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[Regionale Bräuche] Küsschen, Küsschen - typisch für München?

Begonnen von Alana, 12. Januar 2014, 17:22:27

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Debbie

Also, ich komme ja aus der gleichen Region wie Valaé und bei uns ist das völlig normal. Vorrangig werden die Frauen von den Männern so begrüßt (als Ersatz für den "männlichen" Handschlag), aber auch gute Freundinnen und Familienmitglieder begrüßen sich so untereinander - oder wenn schon nicht mit Küsschen, dann zumindest mit Umarmung.

Ich mache das jetzt auch nicht unbedingt bei den Leuten, die ich jeden Tag oder mehrmals die Woche sehe, oder bei Leuten, zu denen ich kein wirklich enges Verhältnis habe (außer bei männlichen Kumpels, da ist das bei uns so Standard), aber ja, ich würde sagen es ist eine Norm.

Fynja

Wie einige andere hätte ich diese Begrüßungsform sofort mit Frankreich, aber nicht mit Deutschland assoziiert.
Ich lebe in Luxemburg, das ja direkt an Frankreich grenzt und habe auch einige französische Freunde, von einer Freundin weiß ich, dass das dreifache Begrüßungs-Wangenküsschen bei ihrer Verwandschaft in Frankreich so verbreitet ist, dass auch Männer untereinander sich so grüßen, ohne dass es seltsam rüberkommt. Das ist aber dann eher bei Befreundeten oder Verwandten der Fall, denke ich. Ansonsten ist es dort aber auch bei Männer und Frauen oder Frauen untereinander üblich, auch wenn man sich nicht soo gut kennt.

Hier in Luxemburg begrüßen wir (meine Familie zumindest) uns innerhalb der Verwandtschaft auch so, auch wenn ich davon auch nicht sooo der Fan bin.  ;D
Ich bin in einer eher ländlichen Gegend aufgewachsen, da ist das Küsschen-Geben unter Freunden nicht so üblich, verstärkt fällt mir das aber hier bei Leuten auf, die aus der Stadt stammen, bzw. aus dem südlichen Teil Luxemburgs, da ist das wieder verbreiteter, auch unter Bekannten. Da hat aber wohl Frankreich irgendwie abgefärbt.  :P
Edit: Um es nochmal zu präzisieren, weil es ja auch dort unterschiedliche Erfahrungen zu geben scheint, ich persönlich kenne auch viele männliche Bekannte, die mit drei Küsschen begrüßen, da ist wieder die Erfahrung, dass die meistens aus städtischer Gegend kommen.

Valaé

#17
ZitatUnd sind es in München oder Süddeutschland in diesem Falle 2?

Nein, im Südwesten von BaWü sind es drei, wenn es gemacht wird. Möchte aber auch nochmal betonen, es ist da nicht üblich im Sinne davon, dass man dann komisch angeguckt wird, wenn man es nicht macht, aber es gibt Kreise, die es tun und die Begrüßung ist eigentlich jedem irgendwie bekannt. Daher wird man dann gerne mal überrascht damit, weil man es von diesem Menschen jetzt nicht erwartet hatte  ;D. Ist aber auch bei uns eher ein Brauch der jüngeren Generationen und der Frauen - Männer machen es selten bis nie.
Und es ist bei uns eben ganz stark zu beobachten, dass es wirklich ein "Rüberschwappen" aus Frankreich ist - am häufigsten ist diese Begrüßung nämlich, je näher man an die Grenze kommt und/oder in den Altersgruppen, die Klassenfahrten nach Frankreich machen  ;)
Und, ergänzend zu Snöblummas Hinweis zur Schickeria: Im Südwesten von BaWü ist der Brauch auch stark mit einem gewissen Bewusstsein verbunden - Küsschen-Begrüßungen werden besonders oft von Menschen benutzt, die eher der "High Society" angehören oder das denken.


Debbie: Interessant, dass du sagst dass es jetzt vornehmlich die Männer bei Frauen tun, das habe ich so selten bis gar nicht erlebt, die Männer die ich kennen gelernt habe haben sich um diesen Brauch immer arg gedrückt  ;D. Vielleicht kannst du ja auch meine Eindrücke bezüglich eher in Kreisen der High Society und bezüglich jünger/älter nochmal mit deinen abgleichen? Meine Erfahrungen sind schon ein paar Jahre alt, ich war länger nicht mehr Zuhause, im Sinne von wirklich in der Gesellschaft dort unterwegs, maximal eben bei den Eltern und die begrüße ich nicht mit Küsschen  ;D. Mittlerweile bin ich schon weit genug von der französischen Grenze weg (naja, so weit auch nicht) und vor allem in der Großstadt und an der Uni, wo sich sowieso alles mischt, deswegen sind meine Erfahrungen nicht aktuell.
Was Umarmungen angeht würde ich die Norm allerdings sofort unterschreiben. Gute Freunde zur Begrüßung zu umarmen (und zur Verabschiedung auch) gehört hier fast schon zum guten Ton. Ein Tag an dem ich in der Uni nicht mindestens zwei bis dreimal geknuddelt wurde ist irgendwie ein einsamer Tag gewesen  ;D. Und jemand, den ich kenne, begrüße ich eigentlich automatisch mit Umarmung, das ist einfach drin ... bei einer Freundin oder einem Freund würde ich das Ausbleiben einer Umarmung zur Begrüßung oder Verabschiedung auch irgendwie als Kränkung auffassen ... unterbewusst, nicht absichtlich natürlich. Man ist es so gewohnt. Küsschen ist da aber in meinen Kreisen eben noch nicht so etabliert wie Umarmung, also niemand erwartet wirklich eine Küsschen-Begrüßung, aber wenn siee kommt ist man auch nicht überrascht oder beschämt.

