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Alles zur Perspektive

Begonnen von Lastalda, 01. Januar 1970, 01:00:00

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Trippelschritt

#465
Vergiss mal den auktorialen Erzähler als Allwissenden. Den gibt es fast nur noch in Schreibkursen und Lehrbüchern.
Wichtig wegen der Auswirkungen und einfach zu bemerken ist der Unterschied zwischen der Ich- und der Er/Sie/Es-Perspektive. Jede Figur in einer Geschichte hat eine eigene Perspektive, die sich u.a. auch im Sprachstil oder der Art der Wahrnehmung äußern kann.

Und was ist mit dem Autor?
Da kommt noch etwas dazwischen. Den Beobachter. Stell ihn dir vor wie einen Kameramann, der mal nah rangeht oder mal aus der Totalen filmt. Die wird gern bei Beschreibungen eingesetzt und klingt meist distanziert.

Der Autor kann auch eine Stimme haben. Aber es gibt nicht viele Schreiber, die es schaffen, die persönliche Stimme des Alters mit den anderen zu vermengen. ohne dass es sofort ins Auge sticht. Sehr subtile Kunst.

Den besten Schreibratgeber, den ich zu Deiner Frage kene ist von Orson Scott Card: Character & Viewpoint. Keine Ahnung, ob es das Buch auch auf Deutsch gibt, aber ich denke schon.

Liebe Grüße
Trippelschritt

EDIT: Posts überschnitten

Ahneun

Ha! @Yamuri Danke! Hier befindet sich auch mein Problemfeld!
Ich werde hier sehr viel für mich finden. -glaub ich-
- Ein Diamant
ist

Yamuri

#467
@Coppelia: Oh, das ist ja toll. Wie lautet denn der Titel deiner Diss? Es würde mich sehr interessieren sie komplett zu lesen. Deine Antwort finde ich sehr aufschlussreich. Danke dir. :) Ich kann dir gern ein Beispiel schicken. Im öffentlich sichtbaren Bereich will ich ungern Ausschnitte aus meinen Romanprojekten zeigen (meine Fanfiction erscheinen mir aber alle eher auktorial, kannst aber gerne mal reinlesen https://www.fanfiktion.de/u/Yamuri Ich werd morgen mal sehn ob ich dort vielleicht ein Beispiel finde das man hier posten kann, wenn ich darf? Immerhin geht das ja dann schon in Richtung Textbewertung).

@Trippelschritt: Danke für deinen Buchtipp. Englisch ist für mich kein Problem. Werde mir das Buch aus der Bibliothek holen. :) Den Beobachter habe ich bisher immer mit dem auktorialen Erzähler assoziiert. Im Schreibprozess fühle ich mich als ein Beobachter der das Geschehen wahrnimmt und niederschreibt was er sieht/erlebt. Der Beobachter ist aber mehr als nur ein äußerer Beobachter. Ich empfinde mich dabei selbst als Telepath und Empath, der in die Gedanken der Charaktere hineinsehen kann und auch ihre Gefühle wahrnehmen, selbst die Versteckten.

@Ahneun: Ah, das freut mich, dass Antworten zu meiner Frage auch dir und vielleicht noch Anderen ebenfalls nützlich sind. :)
"Every great dream begins with a dreamer. Always remember, you have within you the strength, the patience, and the passion to reach for the stars to change the world."
- Harriet Tubman

Trippelschritt

Was Du persönlich machst oder bevorzugst, Yamuri, ist allein Deine Sache - oder die Deiner Geschichte. Wenn Du in Köpfe hineinschauen möchtest und darüber schreiben, nur zu. Wenn Du alles weiß, wirst Du eben zum allwissenden Erzähler des 19. Jahrh. Aber das ist heute nicht mehr Standard Für mich war wichtig, dass Perspektive und Distanz sehr stark miteinander gekoppelt sind und dass es einen Beobachter gibt, der rein nur das wiedergeben kann, was er sieht ohne Deutung oder alles weiß wie früher einmal. Und dann gibt es noch jede Abschattierung dazwischen. Genug wür einen Autor sich das klarzumachen und sich zu entscheiden, wohin er gehen möchte. Denn es gibt kein richtig oder falsch, nur passend oder unpassend.

Viel Erfolg
wünscht
Trippelschritt

Yamuri

@Trippelschritt: Dass der Beobachter alles weiß, bedeutet für mich nicht, dass ich alles was ich weiß auch aufschreibe. In meinem Storyboard schon, in der Geschichte dann nicht. Wenn jedes Denken/Fühlen immer eindeutig benannt wird, nimmt das meiner Meinung nach auch die Spannung raus. Daher finde ich es durchaus wichtig und sinnvoll nicht immer zu schreiben was ich weiß, aber vom dahinterstehenden Gefühl im Schreibprozess, fühle ich mich als ein alles sehender Beobachter. Da differenziere ich zwischen meinem Gefühl und dem was ich dann tatsächlich auch offen lege indem es niedergeschrieben ist. Hatte ich mich vielleicht oben etwas unklar ausgedrückt.

Wobei sich das auch unterscheidet je nach Projekt. Ich habe ein Projekt mit sehr vielen Charakteren. Kapitelweise erfährt man immer von dem Gedanken/Emotionen eines Charakters mehr, ich zoome also rein, wohingegen die andren Handelnde im Gesamtkontext der Szene bleiben ohne dass bekannt wird warum und wieso sie so handeln und sprechen wie sie es tun. Gerade bei diesem Projekt bin ich mir teilweise unsicher ob Leser alles als wechselnde personale Perspektiven empfinden werden oder ob sie es als allgemein auktorial wahrnehmen und ob es in Ordnung ist manchmal kleine Einschübe zu haben, die eben etwas beschreiben was der Hauptchara des Kapitels nicht weiß, ich aber dennoch benennen möchte. Vielleicht spielt das auch keine Rolle vorher einschätzen zu können wie Leser empfinden, aber mir ist das wichtig es zu wissen und beim Überarbeiten selbst zu erkennen wo gerade welche Perspektive und wo ein Wechsel und ob der Wechsel in Ordnung geht, damit ich bewusster damit umgehen kann. Vorbild für die Struktur usw. ist ein wenig George Martin, weil er auch so viele Charas hat und kapitelweise von einem Charakter zu einem anderen schwenkt. Das betrifft aber eben nur dieses eine Projekt.

Alle andren Projektkonzepte von mir lassen sich sehr klar als personal umschreiben, mit wechselnden Perspektiven von maximal drei Charakteren, zeitweise sogar personal mit nur einer Perspektive und einem klaren Protagonist. Das ist bei dem Mammutprojekt halt anders und speziell. :)
"Every great dream begins with a dreamer. Always remember, you have within you the strength, the patience, and the passion to reach for the stars to change the world."
- Harriet Tubman

Coppelia

Moin,

@Yamuri, das freut mich sehr, dass du damit etwas anfangen kannst. :vibes:
Die Diss handelt hauptsächlich von Latein, weil ich mit der Methode lateinische Texte analysiert habe, aber ich kann dir gern den Theorieteil schicken, wenn er dich interessiert. Der Rest ist wohl nicht so spannend. Schick mir einfach deine Adresse.
Ich kann das Thema auch gern in einem Blogbeitrag etwas unterhaltsamer aufbereiten. Da suche ich ohnehin noch immer nach passenden Themen.

Das Problem an den Begriffen auktorialer, personaler Erzähler usw. ist in meinen Augen, dass sie einerseits nur einen kleinen Teil von sehr komplexen Theorien abbilden, die oft von unterschiedlichen Personen stammen und untereinander nicht kompatibel sind (diese Theorien werden in Schreibratgebern und an der Schule ,,verstümmelt" gelehrt, sodass die Begriffe gar nicht das bezeichnen, wofür sie ursprünglich entwickelt wurden. Sinn?! Und damit müssen Schüler*innen ihr Deutsch-Abitur schreiben!). Andererseits sind die Theorien, wie ich finde, viel zu kompliziert. Nach der Methode, die ich verwendet habe (nach der Erzählforscherin Mieke Bal, die sich wiederum an Genette orientiert hat), hat entweder der Erzähler Perspektive oder eine Figur +der Erzähler haben Perspektive. Das ist sehr einfach und lässt sich leicht erkennen, wenn weiß, worauf man achten kann (was auch einfach ist). Ein Vorteil ist dabei, dass die Art der Erzählung und des Erzählers dabei völlig offen bleibt. Man kann sehr alte oder sehr moderne Texte analysieren mit allen möglichen Arten von Erzählern und Figuren. Ob etwa der Erzähler allwissend ist bzw. was er weiß, kann man mit dieser Methode herausfinden.
Ich weiß gar nicht, wieso nicht alle diese Theorie nutzen. :D
Man bewertet auch nicht, sondern schaut halt den Text an, wie er ist. Bewertungen treten ja nur dann auf, wenn man findet, der Text müsse bestimmte Kriterien erfüllen, wenn man also z. B. eine bestimmte Perspektive im Kopf hat und nach ,,Fehlern" sucht.

Es ist auch normal, dass man beim Erzählen aus der Sicht einer Figur immer unterschiedlich nah an der Figur dran ist. Wenn man z. B. zusammenfassende Passagen aus Figurensicht erzählt, ist man nicht so nah dran, wie wenn man die Gedanken, die einer Figur durch den Kopf schießen, wörtlich wiedergibt.

Interpretationsspielraum und strittige Stellen wird es immer geben, und das macht viele Texte erst interessant.

Bei dir, Yamuri sah für mich vom kurzen Reinsehen die Fanfiction nach typischer Figurenperspektive aus (personaler), aber stell ruhig einen Fall rein, wo du dir unsicher bist. Man muss ja auch ganz genau hingucken, um sicher zu gehen.

Ich glaube, Leser*innen empfinden gar nichts als "auktorial", das tun nur Autor*innen oder Erzählforscher*innen. ;D Leser*innen mögen etwas oder nicht. Dabei ist die Perspektive wichtig, klar, aber auch viele andere Dinge.

ZitatDass der Beobachter alles weiß, bedeutet für mich nicht, dass ich alles was ich weiß auch aufschreibe.
Aha! ;D Das war nämlich auch Bestandteil von Bals Theorie. Der Erzähler (oder Autor*in, wenn man es gleichsetzen will) trifft eine Auswahl aus der Gesamtzahl der Ereignisse. Das zeigt, wie wichtig der Erzähler ist. Durch ihn erfährt man immer nur einen Ausschnitt. Und was erzählt wird und was nicht, ist auch für die Interpretation wichtig.

:winke: :jau:

Wildfee

@Coppelia Mach da bitte, bitte einen Blogbeitrag raus! Ich schlage mich auch damit herum und beiße mir die Zähne an manchen Szenen aus ;-)

Yamuri

@Coppelia: Vielen Dank. Ein Blogeintrag dazu wäre sicher auch super spannend und vor allem für viele hilfreich. Ich denke, dass du damit sicherlich eine große Bandbreite an Interessenten erreichen würdest. Hab dir via PN meine Mail geschickt.

Ich glaub, dass nicht alle dieselben Theorien verwenden ist wie mit der Zitierweise an den Unis, da fragt man sich auch oft: wieso gibt es keinen Zitier-Standard nach dem sich einfach alle richten.

Spannend, dass du meine Fanfictions eher als personal gewichtet hättest. Zum Beispiel hier, bei der Szene im Spoiler wäre ich mir unsicher was das ist, denn im Grunde ist es das was Ace sieht, aber was auch der Beobachter sieht. Anhand deiner Erklärung konnte ich heute aber beim nochmal kurz reinlesen auch erkennen warum du von personal sprechen würdest. :)

Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.
"Every great dream begins with a dreamer. Always remember, you have within you the strength, the patience, and the passion to reach for the stars to change the world."
- Harriet Tubman

Coppelia

#473
Ok, ich werde einen Blogartikel dazu ausarbeiten. Vielen Dan für die Anregung. Wenn ich ihn habe, melde ich mich hier im Thread. :)

@Yamuri
Unterschiedliche Theorien zu verwenden, ist ja völlig ok. Aber verstümmelte Theorien zu verwenden und so zu tun, als sei das der normale Standard, ist halt ... Schule. ::)

Bei der Szene habe ich auch den Eindruck, dass die Perspektive wechselt.  Das geht sicher anderen ähnlich.  Etwa bis "Der Pirat grinste höhnisch" hat Ace Perspektive, dann scheint es sich zu ändern. Ich köntne dir den Text, wenn du möchtest, genauer analysieren, aber ich weiß nicht genau, wer die einzelnen Leute sind, das ist noch das Problem. "Der Pirat" ist nicht Ace, oder? Und wer ist "der Schwarzhaarige"? Ist das Ace?

Es gibt aber auf jeden Fall auch wieder Passagen im Text, in denen Ace eindeutig Perspektive hat. Was mir auffällt, ist, dass Bezeichnungen wie "der Jüngere", "Selbiger", vielleicht auch "der Schwarzhaarige", wenn Ace damit bezeichnet wird, nicht die Perspektive von Ace auf sich wiedergeben können. Die Figur würde sich selbst nur als "Ace" oder "er" wahrnehmen und sich nicht anhand von Äußerlichkeiten. Auch Beschreibungen, wie die Figur gerade aussieht ("Sein Gesicht blieb unverändert" oder "mit unschuldiger Miene") geben nicht die Sicht der Figur wieder, die sich ja nicht von außen sehen kann. Daher sind das Hinweise darauf, dass eine andere Perspektive vorliegt (vielleicht Erzählerperspektive, vielleicht die einer anderen Figur). Falls du das nicht möchtest, sondern möchtest, dass die Perspektive bei Ace bleibt, könntest du dir an solchen Stellen die Frage stellen, wie sich die Figur selbst wahrnehmen würde. Also könnte man es z. B. so ändern, falls gewünscht:

,,Eine Karte der Grand Line tut's doch auch, oder?", fragte er mit unschuldiger Miene. --> ... fragte er und bemühte sich um einen unschuldigen Augenaufschlag.

Zitat,,Har, har. (..)."
;D

Yamuri

Du darfst den text gern genauer analysieren. :) Deine Erläuterungen helfen mir sehr einen Blick dafür zu bekommen.

Ace ist hier noch kein Pirat, also die Szene ist eine Sequenz noch am Anfang seines Werdegangs. Er spielt mit ein paar Piraten Poker. Einer davon ist eben der hier als Pirat bezeichnete Pirat. Handelnde in der Gesamtszene sind Ace, der bärtige Pirat, ein Mädchen und noch zwei weitere Mitspieler.

Wie müsste es denn formuliert sein um in der Erzählerperspektive zu bleiben, aber gleichzeitig Ace Innenleben zu zeigen?
"Every great dream begins with a dreamer. Always remember, you have within you the strength, the patience, and the passion to reach for the stars to change the world."
- Harriet Tubman

Coppelia

#475
Hey, @Yamuri, ich versuch es mal. Ich hoffe, ich verstehe den Inhalt richtig, sonst wird es jetzt ein bisschen absurd. ;D Der Schwarzhaarige ist dann Ace, nehme ich an?

ZitatWie müsste es denn formuliert sein um in der Erzählerperspektive zu bleiben, aber gleichzeitig Ace Innenleben zu zeigen?
Also zumindest laut der Theorie, die ich benutzt habe, kannst du sowieso nie die Erzählerperspektive verlassen, sondern der Erzähler "gibt" einer Figur Perspektive. Du kannst auch Fälle haben, wo sich beide Stimmen vermischen, und das scheint bei deinem Absatz der Fall zu sein. Aber bei dir tritt eigentlich der Erzähler nicht besonders hervor, sondern man wird eher aus der Perspektive von Ace "rausgerissen".

Grün markiert habe ich typische Figuren-Perspektive-Kennzeichen.

Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.


Ahneun

Zitat von: Coppelia am 09. Mai 2019, 08:46:12

Es ist auch normal, dass man beim Erzählen aus der Sicht einer Figur immer unterschiedlich nah an der Figur dran ist. Wenn man z. B. zusammenfassende Passagen aus Figurensicht erzählt, ist man nicht so nah dran, wie wenn man die Gedanken, die einer Figur durch den Kopf schießen, wörtlich wiedergibt.

Interpretationsspielraum und strittige Stellen wird es immer geben, und das macht viele Texte erst interessant.

Ich glaube, Leser*innen empfinden gar nichts als "auktorial", das tun nur Autor*innen oder Erzählforscher*innen. ;D Leser*innen mögen etwas oder nicht. Dabei ist die Perspektive wichtig, klar, aber auch viele andere Dinge.  :hatschi:

Wow! Danke für diesen Beitrag. Aber nun meine Frage hierzu.
Würdest Du, auf die Perspektive bezogen, einen Unterschied sehen, wenn man(n) (als Autor) die feminine Sichtweise beschreibt und die Leserin(!) fühlt sich später nicht in die weibliche Charakterrolle hinein? Muss ich spätestens dann die Perspektive nachbearbeiten?
Ich würde mich hier auf Deine Aussage, (s.Zitat) stützen, dass es der Interpretationsspielraum ist und er die Texte daraufhin erst interessant macht.

Aber was ist wenn, - wenn mir die Lektorin, ein maskuliner Schreiber, meinen femininen Stil kritisiert und, oder, als nicht perspektivisch zur weiteren Überarbeitung zurückweist, was dann?  :hmmm: Lohnt sich eine Auseinandersetzung bzw. ist ein Streitgespräch zielführend wenn ich mir sicher bin, dass meine Protagonistin eben genau die von mir beschriebenen Wesenszüge inne hat?
Zugegeben, es ist noch nicht soweit gekommen, ich befürchte allerdings solch einen Konflikt.   :bittebittebitte:

Sollte ich (männlich) ein Frauenversteher sein, um die entsprechenden Gedanken von weiblichen Protagonisten in die richtigen Worte zu fassen um die Leserinnen(!) entsprechend zu erreichen?
Einen männlichen Protagonisten (z.B. Mörder) mit Worten zu beschreiben und in seine Gefühls- sowie Gedankenwelt einzutauchen, stellt für mich, so gesehen, kein großes Problem dar. Hier kann ich den allgemeinen Lesenden m/w womöglich auch von meinem Protagonisten überzeugen.
Aber, eine Mörderin denkt und handelt anders als ein Mörder. Die Tat, der Mord an sich, interessiert mich in dieser Angelegenheit nicht. Hier ist Mord gleich Mord.
Allerdings besteht die Gefahr, dass mein knallharter Krimi eine Lachnummer werden könnte wenn ich feminine und maskuline Perspektiven nicht entsprechend herausarbeite.
- Ein Diamant
ist

Coppelia

@Ahneun
Das ist ein echt spannendes Thema und eine Frage, die sich sicher viele Autor*innen stellen.

Die Analyse-Theorie, die ich benutzt habe, kann da aber leider nicht helfen, fürchte ich. Sie eignet sich halt "nur" dazu, herauszufinden, wann eine Figur oder der Erzähler Perspektive hat. Die Methode ist gar nicht dazu gedacht, Texte zu prüfen oder sie zu verbessern, und sie kann auch nicht angeben, ob ein Text "gut" ist oder eine Perspektive "gelungen" ist.

Was ich meinte, ist, dass es manchmal Texte gibt, wo man nicht genau sagen kann, ob an einer bestimmten Stelle eine Figur (bzw. welche) oder der Erzähler Perspektive hat, und dass diese Stellen interessant sein können. Sie lassen nämlich oft verschiedene Interpretationen zu, wodurch sich die Aussage des Textes ändern kann. Das absichtlich anzuwenden, ist recht knifflig und kennzeichnet eher anspruchsvolle Texte. Es kann natürlich auch unabsichtlich passieren. Dann fände ich es als Autor*in sinnvoll zu fragen, woran es liegt, dass der Text nicht so verstanden wird wie gewünscht, und die Textstelle gegebenenfalls so ändern, dass der vorgesehene Sinn deutlich wird. Das bezieht sich wirklich nur auf einzelne Textstellen und Formulierungen, nicht auf die gesamte Darstellung einer Figur durch ihre Perspektive.

