Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum

Handwerkliches => Workshop => Thema gestartet von: Maria am 06. November 2009, 19:07:03

Titel: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Maria am 06. November 2009, 19:07:03
Ich stecke gerade in meinem derzeitigen Projekt an der Stelle fest, wo sich die Gruppe mit meiner Heldin auf eine längere Reise begibt. Wenn ich mir vorstelle, dass ich mehrere Tage, vielleicht auch länger in der Wildnis unterwegs wäre, wäre mein Trekkingrucksack sicher prallvoll beladen. Nur macht sich in Fantasybüchern kaum jemand mit einem Trekkingrucksack auf den Weg, meist haben die Leute grad mal eine kleine Tasche bei sich oder eine Art Seesack für Proviant, aber frische Wäsche oder etwas wie Seife wird nicht sehr oft erwähnt. Vielleicht habe ich auch  nur zu wenig Bücher gelesen.

Wie "sauber" gehen eure Helden auf ihre Reisen durch die Wildnis?
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Ary am 06. November 2009, 19:13:03
Meine Leute haben immer einen Satz einfacher Wechselklamotten dabei, nutzen todesmutig auch bei Sauwetter natürliche Wasservorkommen wie Seen und Flüsse/Bäche und meistens haben sie auch ein kleines Stückchen Seife dabei, vor allem die Damen (die dann aber die Seife oftmals auch den Herren andrehen, denn wer will schon mit jemandem zusammen reisen, der stinkt wie eine alte Socke?) Wobei... ich habe auch männliche Charaktere, die badesüchtig sind und lieber sauber als dreckig.
Gerade, wenn Held/Heldin verfolgt wird, ist es von Vorteil, nicht zu stinken.
Und frische Klamotten werden notfalls auch mal des Nächtens von irgendjemandes Wäscheleine entwendet, wenn die eigenen vollkommen zugesumpft sind.
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Nachtblick am 06. November 2009, 19:16:17
Meine Protagonistin darf regelmäßiges Waschen von ihrem männlichen Begleiter erst lernen. Er kauft sich, nachdem er anfangs mittellos ist, schließlich eine Seife, sie ist eher daran gewöhnt, sich mit Kräutern oder Salbei und wilder Minze nach dem Baden "abzureiben" oder das als eine Art Deo zu benutzen.

Die meisten meiner Charaktere gehen baden, wenn es sich ergibt, und nicht alle haben immer unbedingt viel Zeit zum Baden. Meist ist es ein schönes Bad, was man sich dann nach langer Reise in Aussicht stellt, statt sich zu kalter Jahreszeit in irgendwelche Tümpel zu wagen, wo man jederzeit vom Feind überrascht werden könnte  :no:

Ich würde deiner Heldin ein Stück Seife in die Tasche schieben und damit in Bach oder See hüpfen. :D
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Nachtaktive am 06. November 2009, 19:57:20
So blöd es auch klingt, ich stell mir immer vor, dass bei so komplizierten langen Reisen Sauberkeit das kleinste Problem ist. Sicher freuen sich immer alle wenn sie endlich wieder sauber sind, aber meistens finden sich meine Protas auf reisen damit ab zu stinken und nur notdürftig Katzenwäsche zu betreiben.
Lieber dreckig, als eine Lungenentzündung riskieren.  ;D
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Tenryu am 06. November 2009, 20:21:57
Früher haben die Leute auch nur einmal in der Woche gebadet und frische Sachen angezogen. (Und damit meine ich nicht das Mittelalter.) Die Franzosen haben sich nie gewaschen, sondern Parfüm und Puder benutzt. Auf Schloß Versailles gab es nicht eine einzige Toilette. (Man behalf sich mit Eimern hinter einem Vorhang...)

