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Alles zur Perspektive

Begonnen von Lastalda, 01. Januar 1970, 01:00:00

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Thaliope

Waaah, soory!  Jetzt hatte ich hier gar nicht mehr geantwortet. Asche über mein Haupt. Hatte eure Antworten auf dem Handy gelesen ... Und dann hat mich der NaNo überrollt ...

Danke jedenfalls für eure Meinung, ihr trefft genau das Problem, das ich mit der Kiste habe. Dass der Lehrer bei dem Gespräch zwischen Jonathan und Laura anwesend ist, funktioniert plottechnisch nicht, ist aber im Prinzip eine sehr schöne Idee, das würde es plausibel machen.

Ganz schlüssig bin ich mir immer noch nicht, wie ich es löse ... Aber ich denke, die Lehrerperspektive fliegt raus.

Habt vielen Dank fürs Mitüberlegen
Gruß, Thali

Leann

Ich interessiere mich für eure Meinungen zu Änderungen in der Häufigkeit von Perspektivwechseln.

Zur Verdeutlichung mein konkretes Problem: Ich beginne den Roman mit kapitelweisen Perspektivwechseln. Ich schreibe abwechselnd aus der Sicht von zwei Romanfiguren (3. Person, personal).
Nun spiele ich mit dem Gedanken, mit dieser Routine zu brechen und im Romanverlauf auch innerhalb der Kapitel die Perspektive zu wechseln. Es soll kein ständiges Springen sein, sondern schon längere Absätze, und ich werde diese mit Sternchen (*) optisch voneinander abgrenzen. Ich plane nicht mehr als ein bis zwei Wechsel innerhalb eines Kapitels. Sinn des ganzen ist die Erhöhung der Spannung und die Tatsache, dass ich in der Mitte des Romans zu viele Kapitel mit der selben Perspektive aneinandergereiht habe. Das könnte dazu führen, dass der Leser die andere Perspektive aus den Augen verliert, daher möchte ich zwischendurch öfter wechseln.

Was haltet ihr davon? Habt ihr das schon mal in einem Roman so vorgefunden und hat es euch gestört? Dass innerhalb eines Kapitels die Perspektive wechselt, kommt ja oft vor, aber ist das verwirrend, wenn die Wechsel anfangs kapitelweise auftreten?

Malinche

Hm, ich finde, man kann das letztlich nicht pauschal sagen, sondern muss gucken, wie es innerhalb eines Projekts passt, und bei dir scheint das ja jetzt gut durchdacht zu sein. Ich denke nicht, dass es mich stören würde.

Vielleicht als hilfreiche Anekdote: Als ich meinen Mahagonibaum geschrieben habe, war es auch so, dass ich immer ein Kapitel aus der Perspektive der Hauptprota mit einem aus einer anderen Perspektive (Rückblenden) abgewechselt habe. Die Lektorin wollte dann eine dieser Rückblenden-Perspektiven so ändern, dass der Wechsel da irgendwann quasi auch im Kapitel erfolgte, und als ich meinte, das würde mir ja die schöne Struktur zerschießen, erwiderte sie ganz trocken, daran würde sich garantiert niemand stören.  ;D Mich hat es beim Lesen hinterher zwar noch immer ein wenig irritiert, weil ich eben wusste, wie es ursprünglich war, aber letztlich ging es eigentlich ganz gut. Zumindest hat sich auch noch kein Leser beschwert, wiewohl das ja nix heißen muss.
»Be suspicious of the lemons.« (Roxi Horror)

Leann

@Malinche: Danke! Mir als Leserin ist sowas nämlich bisher auch nie aufgefallen. Und da ich sehr viel lese, vermutlich nicht, weil es nie vorgekommen ist, sondern weil ich es nicht bemerkt habe. Die "schöne Struktur" habe ich mir in der Mitte sowieso zerschossen, da ich irgendwann vom kapitelweisen Wechsel abgekommen bin. Daher könnte es vermutlich sogar weniger störend sein, wenn es nach der Änderung wieder ein paar mehr Wechsel gibt, egal ob kapitel- oder absatzweise.  :hmmm:

Immortal

Also mir wäre das jetzt nicht aufgefallen, dass ich das irgendwann einmal störend fande. Und ich finde gerade zum erhöhen der Spannung ist das doch ein wunderbares Mittel. Verdeutlicht eben einfach das Anziehen der Handlung im Vergleich zum Anfang, an dem die Perspektivenwechsel noch kapitelweise erfolgen.
Mir fällt jetzt zwar spontan kein Buch ein, in dem die Perspektive zuerst kapitelweise gewechselt wird und dann häufiger, aber ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass sich daran jemand stört. Ich finde, wie bereits erwähnt, dass das zum erhöhen der Spannung doch ein schönes Stilmittel ist.

