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Allgemeines => Buch- und Verlagswesen => Thema gestartet von: Volker am 15. Oktober 2009, 23:39:58

Titel: Keine Chance bei großen Ketten: "Payola" bei Thalia (und anderen)
Beitrag von: Volker am 15. Oktober 2009, 23:39:58
Thalia lässt sich (wie vermutlich andere große Ketten auch) nicht nur
den gesetzlichen Höchstrabatt geben, sondern weitere Rabatte wie
Skonti, "Werbeaufwände", etc.

Quelle: http://blog.fefe.de/?ts=b42b2529 (http://blog.fefe.de/?ts=b42b2529) und
http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/487972 (http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/487972)

ModEdit Grey: Habe mal den ersten Link korrigiert. 8)
PostEdit Volker: ..und ich die Korrektur  ;D
Titel: Re: Keine Chance bei großen Ketten: "Payola" bei Thalia (und anderen)
Beitrag von: Tenryu am 16. Oktober 2009, 06:54:47
Das ist nun einmal so in unserem kapitalistischen Wirtschaftssystem: Jeder schaut zuerst nach dem eigenen Profit.
Aber die Verlage müssen dabei ja nicht mitmachen. Solche Summen können sich nur die ganz großen leisten. Wenn die das nicht bezahlen, kann Thalia schauen, wem sie das Geld abknöpft.

Letztlich liegt es auch in deren Interesse, möglichst viele Bücher zu verkaufen. Und einen drittklassigen Roman von einem unbekannten Autor wird ohnehin kein Buchhändler auf den Präsentiertisch legen.

Und was die "armen" Autoren angeht. Sie tragen auch ihren Teil zu dem System bei, indem sie (vertreten durch gerissene Agenten) möglichst schon im Voraus riesige Garantiehonorare wollen, was den Verlag wiederum dazu zwingt, alles zur maximalen Verkaufsförderung zu tun. Heute will ja keiner mehr auf die normale Gewinnausschüttung warten.

Wenn sich die e-Books durchsetzen sollten, wird es aber keine Verlage mehr geben, und Buchhandlungen braucht es dann auch nicht mehr...
Titel: Re: Keine Chance bei großen Ketten: "Payola" bei Thalia (und anderen)
Beitrag von: Kerimaya am 16. Oktober 2009, 07:24:44
Zitat von: Tenryu am 16. Oktober 2009, 06:54:47
Und was die "armen" Autoren angeht. Sie tragen auch ihren Teil zu dem System bei, indem sie (vertreten durch gerissene Agenten) möglichst schon im Voraus riesige Garantiehonorare wollen, was den Verlag wiederum dazu zwingt, alles zur maximalen Verkaufsförderung zu tun. Heute will ja keiner mehr auf die normale Gewinnausschüttung warten.

Wenn sich die e-Books durchsetzen sollten, wird es aber keine Verlage mehr geben, und Buchhandlungen braucht es dann auch nicht mehr...

Genau, und Schuld an allem ist die weltweite Verschwörung der Medien! Oder der BILD! Oder die geheimen Weltherrschaftspläne der Hamster!

Sorry, aber das ist nun wirklich platt daher gesagt. (Gerissene Agenten und fiese fiese Verlage....man.) Der Artikel über Thalia hat mich persönlich sehr geschockt, aber abstruserweise nicht überrascht. Amazon zieht ein ähnliches Modell seit Jahren durch und dieser Skandal ist bereits wieder in der Versenkung verschwunden.

Der Verlagsbetrieb ist ein Betrieb wie jeder andere auch - er ist mit ebensolchen Nachteilen wie jede andere Maschinerie "gesegnet", aber trotz allem noch an das Bild der schmierigen, ewig geldgeilen und sabbernden Verlagsvertreter zu glauben ist schlichtweg naiv. Von den Autoren, die nur fürs Geld schreiben und daher den Verlagen hinterher rennen, ganz zu schweigen!

Ich bin die letzte, die nicht zugibt, dass es in der Literaturbranche viele Stolperfallen und auch Abzocker gibt, aber: derartige Verallgemeinerungen sind gefährlich und reissen alle (auch die Unbescholtenen) mit rein. Die Aussage "Ja, die großen Buchhandlungsketten machen was schlimmes, aber da sind die Autoren und Verlage ja selbst dran Schuld!" ist schlicht und ergreifend falsch und macht das Opfer zum Täter.
Titel: Re: Keine Chance bei großen Ketten: "Payola" bei Thalia (und anderen)
Beitrag von: Chuck am 16. Oktober 2009, 09:10:47
Da möchte ich Kerimaya vollkommen recht geben.