Wir dürfen unsere (oft übertriebenen) modernen, abendländischen Sauberkeitsvorstellungen nicht zur Norm erheben. In vielen Gegenden der Welt ist Wasser knapp. Wer etliche Kilometer weit gehen muß, um Wasser zu holen, und das selber schleppen muß, wird keinen Tropfen davon fürs Waschen verschwenden...
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Manja_Bindig am 06. November 2009, 21:30:02
Meine Charaktere können damit leben, sich eine Woche nicht zu waschen oder Kleidung zu wechseln - aber sie ziehen es doch vor, jede Gelegenheit dazu zu nutzen, die sich bietet. Man weiß ja nicht, wann die nächste kommt. :)

Im ersten Teil meiner Trilogie halten sich meine beiden Hauptcharas vor allem in einer Stadt auf, in der es ein gut ausgebautes Netz günstiger Badehäuser gibt, das sie vielleicht ein bis zweimal die Woche frequentieren und dort auch ihre Wäsche machen lassen.

Im Zweiten sind sie zum Großteil ebenfalls in einer hygienisch gut ausgebauten Umgebung, reisen aber auch sehr viel umher - und da zeigt sich, dass sie zwar durchaus SAuberkeit zu schätzen wissen, aber eben auch keinen Aufstand darum machen. Wenn man sich waschen kann, wäscht man sich, ansonsten bringt es nix, darüber zu jammern. :)


@Tenryu: Nicht so allgemein, bitte. "Früher" kann auch das einsetztende 20igste Jahrhundert sein. ;)  Und auch die Franzosen des Absolutismus waren nicht alle solche Ferkelchen. Die Armen konnten sich kein Puder und Parfüm leisten. Und das Bürgertum und die Bauern haben sich nach wie vor gewaschen... übrigens galt das Nicht-Waschen als hygienisch, weil man fürchtete, das Wasser übertrage Krankheiten. ;)
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Lomax am 06. November 2009, 22:06:46
Zitat von: Manja am 06. November 2009, 21:30:02übrigens galt das Nicht-Waschen als hygienisch, weil man fürchtete, das Wasser übertrage Krankheiten.
Durchaus nicht zu Unrecht  ;D
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Churke am 06. November 2009, 22:27:52
Und den frühen Christen galt Körperpflege als heidnisch. Für Mönche war 1 Bad pro Monat das höchste der Gefühle. Der heilige Hilarius wusch sich nur an Ostern und die Kleider sowieso nie. Man sieht: Alles eine Frage der Einstellung.

ZitatWenn ich mir vorstelle, dass ich mehrere Tage, vielleicht auch länger in der Wildnis unterwegs wäre, wäre mein Trekkingrucksack sicher prallvoll beladen.
Hamse gedient?  ;D
Auch das Marschgepäck eines modernen Soldaten erlaubt es nicht, jeden Tag das T-Shirt zu wechseln.
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Tenryu am 06. November 2009, 23:39:55
Soldaten tragen nie Kleidung zum Wechseln bei sich. Die brauchen den Platz im Rucksack für die Beute, die sie den besiegten Feinden abnehmen.

Bevor es Waschmaschinen gab, haben die meisten Leute (zumindest diejenigen die keine Dienstboten hatten), ihre Wäsche nicht so oft gewechselt. Das Waschen macht nämlich ziemlich viel Arbeit. Und im Winter dauert es lang, bis die Sachen trocken sind, sintemal gut beheizte Stuben auch eher etwas für die reichen Leute waren.

Wenn ich bedenke, wie viele Leute sich jeden Tag waschen, aber dann nichts dagegen haben, daß ihr stinkender Hund (der ganz gewiss nicht jeden Tag gebadet wird) auf dem Sofa liegt...

Wenn ich nicht aus dem Haus muß, wasche ich mich auch nicht so oft. Ich muß ja schließlich dem Klischee des schmuddeligen Künstlers entsprechen.  :D
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Ary am 07. November 2009, 08:47:53
Ich merke immer, wie  "gut" man es überleben kann, nicht jeden Tag zu duschen (was ich eigentlivhimmer mache), wenn wir auf dem Mittelaltermarkt sind. Entweder es gibt dort gar keine Duschmöglichkeit, oder die Duschen sind so weit weg, dass man einfach keinen Nerv hat, da jeden Tag hinzutapern. Wenn s auf dem Markt einen Badezuber gibt, wird der einmal pro Wochenende frequentiert, da wird man nicht nur halbwegs sauber, das macht auch noch Spaß. Gibt es keinen Zuber, hab ich aber zumindest eine Waschschüssel im Zelt, vor allem, wenn's ser heiß ist. Ich hasse es nun mal, zu kleben. :)

