Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum

Allgemeines => Tintenzirkel => Thema gestartet von: Maja am 01. Januar 1970, 01:00:00

Titel: Gretchenfrage
Beitrag von: Maja am 01. Januar 1970, 01:00:00
Bevor ich zum eigentlichen Thema komme, ein paar einleitende Worte vorweg:

Es geht hier um Religion. Aber: Ich will keine Schlammschlacht. Kein Christen gegen Atheisten gegen Pagans. Kein "Meine Religion ist aber besser als deine", kein "Kirche ist kacke", kein "Wie kannst du nur zu so einem Verbrecherhaufen gehören", und so weiter, ihr kennt die Richtung. Sobald die Diskussion hierhin abdriftet, werde ich den Thread schließen, löschen und die Schuldigen disziplinieren. Haltet euch - wenn ihr euch beteiligen wollt - ganz klar an die Vorgaben, laßt die anderen ausreden, keine Propaganda, kein Missionieren. Wir wissen nicht, welches der Wahre Ring ist, auch wenn wir glauben dürfen, es ist unserer.

Um was es mir geht, und was mich interessiert, ist euer Verhältnis zu Religion, und wie es durch die phantastische Literatur beeinflußt wird, wenn überhaupt.
Seid ihr religiös? Wenn ja, welche Religion gehört ihr an? Und hat sich euer Herangehen an Religion durch phantastische Literatur verändert? Oder euer Herangehen an Fantasy durch Religion?

Ich denke, das kann ein interessantes Thema sein. Aber ebensowenig, wie ich hier ein großes Köpfeeinschlagen will, will ich, daß sich hier irgendjemand genötigt sieht, mehr preiszugeben, als ihm lieb ist. Religion ist ein sehr intimes Thema. Darum: Schreibt nur, solange euch wohl dabei ist. Fühlt euch nicht gezwungen, euch an der Diskussion zu beteiligen, nur weil andere es tun.

Dennoch - ich bin gespannt, was sich hier ergeben wird ...
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Elena am 01. Januar 1970, 01:00:00
Das ist tatsächlich eine interessante Frage - allein schon, weil ees doch in vielen Fantasybüchern dann eine eigene Götterwelt oder Religion gibt. Es scheint, auch in anderen Welten, etwas zu sein, was dazugehört.

Bei mir persönlich verhält es sich so: Ich war eine Zeitlang Christin. Dann Atheistin. Jetzt bin ich keines von beiden. Hört sich komisch an, aber tatsächlich ist es eine Zwischenstufe. Weder glaube ich an einen Gott (das noch dazu, die Bibel hat für mich keinen religiösen Wert und auch die Jesussache sehe ich nicht als irgendwas Göttliches an), noch bin ich 100% davon überzeugt, dass es keinen gibt. Es geht mal mehr in die eine, dann mal mehr in die andere Richtung, aber im Prinzip kommt es nie zu einem Punkt.
Ich mag einige Rituale, ich war auch für eine Woche mal in einem Kloster zu Besuch und es hat mir dort sehr gut gefallen, die Gottesdienste, auch die Einstellung der Leute zum Glauben und Gott, aber das war dann auch alles.

Vom Fantasyautorenstandpunkt aus - ich glaube an das Unmögliche, sonst könnte ich diese Geschichten nicht schreiben. Ich glaube irgendwo in dem Wissen, dass es nicht existiert, daran. Das ist alles.

Liebe Grüße,

Elena
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Moni am 01. Januar 1970, 01:00:00
Hm, Maja, du weißt, das ich da mal was zu geschrieben habe, oder? Ich überarbeite es aber gerade, so daß es wohl den Rahmen eines Forenpostings sprengen wird....

Na gut, zum Thema: Religion ist für mich sehr wichtig. Ich bin in einem katholischen Elternhaus aufgewachsen und fühle mich auch wohl dabei. Der Gedanke, aus der Kirche auszutreten, ist mir noch nie gekommen, wird auch eher nicht passieren... Ein Freund sagte mal zu diesem Thema: "Gott ist toll, aber das aktuelle Bodenpersonal lässt manchmal zu wünschen übrig." Das mag sein, aber ich denke, man darf seine eigene Religiösität nicht von Personen abhängig machen.
So, soviel dazu.

Ich würde nicht sagen, daß mein Verhältnis zur Religion durch die Fantasy beeinflusst wird.  In den wenigsten Fantasygeschichten gibt es wirklich durchdachte Religionen, sondern meistens eine Ansammlung von Gottheiten, die dann ab und an mal durch Prister/Kleriker etc. vertreten werden. So etwas kann meine religiöse Einstellung sicher nicht verändern.
In meinen Fantasygeschichten gibt es keine Polytheistischen Gesellschaften, ich bin der Meinung, die Götter in der Fantasy haben eine Zeitlang einfach zu sehr Überhand genommen. Und warum sollte es in einer Fantasywelt unbedingt viele Götter geben? Auf einen Götterwirrwarr à la Eddings kann ich verzichten, da lieber gar keine Götter. (Was nicht heißen soll, das ich Fantasy mit vielen Göttern durchweg ablehne! Roger Taylor hat das ganze wesentlich geschickter gelöst und sehr schöne und spannende Bücher geschrieben, in denen Götter zwar eine Rolle spielen, aber nicht überdominant sind.)
Ich versuche quasi, die Religion bzw. Götter aus meinen Geschichten herauszuhalten. Es gehört zum Alltag, dominiert aber nicht das Leben meiner Charaktere. Göttliches Eingreifen irgendeiner Art kommt bei mir nicht vor. Ich bin nicht der Meinung, daß Fantasy sich durch Götter und ihre Interaktion mit den Charakteren definiert, sondern dadurch, das es sich um völlig andere Welten handelt, die durch ihre Fremdartigkeit phantastisch sind.

Lg
Moni


Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Feuertraum am 01. Januar 1970, 01:00:00
Ich bin Atheist!
Für mich gibt es keinen Gott (allerdings auch keinen Teufel)

So halte ich es eigentlich auch in der Fantasy: auch wenn in den verschiedenen Welten verschiedene Götter rumwuseln oder Dämonen ihr Unwesen treiben, so wird das ganze mehr oder minder von mir ignoriert, zumal Götter in den Abenteuern selten auftauchen.

Gruß

Feuertraum

Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Rei am 01. Januar 1970, 01:00:00
Ich denke, wenn man Fantasy mit Gottheiten schreibt, glaubt man auch in irgendeiner Weise an etwas oder jemanden. Ich versuche, aus meinen Geschichten Götter soweit wie möglich herauszuhalten (auch wenn ich in meiner Ideensammlung auch einige "Gott-lastige" Ansätze gerfunden habe), da ich es nicht mag, wenn sich die Probleme, in die ich meine Charas gesteckt habe, durch ein Fingerschnippen lösen..

Ich glaube, aber nicht an Gott als Person, sondern an eine höhere Macht, die in irgendeiner Weise auf uns aufpaßt und auch nicht fehlerfrei ist (Wieso sollten sonst Katastrophen / Unglücke passieren?).

Gruß, Julia
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Lomax am 01. Januar 1970, 01:00:00
Nun, ich habe Geschichte studiert und dabei registriert, dass die Lehren der Religionen regelmäßig den ökonomischen Vorgaben folgen und gesellschaftsstabilisierend wirken. Ich habe mich mit Neurologie befasst und festgestellt, dass das religiöse Zentrum im Gehirn schon längst entdeckt ist - eine Stelle, die man mit Magnetfeldern reizen und so "religiöse Erweckungsgefühle" technisch auslösen kann.

Vor diesem Hintergrund kann ich nicht mehr glauben - nicht an konkrete Religionen jedenfalls. Andererseits: Dass die Menschen sich ihren Glauben zurechtlegen, wie er zu ihrer Gesellschaft passt, sagt natürlich über die metaphysiscen Wahrheiten nichts aus. Und das es eine Stelle im Gehirn gibt, die dem Menschen neurochemisch das Gefühl des Numinosen vermittelt, heißt natürlich nicht, dass es nicht doch tatsächlich etwas geben kann, auf das dieses Gehirnzentrum reagieren soll.

Also: in den konkreten Religionen ist mir persönlich zu viel Weltliches, um mehr darin zu sehen als "Tand von Menschenhand". In Bezug auf die Frage allerdings, ob es Gott gibt oder vielleicht noch etwas anderes dahintersteckt, bin ich Agnostizist.

Ich verfolge alles auf diesem Gebiet mit großem Interesse, Religionen wie auch Mystizismus. Ich sammle und wäge ab, entwerfe Modelle - und setze diese Modelle auch in meinen Geschichten ein. Aber die Herangehensweise ist letztendlich eine wissenschaftlich-distanzierte: Das Betrachten von Abhängigkeiten und statistisches Abwägen von Empirie.

Letztendlich ist es bei mir so, wie es schon in meiner Jugend war: Mein Interesse für Religionsphilosophie und -geschichte ist groß, aber den ganzen Bereich des Kultus betrachte ich als exotisches, fremdartiges Etwas - durchaus mit einem gewissen Neid für diejenigen, die daran teilhaben, weil ich von der Betrachtung her den Eindruck gewinne, dass sie etwas haben, was mir verschlossen bleibt.
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Maja am 01. Januar 1970, 01:00:00
Nachdem jetzt schon ein paar sehr schöne und unterschiedliche Antworten zusammengekommen sind, liefere ich jetzt auch meine nach, und den Grund, warum mir heute überhaupt dieses Thema in den Sinn gekommen ist:

Ich war immer ungläubig. Ungetauft und von Eltern erzogen, die ihren Glauben verloren hatten und die aus der Kirche ausgetreten sind, sprachen wir zuhause immer viel über Religion und das Christentum und Kirchengeschichte, aber obwohl wir Weihnachten und Ostern feierten und Jesus für eine tolle Person hielten, glaubte ich nicht an Gott.
Ich sah mich als intelligent, aufgeklärt und naturwissenschaftlich - wußte zuviel über die Evolution, um an die Genesis zu glauben, und hielt Religion für Bauernfängerei, einen Trost für die Dummen. Wußte ich doch, daß es keinen Gott geben konnte - hätte er sonst all die Schrecknisse der Welt zugelassen?

Dann fing ich an, Fantasy erst zu lesen und dann zu schreiben, und fand mich in meinem Unglauben bestätigt: War es nicht unglaublich leicht, sich Götter, ganze Pantheen und Religionssysteme auszudenken? Überall waren Götter in der Fantasy, ich nahm sie hin, ohne mich an ihnen zu stören -

und dann passierte vor gut zehn Jahren das für mich höchst Seltsame und Bestürzende: Ich merkte plötzlich, daß ich an Gott glaube. Und es irgendwie immer getan hatte. Plötzlich krempelte sich mein ganzes religiöses Weltbild um:
Waren nicht die ganzen Götter in der Fantasy, die ganzen Götter aller Völker weltweit nicht ein Ausdruck für das Bedürfnis des Menschen nach Religion, den Trost, an etwas zu glauben? Und war deswegen die ganze Menschheit verblendet und verblödet?
Plötzlich fand ich überall Gottesbeweise, den kleinsten davon im Heliumkern: Da sitzen zwei Protonen auf engstem Raum, das nächste neutralisierende Elektron ist so weit entfernt, kein Neutron da, hinter dem man sich verstecken könnte - und doch sitzen die beiden Protonen friedlich Seite an Seite, ohne auseinanderzufliegen. Ich bin für dieses Bild immer ausgelacht worden, aber mich hat es letztlich überzeugt.