Solche finanzwirtschaftlichen Vorgänge sind ja deswegen so unberechenbar und meist ein Fass ohne Boden, da es ein Kreislauf ist - und aus solchen lässt es sich manchmal schlecht aussteigen, selbst wenn man das will. Nicht jeder der bei Thalia sitzt ist böse, genauso wenig wie bei den großen Verlagen. In heutiger Zeit (aber auch schon früher) läuft es eben so, wer große Anteile am Markt hat, der kann auch bestimmen. Das ärgert und kotzt zwar an, aber es ist so. Alles andere schwingt wie ein Katzenschwanz hinterher.

Mir wäre es auch lieb, wenn alle Verlage (die großen) zum "Boykott" aufrufen, aber dann würden vermutlich andere wieder auf der Matte stehen. Das ist ja das Problem mit der Macht. Die Großen sind auf einzelne nicht angewiesen.

Vorausgesetzt von den Großen ändert niemand sein Vorgehen, dann hängt es nun einmal am kleinen Mann, etwas daran zu "ändern" oder in andere Bahnen zu lenken. Ob nun Schuld oder nicht. Wahnwitzige Dumpingpreise gibt es ja nicht erst seit gestern. Aldi und Co. gehören da mit zu Vorreitern und man denke an die Milchdiskussion, die eigentlich nicht anders ist.

Daher habe ich für mich persönlich vor längerer Zeit entschieden: Ich schaue mir das Produkt an und versuche zu kalkulieren, was es mir denn wert ist. Wenn ich es gerne haben möchte, dann bin ich auch bereit einen etwas größeren Betrag dafür auszugeben oder in einem kleinen Laden auf die Bestellung zu warten. Geduld ist da ein ziemlich gutes Stichwort.

Früher oder später gibt es aber in jeder Wirtschaft Schwankungen, die vollkommen normal sind. Will heißen, dass es auch in dieser Buchentwicklung irgendwann einen Knall geben wird. Vermutlich werden bis dahin einige Verlage, Schriftsteller und Agenturen auf der Strecke geblieben sein, aber es wird weitergehen. Und da so eine Entwicklungen oder solche Formkurven bekanntlich über Jahre gehen, hilft auch jede kleine Tat in Form eines sinnvollen Kaufes (des kleinen Mannes).
Titel: Re: Keine Chance bei großen Ketten: "Payola" bei Thalia (und anderen)
Beitrag von: Churke am 16. Oktober 2009, 09:26:01
Der Random-House-Krake hat sich bei Taschenbüchern einen  Marktanteil von etwa 40 % zusammen gekauft. Bei SF und Fantasy könnten es gefühlte 70 % sein. Ganz konkret heißt das, dass Random House nicht nur die Bestseller, sondern gleich den ganzen Markt macht.
Und jetzt entscheiden Thalia und Amazon eben, was sie dafür löhnen müssen. Und zocken damit ausgerechnet die alten Strukturvertriebsprofis von Bertelsmann. Hoppla.  :gähn:

Und natürlich wird dieses System irgendwann kollabieren, wie Chuck bemerkte. Denn der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.

Bis dahin ist mein Mitleid begrenzt. Und die Zeiten, in denen Verleger noch verlegen und nicht nur Kohle baggern wolllten, werden sowieso nicht wieder kommen. Wen es sie überhaupt je gegeben hat...
Titel: Re: Keine Chance bei großen Ketten: "Payola" bei Thalia (und anderen)
Beitrag von: FeeamPC am 16. Oktober 2009, 11:08:49
 :happs:
Zeter und Mordio-Schrei!
Hey- ich bin Verlegerin   (Micro-Verlegerin, um genau zu sein!) und ich verlege bestimmt nicht des schnöden Mammons wegen, dann könnte ich meinen Kleinstverlag gleich schließen.
Also differenzier die bösen Verleger lieber ein bischen!
Und geh mal davon aus, daß auch bei den großen Verlagen immer noch der eine oder andere sitzt, der seine Berufsentscheidung als Berufung versteht...
Titel: Re: Keine Chance bei großen Ketten: "Payola" bei Thalia (und anderen)
Beitrag von: Lomax am 16. Oktober 2009, 11:42:00
Zitat von: Tenryu am 16. Oktober 2009, 06:54:47Und was die "armen" Autoren angeht. Sie tragen auch ihren Teil zu dem System bei, indem sie (vertreten durch gerissene Agenten) möglichst schon im Voraus riesige Garantiehonorare wollen, was den Verlag wiederum dazu zwingt, alles zur maximalen Verkaufsförderung zu tun.
Hm, und dieses Letztere soll in welcher Hinsicht ein Argument für falsches Verhalten der Autoren sein? ;D