Alana

Danke für eure Antworten, das hilft mir schon mal. Ich kenne es so, dass Männer es mit Frauen so machen und Frauen mit Frauen, Männer mit Männern schütteln sich nur die Hand und umarmen sich höchstens. Und hier macht man zwei Küsschen, nicht drei. Anfangs hab ich mich auch gewehrt, aber irgendwann hab ichs aufgegeben. Dann hat sich das Umarmen als Mischform eingebürgert. Das bin ich jetzt irgendwie so gewohnt.
Alhambrana

Debbie

#19
Ja, ich kenne es auch nur mit zwei Küsschen - sagt man bei uns sogar so, wenn man davon erzählt: Küsschen links, Küsschen rechts.

Und ja, wir leben schon in einer Gegend mit eindeutig französischem Einschlag. Bei meiner Uroma war der Gehsteig noch das Trottoir und der Sessel (oder auch das Sofa) das Chaiselounge (Schesslong ausgesprochen  ;)). Auch bei den Omas meiner Freundinnen ... Also in meiner Generation (Anfang/Mitte Dreißig) aber auch in der Generation meines Bruders (Anfang/Mitte vierzig) würde ich es als eine von mehreren Normvarianten bezeichnen, die evtl. ein wenig abhängig ist von der Art des Freundeskreises, aber auch von dem Verhältnis der betreffenden Personen untereinander. Ich würde das nie (und habe es nie) bei jemanden tun, der mir nicht wirklich sympathisch ist, auch wenn er Teil meines Freundeskreises ist.

Als High Society würde ich meine Kreise jetzt keinesfalls bezeichnen - eher gut bürgerlich konservativ. Da ist von Betriebswirten, über Banker bis zum Bauarbeiter alles dabei. Auch in meiner Zeit bei der Lufthansa in Frankfurt habe ich es nicht anders erlebt - und da kamen die Leute von überall her. Aber ich gebe zu, Lufthansa Mitarbeiter - egal ob Boden oder fliegendes Personal - sind schon überdurchschnittlich elitär und würden zumindest oft gerne zur High Society gehören, wenn sie es denn nicht schon von Haus aus tun.

Merwyn

Zitat von: Snöblumma am 12. Januar 2014, 18:07:29
Edit noch, weil hier bezweifelt wird, dass es Münchnerisch ist: Schlagwort Bussi-Bussi-Gesellschaft! Das ist doch das Synonym für die Schickeria :D.
Und das ist in der Schickimicki-Szene auf München begrenzt? Kann ich mir nicht vorstellen. ;)
Im Fernsehen knutschen "Promis" sich doch dauernd gegenseitig ab, weil das sooo herzlich und offen wirkt und man gar nicht die Augen verdrehen möchte, wenn man das gekünstelte Getue ertragen muss *hust*

Lustigerweise konnte ich heut morgen in der U-Bahn zwei Mädels beim Bussi-Bussi beobachten. Waren noch Schülerinnen, und, wie ich in der Pause zwischen zwei Songs mitgekriegt habe, Türkinnen. Keine Ahnung, aus welcher Heimat sie diese "Tradition" dann übernommen haben.


Almarian

Sind solche Rituale nicht eher von der Art des Freundeskreises geprägt, denn von der Region?
Ich kenne halt aus Rollenspielerkreisen in aller Welt die Umarmung, auch nahezu unbekannter Personen, egal ob Männlein oder Weiblein. Das steht sowohl in meiner Heimat (Lübeck) als auch meinem jetzigen Wohnort (Bodensee) im Kontrast zum Verhalten anderer Grüppchen (Handschlag sehr verbreitet, Küsschen quasi 0).
Die Bussi-Rituale kenne ich von Schweizer Bekannten (da sinds glaub 3, begonnen links) und von den Verwandten meines Ex-Freundes aus Polen (da variierte die Anzahl und alles, sehr verwirrend).
Mit München hätte ich es nicht assoziiert.