Seither nähere ich mich schrittchenweise an das Christentum an. Und in meinen Geschichten gehe ich freier mit Religion um, lasse sie nicht nur als Phänomen von Fanatikern oder dubiose, abwesende Götter (immer im Plural, und ohne konkrete Namen: Die Götter halt) auftreten, sondern gebe meinen Völkern ausgefeiltere Glauben, Religion, Riten und Bräuche, auch weiterhin Fanatiker und Inquisitionen. Meine Oma ist jedoch sehr entsetzt davon, daß ich ausgerechnet Engel in einer Geschichte, die nichts mit dem Christentum zu tun hat, auftreten lasse, und ich verzweifle an dem Versuch, ihr zu erklären, daß Engel und Niken und andere Geflügelte nicht erst von den Christen oder den Juden erfunden wurden ...

Nun lasse ich, in "Klagende Flamme" erstmals Götter in Person auftreten - logische Folge einer kostümierten Geburtstagsfeier meiner damaligen Mitbewohnerin Andrea, bei der jeder als ein Gott seiner Wahl kommen sollte und ich als Loki einen wirklich tollen Abend hatte.

Heute also war ich bei unserem Probst und habe mit ihm besprochen, daß ich mich taufen lassen möchte. Ich unterhielt mich lange mit ihm, über Motive, aus der Kirche aus- oder in die Kirche einzutreten, und was ich ansonsten so mache, und Perspektiven auf dem Buchmarkt etc. Ich erwähnte auch, daß ich schreibe, aber ich behielt sorgsam für mich, daß es Fantasy ist, obwohl ich das doch sonst nie verheimliche. Hatte ich Angst, daß ich dann nicht getauft werde? Ist Fantasy dermaßen heidnisch? Also kam ich hierher ins Forum, und dann stellte ich die Gretchenfrage.
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Lomax am 01. Januar 1970, 01:00:00
Nun, vom Glauben an Gott bis zum Christentum ist der Weg sehr weit. Und für den Heliumkern braucht man keinen Gott mit recht menschlichen Moralvorstellungen. Das eigentlich Interessante bei deinem Weg wäre für mich also die Brücke, die über diesen Abgrund führt.

Mich persönlich würde deine Ausgangsüberlegung eher zum Islam führen. Mit dessen konkreten Verhaltensregeln kann ich zwar so wenig anfangen wie mit den christlichen, noch dazu werden sie nicht durch die Sozialisation in unserem Kulturkreis abgemildert - aber die dahinterstehende Theologie ist in sich logischer und widerspruchsfreier.

Oder ist es gar nicht die Theologie, die dich zum Christentum geführt hat, wie es dein Hinweis auf "Gottesbeweise" vermuten ließe? War für dich nicht eher die weltliche Ausprägung attraktiv, das Menschenbild, die Ethik, der christliche Blick auf die Welt?

Natürlich musst du solche Fragen nicht beantworten, wenn es zu persönlich wird. Aber wenn du das Thema anschneidest, fokussiere ich es natürlich auf die Fragen, die mich daran interessieren, auf die Lücken, die Dinge, die ich nicht verstehe und aus denen ich vielleicht etwas Neues erfahren kann.
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Maja am 01. Januar 1970, 01:00:00
Nun, ich kann schlecht dieses Thema in den Raum schmeißen, zu absoluter Neutralität auffordern und dann als nächstes eine "Warum ich das Christentum für die beste Religion der Welt halte" Argumentation anstrengen, nicht wahr?
Also sag ich es mal so: Es war ein Prozeß, der sich über zehn Jahre hingezogen hat und der sicher auch sehr durch meine christliche Umgebung geprägt war. In einem islamischen Kulturkreis wäre ich wahrscheinlich Musilmin geworden. Aber da ich ja in meiner Jugend immer genau wußte, an welchen Gott ich nicht glaube, war nach meiner Epiphanie der Umkehrschluß vorgezeichnet. Wie in der ungläubigen jüdischen Familie, wo der Sohn aus der Schule nach Haus kommt und erzählt, was er dort von der Dreifaltigkeit gelernt hat. Der Vater braust auf: "Es gibt nur einen Gott, und wir glauben nicht an ihn". So ungefähr war das auch mit mir.
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Moni am 01. Januar 1970, 01:00:00
ZitatHeute also war ich bei unserem Probst und habe mit ihm besprochen, daß ich mich taufen lassen möchte.

Oh, fein... dann wird es also endlich was.. ^^
Vermutlich dann im Oktober/November?

Lg
Moni

P.S. Da wird ja ein Anruf in St.Tönis fällig..  ;D
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Manja_Bindig am 01. Januar 1970, 01:00:00
Um ehrlich zu sein, ich habe ein arg gespaltenes Verhältnis zur Religion... ich bin überzeugte Atheistin. Liegt vielleicht daran, dass ich ein Problem mit der Vorstellung habe, dass da oben ein alter Rauschebart sitzt und über unser Schicksal entscheidet... außerdem besteht in meinen Augen bei Religion die Gefahr, sehr schnell fanatisch zu werden – siehe Hexenverbrennungen.
Gut, das ist meine Haltung zur Kirche.
Wie beeinflusst sie mich beim Schreiben? Positiv.
Ich bin ja(leider) konfirmiert(gezwungenermaßen), also hab ich gewisse Kenntnisse von der Bibel. Und da ich mich theoretisch auch mit anderen Religionen beschäftigt hab(Ethikunterricht rulez!), hab ich hier und da ein paar Elemente genommen und sie ein wenig in meine Welten eingeflochten – auch, wenn ich vorwiegend auf eine Naturreligion gesetzt hab.
Kann ich noch erwähnen, dass einer meiner Charas sehr viel gläubiger ist, als ich?
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Lomax am 01. Januar 1970, 01:00:00
ZitatNun, ich kann schlecht dieses Thema in den Raum schmeißen, zu absoluter Neutralität auffordern und dann als nächstes eine "Warum ich das Christentum für die beste Religion der Welt halte" Argumentation anstrengen, nicht wahr?

Keine Sorge, deine Antwort reicht mir durchaus, und ich finde sie auch nachvollziehbar. Nicht in dem Sinne, dass ich sie jetzt nachvollziehen möchte ;) - aber doch so, dass ich mir etwas darunter vorstellen kann.

Aber Neutralität? So hatte ich deine Forderung nicht verstanden. Wer glaubt, hat einen Standpunkt, und Toleranz bedeutet auch, dass man dem anderen gegenüber genug Respekt aufbringt, den eigenen Standpunkt zu vertreten und die Verschiedenheit akzeptiert. Ein politisch korrektes, aber letztlich geheucheltes "es ist ja eh alles gleich!" bringt eigentlich nur Verachtung durch Verweigerung des Dialogs zum Ausdruck.

Also, was man gut oder schlecht oder auch besser findet, sollte man ruhig sagen dürfen. Ich muss kein Christ sein, um begründen zu können, warum beispielsweise jeder Christ seine Religion besser finden muss als jede andere - und warum diejenigen, die besagtem Christen das vorwerfen, in Wahrheit Intoleranz beweisen. Aber das führt jetzt in den NRW-Wahlkampf und somit weitab vom Thema ...
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Moni am 01. Januar 1970, 01:00:00
ZitatAber das führt jetzt in den NRW-Wahlkampf und somit weitab vom Thema ...
Pfui Lomax, jetzt auch noch mit Politik anzufangen... mir reichte gestern abend im Kino schon die Wahlwerbung...

Eine Sache noch zu Manjas "altem Mann mit Rauschebart": kennst du den Satz "Als Gott den Mann schuf, übte sie nur." ?  ;)
Das Gottesbild vom alten Mann mit Bart hat natürlich seinen Wurzeln in der Vorstellung, das Weisheit mit dem Alter kommt, der Bart ist ein weiteres Mittel, um diese Weisheit hervorzuheben.
Ich stelle mir Gott gerne als eine allumfassende Macht vor  (klingt jetz ein bißchen wie Star Wars..  ;D ) und nicht als Person. Mensch geworden ist Jesus, nicht Gott... also nur ein Teil von ihm...
Da Gott uns den freien Willen gegeben hat, glaube ich nicht an Dinge wie "Schicksal" oder "Fügung". Somit gibt es für mich auch keine göttliche Einmischung in mein Leben, was sich, wie bereits erwähnt, auch in meinen Texten niederschlägt.
Aber jeder stellt sich Gott auf seine ganz persönliche Weise vor, entweder im positiven Sinne als ein "Etwas" an das man glauben kann, oder im negativen Sinne um seine Ablehnung darauf zu projizieren.

Leider tendieren gerade Religionen dazu, Massenhysterien hervorzubringen (die Kreuzzüge waren eine solche, die geschickt für politische Zwecke ausgenutzt wurde, ebenso die Hexenverfolgung, die dazu diente, Mißliebige unter einem Vorwand auszuschalten.). Kaum eine Sache polarisiert so sehr, wie Religion oder manchmal auch nur die Konfession.
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Konstanze am 01. Januar 1970, 01:00:00
Über dieses Thema habe ich doch glatt einen ganzen Abend nachdenken müssen.

Mein Schluß ist, daß meine Sicht von Religion in keine Weise von dem was ich lese beeinflußt ist. Aber dafür hat meine Vorstellung von Ethik und Moral doch sehr viel mit einigen meiner Lieblingsbüchern zu tun.

Was mir aber bewußt wurde, ist, wie sehr ich mir als Kind eine greifbare Religion gewünscht habe.
Gelandet bin ich letztendlich bei einer Einstellung, die nichts mit einer bekannten Religion zu tun hat und mit der ich zufrieden bin.
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Lastalda am 01. Januar 1970, 01:00:00
Hm, interessantes Thema...

Ich bezeichne mich eigentlich als Atheistin, aber nicht als Ungläubige. Atheisten sind ja Menschen, die lediglich an keinen Gott glauben, und ich denke, da kann ich mich einordnen. Jedenfalls glaube ich an keinen personifizierten Gott, egal ob alter Mann mit Rauschebart oder experimentierfreudige junge Frau. ;)

Ich muss aber sagen, dass mich Menschen mit starkem Glauben faszinieren - und dass ich sie auch beneide. Fester Glaube kann viel Kraft und in gewisser Weise Geborgenheit geben.

Dennoch, meine Erfahrungen haben mich zu dem Schluss gebracht, dass ich gar nciht an einen personifizierten Gott glauben möchte. Denn aus meiner Sicht wäre so jemand entweder ein Sadist (guckt euch die Welt einfach mal an) oder aber ein A***loch. Ich meine, da schafft sich einer eine Welt und lässt dann alles den Bach runter gehen... Und entweder freut er sich noh dran (Sadist) oder es ist ihm schlicht und ergreifend egal (auch nciht besser).

Wie gesagt, das ist MEINE Sicht des ganzen. Andere sollen sich dadurch bitte nicht in ihrem Glauben verletzt fühlen. ;)

Mit Religionsgemeinschaften kann ich insofern nichts anfangen, dass ich finde, dass Glauben eine zu intime Angelegenheit ist, als dass irgendeine Glaubensdoktrin mir das abnehmen könnte. Was ein Mensch glaubt ist für mich eine Sache zischen ihm und seinem Gott (oder dem, woran auch immer er glauben mag).

Dennoch habe ich nichts gegen Christen oder andere Menschen, die sich in Religionsgemeinschaften zu hause fühlen. Im Gegenteil. Womit ich nciht so ganz klarkomme, sind solche, die ihr Christentum (oder ihre  Religion an sich) an die große Glocke hängen, aber nciht danach leben...
(Ich zitiere da immer gerne Albert Schweitzer: Wer glaubt, ein Chist zu sein, nur weil er in die Kirche geht, der irrt. Man wird ja auch kein Auto, weil man in einer Garahe steht.")