Ich nenne mal ein Beispiel, was ich aus der Diss noch im Kopf habe.
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.


Entschuldigt, dass ich so viel rumlabere. Das Thema ist, als würde man bei mir auf die Play-Taste drücken. ::)

Ahneun

Zitat von: Coppelia am 09. Mai 2019, 19:13:22
Entschuldigt, dass ich so viel rumlabere. Das Thema ist, als würde man bei mir auf die Play-Taste drücken. ::)

*grins*  :knuddel:
Du, ich danke Dir für die Antwort. Ich glaube aber, ich bin zwischen Dir und @Yamuri dazwischen gegrätscht und habe Euch unterbrochen. Außerdem finde ich Eure Diskussion ebenso verfolgenswert und werde mich zu gegebenem Zeitpunkt einbringen.

Dann halte bitte Deine Play-Taste weiterhin gedrückt. Ich jedenfalls freue mich, dass Yamuri diesen Thread entstaubt hat.  :hatschi:
- Ein Diamant
ist

Yamuri

@Coppelia: Vielen Dank für die Mail und die Analyse. Hab schon ein bisschen reingelesen. Sehr spannend das Thema und deine Diss. :) Die Analyse und deine Anmerkungen helfen mir auf jeden Fall sehr mein Gefühl für die Perspektiven zu schulen. Deine Veränderungsvorschläge gefallen mir sehr. Also falls ich mich mal dran setze meine Fanfictions zu überarbeiten (die liegen schon sehr lange brach, weil ich keine Zeit für sie habe), dann berücksichtige ich deine Kommentare dazu auf jeden Fall. Klingt in meinen Ohren so wesentlich stimmiger. Und ich finde deine Ausführungen zu unsren Fragen sehr gut. Du darfst gern weiter sprechen und ich freu mich auf deinen Blogeintrag zum Thema.

Eine andre Frage. Hättest du den Wechsel in der Szene als störend empfunden, wenn du aus der Perspektive der Leser*innen den Text gelesen hättest?

@Ahneun: Ach, das passt schon, dass du auch Fragen gestellt hast.  :knuddel: Ich bin mir nicht ganz sicher ob ich deine Fragen richtig verstehe. Es wirkt auf mich so hättest du den Anspruch an deine Charaktere, sie so darzustellen, dass sich Frauen in Frauen und Männer in Männer hineinfühlen können. Korrigier mich bitte, wenn ich das missverstanden haben sollte. Ich hatte den Eindruck beim Lesen deiner Fragen, dass die Perspektive da weniger das Problem ist, sondern deine Angst einen Chara aus Sicht eines Lektors falsch darzustellen? Ich denke dass die Perspektive nicht unbedingt ausschlaggebend dafür ist, ob Lektor*innen und Leser*innen einen Charakter sympathisch und/oder glaubhaft finden oder nicht.  Tatsächlich würde ich soweit gehen zu sagen: es gibt nicht die eine weibliche Denkweise, männliche Denkweise oder das eine Täterprofil wenn es um Mörder geht. Die menschliche Persönlichkeit ist extrem vielschichtig und komplex. Es wird zwar immer wieder versucht anhand des Geschlechts, des Alters, der Nationalität Menschen in Schubladen zu stecken, ihnen Rollen zuzuweisen, aber ich denke, das unterstützt nur traditionelle Vorstellungen und festigt überholte Strukturen, die wir eigentlich brechen wollen um eine inklusive Welt zu schaffen in der die Vielfalt gelebt werden kann. Was ich damit sagen will: lass deine Charas genau so sein, wie sie eben sind. Und wenn jemand sagt, es sei schwer sich reinzuversetzen, dann liegt das denke ich weniger am Geschlecht des Charas sondern daran, dass Informationen fehlen oder der Chara eben unsympathisch wirkt. Mit der Figurenperspektive kannst du dem entgegen wirken indem du stärker das Innenleben und die Entwicklung des Charas zeigst würde ich sagen.

Hilft das irgendwie weiter oder bin ich an deiner eigentlichen Frage vorbei geschossen?
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- Harriet Tubman