Sorry, wenn ich einen Verlag suche, ist es mein Hauptanliegen, dass der Verlag so viel wie möglich zur Verkaufsförderung tut. Denn man sucht sich ja einen Verlag, um Bücher zu verkaufen - und nur deswegen. Nicht zum Kaffeetrinken etc. ... und alles andere, was so ein Verlag tut, Lektorat, Bindung, Betitelung, Präsentation, dient ja nur dazu, das Buch in optimale, verkaufsfördernde Form zu bringen bzw. den Verkauf auf andere Weise zu befördern. Verkauf wäre für mich deutlich wichtiger als Garantiehonorare - aber wenn, wie du schreibst, große Garantiehonorare den Verlag zur maximalen Verkaufsförderung zwingen, lieferst du ja gerade das beste und berechtigste Argument für Autoren, auf diese Garantiehonorare zu drängen 8)
Titel: Re: Keine Chance bei großen Ketten: "Payola" bei Thalia (und anderen)
Beitrag von: Churke am 16. Oktober 2009, 12:22:02
Zitat von: FeeamPC am 16. Oktober 2009, 11:08:49
:happs:
Zeter und Mordio-Schrei!
Hey- ich bin Verlegerin   (Micro-Verlegerin, um genau zu sein!) und ich verlege bestimmt nicht des schnöden Mammons wegen, dann könnte ich meinen Kleinstverlag gleich schließen.
Und deshalb wirst du auch niemals ein Übernahmeangebot von Random House im Fax finden.  :psssst:

ZitatVerkauf wäre für mich deutlich wichtiger als Garantiehonorare - aber wenn, wie du schreibst, große Garantiehonorare den Verlag zur maximalen Verkaufsförderung zwingen, lieferst du ja gerade das beste und berechtigste Argument für Autoren, auf diese Garantiehonorare zu drängen
Nur kommen für fette Garantiehonorare nur ein paar Auserlesene in Betracht. Da der Buchmarkt ein Kuchen ist, könne man nun sagen, dass die Nicht-Stars dafür kürzer treten müssen.

Titel: Re: Keine Chance bei großen Ketten: "Payola" bei Thalia (und anderen)
Beitrag von: Lomax am 16. Oktober 2009, 13:00:45
Zitat von: Churke am 16. Oktober 2009, 12:22:02Nur kommen für fette Garantiehonorare nur ein paar Auserlesene in Betracht. Da der Buchmarkt ein Kuchen ist, könne man nun sagen, dass die Nicht-Stars dafür kürzer treten müssen.
Dass nicht jeder dasselbe Garantiehonorar herausschlagen kann, ist trivial - trotzdem bleibt tenryus Argumentation ein 1a-Grund für jeden Autor, warum man gerade versuchen sollte, das größtmögliche Garantiehonorar zu erhalten. Und zwar unabhängig von und zusätzlich zu den rein monetären Vorzügen.

Bliebe allenfalls die Frage, ob man diese 1:1-Beziehung von Garantiehonorar zu Verkaufsbemühungen so konstatieren kann ;) Ein Argument für Zurückhaltung konnte ich darin jedenfalls nicht erkennen.
Titel: Re: Keine Chance bei großen Ketten: "Payola" bei Thalia (und anderen)
Beitrag von: Maja am 16. Oktober 2009, 14:08:39
Weder wundert, noch schockiert es mich, daß Verlage zur Kasse gebeten werden, wenn Thalia ihre Titel in Prospekten oder als Sondertitel bewirbt. Schließlich profitiert der Verlag selbst ja auch von dieser werbung, die auch etwas kostet, und es ist eigentlich nur fair, wenn Buchhandlung und Verlage sich dieses Risiko teilen. Das ist nicht nur im Buchhandel so. Ich war eine Zeitang im Apothekengroßhandel tätig und habe u.a. Kuschelwärmflaschen (von der "Sendung mit der Maus") vertrieben. Die Kosten, um im überregionalen Apothekenweihnachtsprospekt zu erscheinen, waren vergleichbar (und meine Firma konnte sie sich eigentlich auch nicht leisten und hätte besser kleinere Brötchen gebacken), aber sie haben immer großen Umsatz gebracht.