Übrigens, Tenryu -woher weißt Du so genau, dass Soldaten nie Wechselklamotten bei sich haben? Quelle?
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Bisou am 07. November 2009, 11:15:15
Gute Frage.  :hmmm: Ich handhabe es meistens so, dass meine Protagonisten sich an und in Bächen waschen, das kann Katzenwäsche sein, kann aber auch mit Seife. Wobei Seife dann doch eher was für mein Königsbürschchen ist und meine Bauerstochter auf Seife verzichtete.
Ich glaube, das ist auch einfach eine Sache der Umweltgegebenheiten. Wenn die Protagonisten durch fruchtbares Land mit zahlreichen Flüssen reiten, können sie ja schon mal ab und an ein Bad nehmen, wenn es aber dann durch die Wüste geht, werden sie mit Sicherheit den Teufel tun und ihr letztes Wasser für eine Katzenwäsche verschwenden.
Dementsprechend handhabe ich das auch. Wenn sie sich waschen können machen sie das, wenn nciht, dann eben nicht.
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Luciel am 07. November 2009, 11:26:08
hm, da ich über Elfen schreibe, habe ich dieses Problem großzügig übergangen ... Elfen sind eben von Natur aus sauber und gut riechend  ;D
Meine Protagonistin war aber einmal blutverschmiert (Blut von jemand anderem) und musste dann ein Bad in einem See nehmen. Da sie in einer Gruppe reist war Scham dabei eigentlich das größte Problem und sie hat in ihrem Unterkleid gebadet. War eher eine Katzenwäsche.
Worüber in Büchern auch immer sehr großzügig hinweg gesehen wird, ist der besondere Hygienebedarf von Frauen an einigen Tagen des Monats. Ich gebe zu, dass ich auch nicht darüber schreibe, sondern es unter all die alltäglichen Dinge fallen lasse, die sich der Leser eben selbst vorstellen muss. Logisch ist das nicht, ich weiß ... wenn man mal bedenkt, wie viele Seiten dem Essen oder der Kleidung gewidmet werden ....
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Shay am 07. November 2009, 11:42:23
Bei mir hängt das auch stark von der Kultur der Leute ab. Ich hab ein Volk, die zwar recht primitiv sind, dafür aber sehr reinlich. Die nutzen jede Gelegenheit zum Baden und wenn's ei eisbedeckter Tümpel ist. Andere können schonmal damit leben, daß es ein paar Wochen nur dazu reicht, Gesicht und Hände zu waschen, wenn sie gar zu schmutzig sind. Kleidung zum Wechseln haben meine Leutchens dagegen fast nie dabei. Allenfalls mal einen lendenschur zum Wechseln, aber das wars dann. Wenn es keine Gelegenheit gibt, die Klamotten zu wechseln, bleiben sie halt dreckig.