Soviel zum Thema Atheist.

Ich sagte aber auch, ich sei nicht direkt ungläubig, und das stimmt. Ich bin überzeugt, dass es Dinge gibt, die die Naturwissenschaft nicht erklären kann. Tatsächlcih finde ich den Star Wars-Gedanken von der Macht recht ansprechend - eine Art Energie/Wesenheit/whatever was alles Leben verbindet und durch die Gemeinschaft allen Lebens entsteht. (Als Naturwissenschaftler wrde ich es als einfach wahrscheinlich nicht entdeckte Energieform ansehen.) Inwieweit es uns beeinflusst, weiß ich nicht, aber ich glaube, dass dieses Etwas da ist. Wie man das ganze nun nennt - Macht, Magie, Energie, Gott - bleibt nun wirklich jedem selbst überlassen.

Womit wir wieder bei der Gretchenfrage wären. (Ich fand Fausts Antwort sehr sehr genial, muss ich zugeben - Pantheismus ist definitiv die Richtung des Christentums, mit der ich mich am ehesten anfreunden kann. :))


Mein Schreiben beeinflusst das aber wenig, denke ich. Bis jetzt hab ich ja noch nciht sooo viele Welten geschaffen, und in denen hat Religion nie die Rolle gespielt (jedenfalls nicht für die Geschichte). Jetzt kürzlich habe ich erstmals eine Ausnahme gehabt, aber die betreffenden Figuren sind nur Randfiguren (Geschwister des Hauptcharakters, zu denen seit mehreren Jahrzehnten kein Kontakt besteht und die wahrscheinlcih in der Handlung gar nciht auftauchen werden), die - enn überhaupt - keine große Roll spielen werden. Inspiriert hat mich zu denen aber das Lesen der Bibel, also kann man schon von beeinflussen sprechen - nur nicht durch meine Religion.
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Julian am 01. Januar 1970, 01:00:00
Ich bin nicht religiös, dennoch glaube ich.

Religion ist ein menschliches Konstrukt.
Gerade vor diesem Hintergrund, fällt es mir besonders schwer, die detaillierten Beschreibungen des Übersinnlichen nicht in das Reich der Fiktionen zu verbannen.  
Das Gehirn ist zu einer immensen Menge an Output fähig, der nichts mit der Realität zu tun hat. Es ist ein Apparat der viele Fehler macht, welche die evolutionäre Entwicklung des Menschen aber nur unwesentlich beeinträchtigt haben.
Dadurch wird die Wahrscheinlichkeit für mich geringer, dass sich Wahrheit und Glaube treffen. Es gibt unzählige andere Faktoren, die diese Wahrscheinlichkeit weiter senken.

In Relation zum Universum, ist mir die Geringwertigkeit meiner Existenz absolut bewusst. Ich weiß um meine begrenzten menschlichen Fähigkeiten, mein Unwissen. Ich kann nichts wissen, was für Menschen nicht erfahrbar ist. Selbst subjektiv richtig Erfahrenes, kann zu objektiv falschem Wissen führen.

Ich habe etwas gegen willkürliche Annahmen, auf denen dann ein hübsches Kartenhaus aufgebaut ist/wird (welches sicherlich auf psychologischer Ebene nützlich sein kann, mit der Realität aber rein gar nichts zu tun hat). Dieses dann noch als Wahrheit anzunehmen, lehne ich vollständig ab.

Ich bin kein 100%iger Atheist, da ich Gott nicht verneinen kann. Ich halte aber ihre/seine Existenz für extrem unwahrscheinlich. Ich lebe in einer Welt von Erscheinungen - nur Narren behaupten, sie sähen etwas Wahrhaftiges.

Mein Gehirn ist dazu verdammt, im Kausalitätskarussell Platz zu nehmen. Deshalb kann ich nichts als gegeben hinnehmen. Auch ein Gott wäre für mich nicht frei von Ursache und Wirkung. Für mich gibt es immer ein davor, und davor, und davor etc., nichts ist losgelöst vom kausalen Kontext (das Wissen um die Quantenphänomene ist mir noch zu unausgereift und widersprüchlich). Mit Mitte zwanzig hat mich diese Sicht der Dinge zu zwei Glaubensrichtungen geführt. Zum einen glaube ich an die Unendlichkeit. Das mag sich sehr vage anhören, ist es vielleicht auch, gleichzeitig aber zutreffend. Dieser Glaube geht weit über unser Universum und "normale" Vorstellungswelten hinaus. Es ist schwierig, diesen Glauben zu beschreiben, da er weder Anfang noch Ende hat. Was das Verständlichmachen noch weiter verkompliziert, ist die Tatsache, dass sich Glauben und Fühlen nicht voneinander trennen lässt und das Ganze somit einen irrationalen Charakter erhält.
Zum anderen Glaube ich an die Beschränktheit unseres Denkorgans. Wir können nur in bestimmten Kategorien und Dimensionen denken. Möglicherweise ist es uns damit niemals vergönnt, zu wissen was wirklich ist, selbst wenn uns die notwendigen Informationen dafür direkt vor die Füße fielen...

In meine Fantasy versuche ich allerdings eher Philosophie, denn Religion einfließen zu lassen. Allerdings, und da gehe ich mit eurer Forumsspinne konform, neigt der Mensch dazu, aufgrund seiner psychologischen Beschaffenheit, sich mit etwas Übernatürlichem zu arrangieren - auf die eine oder andere Weise. Deshalb wird es auch in meinen Werken zumindest religiöse Ansätze geben.


Julian
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Manja_Bindig am 01. Januar 1970, 01:00:00
Vielleicht ist es für Fantasyautoren gerade gut, nciht allzu reiligös zu sein - das heißt nciht, dass alle Fantasyautoren Atheisten sind, nur, dass unsereins einen lockereren Umgang mit Religion hat - immerhin schaffen wir ja auch zumindest ansatzweise eine Religiöse Richtung, nach der unsere Charas mehr oder weniger hadeln... wir sind die Schöpfer der Schöpfer.
Und ich kann mir denken, dass ein dogmatischer Christ/Jude/Muslim/was-weiß-ich-nicht-noch-alles damit ein "leichtes" Problem haben könnte.
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Silberweide am 01. Januar 1970, 01:00:00
Ich bin evangelisch altreformiert.

Eigentlich lasse ich mich nicht von meiner Religion (und auch nicht von anderen) beeinflussen, was ich wie schreibe. Ich habe nur ein klitzekleines Problemchen damit, wenn ich abends meine Geschichten weiterdenke, wenn in ihnen eine Gottheit, eine Göttin oder gleich ein ganzes Sammelsurium an Göttern (m und w) vorhanden ist. Es kommt mir immer etwas... falsch vor, wenn ich, zwar als mein Charakter, den ich dann verkörpere, in irgend einer Art und Weise "anbete". Ich richte keine Gebete an die, das hab ich mir von vornherein untersagt, aber trotzdem hab ich immer ein mulmiges Gefühl und versuch solche Szenen relativ außen vor zu lassen. Manchmal geht's nur leider nicht.
Geschrieben seh ich das schon etwas anders und wenn ich Bücher anderer Autoren lese, hab ich damit überhaupt kein Problem. ICH weiß ja, dass es Fiktion ist. Leider weiß ich nicht, wie "mein" Gott darüber denkt ^^° (Hört sich dämlich an, ist aber so~)
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Moni am 01. Januar 1970, 01:00:00
ZitatVielleicht ist es für Fantasyautoren gerade gut, nciht allzu reiligös zu sein - das heißt nciht, dass alle Fantasyautoren Atheisten sind, nur, dass unsereins einen lockereren Umgang mit Religion hat - immerhin schaffen wir ja auch zumindest ansatzweise eine Religiöse Richtung, nach der unsere Charas mehr oder weniger hadeln... wir sind die Schöpfer der Schöpfer.
Und ich kann mir denken, dass ein dogmatischer Christ/Jude/Muslim/was-weiß-ich-nicht-noch-alles damit ein "leichtes" Problem haben könnte.
Na na, bitte nicht verallgmeinern... wenn das auf dich alles so zutrifft, ok., dann schreib aber bitet auch "ich" und nicht "alle Fantasyautoren" ...

Ist nicht bös gemeint, aber bitte nicht von dir auf andere schließen... schon gar nicht bei einem so persönlichen Thema.

Lg
Moni
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Manja_Bindig am 01. Januar 1970, 01:00:00
Ich hab ja auch gesagt "vielleicht".  ;)
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Moni am 01. Januar 1970, 01:00:00
Zitatnur, dass unsereins einen lockereren Umgang mit Religion hat

Ich bezog mich darauf.... aber auch egal...
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Lastalda am 01. Januar 1970, 01:00:00
Wenn man "locker" als "nicht starr oder gar extremistisch auf ein Kirchendogma festgelegt, das ein Denken außerhalb desselben nicht erlaubt" übersetzt, könnte es aber hinkommen. Denn ein solches festes Dogma dürfte meiner Meinung nach tatsächlich zu gewaltigen Konflikten führen... Aber ich kann mich natürlich auch irren. ::)

Meintest Du das, Manja?
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Manja_Bindig am 01. Januar 1970, 01:00:00
Ja... ich meine hiermit Menschen, die diese Nächstenliebe-Ideale, etc. leben und die bibel so auffassen - und ehrlich diese Vorstellung von einem Gott, der die Menschen liebt, wie sie eben sind, wäre sogar mir noch halbwegs erträglich. Aber eben nur halbwegs, immerhin ist Gott=Schicksal, da rüttelt kein Christ dran... und ich nehm mein Leben lieber selbst in die Hand und vertraue nur auf meine eigenen Fähigkeiten.
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Astrid am 01. Januar 1970, 01:00:00
Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der Gott kein Thema war, Lügen, Verdrängung und Heuchelei "um des lieben Friedens willen" an der Tagesordnung waren, Männer den Allmächtigen rauskehrten und Frauen ebendiese Männer vor den katastrophalen Folgen ihrer Fehler, Dummheiten und Verbrechen schützen zu müssen meinten. Auf Kosten ihrer eigenen seelischen Gesundheit. Und der ihrer Kinder.

Mit 18 kam ich in eine christliche Jugendgruppe, hatte zum ersten Mal Freunde, mit denen ich reden konnte, fühlte mich viel besser und glaubte, daß ich das ihrem Gott zu verdanken hatte. Also glaubte ich dankbar ebenfalls an Gott. Bis die Gruppe wegen kleinlicher Zankerei und hinterfotzigem Getue auseinanderbrach und mir die Versicherung "Aber ich bete für dich" nur noch wie bösartigster Hohn vorkam. Ganz abgesehen davon, daß mein ultrachristlicher Gruppenleiter mir erklärte, daß mich das Schreiben von Fantasygeschichten (also Rabenzeit) geradewegs in die Hölle brächte, wenn mir "so was" wichtiger sei als Gott. Es war mir SELBSTVERSTÄNDLICH wichtiger als Gott, weil es mich nämlich am Leben hielt. Ich mußte wählen: Rabenzeit oder Gott. Gott verlor.

Danach zog ich mich von solchen Gruppen zurück. Mittlerweile glaube ich nicht nur nicht an Gott, sondern ich weigere mich, an ihn zu glauben, ich hasse die heuchlerische Bande, die ihn als Rechtfertigung und Entschuldigung für jede noch so erbärmliche Tat vor sich her trägt. Ich habe nichts gegen Menschen, die wirklich an ihn glauben und Kraft daraus schöpfen, aber ich halte Religion allgemein für ein Hilfskonstrukt, mit dem Menschen sich eine Richtung zu geben versuchen. Und das ist meiner Meinung nach auch die einzige Daseinsberechtigung der Religion, weil Menschen ohne Richtung und ohne Grenzen Monster werden.