Aber die Buchhandelsketten machen auf andere Weise die Verlage kaputt. Das ist in Deutschland nicht so stark wie z.B. in Amerika, wo es keine Buchpreisbindung mehr gibt - so ist mir vor allem der Fall der amerikanischen Kette Barnes & Noble bekannt, die Verlage zu immer größeren Rabatten erpreßt haben, weil sie sonst ihre Titel nicht ins Sortiment aufgenommen hätten (um sie dann mit Rabatt weiterzuverkaufen und so auch die Kleinbuchhandlungen vom Markt zu drängen). Anders als eine Werbekampagne, von der beide Seiten profitieren, nutzt solches Verhalten genau einem, nämlich der Buchhandelskette. Verlage sind, auch in Zeiten des Internetbuchhandels, darauf angewiesen, im Buchhadel präsent zu sein, aber wenn das Preis dafür ist, ein Buch mit siebzig Prozent Rabatt auf den Ladenpreis abzugeben, macht der Verlag Verluste, und der Autor leidet am Ende mit.

Ich habe dieses Thema verschoben, denn es geht sicher nicht primär um die Probleme von Selbstverlegern, sondern ums reguläre Buch- und Verlagswesen.
Titel: Re: Keine Chance bei großen Ketten: "Payola" bei Thalia (und anderen)
Beitrag von: gbwolf am 18. Oktober 2009, 10:59:13
Maja hat die Sache sehr gut umrissen, deswegen äußere ich mich nur kurz zu Tenryu:

Zitat von: Tenryu am 16. Oktober 2009, 06:54:47
Und was die "armen" Autoren angeht. Sie tragen auch ihren Teil zu dem System bei, indem sie (vertreten durch gerissene Agenten) möglichst schon im Voraus riesige Garantiehonorare wollen, was den Verlag wiederum dazu zwingt, alles zur maximalen Verkaufsförderung zu tun. Heute will ja keiner mehr auf die normale Gewinnausschüttung warten.
Ich arbeite im öffentlichen Dienst und ich warte geduldig einen Monat lang, bis mein Arbeitgeber mir das Gehalt überweist. Wenn ich mehr als einen Monat mit meiner Arbeit in Vorleistung gehen müsste, bekomme ich als Berufsanfänger wirklich Probleme, meine Miete zu bezahlen. Wenn mein Arbeitgeber von mir verlangt, drei Jahre lang in Vorleistung zu gehen, bevor ich bezahlt werde, dann werde ich zwangsläufig verhungern.
Jeder Handwerker und anders selbstständig Tätige wird keine zwei oder drei Jahre warten, bis er Geld bekommt und es ist selbstverständlich, dass Autoren, die das Schreiben als ihren Beruf ansehen, auch davon leben möchten!

Ich weiß, du siehst dich gerne als Advocatus Diaboli, aber das sind platte, giftige Angriffe, die nichts mit einer vernünftigen Diskussion zu tun haben!
Titel: Re: Keine Chance bei großen Ketten: "Payola" bei Thalia (und anderen)
Beitrag von: Churke am 18. Oktober 2009, 12:25:07
Zitat von: Die Wölfin am 18. Oktober 2009, 10:59:13
Jeder Handwerker und anders selbstständig Tätige wird keine zwei oder drei Jahre warten,

Bei der heutigen Zahlungsmoral, die man inzwischen selbst beim Staat antrifft, lässt sich das immer öfter leider nicht vermeiden.
Titel: Re: Keine Chance bei großen Ketten: "Payola" bei Thalia (und anderen)
Beitrag von: Tenryu am 18. Oktober 2009, 20:16:09
@ Lomax:
Natürlich hat der Autor (wie allen anderen) ein legitimes Interesse, Geld zu verdienen. Und natürlich will er möglichst viel und möglichst schnell dazu kommen. Das Problem ist nur, was für den Einzelnen vernünftig und profitabel ist, kann für das System insgesamt schlecht sein. Das ist das gleiche Prinzip, wie bei Firmen, die billig im Ausland produzieren: So lange das einer macht, geht es gut, wenn es alle machen, geht die einheimische Wirtschaft kaputt. Aber wenn einer damit anfängt, müssen die anderen auch mitmachen, wenn sie konkurrenzfähig bleiben wollen.