Zitat"Früher" kann auch das einsetztende 20igste Jahrhundert sein.
Also meine Großeltern '44 ausgebombt wurden, mußten sie eine Aufstellung ihrer ganzen habe für die Versicherung machen. Ich hab die mal gesehen. Meine Oma hat damals genau 5 Garnituren Unterwäsche besessen und das als Tochter aus eher großbürgerlichem Hause!
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Moa-Bella am 07. November 2009, 11:54:47
Vielleicht will man als leser auch garnicht wirklich wissen, wie dreckig die Protagonisten nach einer Wochenlangen Reise sind. Eins meiner Projekte spielt nur im Zeitraum von ein paar Tagen, da ergibt sich das Problem nicht, aber ansonsten nutzen meine Protagonisten jede Gelegenheit um sich zu waschen. Zu autentisch-mittelalterlich muss das Ganze dann doch nicht sein.
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Joscha am 07. November 2009, 12:07:46
Über dieses Problem habe ich bisher noch gar nicht nachgedacht. Da ich sowieso immer größere Zeitabstände zwischen den einzelnen Szenen habe, kann sich der Leser selbst vorstellen, ob meine Protagonisten jetzt in der Zwischenzeit baden oder nicht. Ich erwähne es zwar nicht, aber es ist schließlich für die Handlung auch nicht wichtig.
Man könnte also sagen, die Sauberkeit meiner Protagonisten hängt vom Hygienebewusstsein der leser ab. ;D
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Nachtblick am 07. November 2009, 12:16:53
Abgesehen vom Hygieneproblem schreibe ich einfach gerne Badeszenen oder finde sie für die Story zumindest hin und wieder hilfreich, da sich sie eine Art kurze "Entspannung" des Plots darstellen, ein bisschen Atempause vom ewigen Hin- und Hergerenne zwischen Antagonisten und Protagonisten.  :D
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Manja_Bindig am 07. November 2009, 12:55:45
Naja... das weibliche Hygieneproblem lässt sich vielleicht daher erklären, dass High-Fantasy nun mal üblicherweise in einer Zeit angesiedelt ist, in der Frauen nur dann permanent auf Achse waren, wenn sie Spielleuten angehörten - und zum einen schickte es sich nicht, über das Leben des LEichten Volkes zu berichten, zum anderen war der weibliche Zyklus ja noch mehr Tabu.
Ich lös das so, dass meine Mädels immer n paar Lumpen haben, die sie als Tampon oder Binde benutzen und bei jeder Gelegenheit waschen. (dafür werden eben auch Stoffetzen benutzt, die zu sonst nix mehr taugen, mit denen man also auch nicht mal mehr flicken kann.
Man kanns natürlich auch machen wie Mercedes Lackey und eine Art "Pille" einführen - zum einen als Schwangerschaftsverhütung zum anderen, damit das Hygieneproblem sich erledigt und ihre weiblichen Heralds ungehindert in die Schlacht ziehen können.
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Nachtaktive am 07. November 2009, 12:58:43
Bei mir ist es irgendwie genau umgekehrt.
Frei nach dem Motto, dass bestimmte Dinge einfach immer zu den unpassensten Zeiten geschehen hab ich schon oft die berühmte "Badeszene" damit beschlossen, dass genau in diesem Moment wo die Waffen nutzlos am Ufer liegen die gegnerische Partei vorbei kommt. Bin da wohl etwas sadistisch angehaucht :snicker:
Ich schreib vor allem gerne nach Abschluss der Reise über die anschließende "Generalreinigung". Ich kann mir auch gut vorstellen, dass es mir persönlich, wenn ich auf so einer Reise wäre nach der Eingewöhnung nicht mehr so viel ausmachen würde dreckig zu sein, solange wie sozusagen alle gleich schlimm stinken.
Unangenehm wirds deßhalb auch immer erst für meine Helden, wenn sie in eine Stadt oder im allg. zurück in die Zivilisation kommen. Das Prinzip des Herdentieres
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Lucien am 07. November 2009, 18:06:35
*räusper* Zwei meiner wichtigen Nebenfiguren (eine davon weiblich) leben hauptsächlich in der Wildnis, schlafen in Erdhöhlen und sind ständig auf der Flucht. Wenn sie sich mal eine Verschnaufpause gönnen können, reicht es meistens nur für eine Katzenwäsche. Kleidung zum Wechseln haben sie für gewöhnlich nicht. Bei Bedarf wird halt was neues gestohlen. Sie werden wohl des öfteren mal ziemlich stinken. Bei solchen "wild lebenden" Figuren mache ich mir eher weniger Gedanken wegen der Hygiene.
Aber bei den Figuren, die in Stadt und Co. beheimatet sind, achte ich kurioser weise sehr auf die Hygiene. In meiner Fantasy-Mischwelt gibt es sogar recht moderne sanitäre Einrichtungen.  ;D
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Anamalya am 07. November 2009, 19:20:07
Bei mir halten sich einige Protas großteils in Ortschaften oder Städten auf, in denen es zumindest öffentliche Brunnen gibt, wo sie sich Wasser zum Waschen holen können. Allerdings geht es dann auch mal ins Gebirge, wo keine Menschenseele mit Badewanne weit und breit ist  ;D Das heißt, wenn sie sich waschen wollen, müssen sie das in eiskalten Quellen tun, außer sie machen sich die Arbeit, das Wasser in einem Kessel zu erhitzen. Eine Garnitur Ersatzwäsche haben sie dabei. Ich glaube, dass sie sich bei der Kälte eher selten waschen, höchstens einmal die Woche.
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Dämmerungshexe am 10. November 2009, 14:45:15
An sich denke ich über solche Problem schon nach, wenn es dann aber ans Schreiben geht lasse ich das Thema meist außer Acht. lediglich "nach" einer Reise, bzw. bei einer Zwischenstation beschriebe ich dann mal zumindest ansatzweise die Körperpflege.

