Lieblingswort entdeckt, mhm  :happs:) allerdings werden, wenn das Setting auf einem rein grün Land spielt, mit Wasser und Tieren im Überfluss. So etwas würde mir sauer aufstoßen, da ich die ganze Zeit den Sand, die Hitze und die Dürre hinter jeder Ecke erwarten würde. Es würde nicht passen, eben weil man mit solchen Begriffen etwas bestimmtes verbindet.
Das kann ich so unterschreiben. Gerade weil man mit den Begriffen bestimmte Assoziationen weckt, sollte man darauf achten, dass die auch stimmig sind.

Zitat von: Dämmerungshexe am 18. November 2014, 09:32:38
Ich bin im Moment auch ein wenig am Straucheln ob ich für ein Projekt das zwar in einer Fantasy-Welt spielt, aber stark an den Mittelmeerraum des Spätmittelalters angelehnt sein soll, neue Begriffe für Titel usw. suchen soll, die einfach den richtigen Klang haben, oder ob ich tatsächlich die "echten" Titel übernehme - wobei dann immer die Frage ist, ob die all das umfassen und so beschreiben wie ich mir das vorstelle.
Ist natürlich auch eine Frage wiviel Recherche man betreiben will - normalerweise nicht so mein Fall, aber im Moment finde ich es sher spannend mich da einzuarbeiten und dadurch auch neue Ideen zu bekommen.

Ich hatte mir auch schon überlegt solche realen Titel zu nehmen und leicht zu verändern, so dass der Leser weiß, dass etwas anders ist und ich das dann ausführen kann. Am Beispiel "der Pharao" vielleicht: "der Faron" (etwas holptig, zugegeben, aber ist ja nur ein Beispiel.)
Was würdet ihr davon halten?
Ich glaube, eine gewisse Ähnlichkeit zwischen der tatsächlichen Funktion des Titels und des Titels in deiner Geschichte sollte schon sein, vor allem, wenn es sich um allgemein bekannte Begriffe handelt. Um nochmals auf den Pharao zurückzukommen: Das wäre keine geeignete Bezeichnung für jemanden aus der Unterschicht. Wenn die Nuancen zwischen den historischen Titeln aber nicht gerade Allgemeinwissen sind, darf man sich meiner Meinung nach ruhig halbwegs passende aussuchen, die nicht in allen Eigenschaften mit den Rängen in deiner Geschichte übereinstimmen. Aber ein Historiker sieht das vermutlich anders.  ;D

Hmm, wenn ich Pharao und Faron nicht neben einander gesehen hätte, hätte ich den Zusammenhang nicht gesehen. Ich glaube, die Abwandlung von Begriffen ist sicher ein gutes Mittel, wenn man seine eigene Welt kreiert, aber man verliert so halt die "Kraft" der Assoziation.

Windstoß

#7
Ich mag solche übernommenen Begriffe in einem Fantasyroman ja gar nicht. Gerade dies hier:
Zitat von: Ilva am 17. November 2014, 19:23:19
Ich habe mir überlegt, dass man so mit wenigen Worten die gewünschte Atmosphäre schaffen kann. Der Leser hat ja dazu gewisse Assoziationen, die man ausnutzen kann.
funktioniert bei mir nicht.

Der Begriff Pharao in einem historischen Roman, der im alten Ägypten spielt, ist selbstverständlich völlig ok. Für mich ebenfalls, wenn es ein historischer Roman mit Fantasy-Elementen ist oder auch im SF-Bereich, beispielsweise im Film Stargate - da taucht zwar kein Pharao auf, würde für mich aber ins Setting passen, weil es direkt an die altägyptische Kultur anschließt, auch wenn es auf einem anderen Planeten spielt.

In einer eigenständigen Fantasywelt hingegen stören mich solche Begriffe immer, weil sie bei mir eben ganz bestimmte Assoziationen und Zusammenhänge wecken, die dann aber nicht gegeben sind, weil es ja ansonnsten ein eigenes Fantasysetting ist.

Um eine gewünschte Atmosphäre zu bekommen hat man als Autor doch noch jede Menge anderer Mittel. Mit der Beschreibung der Umwelt, der Kleidung der Personen, dem Klang der Namen, magischen/religiösen/zeremoniellen/gesellschaftlichen Handlungen kann man den Leser doch sofort in die Welt einführen und passende Bilder zum Setting schaffen ohne Assoziationen zu erzeugen, die vielleicht gar nicht passen, weil eben doch nicht alles genau so wie im alten Ägypten ist.