@ Wölfin: Der Autor will sein Geld im Voraus haben, aber der Verlag muß ja auch warten, bis die Bücher verkauft sind, bevor er etwas verdienen (und seine Angestellten bezahlen kann). Ein garantiertes Vorschuß-Honorar verlagert das gesamte Geschäftsrisiko auf den Verleger. Denn wenn das Buch sich nicht gut verkauft, bleibt er auf dem Schaden sitzen und der Autor ist fein raus. Das Ergebnis ist, daß die Verlage noch mehr darauf schauen, nur möglichst bestsellertaugliche Manuskripte einzukaufen. Es gibt aber viele Bücher, die eben nicht in sechs Monaten verkauft werden, sondern eine gewisse zeit brauchen um sich auf dem Markt zu etablieren- Und diese Zeit hat in der heutigen schnellebigen Zeit keiner mehr.

Das Streben nach dem schnellen Geld, das unser ganzes Wirtschaftssystem durchzieht, hat ja erst unlängst die Banken in den Abgrund gerissen. Und da sind wir wieder am Anfang: Was gut für den Einzelnen ist, kann fatal für das Ganze sein.
Titel: Re: Keine Chance bei großen Ketten: "Payola" bei Thalia (und anderen)
Beitrag von: Grey am 18. Oktober 2009, 20:54:59
Zitat von: Tenryu am 18. Oktober 2009, 20:16:09
Der Autor will sein Geld im Voraus haben

Na ja, was heißt im Voraus? Meist steckt doch schon immens viel Arbeitszeit in einem Roman, ehe der Verlag überhaupt irgendetwas davon sieht. Da kann man wohl kaum von "im Voraus" sprechen.
Und was das Verleger-Risiko betrifft: So gigantisch sind die Vorschusshonorare für den Durchschnittsberufsautor nicht, als dass dieses Risiko für den Verleger nicht kalkulierbar wäre. Die Anzahl der wirklichen Bestseller im Programm großer Verlage ist doch vergleichsweise gering, und vor allem kann nie irgendjemand genau vorhersagen, welches Buch nun ein Bestseller wird, und warum ... ::)
Titel: Re: Keine Chance bei großen Ketten: "Payola" bei Thalia (und anderen)
Beitrag von: gbwolf am 18. Oktober 2009, 21:16:08
Zitat von: Tenryu am 18. Oktober 2009, 20:16:09
@ Wölfin: Der Autor will sein Geld im Voraus haben, aber der Verlag muß ja auch warten, bis die Bücher verkauft sind, bevor er etwas verdienen (und seine Angestellten bezahlen kann). Ein garantiertes Vorschuß-Honorar verlagert das gesamte Geschäftsrisiko auf den Verleger. Denn wenn das Buch sich nicht gut verkauft, bleibt er auf dem Schaden sitzen und der Autor ist fein raus. Das Ergebnis ist, daß die Verlage noch mehr darauf schauen, nur möglichst bestsellertaugliche Manuskripte einzukaufen. Es gibt aber viele Bücher, die eben nicht in sechs Monaten verkauft werden, sondern eine gewisse zeit brauchen um sich auf dem Markt zu etablieren- Und diese Zeit hat in der heutigen schnellebigen Zeit keiner mehr.

Das Streben nach dem schnellen Geld, das unser ganzes Wirtschaftssystem durchzieht, hat ja erst unlängst die Banken in den Abgrund gerissen. Und da sind wir wieder am Anfang: Was gut für den Einzelnen ist, kann fatal für das Ganze sein.
Um die Größenordnung festzulegen, über die wir sprechen: Ich rede von Vorschüssen zwischen 2.000 und 20.000 Euro, was ich nicht als übertrieben empfinde.
Warum sollte der AUtor keinen Vorschuss auf sein Gehalt bekommen, wenn Lektor, Sekretärin und Verleger ihr Honorar regelmäßig bekommen?
Der Autor hat ein bis zwei Produkte, die er anbietet, der Verlag hat eine Mischkalkulation aus 10, 20, 50 Titeln pro Halbjahr. Für den Verlag ist es wesentlich weniger schlimm, wenn ein Titel nicht so erfolgreich ist. Das hat für mich nichts mit Gier zu tun, da werden keine Millionen für etwas, das nicht da ist ausgegeben. Für mich ist es ein Verhältnis zwischen einem Arbeitnehmer und einem Arbeitgeber. Und auch wenn der Verleger das Risiko trägt und den Kredit aufnimmt, so zahlt er sich selbst doch jeden Monat sein Gehalt aus, statt drei Jahre zu warten, bis der Gewinn fließt.
Titel: Re: Keine Chance bei großen Ketten: "Payola" bei Thalia (und anderen)
Beitrag von: TheaEvanda am 18. Oktober 2009, 21:29:19
Ein Autor geht mit 6 oder mehr Monaten Arbeit in Vorleistung. 6 Monate mal 1500 Euro für Essen und Miete macht als selbständiger Autor ohne ordentliche Buchhaltung 9000 Euro notwendigen Verkaufspreis für ein Manuskript, und zwar zum Zeitpunkt der Abgabe. Einen solchen Vorschuss haben *ich* als Neuling noch nicht zu sehen bekommen. Ich arbeite eher für 300 Euro/Monat oder weniger, und ich gebe gerne zu, dass ich bis jetzt den Verlagen nach dem Mund geredet habe, um meine Expos und Manuskripte verkaufen zu können. Wenn ich keinen gut verdienenden Mann hätte, könnte ich es mir nicht leisten, vom Schreiben zu leben oder leben zu wollen.