Ich kenne wenig Bücher, in denen der Perspektivenwechsel konsequent kapitelweise gemacht wird. Außer bei "Das Lied von Eis und Feuer" und da hat das ja größtenteils andere Gründe. Bei "Die Nebel von Avalon" meine ich, dass sogar in den ersten Kapiteln eine Perspektive eingehalten wird und dann gewechselt wird, bin mir aber nicht ganz sicher. :hmmm: Das Buch finde ich auf jeden Fall klasse!
Zahme Vögel träumen von der Freiheit, wilde fliegen.

Antonia Assmann

Hallo Leann,

schön, dass du das Thema ansprichst. Ich habe nämlich ein fertiges Manuskript hier liegen, bei dem ich es genauso gehalten habe und mir am Schluss nicht sicher war, ob ich das so beibehalten kann. Allerdings war es mir bei Schreiben nicht anders möglich. Zuerst habe ich die Perspektiven kapitelweise eingehalten, bis man die Leute und ihre Beweggründe soweit aufgebaut hatte. Dann aber, als sich alles immer rasanter entwickelte, ging das nicht mehr und ich habe innerhalb der Kapitel mit Absätzen gewechselt. Das machte das Ganze ziemlich dynamisch, aber ich war mir, wie gesagt am Schluss auch nicht sicher, ob man das so stehen lassen kann. Auf der anderen Seite, warum eigentlich nicht? Hauptsache der Leser weiß, in wessen Kopf er sich gerade bewegt. Und das Tempo erhöht sich auf alle Fälle, ohne dass man viel dazu tun muss. Ich werde das jetzt mal so stehen lassen und sehen, was die Agentur dazu sagt. Jedenfalls danke, dass du die Frage aufgeworfen hast, die ich still für mich dahintrug und jetzt deine Antworten mitlesen darf!
:winke: Antonia

Churke

Zitat von: Leann am 04. August 2015, 19:11:52
Ich plane nicht mehr als ein bis zwei Wechsel innerhalb eines Kapitels. Sinn des ganzen ist die Erhöhung der Spannung und die Tatsache, dass ich in der Mitte des Romans zu viele Kapitel mit der selben Perspektive aneinandergereiht habe. Das könnte dazu führen, dass der Leser die andere Perspektive aus den Augen verliert, daher möchte ich zwischendurch öfter wechseln.

Da sehe ich die Gefahr, dass die Identifikation mit den Perspektivträgern nachlässt. Der Leser soll ja Partei ergreifen, das kann man sich damit kaputtmachen.

HauntingWitch

#337
@Leann: Ich sehe da auch kein Problem. Es muss einfach klar gekennzeichnet sein, das machst du ja. Ich meine, schon einige Bücher gelesen zu haben, in denen relativ häufige (unterteilte) Perspektivenwechsel vorkommen, habe mich aber noch nie geachtet, ob das immer beim Kapitelwechsel ist. "Santa Olivia" von Jacqueline Carey fällt mir da gerade ein, wenn ich das richtig im Gedächtnis habe, ist schon eine Weile her.  ;) Oder King macht das bei seinem "Dunklen Turm" ja auch, wobei er unterteilt das mit Zahlen, sind also schon wieder so etwas wie Kapitel. Allerdings haben die teilweise eineinhalb Seiten und weniger. Ich glaube jedenfalls, das ist auch so eine Sache, die nur einem Autor auffällt und erst recht niemanden stört.

Da der Thread jetzt gerade wieder oben ist, ich hatte letztens einen anderen Gedanken. Nicht, um Leanns Problem wegzureden und meins ist jetzt auch gelöst, aber einfach so als Anstoss um Meinungen zu sammeln. Während ich in der Perspektive von Person X bin, kann ich ja nur schreiben, was diese Person selber auch weiss und denkt. Nun findet mein Protagonist in seiner Wohnung nach Jahren das T-Shirt einer Ex-Freundin. Ich habe geschrieben:
ZitatDas Minnie-Mouse T-Shirt einer seiner Ex-Freundinnen, die Model war.
Aber dann habe ich überlegt, Moment, im Grunde stimmt das ja gar nicht. Der hatte eine Beziehung mit der Frau. Der wird ja nicht denken, "eine meiner Ex-Freundinnen", sondern wohl eher "das T-Shirt von Y" oder von "der Ex-Freundin", es ist ja eine bestimmte. Aber es ist eben nicht die eine, sondern eine von vielen und das möchte ich dem Leser mit meinem Satz ja sagen. Wenn ich einen Namen bei Y einsetze, weiss man nicht, wer ist die und ist verwirrt. Wenn ich sage "die Ex-Freundin", denkt man, es wäre die eine. Was würdet ihr bei so einem Fall machen? Ich habe mich jetzt für die Info an den Leser entschieden und lasse den Satz so stehen, aber genau genommen stimmt dann halt die Perspektive nicht mehr hundertprozentig.