Judith

Ich finde es ja gewissermaßen unfair, dass man es bei Fantasy immer dann schwer hat, wenn man sich nicht am Mittelalter orientiert. Titel und Begriffe aus dem Mittelalter stellt nie jemand in Frage (auch nicht, wenn die Welt nicht komplett europäisches Mittelalter ist), sobald man sich aber an einer anderen Kultur/Epoche orientiert, sollte man für alles etwas eigenes erfinden.
Das sehe ich etwas anders: Wenn die Fantasykultur bewusst an die altägyptische angelehnt ist, finde ich einen Begriff wie Pharao oder Pyramide in Ordnung. Es vermittelt einfach gleich eine andere Assoziation als etwa König oder Kaiser und wenn diese andere Assoziation gewollt ist, finde ich es unnötig, erst wieder einen eigenen Begriff dafür zu erfinden. Trotzdem würde ich solche Begriff sehr sparsam dosiert einsetzen.
(Überhaupt: Kaiser - den dürfte man etymologisch betrachtet ja erst recht nicht verwenden und trotzdem kommt der häufig in Fantasy vor und niemand stört sich daran ...)

Ilva

Zitat von: Windstoß am 23. November 2014, 12:48:49
Um eine gewünschte Atmosphäre zu bekommen hat man als Autor doch noch jede Menge anderer Mittel. Mit der Beschreibung der Umwelt, der Kleidung der Personen, dem Klang der Namen, magischen/religiösen/zeremoniellen/gesellschaftlichen Handlungen kann man den Leser doch sofort in die Welt einführen und passende Bilder zum Setting schaffen ohne Assoziationen zu erzeugen, die vielleicht gar nicht passen, weil eben doch nicht alles genau so wie im alten Ägypten ist.
Spannend, was sich alles durch den Austausch mit andern ergibt. :)

Ich stimme dir zu, dass es noch viele andere Mittel gibt und man nicht alleine mit bekannten Begriffen hantieren sollte.

Aber gerade die Beschreibung von Kleidern und Umwelt ist meiner Meinung nach schwierig umzusetzen, weil man auch hier oft auf bekannten Begriffen aufbauen muss (z.B. Hemd oder Säule) und auch die wecken häufig in irgendeiner Art Assoziationen.
Wenn es einem aber gelingt, die alle zu umschiffen, hat man doch meist eine eher lange Auflistung von Details oder man streut die Information so verteilt, dass ich mir als Leser schon längst ein eigenes Bild gemacht habe, bis ich sämtliche Beschreibungen gesehen habe.

Für mich ist das also schon eine "Hohe Kunst" und ich finde es toll, wenn das jemand so hinkriegt, dass es dennoch spannend zu lesen ist. :)

Ich selbst mag Beschreibungen von Orten oder Kleidungsstücken oft auch gar nicht lesen, da langweile ich mich meist zu schnell. Deshalb erscheinen mir "Lehnwörter" manchmal als geeignetes Hilfsmittel, da sie in einem Begriff gleich so viel Atmosphäre transportieren.

Aber natürlich ist das nur ein weiteres Werkzeug und nicht das Wundermittel. :)

Zitat von: Judith am 23. November 2014, 17:26:19
Ich finde es ja gewissermaßen unfair, dass man es bei Fantasy immer dann schwer hat, wenn man sich nicht am Mittelalter orientiert. Titel und Begriffe aus dem Mittelalter stellt nie jemand in Frage (auch nicht, wenn die Welt nicht komplett europäisches Mittelalter ist), sobald man sich aber an einer anderen Kultur/Epoche orientiert, sollte man für alles etwas eigenes erfinden.
Ich vermute, dass das mit der Geschichte der Fantasy zusammenhängt, weil viele der "grossen Meisterwerke" in diesem Setting spielen und manche reihen sich ja auch in eine Tradition der Heldengeschichten ein, die aus Zeiten irgendwo um das Mittelalter herum stammen. Drachentöten-Zeugs und so. (Ich bin keine Historikerin / Germanistin, das ist also eine sträflich unqualifizierte Aussage ;) )
Das Mittelalter ist also "erprobt" und als "die" Welt für Fantasy akzeptiert.