Mit pauschalen "Gier"-Vorwürfen sollte man sich da mal zurückhalten und die Vorschußsummen auf die Arbeitszeit umlegen. Da wird ein großer Batzen Geld nämlich ganz schnell ganz klein.

--Thea
Zwischen Würzburg und Nürnberg, im Zug
Titel: Re: Keine Chance bei großen Ketten: "Payola" bei Thalia (und anderen)
Beitrag von: Lomax am 18. Oktober 2009, 22:30:12
Zitat von: Die Wölfin am 18. Oktober 2009, 21:16:08Warum sollte der AUtor keinen Vorschuss auf sein Gehalt bekommen, wenn Lektor, Sekretärin und Verleger ihr Honorar regelmäßig bekommen?
Das ist das beste Argument zum Thema, würde ich sagen. Viele Leute arbeiten an dem Buch, bevor es erscheint, und alle wollen vorher ihr Geld sehen und wüden nicht auf eine Gewinnbeteiligung warten wollen. Selbst die Coverzeichner werden vorher bezahlt, obwohl das Cover sicher auch einiges zum Verkaufserfolg beiträgt. Eigentlich ist es eher hinterfragenswert, warum es als so selbstverständlich hingenommen wird, dass fast alle Beteiligten am Buch ihre Schäfchen schon vor dem Verkauf im Trockenen haben wollen - und dass der Autor erst als Letzter bedient wird ;)
Titel: Re: Keine Chance bei großen Ketten: "Payola" bei Thalia (und anderen)
Beitrag von: Tenryu am 18. Oktober 2009, 22:48:39
Ihr vergeßt dabei, daß der Autor kein Angestellter ist, sondern ein freier Unternehmer, der ein Produkt herstellt. Würde er sein Buch selber drucken, bekäme er auch nichts im Voraus.

Außerdem ist ein regelmäßig arbeitender Schriftsteller nicht wirklich auf einen Vorschuß angewiesen, denn die erwähnten sechs Monate Vorleistung gibt es eigentlich nur beim ersten Buch. Später bekommt er während er an einem Buch schreibt, laufend die Honorare aus seinen früheren Büchern.