ABER ich glaube an Geister, weil ich selbst mal einen erschaffen habe und drei Tage lang mit ihm herumgelaufen bin. Ich glaube aber, daß Geister genau das sind - irgendwelche Eindrücke überreizter, überstreßter Gehirne.
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Manja_Bindig am 01. Januar 1970, 01:00:00
Ich denke, das einzige, woran jeder Mensch wirklich glauben kann, ist sich selbst und seine Fähigkeiten - in meniem Falle die Fähigkeit, alles möglische zu überleben und es auf schreiberische Weise zu verarbeiten.

Falls es doch etwas gibt, dass einem "Gott" nahekommt, etwas, das einem Menschen gewisse Gegebenheiten auf den Weg gibt, damit er dann damit sein Leben lebt, danke ich diesem Etwas für meine Liebe zum Schreiben. Und dass ich durch das Schreiben leben kann.
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Lastalda am 01. Januar 1970, 01:00:00
Och, Manja, man KANN durchaus an andere Dinge als sich selbst und seine Fähigkeiten glauben. Und es gibt auch Menschen, die genau daran überhaupt keinen Glauben haben. Also funktioniert die allgemeingültigkeit Deines Satzes nicht. ;)

Und übrigens: es gibt durchaus Christen, die Gott nicht mit Schicksal gleich setzen. Das sind z.B. die, die glauben, dass Gott dem Menschen einen freien Willen gab - mit der Auflage, dass er mit den Konsequenzen klarkommen muss.
Halt ich für eine gesunde Einstellung. :)
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Manja_Bindig am 01. Januar 1970, 01:00:00
Ich hab noch keinen gläubigen Christen getroffen, auf den das zutrifft.
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Moni am 01. Januar 1970, 01:00:00
ZitatUnd übrigens: es gibt durchaus Christen, die Gott nicht mit Schicksal gleich setzen. Das sind z.B. die, die glauben, dass Gott dem Menschen einen freien Willen gab - mit der Auflage, dass er mit den Konsequenzen klarkommen muss.
Halt ich für eine gesunde Einstellung. :)

So wie ich zum Beispiel... Womit du widerlegt wärest, Manja  ;)
Wenn ich mich selbst zitieren darf:
ZitatDa Gott uns den freien Willen gegeben hat, glaube ich nicht an Dinge wie "Schicksal" oder "Fügung". Somit gibt es für mich auch keine göttliche Einmischung in mein Leben, was sich, wie bereits erwähnt, auch in meinen Texten niederschlägt.  
Aber jeder stellt sich Gott auf seine ganz persönliche Weise vor, entweder im positiven Sinne als ein "Etwas" an das man glauben kann, oder im negativen Sinne um seine Ablehnung darauf zu projizieren.

Und ich bezeichne mich selbst durchaus als gläubige Christin.
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Manja_Bindig am 01. Januar 1970, 01:00:00
Gut... ich kenne keinen aus dem nichtvirtuellen Leben... aber naja, Zabeltitz... ne, Lastalda?
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Feuertraum am 01. Januar 1970, 01:00:00
Eine kleine Geschichte am Rande (falls sie nicht paßt, dann diesen Post bitte löschen):
Meine Tante glaubte an Gott.
Meine Tante starb mit 46 Jahren.
Sie krepierte an Krebs (und das Wort krepieren ist hier nicht abwertend gemeint).
Selbst größere Mengen Morphium halfen nicht mehr, die Schmerzen zu unterdrücken. Es ging sogar soweit, das ihr Gedächtnis versagte.
Mit anderen Worten: der Tod war für sie eine Erlösung.
Am Tag ihrer Beerdigung kam einer der sogenannten Christen auf die Familie zu und sagte:
"Gott wollte ihren Glauben testen, doch dieser war nicht stark genug, darum mußte sie so lange leiden."

Traurig, aber wahr.

Gruß

Feuertraum
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Silberweide am 01. Januar 1970, 01:00:00
@ Feuertraum:
Solche Leute sind nicht nur unfair, mir fehlen die Worte dafür. Ich kann einfach nicht verstehen, dass Menschen noch so denken können vonwegen "eure eigene Schuld". Mehr kann ich dazu nicht sagen, ich fürchte, ich träte wieder in ein Fettnäpfchen (oder eher Fettnapf)...
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Manja_Bindig am 01. Januar 1970, 01:00:00
Das ist kein Fettnapf mehr, das ist eine große Fetttonne.

Solche Menschen sind es, die bei uns im Dorf rumrennen und
die mir bis zu meiner Konfirmation wirklich jede Freude am Glauben im Keim erstickt haben - und jetzt ist es zu spät, jetzt wächst nix mehr. Traurig aber wahr - oder auch nciht traurig, ich bin mit meinem Leben ganz zufrieden und bis jetzt hat mich auch noch keine himmlische Strafe getroffen.

Überhaupt... ich kenne die Bibel recht gut, auch wenn die Offenbarung des Johannes das einizge ist, was mich je WIRKLICH interessiert hat(he, hin und wieder blätter ich sogar drin rum). Von daher kann ich solchen Menschn entgegnen: "Ach? Ich dachte, Gott liebt jedes seiner Kinder? Warum hat er diese Frau dann so gequält, nur um ihren Glauben zu testen? Ist das denn Liebe?"
Falls ja, verzichte ich wirklich dankend drauf.
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Maja am 01. Januar 1970, 01:00:00
Das ist jetzt eine Warnung - bei nächster Gelegenheit mache ich diesen Thread dich (siehe Einleitung):
Dieses Thema dient nicht dazu, die Frage zu klären, ob es richtig ist zu glauben oder nicht. Es geht nicht darum, pro oder kontra Gott und Christentum zu argumentieren, nicht um Verallgemeinern, sondern nur um die persönliche Einstellung zur Religion und deren Auswirkung auf die Religion/en in euren Fantasygeschichten. Mehr nicht.

Und das gilt für dich, Manja! "Das einzige, woran jeder Mensch wirklich glauben kann..." Möööp! Stop an dieser Stelle. Du schreibst für dich, nicht für jeden Menschen. Du kanst nicht in ihre Köpfe gucken. Du weißt, wie du glaubst, aber nicht, wie sie glauben. Du darfst hier eine überzeugnte Atheistin sein, aber nicht eine überzeugende Atheistin, wenn du mich verstehst - du machst Anstalten, anderen die Religion madig zu machen. Willst du hier missioniert werden? Sicher nicht. Also: Ein bis zwei Gänge zurückschalten!

Ich verstehe, daß viele mit Kirche, mit Glauben, mit frömmelnden Leuten Probleme haben. Das ist okay. Aber:
Kein Hacken!
Und das gilt natürlich für alle.
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Elena am 01. Januar 1970, 01:00:00
Nun ja, Negativbeispiele kann immer finden, fuer alles. Genauso gut koennte man hier Beispiele fuer Christen aufzaehlen, die durch ihren Glauben motiviert Gutes getan haben - und davon duerfte es nicht wenige geben.

Was ich aber gerne noch einmal aufbringen wuerde, waere die Frage danach, ob man sich tatsaechlich irgendetwas leichter macht, wenn man glaubt. Ich weiss, dass es oft aufkommt, aber ich moechte mal behaupten (und das kommt jetzt auch aus meiner subjektiven Erfahrung), dass Glauben (egal woran: An einen Gott, an mehrere oder an sich selbst) durchaus sehr, sehr schwierig und anstregend sein kann. Wenn man sich von Dogmatismen eine Menge abnehmen laesst, ist das eine Sache, aber ein ehrliches und hinterfragendes und damit auch zweifelndes Glauben duerfte sehr, sehr anstrengend sein.

Sehr viele Menschen kommen in ihrem Glauben vielleicht immer wieder an den Punkt, an dem sie an etwas in ihrem Leben, oder ihrem Glauben zweifeln. Diese Zweifel sind vermutlich auch nichts, was leicht zu tragen ist, oder zu ueberwinden.

Tiefer Glaube, wie ich es an Menschen im Kloster gesehen habe, kann auch ewiges Suchen sein, und worin unterscheidet sich dass von der Suche nach Richtung oder Identitaet, wenn man erst einmal fuer sich die Definition dieser Richtung suchen muss - eventuell ein Leben lang?

Macht man es sich dann tatsaechlich leichter?
Ich kam auf die Idee, weil ich von mir sagen koennte: Ich habe versucht, ueber die Religion auszusteigen und eine schnelle Antwort auf meine Probleme zu finden. Und, natuerlicherweise, bin ich deswegen am Glauben gescheitert. Weil es das vermutlich nicht bieten kann, wenn man sich nicht nur auf Dogmen verlassen will.

Bei der "Schicksal"- Sache habe ich eine etwas andere Position: Nachdem ich die "Dunkle Turm" Reihe von Stephen King zu Ende gelesen habe, wo es viel um "Ka", was ein bisschen mit "Schicksal" vergleichbar ist, geht, komme ich fuer mich zu dem Schluss, dass es nicht unbedingt so etwas wie ein vorbestimmtes, unveraenderliches Schicksal gibt. Allerdings vielleicht etwas, was gewisse Dinge beeinflusst. Schicksalgemeinschaften spielen da fuer mich eine wichtig Rolle. Es ist vielleicht nicht nur Zufall, dass ich gewisse Leute (auf wirklich hanebuechernen Umwegen) getroffen habe, dass wir uns so zusammengefunden haben. Das muss nicht "Schicksal" sein, aber... hm, wie kann man sagen? Es ist vielleicht nicht auch nur Zufall, sondern natuerlich, davon ausgehen, wie wird sind.

Ich merke schon, so langsam schaffe ich es nicht mehr, meine Gedanken auszudruecken...

Liebe Gruesse,

Elena
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Manja_Bindig am 01. Januar 1970, 01:00:00
*seufz*

Tut mir ehrlich leid... bei dem Thema komm ich immer wieder in Rage - haut mir einfach eins über, wenns wieder passiert.

Aber da sieht man wohl mal wieder, dass man sich solche Fragen mit seh viel Vorsicht stellen muss.
Fragt man sich: "Bin ich religiös?", fragt man sich im nächsten Moment: "Warum? Warum nciht?" Und das ist es dann, wo die ewigen Diskussionen allerspätestens losgehen.

Ich schätz mal, ich hab hier alles gesagt; ihr wisst, dass ich Atheistisch bin und ihr wisst warum. Aus.
(was nciht heißt, dass ich mich nciht zu Wort melde, wenn ich noch was zu sagen finde)


ach ja, elena: Nix da, dass du das nicht ausdrücken kann! Behaupte das nie wieder von dir!
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Lomax am 01. Januar 1970, 01:00:00
ZitatIch verstehe, daß viele mit Kirche, mit Glauben, mit frömmelnden Leuten Probleme haben. Das ist okay. Aber: Kein Hacken!  

Nun, ich glaube, dass gewisse "Degenerationsformen" des Glaubens durchaus in jedem Kontext kritisiert werden dürfen - nämlich diejenigen, die selbst nicht dem Mindestmaß an hier kulturell üblichen gesellschaftlichen und moralischen Konventionen entsprechen. Wie Elena sagte: Negativbeispiele lassen sich immer finden, genau so wie positive Beispiele. Wenn man aber die "Negativbeispiele" des Glaubens nicht mehr benennen und kritisieren darf, weil sich dann auch gläubige Menschen angesprochen fühlen könnten, die damit nicht gemeint sind, dann ist dass eine Art von PC, die letztlich zu der Aussage führt: "Alles ist gut, wenn es nur aus Glauben geschieht."