absinthefreund

Zitat von: Pandorah am 17. November 2014, 20:17:04
Wenn sich eine Fantasywelt am hiesigen Mittelalter orientiert, benutzt man schließlich auch Wörter wie Königin und Ritter
Aber zumindest "Königin" - und "König" - sind doch ein kulturübergreifende Begriffe für bestimmte Stände. Der "Ritter" ist natürlich etwas speziell Eruopäisches, aber "dank" des westlichen Kolonialismus usw. ja auch weltweit bekannt. Was den Begriff "Pharao" angeht, so deutet er ganz klar auf eine bestimmte Kultur hin. Deshalb würde ich mir die gleichen Fragen stellen wie Veldrys, wenn er in einem Fantasyroman auftauchte.
Hier ist übrigens die Etymologie von "Pharao".

Ich würde mich an einem konkret so benannten Pharao in einem Fantasysetting stören. Wozu auch dieser Begriff? Die altägyptische Kultur ist so distinkt, dass sie kaum zu verwechseln ist und der Leser bei der Beschreibung deines Settings doch gewiss automatisch auf diese Assoziation kommt. Was ich schön fände, wäre, altägyptische Namen und Wörter etwas abzuändern, sodass sie noch ägyptisch klingen, aber eben ausgedacht sind. (Wobei unser "Pharao" ja aus dem Griechischen kommt ...)

Aber die Frage ist letztendlich, wie etabliert das in der Literatur ist. Wie Ryadne schon sagte, sind "Druide" und "Schamane" gängige Begriffe in der Fantasy, die aber tatsächlich ganz bestimmten Kulturen zugeordnet sind. Aber so wie mit den Anglizismen im Deutschen haben sich der Schamane und Druide irgendwann in der Fantasy etabliert und jetzt erscheinen sie ganz natürlich. Der Pharao allerdings hat sich noch nicht etabliert und das allein ist ein Grund, warum er problematisch ist. Wenn du natürlich DEN durchschlagenden Fantasyroman schreibst und das Genre "Pseudo-Altägyptische Fantasy" auf dem Markt einschlägt, bist du ein Trendsetter. ;D

Pandorah

Ich habe mal eben fünf Sekunden lang gegoogelt. Terry Pratchett hat einen Pharao auf der Scheibenwelt. Ist also eindeutig schon von einer Größe im Genre eingeführt, dass das geht. ;p

Maja

Ich mag euch nicht vorenthalten, warum ich bei dem Thread habe schmunzeln müssen. Alle Begriffe unserer Sprache stammen aus irdischen Kulturen. So funktioniert und entsteht Sprache. Für was wir im Deutschen bis heute kein eigenes Wort haben, nehmen wir Lehnwörter. Der Pharao gehört dazu. Es gibt kein deutsches Äquivalent. Ein Pharao ist ein Pharao. Ein Fenster ist ein Fenster, auch wenn das Wort aus dem Lateinischen stammt und eine kleine Entwicklung durchgemacht hat, ehe es im Deutschen angekommen ist. Heißt das, in unseren Büchern darf es Fenster geben, weil das Wort schon länger da war, aber keine Pharanonen? Oder besser beides nicht? ;) Ich würde für den Pharao, wenn es ein nicht-ganz-eng-an-Ägypten-angelehntes Setting ist, eher einen neutraleren Begriff wie Gottkaiser verwenden, einfach wegen der Assoziationen beim Leser.

Aber ich würde auch keine Druiden auftreten lassen und in einem Nicht-christlichen Setting auch keinen Pastor, selbst wenn der gute Mensch ein Seelsorger mit vergleichbarer Funktion ist. Es kommt mir da im Zweifelsfall auf den Wortursprung und die Bedeutung an. Ein Pastor ist wörtlich ein Hirte - das lässt sich zwar auf jede Fantasyreligion irgendwie zurechtbiegen, aber im Christentum ist das Motiv des Hirten und des Lamms so fest verwurzelt, dass ich es ihm nicht wegnehmen möchte. So ist auch Pharao ein sehr enges Wort - es bezeichnet, anders als König oder Kaiser, nicht irgendeinen Herrscher, sondern den von Ägypten. Das ist die Bedeutung des Wortes. Wenn es nicht Ägypten ist oder, wie in Pratchetts "Pyramids", eine direkte Parodie Ägyptens, ist es kein Pharao. Nicht jeder Angehöriger der Herrscherkaste ist ein Inka. Manche Begriffe sind einfach zu eng belegt, um sie verwenden zu können.

