• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Wann darf man seine Protagonisten töten?

Begonnen von Moa-Bella, 22. März 2010, 17:11:21

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Moa-Bella

"Wann darf man seine Protagonisten töten?" im Sinne von "Wann daarf man seine Protagonisten töten, wenn man vermeiden will, dass ihr Tod willkürlich, unpassend oder unnötig erscheint und aus dem Buch Schund wird?". So ist es ein wenig präziser.

Nycra

Hm, an der Frage hänge ich auch gerade irgendwie - bin gespannt, ob es noch mehr Meinungen gibt.

Eine Faustformel à la "niemals mittendrin, weil..." oder "oh mein Gott, bloß nicht am Anfang, weil..." wäre klasse, auch wenn ich weiß, dass es die nicht gibt.

Mein erster Gedanke zu: "Wann darf man..." war: IMMER. Es muss halt nur passen.

Ich habe mich dabei ertappt, dass ich oft sehr sympathische Charaktere sterben lasse, wenn ich denke, es bringt die Story voran. Mir gefiel es, auch beim 2. Lesen, aber ob es der Leser genauso sieht, müssen mir später die Beta-Leser verraten. :hmmm:

Nichts desto trotz kann ein schöner Tod zur rechten Zeit die Spannung erhöhen und sogar noch mehr fesseln. Es muss halt alles irgendwie stimmig sein. Bei nur 2 Protas stelle ich mir das allerdings äußerst schwer vor, ohne die Geschichte schon selbst zu torpedieren.

Gruß

Nycra

Rika

Zitat von: Moa-Bella am 25. März 2010, 16:04:10
"Wann darf man seine Protagonisten töten?" im Sinne von "Wann daarf man seine Protagonisten töten, wenn man vermeiden will, dass ihr Tod willkürlich, unpassend oder unnötig erscheint und aus dem Buch Schund wird?". So ist es ein wenig präziser.
Mmmm, na, da ist es dann wichtig, daß der Tod entweder in die Situation passt, die Möglichkeit der Todes absehbar ist (z.B. ein Charakter, der erst krank ist, und dann der Krankheit erliegt), oder bei etwas plötzlicheren Toden, wie z.B. in einem Kampf oder durch einen Unfall, es, mmm... ein Gewicht hat. Also nicht einfach nur so "Charaktäre müssen kämpfen, zack ist einer tot, weiter im Text". Der Tod müßte dann schon die anderen Charas beeinflussen und/oder Auswirkungen auf die weitere Handlung haben.

Gar nicht so einfach, zu erklären, was ich mit meiner ersten Reaktion von "muß halt stimmig sein" eigentlich meine. Auf jeden Fall sollte es nicht leichtfällig sein, also ohne Konsequenzen, denn das ist ein Tod im realen Leben auch nicht.
Ich finde allerdings, es kann ganz positiv sein, wenn auch mal ein Tod vorkommt, da es den Effekt von "trotz allen höchsten Gefahren sterben Helden///Hauptfiguren nie, das geht ja nicht", den ich total daneben finde, vermeidet.

Jetzt bin ich etwas neugierig, was da bei dir zu Schwierigkeiten führt - bist du dir unsicher ob der Tod, den du da schreiben willst, für deine  Geschichte stimmig ist?

Moa-Bella

Zitat von: Rika am 25. März 2010, 16:34:33

Jetzt bin ich etwas neugierig, was da bei dir zu Schwierigkeiten führt - bist du dir unsicher ob der Tod, den du da schreiben willst, für deine  Geschichte stimmig ist?


Ich weiß nicht genau, ob der Tod notwendig ist und ob es der Zweck rechtfertigt, eine liebgewonnene Hauptfigur sterben zu lassen. Wenn ich alles so gemacht habe, wie ich es hoffe, wird mein Leser um die Person trauern und der Effekt muss das dann wieder ausgleichen. Ich weiß nicht, ob es eine bessere Lösung gäbe, aber ich habe nunmal dieses Lied von Shinedown gehört und kam auf die Idee und nun, da die Geschichte diesen Weg eingeschlagen hat, denn der Effekt durch ihren Tod ist schon ein gewaltiger, ist es schwer, ihn zu ändern.

caity

Zitat"Wann daarf man seine Protagonisten töten, wenn man vermeiden will, dass ihr Tod willkürlich, unpassend oder unnötig erscheint und aus dem Buch Schund wird?"

So, ich versuche mal die Frage allgemeiner zu beantworten. Meiner Meinung nach gibt es verschiedene Todesarten, die unterschiedlich vorbereitet und nachbereitet werden müssen, ich versuche mal ein Register aufzustellen, das gerne erweitert werden darf (ich orientiere mich nämlich hauptsächlich an dem, was ich bislang selbst verfasst oder was ich gelesen habe):

1. Opfertod: Eine wichtige Figur stirbt um den/die Protagonisten/in zu retten.
Ohne diesen Tod wäre die Geschichte ihres Hauptdarstellers beraubt, das heißt, alles wäre aus, mit anderen Worten: der Tod ist unabdingbar, um die Handlung weiterzutragen.
Vorbereitung: Der/Die Opfernde muss bereits im Vorhinein durch Sympathien und/oder Liebesbekundungen zeigen, dass er/sie bereit wäre, für den/die Protagonisten/in zu sterben.
Nachbereitung: Die Trauer muss Auswirkungen auf den/die Protagonisten/in haben, sie/ihn verändern. Das Opfer darf nicht ohne Folgen in der Charakterwandlung bleiben, aber das gilt immer.

2. Selbstmord: Eine wichtige Figur nimmt sich selbst das Leben, weil sie psychisch am Ende ist.
Hier muss der Tod gut vorbereitet sein, sonst ist es für den Leser zu weit hergeholt.
Vorbereitungen: Die äußeren und inneren Umstände der Figur müssen sie zu der Tat treiben, es darf nicht autorengelenkt wirken!
Nachbereitung: In jedem Fall sollte der Tod würdevoll abgeschlossen werden.

3. Krankheit: Eine Krankheit rafft eine wichtige Figur dahin.
Auch hier ist insbesondere die Vorbereitung wichtig.
Vorbereitung: Der Leser sollte nicht zu kurzzeitig vor dem Tod bereits von der Krankheit erfahren. Wie geht der Charakter damit um? Wie gehen Protagonisten damit um? Wie beeinflusst die Krankheit schon nun den Lauf der Geschichte?
Nachbereitung: Meiner Meinung nach sollte die Trauer der Protagonisten sie hier nicht zu sehr lähmen, im Gegenteil sollten sie bestrebt sein, das Werk des/der Toten in Gedenken weiterzuführen

4. Tod durch Alter: Im Prinzip gilt hierbei das Gleiche, bzw. Ähnliches  wie für den Tod durch Krankheit

5. Tod im Kampf: Eine wichtige Figur fällt in der Schlacht.
Vorbereitung ist hierbei schwierig und imho ist das ohnehin die Schwierigste Art des Verlustes, da man hierbei leicht in ein "Ich muss meine Figur nun wegschaffen, weil ich sie nicht mehr brauche und sie mir im Weg ist" fällt. Ein negativ Beispiel ist dabei für mich Christopher Paolinis "Eragon" - im ersten Band relativ bald stirbt Eragons Lehrmeister Brom. Auf mich wirkte das immer ein bisschen so, als hätte Paolini ihn nicht mehr gebraucht und ihn deshalb einfach beseitigt.
Vorbereitung: Imho braucht es hier eine etwas längere Szene, die die Unterlegenheit bereits schildert. Ein Angriff aus dem Hinterhalt und ein zu plötzlicher Tod sind imho nicht gut, der Charakter sollte wenigstens die Chance haben, sich zu währen.
Nachbereitung: Abschied, Trauer, und hier muss insbesondere der Schock eine große Auswirkung auf die übrigen Figuren haben. Gut wäre es auch, wenn das eigentliche Ziel durch den Verlust erheblich aus den Augen rückt oder sonst schwerer zu erreichen ist.

Das sind einmal die Kategorien, die mir spontan einfallen. Allgemein gilt, wie ich aber im letzten Post schon schrieb: "Was verändert der Tod an der Geschichte?", ist die Dreh- und Angel-Frage, wenn man eine Figur sterben lässt.

ZitatIch weiß nicht genau, ob der Tod notwendig ist und ob es der Zweck rechtfertigt, eine liebgewonnene Hauptfigur sterben zu lassen. Wenn ich alles so gemacht habe, wie ich es hoffe, wird mein Leser um die Person trauern und der Effekt muss das dann wieder ausgleichen. Ich weiß nicht, ob es eine bessere Lösung gäbe, aber ich habe nunmal dieses Lied von Shinedown gehört und kam auf die Idee und nun, da die Geschichte diesen Weg eingeschlagen hat, denn der Effekt durch ihren Tod ist schon ein gewaltiger, ist es schwer, ihn zu ändern.

Vielleicht solltest du dein konkretes Problem doch noch einmal im Aha-Forum oder bei einer Brainstorming-Runde schildern. Ich konnte mir vorstellen, dass dir das mehr nützen würde.

Bye
caity
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)

Moa-Bella

Zitat von: caity am 25. März 2010, 18:02:30

Vielleicht solltest du dein konkretes Problem doch noch einmal im Aha-Forum oder bei einer Brainstorming-Runde schildern. Ich konnte mir vorstellen, dass dir das mehr nützen würde.


Dieser Thread hier nützt mir schon viel, da diese allgemeine Frage durch die konkrete aufgekommen ist und ich auch generell dazu neige, meine Figuren gerne mal sterben zu lassen.

Das man einen Tod gut vor- und nachbereiten muss ist klar, aber was ist, wenn ein liebgewonnener Protagonist stirbt und man sich unwillkürlich fragt, ob es nicht eine andere Möglichkeit gegeben hätte. Es wäre eben für den Autor einfach gewesen, ihn in dieser Situation zu retten und der Leser versteht nicht immer sofort, warum der Protagonist jetzt sterben musste. Das ist wohl eher das Problem.

Aethra

Zitat von: Moa-Bella am 25. März 2010, 19:11:16
Das man einen Tod gut vor- und nachbereiten muss ist klar, aber was ist, wenn ein liebgewonnener Protagonist stirbt und man sich unwillkürlich fragt, ob es nicht eine andere Möglichkeit gegeben hätte. Es wäre eben für den Autor einfach gewesen, ihn in dieser Situation zu retten und der Leser versteht nicht immer sofort, warum der Protagonist jetzt sterben musste. Das ist wohl eher das Problem.

Hier geht es für mich um die Verdaulichkeit einer Geschichte. Kann ein Buch auch kein Happyend haben/können Protagonisten auch mal sterben?.... Ich finde wie bei so vielen Sachen auch hier, dass solche Mittel eine gute Würze dastellen so lange man nicht zu viel des Guten davon verwendet. Ein paar deiner Protagonisten kannst du(eher in der Mitte oder am Ende) durchaus töten, zuviel sollten es aber nicht sein. Der Leser wird dann wahrscheinlich schwer schlucken aber mir ist es dann in solchen Fällen so gegangen, dass sich mir solche Bücher auch mehr eingeprägt haben und dass ich gerne daran zurückdenke.

Churke

Zitat von: Moa-Bella am 25. März 2010, 19:11:16
Es wäre eben für den Autor einfach gewesen, ihn in dieser Situation zu retten und der Leser versteht nicht immer sofort, warum der Protagonist jetzt sterben musste. Das ist wohl eher das Problem.

Wahrscheinlich will der Autor die Figur ja gar nicht retten. Retardierende Momente sind dramaturgisch sehr wirkungsvoll. Alles scheint gut zu werden, und dann geht doch alles schief. Das tragische Gegenstück zum Happy End, wo sich unüberwindliche Hindernisse auftürmen, die am Schluss alle gemeistert sind.

Zonka

Die Frage, ob und wann ich Protagonisten sterben lasse beantwortet sich mir durch die Frage,
ob der Tod die Geschichte voran bringt!

Ändert sich durch den Tod nichts, dann kann man den Tod auch weglassen.
Wie schon angesprochen müsen solche strukturellen Änderungen stimmig  und gut vorbereitet,
also weder willkürlich, noch beliebig erscheinen.

Protagonisten einfach sterben zu lassen, weil sie für die Story überflüssig sind weist für mich auf ein Plotproblem hin...

Liebe Grüsse
Zonka

Darkstar

Sehr interessante Frage,
zu der ich trotz der vielen Meinungen auch nochmal meinen Senf zugeben will.

Nach einigem Grübeln finde ich, dass es bei dieser Frage darauf ankommt, ob du möchtest, dass die Geschichte / der Roman jemals veröffentlicht werden soll oder nicht.

Solltest du daran interessiert sein, würde ich dir

a) abraten, deine Protagonistin zu töten.

Das würde meiner Meinung nach nur schwer funktionieren, wenn sie eine Hauptfigur sein würde (es sei den, sie ersteht wieder auf).

Sollte der Tod jedoch wichtig für die Handlung sein, würde ich dir

b) raten, sie sterben zu lassen, deine Geschichte aber komplett aus der Sicht des Jungen zu erzählen und sie nur zu einer wichtigen Figur zu machen, aber nicht aus ihrer Sicht die Geschichte erzählen.

Der Vergleich zum Lied von Eis und Feuer hinkt dahingehend, da die Geschichte nicht - wie bei dir - nur von zwei Protagonisten erzählt wird, sondern von einer Vielzahl Figuren und sie dadurch mehr wie eine Serie aufgebaut ist denn wie der klassische Roman.