Ich denke, diese Einstellung sollten wir in Mitteleuropa hinter uns gelassen haben, zusammen mit "heiligen Kriegen" und ähnlichen Erscheinungen. Bigotterie gibt es natürlich noch, aber es sollte auch im Interesse gläubiger Menschen liegen, sich davon bewusst abzugrenzen.

Wenn Manja also Aussagen trifft wie "Das einzige ...", dann geht das sicher inhaltlich zu weit, ist aber, vom Konfliktpotenzial her eher harmlos, würde ich sagen. Die Aussage erledigt sich von selbst, sobald der erste Widerspricht. Wenn Manja allerdings negative Beispiele von Religiosität heranzieht und sie einfach "pars pro toto" zur Grundlage ihrer persönlichen Wertung von Glauben macht, dann ist das sicher ihre persönliche Einstellung, auch wenn viele Gläubige den Eindruck bekommen, dass sie damit der Religion an sich Unrecht tut. Aber ich denke, gerade solche Einzelerfahrungen prägen das religiöse Empfinden sehr vieler Menschen - entsprechende Zeugnisse gibt es genug, und zwar in die eine wie in die andere Richtung.

Über Glauben zu sprechen macht wenig Sinn, wenn man nicht auch die kontroversen und unangenehmen Aspekte ansprechen darf. Oft genug sind sie mit der persönlichen Einstellung zur Religion so eng verbunden, dass man das eine nicht ohne das andere darstellen kann. Und man kann über diese Dinge auch sprechen - sachlich und respektvoll. Und es ist ja nicht so, dass die Religion auf solche Vorwürfe keine Antwort hätten.

Ob das Thema dann zu komplex wird, um im Rahmen eines Fantasy-Autorenforums noch sinnvoll diskutiert zu werden, ist eine andere Frage. Ich fühle mich hier nicht zu tiefer gehenden theologischen Erörterungen genötigt.

Ich möchte hier nur mal eine These zur Disposition stellen, die ich umso "reizvoller" finde, je länger ich darüber nachdenke: "Wenn man über Religion reden könnte, ohne pro oder contra zu argumentieren, dann gäbe es keinen Glauben und auch keine gläubigen Menschen mehr."
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Manja_Bindig am 01. Januar 1970, 01:00:00
Naja, das ist etwas, was ich arg bezweifle.
Der mensch ist zwar von Natur aus streitlustig(, aber er hat sich sicher nicht die Religion ausgedacht, um einen Grund zum Streiten zu haben. Zumindest, wenn man den Satz so interpretiert, dass alle tolerant geworden sind(was ne Utopie...).
Wenn man es so interpretiert, dass sich keiner mehr um die Religion, auch nicht um eine eigene, schert... gut, da könnte man dir recht geben.
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Lomax am 01. Januar 1970, 01:00:00
ZitatWenn man es so interpretiert, dass sich keiner mehr um die Religion, auch nicht um eine eigene, schert...

Nun, genau das war mein erster Gedanke, als mir die besagte These einfiel - dass gewisse Arten von Desinteresse vermutlich der einzige Weg sind, kontroverse und vor allem emotionale Aussagen zur Religion aus Diskussion darüber auszublenden. Aber es war nicht der letzte ... ich sagte ja, je länger ich darüber nachdenke, umso mehr finde ich an dieser Formulierung.

"Glaube" wird ja immer gerne als besondere Qualität definiert, als eine Empfindung oder Lebenseinstellung, die über ein bloßes "Für-wahr-Halten" hinausgeht. Vermutlich ist das auch so, muss so sein, um das Phänomen erklären zu können. Aber ist es dann nicht ein emotional bedingtes Stellungbeziehen in einem Bereich, der wichtige Lebensfragen betrifft, in dem man sich aber nicht auf wertneutrale Erkenntnisprinzipien zurückziehen kann? Die Glaubensfrage wäre dann also per se schon eine Pro- oder Contra-Aussage auf einer persönlichen Ebene. Und der Verzicht, sich persönlich in Abgrenzung zu den anderen möglichen Aussagen auf diesem Feld zu platzieren, wäre dann eine Form der Gleichgültigkeit und das eigentliche Gegenteil des "Glaubens". Denn letztlich ist auch ein entschiedener Atheismus eine Glaubensfrage.

So in diese Richtung wanderten meine Gedanken ...
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: littleChild am 01. Januar 1970, 01:00:00
Also, ich wollte jetzt auchmal was sagen:
Ich bin Atheist und glücklich damit, denn wenn ich sehe, wie andere Leute im Staub kriechen für jemanden, von dem sie nicht einmal wissen ob er existiert, dann sage ich mir:Nein danke.
Ich habe sogar einmal an Gott geglaubt. Ich war noch ganz klein. Und ich habe ihn schon angefleht. Lange und ernsthaft.
Doch es hat nichts genützt und da hat sich bei mir die Frage herangeschlichen:
Wenn es einen Gott gibt und man zu diesem beten kann, warum tut er dann nichts? Wieso gibt es ihn, wenn er eh nichts verändert.
Für mich ist Glauben nur die Flucht vor der Angst, die viele Menschen vor dem Tod haben. Denn die Religionen füllen diese Angst mit dem Glauben an das weiterleben im Himmel/ Nirwana/ Paradies...

Ich habe durchaus Religionen in meinen Geschichten. Doch entweder ich schaffe sie selbst, oder aber ich übe leise Kritik aus an Dingen die mir nicht gefallen.

Und eines mag ich ganz besonders wenig...Wenn jemand versucht mir seine Religion schmackhaft zu machen.(speziell, wenn er nicht wieder aufhört...)

Naja, zerreißt euch ruhig über meine Meinung. ::) ;D

ciao littleChild ;D
Titel: Re: Gretchenfragewenn ich sehe, wie andere Leute i
Beitrag von: Lomax am 01. Januar 1970, 01:00:00
Zitatwenn ich sehe, wie andere Leute im Staub kriechen für jemanden, von dem sie nicht einmal wissen ob er existiert, dann sage ich mir:

Na, irgendwie habe ich das Gefühl, es ist dieser Unterton, vor dem Maja sich in dieser Diskussion gefürchtet hat, den sie vermeiden möchte, und das zu Recht. Das ist irgendwie schon repektlos, polemisch und sinnlos diskussionsverschärfend ausgedrückt. Es ist auch durchaus eine Unterstellung, die nicht explizit auf bestimmte Einzelfälle beschränkt ist.

Aber ich anworte lieber auf ein anderes Zitat:

ZitatWenn es einen Gott gibt und man zu diesem beten kann, warum tut er dann nichts?

Ich bin manchmal erstaunt, in welche Beziehung sich manche Leute zu einem Gott setzen, einem Wesen, dass als Anfang und Ende von allem, als allwissend und einziges Absolutum in einer Welt der Relativität gesetzt wird: Sie glauben, sie hätten nicht nur einen Anspruch darauf, Forderungen an dieses Wesen stellen zu dürfen; sie glauben auch, besser als dieses Wesen selbst zu wissen, was besagtes Wesen richtigerweise zu tun hat. Ich halte es für Folgerichtig, dass eine solche Einstellung leicht zum Atheismus führt und viele Menschen, die Religionen ablehnen, derartige Begründungen angeben. Denn wenn man sich seinen Gott so als Dienstbote der Menschheit vorstellt, hat man auch nicht mehr viel Grund, ihn anzubeten.
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Moni am 01. Januar 1970, 01:00:00
ZitatDenn wenn man sich seinen Gott so als Dienstbote der Menschheit vorstellt, hat man auch nicht mehr viel Grund, ihn anzubeten.

Danke, Lomax, diese Aussage suchte ich, kam aber nicht so ganz drauf...


Ehrlich gesagt, es ärgert mich ziemlich, daß man sich in unserer heutigen Gesellschaft für seinen Glauben schämen und gar entschuldigen muß.
Was soll das eigentlich?
Genauso wenig wie ich jemandem aufzwinge zu glauben, möchte ich von jemandem zum nicht glauben gezwungen wurden..
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Maja am 01. Januar 1970, 01:00:00
ZitatAlso, ich wollte jetzt auchmal was sagen:
Ich bin Atheist und glücklich damit, denn wenn ich sehe, wie andere Leute im Staub kriechen für jemanden, von dem sie nicht einmal wissen ob er existiert, dann sage ich mir:Nein danke.

*staubabklopf*

Ich muß ja gestehen, ich bin mein eigener Troll - auch wenn das nicht so beabsichtigt war, regt nichts eine Diskussion mehr an als die Bitte, sie sein zu lassen.
Aber ich finde es schön, daß sich hier auch Gäste zu Wort melden.

Wieder mal muß ich mich Lomax anschließen und sagen: Gott ist nicht unser Hänneschen, auch wenn wir nicht Gottes Hänneschen sein wollen.
Es gab in den neunziger Jahren dieses Lied über Gott von der Frau mit der unangenehmen Stimme (habe Namen vergesse), ihr kennt es bestimmt noch, es fängt an mit "What if God was one of us ...". Da gibt es eine Zeile, die lautet: "What would you ask if you had just one question?"
Ich habe mir, ohne es wirklich zu wollen, lange Gedanken über diese Frage gemacht und bin schließlich zu dem Ergebnis gekommen: Ich würde Gott fragen, ob er an mich glaubt.
Und denke mitlerweile, daß die Antwort Ja lauten würde.
Oder hoffe es zumindest.
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Feuertraum am 01. Januar 1970, 01:00:00
Das - liebe Yuvis - ist eine vernünftige Einstellung. Aber sagen Sie das mal jenen, die mich zu bekehren suchen.
Deswegen:

Gläubige Menschen, egal welcher Religion sie angehören, sollten mit ihrem Glauben leben, ohne das man sie attackiert.
Mit Atheisten sollte man es genauso handhaben.
Jeder hat seine Gründe, warum oder warum nicht.
Nur zum Fanatismus darf das ganze nicht ausarten. Auch nicht zum Heiligen Kreuzzug.
Wir sind Menschen.
Wir sind alle nackt auf die Welt gekommen.
Und eigentlich sind wir alle gleich.
In diesem Sinne.  

Feuertraum
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Maja am 01. Januar 1970, 01:00:00
Hm - irgendwie muß ich gestehen, daß ich insgesamt etwas anderes von diesem Thema erwartert hatte, aber ist es nicht immer wieder schön, die eigenen Vorurteile widerlegt zu wissen?
Denn was fehlt mir? Die Pagans. Wo sind denn die ganzen Pagans? Sollte man nicht meinen, wer sich mit Fantasy beschäftigt, landet früher oder später bei irgendwelchen alten Naturreligionen, malt sich blau an und ernennt sich zum Druiden? Und lobpreist seine Göttin bei jeder Gelegenheit?
Aber nein, hier treffen Christen auf Agnostiker auf Atheisten - und niemand ist dabei, der sich seinen Glauben als Best of Pantheon zusammengebaut hat. Das wundert mich, und freut mich auch irgendwie.

Denn zum Christen geworden bin ich irgendwie durch mein ständiges Bestreben, anders zu sein als der Rest. Ergo konnte ich als Kind im erzkatholischen Münsterland nur Atheist sein - als ich aber in der Fantasy- und Rollenspielerszene plötzlich überwiegend von Pagans umgeben war, die mich auf ihre Beltane- und Imbolcfeiern schleifen wollten, die gegen Christen wetterten, wann immer sich eine Gelegenheit bot - da konnte ich dann endlich Christ werden, denn da hieß Christ sein plötzlich nicht mehr, mit den Lämmern zu blöken.