Andere Begriffe, auch wenn sie aus fremden Sprachen und/oder Kulturen stammen, sind generischer, weiter gefächert, und können bedenkenloser genutzt werden. Ein Problem habe ich in erster Linie mit Begriffen, die von Personennamen abgeleitet sind, denn diese Personen kann es nur in unserer Welt gegeben haben, nicht in der jeweiligen Fantasywelt. In einer topmoderenn Fantasywelt würde ich also zwar ein Auto fahren, aber es nicht mit Diesel oder Benzin betanken. Tankt stattdessen mit Petroleum. Das ist zwar, wie das Auto, sprachlich lateinischen Ursprungs, und in unserer Fantasywelt gab es wahrscheinlich eher keien Römer. Aber die Begriffe sind losgelöst genug, um sie zu verwenden. Wir schreiben die Bücher auf Deutsch undl lassen unsere Figuren Deutsch sprechen, auch wenn wir wissen, dass sie in Wirklichkeit Elfisch/Hubiländisch/Gnorkork sprechen. Sie werden in ihrer Sprache entsprechende Begriffe haben, für alles, das Fenster, den König, das Auto. Sie sind so nett und sprechen unsere Muttersprache mit uns.

Dabei sollten wir es belassen, außer für Dinge, die es bei uns einfach nicht gibt. In keiner Kultur. Da müssen wir kreativ ran. Für alles andere haben wir bereits Wörter, und das ist gut so. Ich habe mal einen furchtbaren Eiertanz veranstaltet, um ein dickes Buch lang das Wort "Zigarette" nicht zu verwenden, weil es doch ein Lehnwort ist aus einer fremden Kultur, die es in meiner Welt nicht gab (wie Fenster, aber Pssst!). Und wie habe ich das Ding am Ende genannt? Zigarette. Weil es das Wort schon gibt. Man muss das Rad nicht dauernd neu erfinden.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Judith

Zitat von: Maja am 03. Dezember 2014, 18:00:33
Andere Begriffe, auch wenn sie aus fremden Sprachen und/oder Kulturen stammen, sind generischer, weiter gefächert, und können bedenkenloser genutzt werden. Ein Problem habe ich in erster Linie mit Begriffen, die von Personennamen abgeleitet sind, denn diese Personen kann es nur in unserer Welt gegeben haben, nicht in der jeweiligen Fantasywelt.
Ja, das ist ein guter Punkt und dem stimme ich zu - aber dann landet man auch wieder beim Kaiser, der in Fantasywelten ja häufig vorkommt. Oder beim Pergament, das es ohne die Stadt Pergamon so auch nicht geben kann.
Ich verwende daher beide Bezeichnungen in meiner Fantasywelt nicht, aber ich denke, es sind gute Beispiele dafür, dass es gar nicht mal so einfach ist, solche Begriffe, die sich von Personen- oder Ortsnamen ableiten, gänzlich zu vermeiden.

Maja

Pergament ist genau so ein Beispiel. Ich habe mir für mein "Gefälschtes Siegel" den Kopf zerbrochen, was es für Alternativbegriffe geben könnte für dieses Material. Ich habe keinen gefunden, noch nicht mal in meinen Unterlagen aus dem Studium (wo im Rahmen der Buchgeschichte Pergament und Papier erwartungsgemäß eine große Rolle spielten). Hin und her abgewogen: Denke ich mir ein neues Wort aus, das ich den Lesern erst erklären muss, nur damit sie mich groß ansehen und fragen "Meinst du Pergament?" - oder direkt Pergament schreiben.

Habe mich dann für letztes entschieden, weil der Name der Stadt nur noch versteckt darin ist und das Wort eine Entwicklung durchgemacht hat, die nicht mehr zu offensichtlich ist. Aus dem gleichen Grund verwende ich das Wort "Kaiser" - es geht zwar zurück auf Cäsar, ist aber seither sprachlich mutiert. Da wäre die Alternative Imperator, was mir wiederum zu römisch klingt und vor allem zu sehr nach Star Wars. Aber das ist natürlich Geschmackssache.

Was nimmst du, Judith, wenn du irgendwo Pergament vorkommen lässt? Hast du einen Alternativbegriff?
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt