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Gehbehindert im Mittelalter: Möglichkeiten zur Fortbewegung

Begonnen von Lothen, 26. Juni 2015, 13:03:31

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Lothen

Hey ihr Lieben,

ich bin mir gerade nicht sicher, ob das nicht auch ins Recherche-Board gepasst hätte, aber letztlich geht es mir weniger um Faktenwissen sondern eher um ein kreatives Brainstorming.

Folgende Situation: In meinem Roman (Low Fantasy, Mittelalter) taucht ein Mann auf, der in Folge eines Reitunfalls gehbehindert ist. Die komplizierten Frakturen sind schlecht verheilt, dadurch könnte er nur mit großen Schmerzen laufen (und die Muskeln haben sich in den vielen Jahren sicher auch schon zurückgebildet).

Jetzt die Frage: Habt ihr ein paar Ideen zur Fortbewegung? Reiten ist ja letztlich kein Problem mit einem speziellen Sattel, aber mittelalterliche Burgen sind ja in der Regel nicht behindertengerecht. ;)

Und einen Hodor hab ich leider nicht im Repertoire.  :hmmm:

Vielleicht habt ihr ja ein paar kreative Ideen?

VLG Lothen

Shedzyala

Je nachdem, wie schwer verletzt er ist, könnte eine Fortbewegung mit Krücken möglich sein. Ansonsten ist ein Rollstuhl ja nicht so komplex, dass man ihn nicht auch im Mittelalter hätte bauen können (ob man das auch hat, kann ich dir leider nicht sagen). Wobei der natürlich hinderlich bei den vielen Treppen einer Burg ist. Ansonsten fällt mir auch nur Hodor mit einer Kiepe ein - oder ein Seilzug mit Fass, um zumindest von einem Balkon in den Hof zu kommen oder so.
Wenn sie dich hängen wollen, bitte um ein Glas Wasser. Man weiß nie, was passiert, ehe sie es bringen ...
– Andrzej Sapkowski, Die Dame vom See

Sascha

#2
Je nach Zustand der Beine fallen mir Krücken oder ein Rollbrett ein.
Wenn er die Beine noch kurz aufstützen kann, um die Krücken (evtl. auch eine nach der anderen) nach vorne zu setzen, geht das. Damit kann man auch Treppen gehen.
Sind die Beine selbst dazu nicht geeignet, könnte er ein Brett mit Rollen haben, auf das er sich halb setzt, halb legt, wie auch immer, und sich mit den Händen vorwärtsschieben. Treppen o.ä. ließen sich dann aber nur kriechend überwinden.
So makaber das klingt: Wenn Du mal in Berichten aus übel zugerichteten Kriegsgebieten recherchierst (Afghanistan, Somalia, ...), wo die Menschen alleine schon aufgrund der Armut technisch quasi im Mittelalter leben müssen, und schaust, was da über Minenopfer etc. an Berichten und Bildern existiert, könntest Du der Sache womöglich schon recht nah kommen.

Da Du die Wahl hast, wie schlimm Deine Figur verletzt ist, würde ich an Deiner Stelle die Krücken-Variante nehmen und seine Beine eben stark genug machen, sich immer kurz darauf zu stützen. Es waren ja die Beine gebrochen, nicht die Wirbelsäule, oder? Mit Querschnittslähmung hätte er keine Kontrolle mehr über seine Beine, aber selbst schief zusammengewachsene Beinknochen könnten dazu noch ausreichen. So als Laienmeinung ...

EDIT: Shedzyala war schneller. Aber was ist ein Hodor??

Shedzyala

@Sascha
Hodor ist ein großer und starker Kerl aus Game of Thrones, der dort einen querschnittsgelähmten Jungen herumträgt.

Ja, das Rollbrett ist wohl die einfachste Art von Rollstuhl. Wie reich ist denn der Verletzte?
Wenn sie dich hängen wollen, bitte um ein Glas Wasser. Man weiß nie, was passiert, ehe sie es bringen ...
– Andrzej Sapkowski, Die Dame vom See

Sascha

Zitat von: Shedzyala am 26. Juni 2015, 13:25:01
@Sascha
Hodor ist ein großer und starker Kerl aus Game of Thrones, ...
Ah! Daher kenn ich den nicht. ;D

Lothen

#5
Danke für eure Ideen, ihr zwei!

@Sascha : Sorry für die Verwirrung, man sollte echt nicht immer davon ausgehen, dass alle Leute alles kennen. :P Mein Fehler.