Aber schade, keine Pagans hier.
Kommen vielleicht noch welche.
Kann ja mal Oliver ins Forum einladen ...
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Moni am 01. Januar 1970, 01:00:00
ZitatAber schade, keine Pagans hier.
Kommen vielleicht noch welche.
Kann ja mal Oliver ins Forum einladen ...
;D ;D

Öh... ist der nicht sogar angemeldet? Oder nur im Zirkel??
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Maja am 01. Januar 1970, 01:00:00
Angemeldet er ist. Hat dabei groß getönt à la "Ha-ha, so schnell werdet ihr mich nicht mehr los. Ich liebe Foren!"
Und dann hat er sich einmal im Geheimzirkel vorgestellt, und ist niemals wiedergekommen ...
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Moni am 01. Januar 1970, 01:00:00
Vielleicht hat er ja Angst vor uns??  -  ;D
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Elena am 01. Januar 1970, 01:00:00
ZitatIch habe mir, ohne es wirklich zu wollen, lange Gedanken über diese Frage gemacht und bin schließlich zu dem Ergebnis gekommen: Ich würde Gott fragen, ob er an mich glaubt.


Irgendwie hat mich das ziemlich berührt (mal ein bisschen abseits vom Thema).
Das ist eine schöne Frage. Äh, und irgendwie glaube ich, dass die Antwort "ja" wäre. Falls es einen Gott gibt, und er tatsächlich irgendetwas für uns tun will - oder kann - dann doch wenn überhaupt, dass es an uns glaubt? Dazu würde eben auch gehören, uns einen freien Willen zu überlassen, wenn er daran glaubt, dass man schon was Vernünftiges damit anfängt.

Ich spinne jetzt nur herum. Wie bereits gesagt, ich glaube nicht an Gott, noch glaube ich nicht an ihn.

Oje, jetzt will ich schon wieder aus reinem Eigennutz gläubig werden... Mh, jemand der an mich glaubt...

Ich habe das Gefühl, ich sollte mich endlich mal entscheiden. Manchmal habe ich das Gefühl, dass etwas wie ein Gott mir ganz nahe ist, dann wieder halte ich es sogar für albern, dass so etwas existieren könnte.


Hm... Immerhin regt mich dieses Thema zum nachdenken an...

Liebe Grüße,

Elena
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Silberweide am 01. Januar 1970, 01:00:00
Mal zu den "Pagans": Davon hab ich ja noch nie gehört o.O° Gibt's die wirklich? (ist eine ernsthafte Frage, auch, wenn es sich nicht so anhört)

Übrigens: Ich hab hier in der Grafschaft (liegt ja gleich neben dem Mpnsterland...) "gelernt", dass ev.-altref. das Gegenteil von Katholisch ist ;)
Ich habe eine Tante, die ist ev.altref. und hat vor etwa 25 Jahren ihren katholischen Mann geheiratet... Da war was los im Hause VenN****rts (<-- meine Familie) und Umgebung... Das ging ja gar nicht: Eene koksche und een kathole.
Ich finde, da haben sich die christlichen Zweige (kann man das so nennen?) aber inzwischen schon sehr gut öffnen können. Wir schimpfen nicht mehr über die katholen und die (naja, hoff ich zumindest ;)) eigentlich auch nicht mehr über uns.

So Fanatiker der Marke "Tu das oder der Blitz wird dich  treffen" gehen mir ehrlichgesagt etwas auf den Keks, genauso wie diese "Zwangsmissionare", die jeden in ihrer Umgebung gleich zu ihrem Glauben konvertieren wollen... Da ist mir der Buddismus und so div. andere asiatischen Arten der Religion lieber, muss ich sagen...

Ich kann auch gut verstehen, dass Menschen Probleme haben mit ihrem Glauben. Ich wurde dieses Jahr nach knapp 7 (halben) Jahren Konfa/Konfirmandenunterricht endlich konfimiert. In dieser Zeit habe ich sehr viel über Glauben gelernt: Was ist es? Warum glauben wir? Und warum fällt Glauben so schwer?
Am Anfang stand ich natürlich erst mal vor einer Wand: 7 Jahr Konfa. Das ist ja 'ne Ewigkeit (da war ich *denk* 11). Zwischendurch gab's dann die Phase, wo alle anderen Kommunion und Konfirmation hatten. Da schielte man dann doch schon hin vonwegen "habt ihr's gut." Ok, zugegebenermaßen, man schielte auch auf deren Geschenke. Ist ja wahnsinn: Da haben 14-Jährige bis zu 2000€ bekommen (umgerechnet), dafür dass sie ein halbes oder ein Jahr zum Konfa gingen. Netter Stundenlohn. In der Phase hatte man dann natürlich auch die Hoffnung, dass man selbst auch mal im Geld schwimmen durfte. Das war dann die Konfazeit marke "Ich werd ja dafür bezahlt". Aber in den letzten zwei Jahren verschwand das irgendwie =) Man dachte einfach nicht mehr dran. Irgendwie wurde der Kofna an sich "wichtiger" als das Geld denn genau dann bekamen wir alles "wichtige" mit auf den Weg. Wir wurden im letzten Jahr auch direkt zum Zweifel "erzogen".
Vielleicht sollt ich noch kurz sagen: Koksche schenken kein Geld, koksche schenken gute Worte und 'ne Uhr.

Was ich damit sagen will, ist folgendes: Man muss sich mit dem Glauben und dem Nicht-Glauben auseinandersetzen. Die Zeiten der Missionare sind vorbei, es spricht aber nichts dagegen, sich selbst als Christen zu bezeichnen (wenn man denn denkt, man sei einer) und anderen zu helfen. Ich denke, das ist noch immer das Bild bei uns: Gläubige wollen missionieren. Deshalb könnte ich mich auch vorstellen, dass es so mies angesehen wird, wenn man sagt, man sei Christ.
Ich hab gelernt, praktisch alles irgendwie zu akzeptieren, was ich kenne. Ich kann mittlerweile die Asiatischen Mehrgötterkulte verstehen, sehe viele positive Seiten in den buddistischen Lehren (und allem ähnlichen), kann jedoch auch die Atheisten verstehen. Glauben ist durchaus schwer und man wird oft enttäuscht. Da kann man schonmal dran verweifeln.

Das wollte ich mir einmal von der Seele schreiben, hoffe, es war nicht arg zu weit am Thema vorbei.
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Maja am 01. Januar 1970, 01:00:00
Ja, diese religiösen Mischeschen ... Die Familie meiner Oma, die Knüppels, leben seit vielen Generationen im Münsterland und sind immer schon dementsprechend katholisch gewesen. Meine Oma erzählte mir, daß sie als kleines Mädchen gebetet hat, daß der Karl May in den Himmel kommt, obwohl er evangelisch ist ...
Und dann lernt sie ausgerechnet in Berlin den Mann fürs Leben kennen und der ist natürlich ausgerechnet evangelisch - na, das gab Ärger in der Familie! Bis sie dann meinen Opa kennenlernten. Und der dann brav in unserem katholischen Dom vertretungsweise die Orgel spielte, weil es noch keine evangelische Kirche gab. Und als dann alle vier Kinder zu braven Katholiken erzogen wurden ... Gut, daß davon dann zwei aus der Kirche ausgetreten sind, darüber reden wir hier lieber nicht - aber das ist dann doch sicher nicht die Schuld meines Opas gewsesen.
Heutzutage kann man sich solche Vorurteile zum Glück nur noch schwer vorstellen.
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Arielen am 01. Januar 1970, 01:00:00
Ich bin zwar noch zahlende Katholikin, aber im Prinzip kann ich mit der Kirche als Institution nichts anfangen oder mit irgendwelchen vorgefertigten Religionen.

In meinem Geschichten halte ich mich daher auch meistens mit Religionen zurück, wenn ich aber jemanden einbaue, der gläubig ist, dann tue ich das auch mit großer ernsthatigkeit, auch wenn es sich um eine "erfundene" Religion handelt.
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Julian am 01. Januar 1970, 01:00:00
ZitatVielleicht hat er ja Angst vor uns??  -  ;D


Ehrlich gesagt, könnte ich ihn in diesem Falle verstehen.
(nicht böse gemeint)

Julian
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Manja_Bindig am 01. Januar 1970, 01:00:00
Naja, bei uns in der Gegend gibt es nur Gegensätze - entweder atheistisch oder tiefstdogmatisch christlich(naja, ein, zwei Prozent muslimisch und buddhistisch).
Und spätestens, wenn ich mir ansehe, dass ich 50€ Kirchensteuer zahlen soll(ich, eine Schülerin), löst sich die Frage meiner Eltern, ob ich nicht doch mal hingehen will, in Luft auf.
(ich mein, mit dem Argument: "Wenn ich nicht daran glaube, bringt es mir nix", kann man ihnen nicht kommen. Da muss schon: "Naja, wenn, müsste ich die 50€ zahlen und da ich noch nix verdiene, müsstet ihr es tragen..." herhalten.)

Ach ja, Maja: die Frau mit der furchtbaren Stimme war Kelly Osborne(man hat mir mal gesagt, gegen die klinge ich wie eine Nachtigall)
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Maja am 01. Januar 1970, 01:00:00
@Manja:
Böööp! Falsche Antwort. Hab es inzwischen selbst recherchiert:
Die Frau war Joan Osborne, nicht verwandt und nicht verschwägert. Kelly ist Ozzys Tochter und war damals, als das Lied aufgenommen wurde, noch ein sehr junges Mädchen...

Und zur Kirchensteuer:
Ich weiß nicht, wer dir das erzählt hat, aber es stimmt nicht. Kirchensteuer zahlt nur, wer auch Steuern zahlt, und die Höhe rechnet sich nach dem Lohnsteuersatz. Also: Um 50 € Kirchensteuer zu zahlen, müßtest du (ich peil das jetzt grob über den Daumen) in Sachsen gut 550 € Lohnsteuer im Monat zahlen. Das geht nämlich prozentual.
Als Schülerin, Student, Azubi etc. zahlst du keine Kirchensteuer. Das ist weder ein Mitgliedsbeitrag, noch ein Eintrittsgeld.

Google einfach mal Kirchensteuer, dann siehst du auch, was alles von dieser Steuer bezahlt wird. In Großbritannien, wo es keine Kirchensteuer gibt, brechen in den Kirchen die Decken zusammen, oder die Gemeinden sind dazu übergegangen, happige Eintrittspreise von Besuchern zu nehmen - das erste finde ich traurig, das zweite unmöglich. Kirchen sind doch keine Museen! Dann doch lieber Kirchensteuer.
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Silberweide am 01. Januar 1970, 01:00:00
Kirchensteuer? Noja, soweit ich weiß, ist die ev.-altref. Kirche davon befreit ;) Wir müssen gar keine bezahlen. Bei uns geht das Geld in die Kollekte und dann weiter.
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Maja am 01. Januar 1970, 01:00:00
Damit das ganze nicht in eine Diskussion über Kirchensteuer ausartet, habe ich hier mal einen prakitschen Link.
http://www.kigst.de/gesetze/kirchgesetze/frame.htm
Da sind alle Ländergesetze zum Thema Kirchensteuer drin versammelt.

Und was die Pagans angeht: Informationen hierzu gibt es auf http://www.sternenkreis.de/ oder http://www.bastet-dana-center.de/ (letztere haben auch einen virtuellen Tierfriedhof der besonderen Art - mit Fotos von sehr toten Tieren ...
Außerdem habe ich Oliver eingeladen, hier mitzutun und seinen heidnischen Senf dazuzutun.
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Lomax am 01. Januar 1970, 01:00:00
ZitatAls Schülerin, Student, Azubi etc. zahlst du keine Kirchensteuer.