Was mich allerdings schon öfters verwundert hat sind Szenen oder auch ganze Abschnitte in Geschichten, in denen die Figuren irgendwo eingesperrt sind - sei es tatsächlich als Gefangene in einem Kerker oder sonstwie. Es wird praktisch nie erwähnt wie es speziell um Ausscheidungen und ähnliches bei solchen gelegenheiten steht. Ich meine dass es relativ klar ist, dass es in einem keker, der ja nicht auf Komfort ausgelegt ist, zumindest ein Loch im Boden geben wird. Angenehm stelle ich mir das aber auch nicht gerade vor.

Das einzige mal, dass ich mich aktiv an eine Szene erinnern kann wo der Toilettengang eine richtige Rolle gespielt hat, war als es er als Erklärung dafür gedeinet hat, warum der eine Charakter alleine in eine verzwickte Situation geraten ist.

Ich denke dass das "Fehlen" solcher Themen in Geschichten nicht einfach nur mit einem gesellschaftlichen Tabu zu tun hat, sonderna uch damit, dass wir uns in Erzählungen nunmal nicht allzu gerne mit dem allzu Alltäglichen aufhalten wollen.
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Tenryu am 10. November 2009, 15:16:16
Wie oft liest man schon in einem normalen Roman, daß jemand aufs Klo geht oder sich die Zähne putzt? Wenn es für die Handlung nicht relevant ist, braucht man das nicht unbedingt zu erwähnen.
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Ary am 10. November 2009, 15:22:06
Klar. Aber WENN es wichtig ist, sollte man sich auch gedanken darüber machen.
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Geli am 11. November 2009, 08:22:12
Das Loch im Boden im Kerker ist eine Illusion.
Überlegt mal: die meisten Gefängnisse waren Verliese.
Derartiges ist entweder im Erdgschoss und hat einen gestampften Erdboden, oder es ist "im Keller" und da geht es nun mal nicht noch eine Etage tiefer, damit irgendetwas oder jemand durch ein Loch nach unten verduften könnte.

Alles, was ich in dieser Hinsicht noch im 18. Jahrhundert an "Komfort" gelesen habe, war Stroh ...
Jawohl, ihr Lieben, so und nicht anders ist das.

Hygiene, so überhaupt, fand durch Haarekämmen statt, um Läuse loszuwerden.
Schaut Euch mal bei Gelegenheit einen Reisebericht über Ladakh oder Nepal an und betrachtet die Gesichter der Kinder. Dreck schützt. Gegen Kälte und Dämonen.
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Ary am 11. November 2009, 08:55:50
Oh, wie bin ich doch nett, dass ich meinen Eingekerkerten ab und zu einen Eimer gönne, der sogar ab und zu mal geleert wird.  ;D
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Geli am 11. November 2009, 10:09:04
Zum Eimer:
Dazu könnte Christian Friedrich Daniel Schubart, 1777 auf Hohenasperg eingekerkert manches berichten.

http://www.zeit.de/2004/43/A-Hohenasperg

Ich hoffe, der Link funktioniert.
Die im Artikel erwähnte Hafterleichterung beinhaltete auch einen Leibstuhl.
... der 1x pro Monat geleert wurde. Denk Euch den Rest selbst.
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Lynn am 11. November 2009, 11:01:27

Darf ich die Diskussion mal weg von den Figuren auf die naechst hoehere Ebene lenken?

Denkt mal an den Leser. Solche Alltaeglichkeiten interessieren ihn nur am Rande. Er weiss, dass die Figuren sich mit dem ein oder anderen menschlichen Beduerfnis auseinander zu setzen haben. Wie oft geht jemand am Tag auf Toilette, waescht sich die Haende etc.? Das jedes Mal im Text zu bringen, ist m.E. ziemlich unsinnig, denn (m.E.!!) reisst es den Leser jedesmal aus der Geschichte heraus. Um es ueberspitzt zu sagen: Im 'schlimmsten Fall' ist er genervt, im 'besten Fall' ueberblaettert er die Sequenz. Tja, und was wenn ihr diese Sequenzen benutzen wolltet, um. z.B. den Hinterhof des Gasthauses zu beschreiben?  Er wird es nicht lesen.

Und vor allem: Ihr vergebt euch etwas! Wenn ich in einer Geschichte x-mal eine Szene habe, in der jemand ohne dass es die Handlung vorantreibt oder etwas mit ihr zu tun hat, z.B. in der Badewanne liegt, ich dann aber eine Szene habe in der bei einer solchen Gelegenheit tatsaechlich etwas passiert, ist das trotzallem 'nur' eine Szene von vielen, in der eben ausnahmsweise etwas passiert. Ist das die einzige Szene in der die Person in der Badewanne liegt und es geschieht etwas, hat die ganze Szene im Text selbst einen ganz anderen Stellenwert. Ihr seht, was ich meine, oder? Weniger ist mehr! (Uebrigens der Lieblingssatz meiner Lektorin  ;)  )

Und noch ein ganz anderer Punkt: Wer nicht zu den gluecklichen gehoert, die ihren Text vom Umfang her punktgenau abliefern, wird ihn in der Regel kuerzen muessen. (Mein ewiges Drama) Die Szenen die dann zuerst rausfliegen duerften, sind die, die der Handlung nichts bringen. Warum sie also zuerst schreiben? (O.K. wer keine Deadline im Genick hat, fuer den ist das vielleicht zweitrangig, aber fuer alle anderen ....?)

Vielleicht sagt jetzt der ein oder andere: aber ich brauche in einem Roman auch ein paar Szenen, in denen es nicht Schlag auf Schlag geht, damit der Leser auch mal entspannen / durchatmen kann. Klar.  ;) Aber doch nicht gerade beim Gang auf's '00' oder in der Badewanne, oder? Da kann ich mir schoeneres vorstellen  ;D
Und auch 'Ortsbeschreibungen' lassen sich m.E. anders 'aufziehen'.

Wie gesagt: das alles bezieht sich auf Szenen, die die Handlung nicht vorantreiben. Szenen, die die Handlung tatsaechlich 'braucht' sind was anderes.

:hmhm?: Das sind jetzt keine Allgemeingueltigkeiten oder wie auch immer man das ausdruecken will, sondern schlicht meine Herangehensweise an das 'Problem'.  ;) Mit der ich bisher ziemlich gut gefahren bin.   8)

P.S. Ich habe einiges jetzt bewusst etwas polemisiert und ueberspitzt dargestellt. - Es moege sich bitte niemand auf die Fuesse getreten fuehlen.
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Churke am 11. November 2009, 12:38:09
In einem der Sparta-Romane erwähnt Paul Preuss ausdrücklich, dass der Held vor einem Einsatz noch mal die Blase entleert. Offen gestanden ist DIES das einzig Konkrete, an das ich mich noch erinnern kann. Das spricht nicht dafür, dass es überflüssig ist/war.  ;)

ZitatWie oft geht jemand am Tag auf Toilette, waescht sich die Haende etc.?
Der Witz ist ja, dass die Romanfiguren nicht "mal eben auf Toilette" gehen, sondern dazu gewisse Vorrichtungen haben. die zu erfahren für den Leser möglicherweise interessant. Die hygienischen Verhältnisse halte ich jedenfalls für ein extrem wichtiges Detail. Am Umgang mit diesen Dingen erkennt man die Sauberkeit einer Gesellschaft.