Zitat von: Shedzyala am 26. Juni 2015, 13:25:01Wie reich ist denn der Verletzte?
Er ist adlig, hat also schon die eine oder andere finanzielle Möglichkeit. Allerdings herrscht gerade Kriegszustand, das limitiert die Optionen natürlich. Die Verletzung hat er auch schon seit Jahrzehnten, also hat er sich schon ganz gut darauf eingestellt.

Krücken hatte ich mir auch schon überlegt, das würde der Person zumindest ein Stück Mobilität verleihen. Der Charakter ist eher der stolze Typ, der nicht so wirklich gut damit zurechtkommt, "verkrüppelt" zu sein. Insofern würde er vermutlich vermeiden wollen, dass ihn jemand tragen muss.

Zitat von: Sascha am 26. Juni 2015, 13:18:03Es waren ja die Beine gebrochen, nicht die Wirbelsäule, oder? Mit Querschnittslähmung hätte er keine Kontrolle mehr über seine Beine, aber selbst schief zusammengewachsene Beinknochen könnten dazu noch ausreichen.
Ja, genau, keine Querschnittslähmung. Ich stelle mir das sehr schmerzhaft vor, aber für ein paar Schritte und mit Krücken könnte das vielleicht wirklich gehen ...

Ich könnte mir schon vorstellen, dass man einen Rollstuhl konstrurieren könnte. Ist ja nur ein Stuhl mit Rollen. Oder sehe ich das falsch?

Eluin

Treppen könnte er auch mit dem Hintern auf den Stufen überwinden (so hat meine Mutter das zumindest gemacht, als sie ihren Fuß gebrochen hatte). Sprich immer eine Stufe nach oben oder unten "rutschen". Hoch ist natürlich schwieriger, aber bei noch starken Armen dürfte es auch mit schwachen Beinen machbar sein. Ansonsten natürlich Krücken in irgendeiner Art oder wirklich einer Begleitperson, je nach seinem Rang könnte dies auch ein Page oder so sein, der ihn durch die Gegend schleppt. Ansonsten natürlich ab in die Kutsche / den Heukarren mit ihm.

Ähm okay da du gerade dazwischen geschrieben hast: Wenn er Adelig ist, wäre vielleicht wirklich ein Page oder so denkbar, der ihm ungesehen alles abnimmt. Natürlich wäre er zu stolz danach zu fragen, aber wenn er das schon seit Jahren so kennt, ist es möglicherweise mittlerweile auch selbstverständlich für ihn geworden.  :hmmm:
Träume verändern die Zukunft. Doch erst wenn wir die Augen öffnen, können wir sie verwirklichen!
Mein Spruch, mein Motto.

Nycra

Schaum mal diesen Link, da gibt es Erklärungen zum Rollstuhl.

Lothen

Cool, Nycra, danke.  :jau:

Der von 1590 sieht ja echt schick aus ... Allerdings fürchte ich, dass mein Charakter so einen toll konstruierten Rollstuhl gar nicht haben kann. Er musste aufgrund einer Belagerung recht flott aus seiner Heimatburg fliehen, sodass der Rollstuhl, sofern er einen hatte, wohl eher zurückbleiben musste. Den hätte man ja mit einer Kutsche transportieren müssen.

@Eluin : Ja, ich denke, so einen persönlichen Leibdiener kriegt er auf jeden Fall. Damit hat sich gleich noch eine gute Möglichkeit ergeben, eine vertraute Person einzubinden, sehr schön. ;D Rumkommandieren kann der Charakter sowieso ziemlich gut. :)
Das mit dem Rutschen kommt mir schon wieder ziemlich demütigend vor, ich schätze, das würde er lieber vermeiden. Dann doch eher jemand, der ihn stützen muss, oder so.

Ilva

Mal eine ganz doofe Frage: Aber könnten Pferde nicht theoretisch Treppensteigen? Ausser bei engen Wendeltreppen könnte er vielleicht auch durch sein Haus reiten (was ein witziges Bild abgäbe). Ein Diener könnte ihm jeweils beim Auf- und Absteigen helfen oder du konstruierst eine entsprechende Hilfe, z.B. eine Art Flaschenzug, mit dem er sich abseilen kann. 

Nycra

Das mit den Flaschenzug fände ich gar nicht mal so schlecht.

Belle_Carys

Jetzt mal ganz lebenspraktisch gedacht: wenn jemand, wie du ihn beschreibst, sehr stolz ist und in dem Zusammenhang auch eventuell nicht will, dass andere viel von seinem Leiden und seiner Unzulänglichkeit mitbekommen, scheint mir das logischste, dass er sich in seiner eigenen Burg zu ebener Erde einquartiert, wo Treppensteigen und Co verhindert werden kann.