Das muss nicht so sein. Natürlich kann man auch als Schüler so viel verdienen, dass man Einkommenssteuerpflichtig ist. Also Manja - womit verdienst du Tausende von Euro im Monat nebenbei dazu *immer offen für neue Geschäftsideen*  ;D

Zur Kirchensteuer an sich, die hierzulande ja heftig umstritten ist (übliche Frage: Warum finanziert der Staat eine Religionsgemeinschaft?), muss man fairerweise erwähnen, dass diese Regelung ebenso wie der staatliche Religionsunterricht Teil eines beidseitigen Vertrags ist: Im Zuge der Säkularisierungen hat die Kirche sehr viel Besitz hier in Deutschland abgetreten, und damit das nicht einfach nur eine großflächige Enteignung ist, hat der Staat dafür Gegenleistungen angeboten. Man sollte also nicht vergessen, dass die großen Kirchen irgendwann einmal für diese "Vorrechte" eine ganze Menge bezahlt haben - daher halte ich es nicht für okay, wenn man diese Leistung der Kirchen jetzt einfach vergisst und den Vertrag einseitig kündigen will, sprich: die Gesellschaft will nicht mehr für die Güter bezahlen, die sie von den Kirchen bekommen hat. Ich frage mich immer, was dieselben Leute, die das heutzutage fordern, sagen würden, wenn die Kirchen alle seit dem 19. Jhdt. enteigneten Güter auf dem Klageweg zurückfordern würden ...
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Astrid am 01. Januar 1970, 01:00:00
Ich frage mich, was Jesus sagen würde, wenn er sich die Besitztümer der Kirche ansähe. Vor allem die der katholischen Kirche, zb des Vatikan. Aber auch die Evangelischen sind nicht ohne.
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Lomax am 01. Januar 1970, 01:00:00
ZitatIch frage mich, was Jesus sagen würde, wenn er sich die Besitztümer der Kirche ansähe.

Nun, das ist eine andere Frage. Aber das zu entscheiden steht den kirchenfernen Kritikern nicht zu, da sie damit von anderen die Einhaltung von Standards verlangen würden, die für sie selbst nicht gelten. Das würde ich als unbillig ansehen.

Wenn also die säkulare Gemeinschaft "Staat" mit den Kirchen einen "Deal" abschließt, in dem die erste Gruppe von der zweiten Eigentum übereignet bekommt und dafür eine Gegenleistung zusagt, dann kann die erste Gruppe, nachdem sie ihren Teil kassiert hat, nicht irgendwann ankommen und dem Geschäftspartner seinen Teil verweigern. Schon gar nicht, indem sie dem Geschäftspartner vorhält, ein Verzicht würde ihm ja moralisch gut zu Gesicht stehen.

Das entspricht nicht meinen Vorstellungen von fairem Umgang.
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Manja_Bindig am 01. Januar 1970, 01:00:00
Gestern kam so ein nettes Schreiben ins Haus geflattert, dass ich, da ich das 16.te Lebensjahr vollendet, doch nun auch alt genug wäre für Kirchensteuer... naja, schön, dass die erst jetzt mitkriegen, dass ich meinen Personalausweis hab.
*seufz* Und das Schreiben kam wirklich von der Kirche.
Und ich verdien kein Geld. Ich werd auch keins bezahlen,
a) weil ich keins hab
b) weil ich nciht in die Kirche gehe.
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Maja am 01. Januar 1970, 01:00:00
Hm - das klingt nicht wie etwas seriöses, und auch nicht nach Kirche, sondern - schon in Anbetracht der Tatsache, daß sie doch mehr als haarscharf an deinem 16. Geburtstags vorbeigeschrammt sind - wie eine von diesen beliebten Abzocken. Wie die Leute, die immer die Webmaster anschreiben und von ihnen Domainregistierungsgebühren verlangen - das würde ich mal überprüfen (Absender und so). Kannst mir ja mal die Daten schicken, klingt interessant für mich.
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Manja_Bindig am 01. Januar 1970, 01:00:00
Sehr gern... *zur Papiertonne watschel*
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Stefanie_Gasch am 01. Januar 1970, 01:00:00
*zur Papiertonne watschel*

Jaa...
Manchmal ist Manja schneller als die Polizei erlaubt...
 ;D
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Manja_Bindig am 01. Januar 1970, 01:00:00
*Steffi durchknuddel*
Naja, glaubst du, ich behalt so ein Schreiben im Haus?
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Stefanie_Gasch am 01. Januar 1970, 01:00:00
*reknuddel*
Es wäre doch immer wieder nützlich wenn deine Eltern damit ankommen...Oder nicht?? ;D
*knuddel*

ciao Steffi ;D *alle Anderen auch knuddel*
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Coppelia am 15. August 2006, 18:51:23
Da mir der Thread gerade gelinkt wurde, schreib ich dann auch noch mal rein. :)

Ich bin evangelisch, mein Vater war Pastor und ich glaube an Gott. Es kann sein, dass es damit zusammenhängt, dass ich in einen Pastorenhaushalt geboren bin, aber sicher bin ich nicht. Ich glaube eher, es liegt an meinem allgemeinen Respekt vor der Welt.
Kirche und Glauben hat meiner Meinung nach eh bedingt miteinander zu tun. Ich kenne mich mit dem kirchlichen Alltag ziemlich gut aus und weiß, dass es in der Kirche so normal zugeht wie anderswo auch.

Was mich nervt, ist, wenn mir jemand den Glauben austreiben will, und das kommt sehr häufig vor: Viele haben mir schon "todsicher" bewiesen, dass es Gott nicht gibt. Aber wer kann das denn überzeugend beweisen? Ein anderer Gott vielleicht?

Für meine Geschichten spielt Religion mehr eine Rolle als der Glaube. Ich finde Fanatismus bedenklich, aber Religion als Bestandteil einer Gesellschaft ist einfach in meinen Augen ein wichtiger Aspekt jeder Kultur, und ich bin sehr interessiert an allen Religionen der Welt. Selbst dann ist Religion wichtig, wenn es eine atheistische Gesellschaft ist, die sich einen "Religionsersatz" geschaffen hat (so z. B. in meiner Fantasywelt Phainomainica). Ich habe auch eine Faible für Priesterfiguren, nicht, weil sie so schön fromm sind, sondern gerade dann, wenn sie gegen ihre Gebote verstoßen müssen oder von ihrer eigenen Religion nicht mehr überzeugt sind.
Es macht mir auch Freude, mir auszudenken, wie eine Bevölkerung lebt, die an einen bösen Gott glaubt. Auch darüber habe ich schon geschrieben. Oder wie die Ergebenheit an einen bösen Gott jemanden kaputt macht.
Ich schreibe auch gern über Hybris - jemand erhebt sich zu weit über seine Position als Mensch und wird dafür bestraft. Das Thema wird aber auch heute noch behandelt, z. B. in Katastrophenfilmen.

Hinter diesen Geschichten steckt natürlich irgendwie auch die Überzeugung, dass es gut ist, seinen Mitmenschen Gutes zu tun und generell Gutes zu tun, und dass die Macht des einzelnen Menschen begrenzt (nicht gering) ist. Aber ich denke, um so zu denken, muss man nicht gläubig sein. Es hilft nur. ;)
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Manja_Bindig am 15. August 2006, 19:43:04
Weißt du Coppelia, ich wünsch mir manchmal, ich hätte Christen von deinem und Majas Schlag schon als Kind kennengelernt. Zumindest hätte es verhindert, dass ich der Kirche heute so verbittert gegenüberstehe. (und ich kann Verbitterung nciht leiden. Deswegen arbeite ich grad daran.)
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Maja am 15. August 2006, 20:04:29
Letztlich passierte mir folgendes: Ich wohne ja im gleichen Haus wie meine Oma, 86 Jahre und Nicht-Fantasy-Leserin. Meine Mutter und ich vermuten, daß sie generell wenig Phantasie hat, denn sie ist hochgebildet und liest alles, was einen historischen oder grographischen Hintergrund hat. "Erfundene Geschichten", wie sie es nennt, sind ihr aber ein Greuel.
Neulich kam das erste Exempar meines Buches Engelsschatten an, und das habe ich ihr dann doch gezeigt, wohlwissend, daß sie es nie lesen wird. Aber sie bat mich, ihr dann etwas zur Handlung zu erzählen, und wir kamen wieder auf Fantasy im Allgemeinen zu sprechen, und dann legte sie los. Was sie mir vorwarf, fasse ich mal zusammen:

Wie kann ich auf der einen Seite mich Christin nennen, mich sogar noch nachdrücklich taufen lassen, wenn ich doch auf der anderen Seite Geschichten über falsche Religionen schreibe?
Ich halte dagegen: Ich kann trennen, ich glaube nicht, was ich mir ausgedacht habe
Aber die Leser! Ich verführe doch meine - meist jugendlichen - Leser zum Verehren erfundener Religionen!
Ich halte dagegen: Meine Leser wissen, daß Fantasy von Phantasie kommt und die dort auftretenden Engel und Götter nichts mit unserer Wirklichkeit zu tun haben. Ich kenne viele Fantasyleser, ein paar von ihnen sind Christen, ein paar sind Heiden, ein paar glauben an gar nichts - aber niemand verehrt eine Religion aus einem Fantasyroman...
Sie wollte mir nicht glauben. Ich habe das Gespräch dann beendet.
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Kalderon am 15. August 2006, 20:50:55
In bin evangelisch, getauft und konfirmiert. Der Glaube an Gott war bei mir aber nie mehr als ein "bin mir nicht sicher". Folglich verleugnete ich die Existenz Gottes, wurde Atheist und hielt die Wissenschaft in den Himmel.
Doch auch auf die Wissenschaft kann man sich heute nicht mehr verlassen. Vielleicht gab es Zeiten, wo man das konnte, vielleicht war es Selbstbetrug, wer weiß.

Ich entschied mich, als ich die Wahl zwischen Religion und Wissenschaft hatte, für keines von Beiden, sondern für die Philosophie. Sie bietet einem Antworten auf wirklich wichtige Fragen. Und man kann die Antworten mit der eigenen Logik begreifen und somit erfahren. Keine Religion vermag mir das zu geben und keine Wissenschaft, die ich selbst nicht nachvollziehen oder überprüfen kann.

Und ich entschied mich zwischen Christ und Atheist, ebenfalls für keines von beiden und wurde Agnostiker. Die Wissenschaft hält Gott für ausgeschlossen, die Religion kann sich eine Welt ohne Gott nicht vorstellen. Agnostiker sagen: Es ist für den Menschen nicht erfassbar, ob Gott existiert oder nicht. Man kann nicht beweisen, dass es keinen Gott gibt. Aber man kann auch nicht beweisen, dass es einen gibt. Es ist rational nicht begreifbar, nicht erfahrbar, nicht erfassbar (auch wenn einige behaupten, bewiesen zu haben, dass Gott nicht existiert und wieder andere behaupten, von ihm "berührt" worden zu sein oder seine "Existenz" gespürt zu haben.)

Die Religion ist nicht da, um Antworten zu geben, sondern um Trost zu geben.
Die Wissenschaft ist da, um Antworten zu geben, auf Fragen, warum und wie etwas funktioniert.
Die Philosophie gibt einem Antworten auf Fragen, die man im Grunde zum Leben nicht benötigt, die jedoch die Kernaussage des Lebens selbst beeinhalten. Was ist Realität? Wie erkenne ich, was Realität ist?