Man muß auch berücksichtigen, daß der Autor sein Buch ja nicht gegen ein fixes Honorar, sondern eine Umsatzbeteiligung verkauft.
Und das sollte man nicht vermischen. Entweder eine feste summe bar auf die Hand, und riskieren, daß der Verleger bei einem Bestseller absahnt, oder umgekehrt, das gleiche Risiko tragen wie der Verleger (der ja nicht nur die Honorare, sonder auch die Herstellungskosten trägt).
Ich finde,man muß sich entscheiden, ob man Angestellter oder Teilhaber ist. Die Sekretärin im Verlag bekommt in der Regel auch keine Gewinnbeteiligung am Firmengewinn. Wer am Gewinn beteiligt sein will, muß auch das Risiko eines Verlustes zu tragen bereit sein. Das bedeutet im Falle des Autors eben bei einem Mißerfolg des Buches umsonst gearbeitet zu haben.
Titel: Re: Keine Chance bei großen Ketten: "Payola" bei Thalia (und anderen)
Beitrag von: Lomax am 18. Oktober 2009, 23:11:14
Zitat von: Tenryu am 18. Oktober 2009, 22:48:39Ihr vergeßt dabei, daß der Autor kein Angestellter ist, sondern ein freier Unternehmer, der ein Produkt herstellt. Würde er sein Buch selber drucken, bekäme er auch nichts im Voraus.
Oh ja, aber das ist der Illustrator oder der Übersetzer auch nicht - und doch bekommen sie für die gelieferte Leistung sofort ihr Garantiehonorar. Und der Verlag ist ja gerade dafür da, damit der Autor nicht selbst druckt, sondern der Geschäftspartner den unternehmerischen Teil trägt. Der Autor ist also zwar frei, aber letztlich eher Contentlieferant und eben kein "Eigenunternehmer".
Zitat von: Tenryu am 18. Oktober 2009, 22:48:39Außerdem ist ein regelmäßig arbeitender Schriftsteller nicht wirklich auf einen Vorschuß angewiesen, denn die erwähnten sechs Monate Vorleistung gibt es eigentlich nur beim ersten Buch. Später bekommt er während er an einem Buch schreibt, laufend die Honorare aus seinen früheren Büchern.
Das glaubt man vielleicht :snicker: In meinem Fall kann ich beispielsweise sagen, dass ich schon zwei Bücher schreiben musste, bevor das erste auch nur erschienen ist. Und bevor die Abrechnungen vom ersten auch nur gefertigt wurden und die ersten Tantiemen fließen, muss auch schon das dritte Buch fertig sein. Du überschätzt also wohl ein wenig die Laufzeiten in den Verlagen ...
  Nun könnte man sagen, dass ist immer noch eine überschaubare Anlaufzeit - trotzdem ist die Literaturgeschichte voll von Schriftstellern, die Zeit Lebens an den Vorschussschecks der Verleger hingen. Da konnte ich während des Studiums so manchen überlieferten Briefwechsel verfolgen, der belegt, dass deine Rechnung mitunter zutreffen mag, aber oft trotzdem allzu theoretisch ist.
Titel: Re: Keine Chance bei großen Ketten: "Payola" bei Thalia (und anderen)
Beitrag von: gbwolf am 19. Oktober 2009, 08:55:21
Zitat von: Lomax am 18. Oktober 2009, 23:11:14
In meinem Fall kann ich beispielsweise sagen, dass ich schon zwei Bücher schreiben musste, bevor das erste auch nur erschienen ist. Und bevor die Abrechnungen vom ersten auch nur gefertigt wurden und die ersten Tantiemen fließen, muss auch schon das dritte Buch fertig sein. Du überschätzt also wohl ein wenig die Laufzeiten in den Verlagen ...
Und wenn die drei dann auf den Ramsch gehen (wir drücken dir die Daumen, dass nicht!), um Platz für neue Bücher in den Regalen zu haben, dann war es das, mit dem Leben aus der Backlist! Wenn ich die Wühltische so ansehe, gibt es viele Romane, die es nur ein oder zwei Halbjahre schaffen und dann schon rausfliegen ohne je als Hörbuchlizenz, Auslandslizenz oder Taschenbuch zweitverwertet zu werden.
Wie gesagt ist der Verleger auch ein Unternehmer und dieser Unternehmer bekommt ebenfalls monatlich sein Gehalt. Außerdem kann er den Flop eines Buches überwinden, während das für den Autor schwierig wird.
Titel: Re: Keine Chance bei großen Ketten: "Payola" bei Thalia (und anderen)
Beitrag von: Chuck am 19. Oktober 2009, 09:23:01
Ich kann durchaus das Argument verstehen, dass der Autor vorher nichts bekommt, wenn er nur für Umsatzbeteiligung arbeitet. Das macht das System aber nicht besser.

Ich kenne mich im Verlagswesen nicht direkt aus, aber ein Umdenken an dieser Stelle wäre in meinen Augen von vielfachem Vorteil. Zum einen reiht sich dann der Beruf des Autors in neue Gefilde ein, die den Beruf berufiger machen und zum anderen würde vielleicht die Selektion seitens der Verleger anders verlaufen. Also mehr Klasse statt Masse.

Bücher, die vom Verlag herausgebracht werden, sind meist keine Just-in-Time Geschichten - es wird vorab gedruckt und eigentlich wird sowieso alles vorab getan. Die Arbeiten am Buch, die Werbung, die Distribution etc. - alles wird vorher gemacht. Der Werbefachmann bekommt auch schon vorher sein Geld, bevor die Werbung effektiv Umsatz erwirtschaftet.