Judith

In Wien ist das - je nach Freundeskreis/bestimmten Kreisen - auch üblich.
Tussige Schülerinnen etwa sehe ich hier ständig bei Bussi-Bussi-Begrüßungen. In Theaterkreisen ist das auch ziemlich üblich - so entkomme ich dem im Theaterverein nicht, obwohl ich das überhaupt nicht mag. Und abgesehen davon assoziiere ich es auch ein bisschen mit Schickimicki-Szene.
So gesehen dürfte das dann tatsächlich eher eine "südliche" Sache sein, keine reine Eigenheit von München.

Cairiel

Mir geht es ähnlich wie Merwyn. Ich lebe in Niederbayern und bin früher öfters mal nach München gekommen, zeitweise sogar wöchentlich bzw. habe wochenweise sogar dort gelebt und, ähm ... Küsschen?  :hmmm:  Nicht in meinem Freundes-/Bekanntenkreis, dort wurde nur umarmt. Aber ich erhebe auch keinesfalls den Anspruch, mich in sämtlichen Kreisen und Gesellschaftsschichten dort herumgetrieben zu haben.

Hier auf dem niederbayerischen Land habe ich den Eindruck, gehen wir Alteingesessenen körperlich gesehen sehr zurückhaltend miteinander um. Keine Küsschen, keine Umarmung, aber Handschlag (auch unter Verwandten, ich habe meine Verwandten - außer meine münchener Tante  ;D - noch nie umarmt und finde die Vorstellung absurd). Neuhergezogene und jüngere Leute sind da die Ausnahme, aber bei der länger ansässigen Bevölkerung merkt man da gar nix. Meine städtischen Freunde mussten es mir erst mühsam anerziehen, mich umarmen zu lassen (was ich heute sehr toll finde, es war nur ungewohnt  ;D ), bei Küsschen würde ich die Flucht ergreifen, glaube ich.

Antonia Assmann

Flucht ergreifen - sehr guter Kommentar, Cairiel!

Also ich kenne es leider auch. Da ich fast mein Leben lang in München wohne, war/ ist das für mich normal. Ich sehe es nur noch als erholsame Ausnahme, wenn mein Gegenüber keinen Versuch macht, mir gleich um den Hals zu fallen. Ich kann es nicht leiden, muss aber sagen, dass es sich durch alles Schichten zieht. Alle Generationen eingeschlossen. Ich kann da, auch nach längerem Nachdenken, keine ausschließen. Wenn man schon denkt, man hätte jemanden vor sich, der darauf verzichtet, bekommt man spätestens beim Abschied zwei Schmatzer auf die Backe, weil man sich ja jetzt kennt ...
Nunja, ich lebe noch. Allerdings ist mir das in anderen Städten nicht so gegangen. Für mich ist das ein Münchner Tick. Warum auch immer ...

Polarfuchs

Also ich wohne seit einem guten Jahr in München und mir persönlich ist nicht aufgefallen, dass diese Küsschensache eine typische Münchenersache ist. Allerdings habe ich hier einen Bekannten, der das mal bei mir versucht hat. (Ich kann so etwas überhaupt nicht leiden  >:( )
Meiner Beobachtung nach machen die Leute diese furchtbare Geste genauso oft wie auch in NRW oder sonst wo...

Adam_Charvelll

In Österreich ist das zweifache Busserl zwischen Mann und Frau völlig normal. Als Oberösterreicher grenze ich ja direkt an Bayern, aber eigentlich wären mir im ganzen Land noch keine Unterschiede aufgefallen. Gerade beim Fortgehen werden weibliche Bekannte so begrüßt und auch wenn dir eine Fremde vorgestellt wird, ist es gängig, dass man diese in dieser Form begrüßt.
Ich bin in letzter Zeit auch öfter einmal zum einfachen Handschlag übergegangen, das zieht aber (wohl auf beiden Seiten) eine Spur Unbehagen mit sich. Das klingt vielleicht seltsam, ist aber wirklich so. Wenn sich diese intime Begrüßung einmal etabliert hat, wirkt ein Handschlag sehr distanziert.

Zwischen gleichgeschlechtlichen Personen kommt das aber meiner Erfahrung nach eher weniger vor. Zwischen Männern eigentlich gar nicht und auch Frauen eher selten.

cryphos

Das "Busserl" in München kenne ich von den Chicks - Mensch gewordenen Hühnern/Hähnen egal welchen Geschlechts und Alters.
Meine Münchner Verwandtschaft busserlt nicht (zum Glück). Auch meine damaligen Arbeitskollegen aus München haben das peinlichst unterlassen als ich in der Nähe von München lebte.
Meine jetzigen Kollegen aus München würde ich wohl niederschlagen, bevor sie mir ein Busserl verpassen können, wobei diese Unsitte gem. meinen Beobachtungen dort eher nicht verbreitet ist.
Auch als ich als Gastdozent an der TU gelesen habe ist mir diese Sitte unter den Studenten nie aufgefallen.

Dafür sind die Franzosen da sehr verrückt drauf. Auch in Österreich bin ich öfter mal über das Busserl gestolpert, weniger im Voralberger (Gsiberger) Umland als viel mehr in Kitzbühl hinten, was aber auch an der (S)Chickeria dort liegen könnte.