• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Platz für etwas Neues?

Begonnen von Korahan, 21. Oktober 2014, 05:15:23

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

absinthefreund

@HauntingWitch @Coppelia :jau:

Irgendwo habe ich das schon einmal geschrieben, aber egal: Während meines Studiums habe ich Seminare zu Literaturwissenschaft und Creative Writing besucht, die mir in puncto "Schreiben" mehrmals die Augen geöffnet haben. Davor war ich auch der Meinung, ich müsste auf Biegen und Brechen etwas Neues finden, worüber ich schreiben könnte, weil sonst nur die tausendfachste Kopie herauskommen würde. Dann habe ich von der Theorie gehört, dass es nur sieben unterschiedliche Handlungsverläufe für eine Geschichte geben kann, die da wären (frei aus dem Englischen übersetzt):

  • "Das Monster besiegen"
  • "Vom Tellerwäscher zum Millionär" ("Cinderella" sozusagen)
  • "Die Quest"
  • "Reise und Wiederkehr"
  • "Komödie"
  • "Tragödie"
  • "Wiedergeburt"
(Das hat sich ein Mann namens Christopher Booker ausgedacht: Wikipedia-Artikel (leider nur auf Englisch). Ich habe mich, ehrlich gesagt, nicht damit auseinandergesetzt, und es gibt auch Theorien, die auf mehr oder auf weniger Handlungsverläufe kommen.)

Die Einschränkung an Plots jedenfalls ergibt sich aus dem, was schon HauntingWitch gesagt hat, nämlich dass der Mensch nur "eine gewisse Bandbreite an Emotionen und Erfahrungen" erleben kann. Aus biologischen Gründen, wenn man so will. Als mir das klar wurde, hat es gewaltig "Klick" gemacht. Erst kam die Enttäuschung und Ernüchterung, dass ich nie das Rad neu erfinden würde, aber dann kam die Erleichterung und vor allem Leichtigkeit, dass ich dies auch nicht mehr krampfhaft versuchen müsste. Es macht total Sinn: Man spricht ja auch davon, dass die Geschichte sich wiederholt. Wir führen immer noch Kriege, haben immer noch mit Fremdenhass, mit Neid, mit der Liebe und unserer Psyche zu kämpfen, wir haben immer noch die gleichen biologischen Bedürfnisse und Instinkte, die unsere Geschichte(n) bestimmen.
Es hat natürlich immer wieder Schriftsteller gegeben, die versucht haben, aus den gängigen Formen auszubrechen und sich in abstrakten Textkonstruktionen verloren haben. Wenn die dann aber niemand versteht, war die Mühe doch umsonst. Ich denke, James Joyce hat mit ULYSSES die Grenzen schon gewaltig gedehnt, und wir wissen ja, wie die Welt an dem Buch knabbert.

Deshalb schreibe ich meine Geschichten auf, wie sie mir in den Sinn kommen, egal, ob es sie in einer ähnlichen Form schon gibt. Was ich machen kann, ist meinem Geschreibe meinen Stempel aufzudrücken, sei es durch meinen Sprachstil, die Ausarbeitung meiner Figuren, die gesellschaftlichen/politischen Fragen, die ich behandle, oder die Vermischung von Genres.

Übrigens: Die tollsten Bücher sind meiner Meinung nach auch die, die man eben nicht in eine oder zwei oder drei Genreschubladen stecken kann, sondern die, die auf all das pfeifen und unbekümmert und ganz natürlich ihren eigenen Stil verfolgen. Dazu fällt mir immer Mervyn Peakes GORMENGHAST ein. DAS ist ein ungewöhnliches Buch, auch wenn die Handlung sauklassisch ist.

Korahan

Wenn man die archetypischen Handlung unabhängig vom Genre betrachtet, stimmt das vielleicht.
Ein wichtiger Punkt ist aber auch der letzte, also der Schlusspunkt. Die Geschichte muss ja nicht damit enden, dass der Held von seiner Quest heimkehrt oder Er und Sie sich kriegen. Ich glaube, wenn man da immer aufhört, schränkt man sich sehr ein. Eine gute Geschichte kann auch so aussehen, dass Beispielsweise Er und Sie sich über weite Teile des Romans wollen, wenn sie sich aber kriegen, ist alles ganz anders als erwartet. Wie gehen die Protagonisten damit um?
Der Abenteurer kommt von der Reise zurück aber seine Frau hat einen anderen, sein Dorf wurde niedergebrannt oder jemand anderes hat eine noch viel spannendere Geschichte zu erzählen.
Ich halte also nicht viel von Anfang-Mittelteil-Schluss. Und wenn man diesen Rahmen verlässt, lässt sich auch die Handlung nicht mehr so leicht einordnen.