Aber ich will hier keinen Vortrag über Philosophie halten, dazu bin ich auch noch zu sehr Laie.


Liebe Grüße: Kalderon
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Coppelia am 15. August 2006, 20:53:16
Ja, das hab ich auch schon gehört, dass dieser Vorwurf an Fantasy gemacht wird. Aber ich musste es mir noch nie anhören. Ich würde mir auch wirklich den Schuh nicht anziehen.
Irgendwie finde ich das fast schon lustig ...

"Falsche Religionen" wäre für mich eh so eine Sache. Ich würde keine als falsch bezeichnen, höchstens als eine, der man selbst nicht angehört. Das zu erklären, würde jetzt aber etwas länger dauern.

Fantasy-Religionen sind doch toll dafür, den Lesern bestimmte Dinge vor Augen zu führen, die auch in unserer Welt bedenkenswert sind, ohne dass es gleich zu ernst genommen werden muss. Man kann mit verschiedenen Aspekten spielen, ohne dass man damit Schaden anrichtet. Zumindest denkt man das.
Schade, dass deine Oma das so sieht, aber da kann man wohl nichts machen. Glaubt sie, dass alles, was in Büchern steht, real ist? Hm.
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Lastalda am 15. August 2006, 21:10:49
Zitat von: Kalderon am 15. August 2006, 20:50:55
Die Wissenschaft hält Gott für ausgeschlossen
Ach, tatsächlich? Ich finde diese grundsätzliche Gegenüberstellung von Religion und Wissenschaft ausgesprochen seltsam. Es gibt viele Wissenschaftler, die gläubig sind und in ihrer Suche nach Erkenntnissen doch nur auf ihre Art nach der Nähe zu Gott suchen - und die damit kein Problem haben. Naturwissenschaft und Glaube schließt sich keineswegs aus, schlißlich kann keiner von beiden den anderen verleugnen oder beweisen. Schließlich kann Gott ja das universum mitsamt seiner Naturgesetze erschaffen haben, und warum sollte der Mensch nciht so viel davon begreifen, wie er kann?

Erst vorhin habe ich auf 3Sat in der Kulturzeit eine sehr interessante Reportage gesehen, wo sich eine französische Dame, deren genaue Qualifikation ich vergessen habe (sie klang nach jemandem, der sich mit Religionsentwicklung und Verbreitung auseinandersetzt), traurig darüber äußerte, dass es unter den jungen Menschen im Moment sehr viel Religiosität und kaum Religion gibt, eben weil sich sehr viele ihren eigenen Glauben zusammensetzen (die sogenannten "Patchwork-Religionen") und oft nach Glauben außerhalb von Institutionen suchen. Nach dem Motto: "Was ich glaube, geht nur mich an - und die anderen sollen bitte gern glauben, was auch immer sie möchten."
Mein einziger Gedanke zu dieser Reportage: "Mädel, wo ist eigentlich Dein Problem?" Ich finde diese Entwicklung sehr gut und völlig in Ordnung!
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Coppelia am 15. August 2006, 21:56:14
Die Wissenschaft hält Gott keineswegs für ausgeschlossen. Ich habe neulich gelesen, dass ein Physiker eine 66%ige Wahrscheinlichkeit für die Existenz Gottes berechnet hat - das halte ich aber für genauso sinnlos, wie beweisen zu wollen, dass es ihn nicht gibt.

Ich denke, dass wir das einfach mit unseren Methoden nicht beurteilen können. Und ich bin wirklich froh darüber. Man kann ja an Gott glauben oder es lassen, aber zu sagen "Es ist ausgeschlossen, dass es Gott gibt, denn ich habe den Beweis" oder genauso "Es ist bewiesen, dass es Gott gibt, denn ich habe es bewiesen" finde ich irgendwie ... na ich weiß nicht. Das kommt jedenfalls nicht von jemandem, der an mangelndem Selbstbewusstsein leidet. 
Es heißt ja nicht umsonst "Glaube". ;)
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Steffi am 15. August 2006, 22:14:53
Ich stehe Religionen sehr entspannt gegenüber.  Ich bin getauft, bin auch brav zum Konfirmantenunterricht gegangen, sogar freiwillig - nicht aus Überzeugung, sondern weil ich später einfach gerne Patentante werden möchte :) Außerdem lerne ich wahnsinnig gerne.

Ich finde Religionen interessant, habe mich schon in der Schule wahnsinnig gerne mit ihnen beschäftigt - vermutlich, weil mich Geschichte so fasziniert und Religion dabei schon immer eine große Rolle gespielt hat.  Außerdem interessiert mich, warum Menschen an Gott glauben.

Ich selbst bin allerdings Atheistin.

Ich habe aber kein Problem damit, in die Kirche zu gehen und zwei Stunden lang interessiert zuzuhören.  Vieles, was Pfarrer und Pastoren in ihren Predigen ansprechen ist wahr, und kann einen berühren ohne dass man an Gott glaubt. Ich erinnere mich da gerne an die Taufe meiner Großcousine, die mit einer Hasenscharte auf die Welt kam. Bei der Taufe hielt der Pastor dann eine wunderschöne Predigt darüber, dass man nicht perfekt sein muss, und nicht immer versuchen sollte, perfekt zu sein, sondern dass wir genau so richtig sind, wie wir sind - da war ich wirklich zu Tränen gerührt.

Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Geli am 16. August 2006, 10:30:03
ich bin Gretchen

äh, nein.

Was die Frage nach der Religion angeht, halte ich es gerne mit Friedrich dem Großen, der bekanntlich sagte, Jeder solle nach seiner Facon selig werden.

Da keiner von uns erfahren wird, was Sache ist, ob es GOtt gibt und ob das Nirwana wie das Paradies funktioniert, ich meine: nicht bevor wir alle tot sind (und danach kann keiner von uns zurück und erzählt wie es ist) - müssen wir uns einfach selbst für einen Glauben entscheiden.

Der nicht notwenidgerweise der sein muss, der uns als Kindern anempfohlen wurde.

Um nun auf Literatur zurückzukommen und wie man beim Schreiben mit Religion umgeht.
Liebe Tintles, wir werden es nicht schaffen, es jedem Leser recht zu machen.
Leider verwechseln zu viele Menschen Papier (oder Pixel) mit dem Leben.
Es ist ein beliebtes Spiel, Autoren Dinge anzukreiden, die dieser vielleicht gar nicht so gemeint hat, selbst nicht besser/anders wusste oder - Autoren sind ja boshafte Leute - extra und bösartig in seinem Text untergebracht hat, um den/die Leser damit zu ärgern/aufzuzrütteln/zu entsetzen (die Liste der Möglichkeiten des Anstoßes ist da lang)

Umgekehrt versuche ich als Autorin schon, mich vorher und möglichst umfassend über Praxis & Philosophie einer Glaubensrichtung/-strömung zu informieren, wenn ich meine, ich muss das als Hintergrundwissen haben, bevor ich in die Tasten greife.

Autoren sind es ihrem Text nämlich schuldig, zumindest den Versuch von Autenzität zu unternehmen. Damit will ich sagen, dass gute Texte neben Stil und Wortwahl auch an den stimmigen Details zu erkennen sind.

Leser wissen heute zuviel.

Als Beispiel, für das was ich meine möchte ich eines aus dem Bereich Film vortellen:
Peter Ustinov konnte 1965 noch ohne Weiteres mit ein bisschen Lidstrich um die Augen unverständliche Laute piepsend den Chinesen geben.
Ein Krimi der Reihe Tatort des Jahres 2000 braucht Darsteller aus Hongkong oder Macao, und muss diese miteinander echtes Chinesisch reden lassen
... weil nämlich mein lieber Mann unsere gemeinsame Freundin Antje, die Chinesisch kann, dazu benützt, ihr das Video des Krimis vorspielt und sie fragt, ob die Chinesen "echtes", d.h. verständliches Chinesisch sprechen, das den Sinn ergibt, den der Krimi will (sie tun es übrigens)

Randnotiz: meine eigenen Erfahrungen mit Kirche behalte ich an dieser Stelle ausdrücklich für mich.
Titel: Re: Gretchenfrage
Beitrag von: Lomax am 16. August 2006, 12:17:12
Zitat von: Kalderon am 15. August 2006, 20:50:55
Ich entschied mich, als ich die Wahl zwischen Religion und Wissenschaft hatte, für keines von Beiden, sondern für die Philosophie. Sie bietet einem Antworten auf wirklich wichtige Fragen. Und man kann die Antworten mit der eigenen Logik begreifen und somit erfahren.
Mein Verhältnis zur Philosophie ist in den letzten Jahren gebrochen. Besonders deutlich wurde mir das, als ich im letzten Jahr einen Feuilleton-Beitrag in der Süddeutschen gelesen habe. Da ging es um die neueren neurologischen Erkenntnisse, die infrage stellen, ob es so etwas wie einen "freien Willen" überhaupt gibt. Der Autor war der Ansicht, dass der freie Wille ungeachtet der wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht in Frage steht, und er bewies das auch - in dem er den "freien Willen" einfach ganz neu definierte, und zwar anders, als irgendein normaler Mensch "freier Wille" verstehen würde.
  In dem Augenblick hatte ich das Gefühl, dass die Philosophie tot ist.
  Denn jedes Erkennntnissystem, das sich nicht nur derart dem Diskurs mit dem Subjekt entzieht, sondern auch den Fragen, die an es herangetragen werden (und es ist ein Rückzug, wenn ich die Frage nach dem "freien Willen" stelle, und bekomme die Antwort auf etwas ganz anderes, mit dem Hinweis, ich solle doch das in Zukunft "freien Willen" nennen), ist nicht mehr von dieser Welt.

ZitatDie Wissenschaft hält Gott keineswegs für ausgeschlossen.
Das Problem zwischen Wissenschaft und Religion besteht darin, dass religiöse Vorstellungen historisch betrachtet oft für die Erklärung empirischer Kausalitäten herhalten mussten - was man heutzutage als Domäne der Wissenschaften ansieht. In diesem Falle wurde die Religion als Lückenfüller für Wissenslücken missbraucht, und weil auch die moderne Wissenschaft solche Lücken bereitstellt, findet diese Art von Missbrauch immer noch statt.
  Besonders schlimm ist es dann, wenn Leute es sich so angewöhnt haben, die Religion als weltliches Erklärungsmodell heranzuziehen, dass sie sich nicht nur mit dem Füllen von Lücken zufriedengeben, sondern auch hinreichende Evidenzen "wegdiskutieren" wollen. Dieses Moment sieht man derzeit auch in den USA wieder sehr stark am Werke.
  Und dann entsteht natürlich eine Konkurrenz zwischen Religion und Wissenschaft, die aber weniger in der Sache bedingt liegt, als vielmehr in den Menschen und der Art, wie sie diese Sache vertreten.
  Man darf auch nicht vergessen, dass es andererseits genug Wissenschaftler gibt, die Wissenschaft selbst als Religionsersatz praktizieren - sie ersetzen die Empirie dann durch das Dogma der Theorie, und das ist auch nicht viel besser.

Die Religion kann selbst in vielen Bereichen (Theologie, Religionsgeschichte, Seelsorge etc.) wissenschaftliche Methoden nutzen, denn Wissenschaft ist nur ein Werkzeug. Mit einem Werkzeug kann man mehr als ein Haus bauen - aber das Werkzeug in Konkurrenz zu dem Haus setzen, ist schon ziemlich widersinnig, egal ob jemand sagt: "Ich hab hier ein Haus - also weg mit dem Werkzeug", oder ob jemand sagt: "Was für ein schönes Werkzeug. Da kann ich mich bei Regen unterstellen und im Winter sicher drin wohnen."