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Wer ist "man"?

Begonnen von Sprotte, 25. Februar 2013, 01:41:21

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Thaliope

Ich schließe mich Mondfräulein insofern an, als dass das "man" im ersten Fall wie ein Perspektivbruch auf mich wirkt. Die intendierte Aussage würde ich etwa mit "Es war offensichtlich, dass die Bilder ein Vermögen wert waren" formulieren. Daraus wird klar, dass die Perspektivträgerin davon ausgeht, dass jedermann es erkennen würde.

Wenn es keine personale Perspektive ist, ist das wieder etwas anderes. Wenn beispielsweise ein außenstehender Erzähler eine Situation beschreibt, finde ich das "man" noch möglich. So nach dem Motto "Es ist eine dunkle Bar. In einigen Ecken sieht man heruntergekommene Trinker herumhängen." Ob das "man" hier stilistisch überragend schön ist, darüber kann man wohl streiten, aber rein von der Perspektive her finde ich es hier okay, und es soll ja auch nur ein Beispiel sein.

Und es gibt natürlich durchaus Fälle, in denen das "man" seine Berechtigung hat. Gerade wenn der eigentliche Akteur gesichtslos oder unbekannt bleiben soll, besonders wenn Institutionen gemeint sind. "Man hat uns nur gesagt, dass es um einen neuen Fall geht."

Und so sehe ich es auch in Sprottes zweiten Beispiel. Da ist "man" eine gesichtslose Menge, da finde ich das sehr passend.

Wer nicht so auf seine Sprache achtet, neigt leicht dazu, "man" zu leichtfertig zu benutzen, anstatt sich die Frage zu stellen, wer damit eigentlich gemeint ist. Dadurch wird dann oft verschleiert, wer der eigentliche Handlungsträger ist. Der Sprecher, die Allgemeinheit, ihr alle ... Ich denke, das ist der Grund, warum viele Lehrer etc. diesen Ausdruck erstmal reflexartig anstreichen.
Also ich denke, man (hihi) sollte einfach darauf achten, ob das "man" wirklich das ausdrückt, was man meint.

LG
Thali 

Sanjani

Hallo noch mal,

ich finde, an der Fülle von Interpretationen, die hier reingeschrieben wurden, sieht man :) aber auch sehr deutlich, wie unterschiedlich die Passagen gelesen werden. Bei dem zweiten Beispiel ist es für mich so, dass ich die Gedankengänge derjenigen, die es gut finden, zwar rational nachvollziehen kann, dass es mir stilistisch aber trotzdem überhaupt nicht gefällt und ich es nicht passend finde. Wenn ich das also als Stilmittel verwende, ist noch lange nicht gesagt, dass der Leser es auch so versteht, wie ich es beabsichtige. Das kann einem bei anderen Formulierungen sicher auch passieren, aber bei man vielleicht mehr, denke ich mir.

LG Sanjani
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Sanjani

Hallo Sprotte,

noch mal ich, weil ich das gerade lustig finde und es gerne mit euch teilen möchte: Durch Zufall habe ich in einem etwas älteren Text eine ähnliche Formulierung mit "man" gefunden, wie du, Sprotte, sie angeführt hast. Die Protagonistin - die obendrein in Ich-Form schreibt - stöbert unerlaubt in den Sachen einer Kollegin und schaut sich ein Fotoalbum von ihr an. Und da steht dann: Man sah Fotos von ihrer Mutter und ihrem Vater. Keine Ahnung, warum ich das damals passend fand. Beim Lesen ist es mir jetzt aufgefallen, aber auch nicht so arg aufgestoßen. Vielleicht, weil sie innerlich eine starke Distanz zu der Kollegin spürt, fast schon Abneigung, und sie nicht möchte, dass die Fotos diese Distanz aufweichen. Aus dieser Perspektive heraus weiß ich noch nicht, ob ich das so stehen lasse oder noch ändern werde. Es war auf jeden Fall sehr interessant das noch mal zu lesen mit diesem Thread im Hinterkopf.

LG Sanjani
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)