Wenn ich also beschreibe, wie man in Versailles die Geschäfte verrichtet, sagt das wahrscheinlich um einiges mehr aus als 2 Seiten über den Spiegelsaal. Und da gibt es noch viele andere Stories... Wobei ich natürlich festhalte, dass es nicht um das Geschäft an sich geht, sondern um die Art und Weise, wie das Geschäft in dieser Gesellschaft verrichtet wird.
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Nachtaktive am 11. November 2009, 13:55:59
Ich glaube auch, dass man vielen Lesern erstmal klar machen muss, dass der Hygienestandart der heutigen Zeit bei weitem nicht normal ist.
Ich meine, nicht jeder hat eine Manie für historische Romane ( so wie ich, ich gehe meinen Fantasyfirguren mit schöner Regelmäßigkeit fremd ;) )
Ich geb Lynn recht, dass es nicht unbedingt viel wert hat, alle Nase lang einfach nur einen Badevorgang oder eine Klositzung nur um des Badevorgangs oder der Klositzung Willen zu schreiben :)
Aber wenn ich eine Szene in einem Kellerverlies habe, dann macht sich jeder Mensch automatisch Gedanken über grundlegende Bedürfnisse. Ich habe schon viele solcher Szenen gelesen und da wird eigentlich immer beschrieben wie es um die "sanitären Anlagen" bestellt war. Weil es einfach zur Ausgangssituation gehört, ebenso wie kalte, ungeheizte Räume. Allerdings denke ich auch, dass da ein oder zwei Sätze durchaus reichen. Im normalen Leben unterhalte ich mich ja auch nicht mit anderen Leuten darüber wie sie duschen oder das Klo benutzen ( :rofl: )
Also, für mich geht es darum: Bringt mich die Beschreibung dieser Beschäftigungen weiter? Kann ich dadurch beispielsweise anderen die Situation näher bringen, deutlich machen wie gut/schlecht es grade um meine Protas steht? Oder bringt die Szene zusätzlich Atmosphäre (hier ausschließlich Badeszenen ;) )?
Wenn das nicht zutrifft lass ich sie auch lieber weg
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Moa-Bella am 11. November 2009, 13:58:50
Wirklich notwendig finde ich dasim Allgemeinen nicht, irgendwie stört es mich auch ein wenig, wenn alle "dreckigen" Details beschrieben werden. Manches muss man wirklich nicht wissen. Wenn es storytechnisch relevant ist, sollte es erwähnt werden, wenn man einen historischen Roman schreiben will und es für nötig erachtet, kann man es auch reinschreiben, aber ansonsten würde ich es eher weglassen.
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Ary am 11. November 2009, 14:07:19
@Geli: Danke, Link funktioniert.

@Lynn: Klar muss man nicht jedes Fitzelchen beschreiben, wenn es die Handlung nicht vorantreibt. ich beschreibe auch nur, dass auch meine Charaktere mal müssen, wenn die Situation für sowas gerade wirklihc absolut besch***eiden ist. Auf der Flucht zum Beispiel. Da sitzen sie nun hiter der Mauer udn trauen sich nicht raus, weil auf der anderen Seite die bösen verfolger nur darauf warten - und dann piepst plötzlich ein leises Stimmchen: "Leute... äh... ich muss mal... ganz dringend..."
"Doch nicht JETZT! *stöhn*"
;D
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Antigone am 11. November 2009, 18:07:13
Ich hab bei diesem Thema die ganze Zeit das Gefühl eines Deja Vus. Und tatsächlich gab es so ein Thema schon:

http://forum.tintenzirkel.de/index.php/topic,1721.0.html

lg, A.
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Sin am 16. Dezember 2009, 18:37:14
Also meine Charas machen sich da wenig draus. Vor allem, weil zwei von ihnen Wandler sind, ein Fuchs und ein Wolf. Sie leben viel in der Wildnis. Haben sie sich Waschen wollen, dann gehen sie einach in einem Fluss baden.

Allerdings bringe ich sowas meist nicht in meine Geschichten ein. Nur wenn es die Handlung vorantreibt. So z.B. etwas wichtiges beim Baden passiert. Oder in Sieuationen, wenn sie gefangen sind o.ä. Dann würde ich es nur kurz ansprechen, dass sie eine Ecke dafür haben.