Je nachdem wieviel Respekt ihm dort, wo er hin kommt, entgegen gebracht wird, kann man weiter so verfahren, indem er, wenn er wohlgelitten ist, aus Freundlichkeit, wenn er nicht so wohl gelitten ist, aus purer Bosheit (denn Küche, Gesindekammern etc, waren ja auch oft ebenerdig) eine Kammer im Erdgeschoss zugewiesen bekommt.

Ansonsten kann man natürlich auch die Flaschenzuggeschichte laufen lassen, die Frage ist halt, ob er dafür nicht zu stolz ist. Der mittelalterliche Adel hatte ja so seine ganz einen Vorstellungen davon was standesgemäß ist und was nicht.

Lothen

#12
@Ilva : Auch gar nicht so blöd - aber bei engen Durchgängen in Burgen wird das wahrscheinlich eher unpraktisch. Abgesehen davon, dass einem das Pferd dann überall in die Burg kackt. :D Aber ich behalte das auf jeden Fall im Hinterkopf ...

Ich schätze, sich beim Absteigen vom Pferd helfen zu lassen, ist wahrscheinlich auch nicht so demütigend - ein Ritter in Platte kommt ja auch nicht ohne Hilfe vom Pferd (bzw. drauf). Da bräuchte es jetzt nicht dringend eine Flaschenzug-Konstruktion, denke ich.

@Belle_Carys : Das Problem in der aktuellen Situation ist, dass der Charakter nicht in seiner Heimatburg ist, sondern in einer fremden, die auf seine Bedürfnisse eben nicht zugeschnitten ist. Sonst hast du natürlich recht, dort wo er herkommt sind seine Gemächer wahrscheinlich ebenerdig, sodass er keine Treppen steigen muss, oder tatsächlich so gebaut, dass man auf den Hauptgängen reiten kann.
Aber stimmt schon, seine Kammern werden wahrscheinlich nicht gerade ganz oben im Bergfried sein. ;)

Belle_Carys

Deshalb meinte ich ja, das man damit auch ein bisschen spielen kann. Ich weiß ja nicht ob die Leute bei denen er grade ist ihn irgendiwe mögen oder nicht. Mag man ihn nicht, kann man ihn entweder nah zum Gesindel räumen oder einfach sich selbst überlassen und dann muss er eben irgendwie so viele Treppen hochkrabbeln unter Schmerzen, wie es eben hat bis zu seinem Gemach.

Mag man ihn, quartiert man ihn irgendwo einigermaßen standesgemäß ebenerdig ein oder sorgt dafür, dass, wenn die Halle möglichst leer ist, helfende Hände parat sind um ihm den Aufstieg so leicht wie möglich zu machen.

Es kommt glaub ich auch ein bisschen drauf an, was für Typen sonst noch so auf der Burg rumhüpfen. Wenn jemand da ist, der Erfindergeist hat... dann kann er etwas bauen. Muss den Ritter halt im Zweifelsfall noch jemand überzeugen, die Konstruktion auch zu nutzen. Gibt es Magier, haben die vielleicht eine Idee. Gibt es Heiler, können sie vielleicht ein wenig etwas gegen die Schmerzen tun, so dass der Aufstieg nicht so sehr wehtut. Eine umsichtige Dame des Hauses? Die besteht vermutlich ohnehin darauf dass ihm nichts zugemutet wird, dass ihm Unwohlsein verursacht. Gehört die Burg irgendwie zu einem Soldatenlager? Dann kann er vielleicht ein einigermaßen komfortable ausgestattetes Zelt im Innenhof haben, das ihm die ganze Peinlichkeit erspart.

Ich finde es immer spannend wenn es Helden gibt, für die eben nicht alles so einfach ist wie für den schönen, klugen, charmanten, kampferprobten Königssohn ^^ Von daher kannst du damit ja auch je nach Situation sehr gut spielen.


Lothen

Danke für die zahlreichen Anregungen, Belle, die werde ich auf jeden Fall mal aufschreiben! Die Person hat leider keine so zentrale Rolle, aber einiges davon könnte ich sicherlich verwenden! Danke!  :wolke:

Das mit dem Zelt ist eigentlich auch eine gute Idee, es ist tatsächlich eine Art Kaserne, in der sich die Protagonisten zu dem Zeitpunkt befinden. Allerdings ist ein Bett in einer gut beheizten Kemenate immer noch angenehmer als ein zugiges Zelt ...

Ich glaube, ich verfrachte ihn wirklich einfach ebenerdig in eine Kammer. Dann hat er wenigstens Gründe, seinen Sohn zu triezen, der für ihn durch die Burg rennen muss. ;)