Mag sein, dass es meist so ist, dass es eben keinen Vorschuss im Vorfeld gibt, aber dann ist das System in meinen Augen etwas lieblos (was selbstverständlich keine Überraschung ist) und könnte an sich selbst scheitern. Denn die Börsen und Immoblienmärkte sind einzig und allein an der Masse nicht aber an der Klasse gescheitert. Letzten endes zählt nämlich immer das Detail. Aber das ist schon eine Grundsatzfrage.

Jedenfalls denke ich mir, als harmloser Autor von nebenan: Ich möchte zum Verlag, weil ich Bücher verkaufen möchte, also auch Geld sehen will. Denn ich möchte davon leben (mir mein Brot, meine Eier und die Miete bezahlen). Ich tendiere deswegen zum Verlag, weil dieser das Geld hat und natürlich auch meist schon das Netzwerk. Er dient mir quasi als Sponsor, Werbemaschine und Berater zugleich. Und die Auswahl unter dem Aspekt der Finanzen ist für mich der wichtigste (obgleich das Netzwerk natürlich auch seinen sehr sehr großen Wert hat). Hätte ich ich genug Kohle, würde ich mein Buch eventuell auch selbst verlegen. Da ich es aber nicht habe, muss ich es ja irgendwo herbekommen.

Natürlich wirft das Fragen der gerechten Verteilung auf, daher denke ich da gerade an Vorhonorare gekoppelt an die Produktionszahlen, denn diese zeigen doch auf, was sich der Verlag verspricht und würde nicht einfach auf ein blindes Risiko hinauslaufen. Es sei denn der Verlag würde auf Teufel komm raus kalkulieren, aber so stelle ich mir das Verlagswesen in heutiger Zeit nicht gerade vor.
Titel: Re: Keine Chance bei großen Ketten: "Payola" bei Thalia (und anderen)
Beitrag von: Feuertraum am 19. Oktober 2009, 10:43:35
Um jetzt zum eigentlichen Topic zu kommen:

Es ist eine Farce und ein Faustschlag ins Gesicht, dass große Ketten mit Ausschluß von Verlagen drohen, sollten diese nicht statt der 5 € Rabatt 7,50 € Rabatt gewähren.
Lohnt es sich nicht für die großen Verlage, die Ketten zu boykottieren und nur noch den "kleinen Buchhandel" zu beliefern ?

@ Grey Naja, man kann ich einigen Fällen schon sagen, ob ein Buch ein Bestseller wird. Kommen zum Beispiel ein neuer Dan Brown oder Stephen King raus (um nur zwei von einigen Bestsellerautoren zu nennen), dann kann man sicher sein, dass diese sehr rasch die Bestsellerliste erklettern. Bei manchen wird auch noch ein bißchen reißerische Werbung geschaltet, und das Kind ist im Sack.
Klar, manchmal passieren auch kleine Wunder (GlennKill zum Beispiel), aber so wirklich große Ausnahmen passieren selten. Und wenns gerade in die Zeit paßt (zum Beispiel wird ein Sachbuch zum Thema Schweinegrippe zur Zeit wohl eher gekauft als eines zum Thema: Die Heraldik des ausgehenden 15. Jahrhunderts (zumindest glaube ich das mal))

LG
Feuertraum

Edit: Korrektur von Namen
Titel: Re: Keine Chance bei großen Ketten: "Payola" bei Thalia (und anderen)
Beitrag von: gbwolf am 19. Oktober 2009, 10:46:20
Zitat von: Feuertraum am 19. Oktober 2009, 10:43:35
@ Wölfin: Naja, man kann ich einigen Fällen schon sagen, ob ein Buch ein Bestseller wird.
Den Bezug zu meinen Postings verstehe ich leider nicht  ??? Klar kann man bei einigen Büchern sagen, dass sie Bestseller werden, bei den meisten Büchern weiß man trotz großer Werbung aber nicht, ob sie auf dem Ramsch landen können. Ich rede über den Durchschnittsautor und nicht über Dan Brown. Tenryu hat noch nicht klargestellt, ab wann er einen Vorschuss als übertrieben ansieht.
Titel: Re: Keine Chance bei großen Ketten: "Payola" bei Thalia (und anderen)
Beitrag von: Feuertraum am 19. Oktober 2009, 10:52:33
@ Wölfin: Sorry, war mein Fehler. Ich hatte Grey gemeint (mit Brille wäre das nicht passiert  ::))