LG
Sin
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Arrisull am 18. Dezember 2009, 18:42:16
Vor dem gleichen Problem stehe ich im Moment auch. Meine zwei Protagonisten sitzen im Schnee, in einer Hütte auf einem Berg fest nachdem sie einen anstrengenden Aufstieg hatten. Kein fließend Wasser, noch Strom. Sie kam dann auf die glorreiche Idee Schnee in einem Topf auf dem Ofen zu schmelzen und Katzenwäsche zu betreiben. Wobei ich aber auch gerade überlege diesen Teil zu streichen, da er in meinen Augen nicht wichtig ist und auch nicht zur Handlung beiträgt. Man muss einfach abwägen, ob es für den Leser wichtig ist dies und jenes zu wissen oder ob es zur "Stimmung" des Buches beiträgt.
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Moa-Bella am 18. Dezember 2009, 18:59:07
Viele Details, z.B. auch über das Waschen können das Buch realistischer und lebendiger machen, man sollte es aber nicht übertreiben. Dauernd zu lesen, wie sich die Protagonisten waschen oder so etwas kann auch nerven und manches will man vielleicht garnicht wissen. Es ist aber logisch, wenn sich eine Person nach einer langen entbehrungsreichen Reise waschen will. Wenn es meiner Meinung nach nicht in die Geschichte passt, lasse ich das aber aus, es stört am Ende doch nur.
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: Lavina am 18. Dezember 2009, 20:48:26
Ich lasse meine Charaktere gerne baden (geduscht hat bisher noch keiner :hmmm:) oder sich wenigstens ein wenig waschen. Es gibt ihnen und dem Leser eine kleine Verschnaufpause. Jeder weiß doch, wie gut einem manchmal ein Schwall kühles Wasser ins Gesicht tut.
Gebadet wird meist nach großen Anstrengungen, langen Reisen und ähnlichem. Dabei denken sie meistens über das erlebte nach oder wie es weiter gehen soll. Ich halte diese Szenen aber kurz, denn ich selbst kann zwar Stunden in der Badewanne liegen aber ich will keinem Leser zumuten sich durch eine fünf Seiten lange Badeszene kämpfen zu müssen. Deshalb sind solche Szenen bei mir nur selten und auch nur wenn es wirklich rein passt
Auf Reisen gibt es allerdings meistens nur eine Katzenwäsche, die höchstens beiläufig erwähnt wird.

Was den Gang zum Klo betrifft, habe ich mich mit meinen Charakteren darauf geeinigt, dass sie dieses Bedürfnis bis zum nächsten Szenenwechsel oder bis zur Lesepause verkneifen müssen. Wer will denn so etwas lesen? :hand:

Da fällt mir auf, dass ich mir über das Zähneputzen noch nie Gedanken gemacht habe.
Titel: Re: Das Hygieneproblem
Beitrag von: LoneRanger am 18. Dezember 2009, 22:10:06
In einem meiner Projekte hat die Antagonistin vergessen, die Damenhygiene mit an Bord eines männlich geführten Raum-Frachters zu nehmen. Leinentücher als Binden und ein Schottenrock (oppositionelles Requisit des Captain) helfen weiter, die Abhängigkeit an dieser Stelle schwächt aber auch die Rolle der Antagonistin und das Ganze gehör zum Thema - wie im richtigen Leben auch - finde ich. Als der Captain völlig verkatert von einer vollen Blase ins Bad getrieben wird und beim Duschen sein (weiblicher) Bordrechner die Wassertemperatur reguliert und inzwischen überfällige Arbeiten eingeleitet hat, wird die Änderung der internen Hackordnung wieder durch Hygiene-Abläufe dargestellt.

Wir müssen nicht ins letzte Detail gehen, weder bei Gewalt, Sex- oder Hygieneszenen - aber ich halte es für einen Fehler, sie nicht zu nutzen. Gerade in dieser Phasen sind die Helden geschwächt. Wer hört nicht gerne beim Pinkeln das Knacken eines Astes ein paar Meter hinter sich oder ist ein reinlicher Mensch und diskutiert mit dem Helden einen längeren Stopp um die Socken zu waschen. Wir verschenken da etwas,

findet der LoneRanger