PinkPuma

@ Leann – Ich würde mich anschließen bei der Meinung, dass solche Perspektivenwechsel unproblematisch sind. Wohlgemerkt insofern sie sauber durchgezogen werden. Prinzipiell stören mich Wechsel innerhalb eines Kapitels nicht und sie nehmen mir auch nichts von der Identifikationsmöglichkeit mit der jeweiligen Figur. Allerdings habe ich mal ein Buch gelesen, bei dem die Wechsel zunehmend ,,schlampig" gestaltet waren, sodass ich gegen Ende das Gefühl hatte, dass die Autorin selbst nicht mehr wusste, aus welcher Perspektive sie eigentlich gerade schreibt. Ich unterstelle dir aber mal, dass du in der Lage bist, doch sauber an Perspektiven zu halten. ;-) Von daher sehe ich da kein Problem.

@ Witch – Hmm, kniffliger Fall. Allerdings finde ich deinen Satz gar nicht so unpassend und aus der Perspektive gerissen, denn man kann ja durchaus denken ,,ach, das Shirt meiner Ex-Freundin". Und nicht zwingend ,,ach, das Shirt von Anna". Ich denke, wenn emotional ein großer Abstand zu der betreffenden Ex-Freundin besteht ist ,,eine seiner Ex-Freundinnen" durchaus angebracht.

Moni

@Witch Also, ich denke von meinem Ex-Freund in erster Linie als Ex-Freund und nicht an seinen Namen, von daher kannst du, wenn der zeitliche Abstand passt, das durchaus so schreiben.

@Leann Ich habe festgestellt, als Leser ist mir die Struktur eines Buches meistens total egal, da achte ich oft gar nicht auf Kapitel. Als Autor ist es anders, da bin ich pingelig und verzweifle oft daran, wenn meine Kapitel zu unterschiedlich in der Länge und den Perspektivwechseln sind. Von daher, wenn es zum Buch passt und du als Autor mit der daraus resultierenden Struktur zufrieden bist, finde ich das mit den häufiger auftretenden Perspektivwechseln nicht problematisch. Ich denke auch nicht, das man die Nähe zum jeweiligen Perspektivträger verliert, wenn da mal einzelne Kapitel zwischenliegen.
Im "Rad der Zeit" gibt es ganze Bücher, in denen bestimmte Perspektivträger nicht vorkommen, da fieberte man dann um so mehr dem nächsten Band entgegen, in dem die Person dann wieder auftrat und die Perspektive hatte.
Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
und im weitesten Sinne auch von Dieter Bohlen[/i]
Stefan Quoos, WDR2-Moderator

»Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzigen Tages sinnvoll zu ordnen,
ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
Johann Wol

flowrite

Witch,

wenn das Teil einen leicht humorigen Touch bekommen darf, kommt mir in den Sinn: Das Minnie-Mouse-Shirt von Anna, nein Sarah, oder Bettina?, eines der Models jedenfalls.

HauntingWitch

Zitat von: flowrite am 05. August 2015, 15:08:54
wenn das Teil einen leicht humorigen Touch bekommen darf, kommt mir in den Sinn: Das Minnie-Mouse-Shirt von Anna, nein Sarah, oder Bettina?, eines der Models jedenfalls.

Haha, das ist natürlich auch eine Idee. :rofl: Vielleicht ginge das sogar, ich glaube, ich probiere es aus.

Angela

 

Zitat@Leann
Im "Rad der Zeit" gibt es ganze Bücher, in denen bestimmte Perspektivträger nicht vorkommen, da fieberte man dann um so mehr dem nächsten Band entgegen, in dem die Person dann wieder auftrat und die Perspektive hatte.
Wobei das etwas war, was etliche Fans verärgert hat, mich auch, denn ich fand ganze Perspektivstränge eher öde und dann fehlte mir Matt(?), der mein Favorit war, schon sehr als Ausgleich.


Ich bin im Moment auch ein wenig verunsichert. Ich habe einen Text mit mehreren erzählenden Protas. Am Anfang halte ich sie einigermaßen auseinander, gegen Ende findet die Aktion aber gleichzeitig an verschiedenen Stellen statt, sodass die einzelnen Abschnitte kurz sind und schnell aufeinander folgen.  Jetzt habe ich es erstmal meinen Mann lesen lassen, der ist schrecklich kritisch meinen Texten gegenüber und selbst kein Autor. Ihm ist nichts aufgefallen. Nun liest es mein jahrelanger Beta, der selbst schreibt. Ich bin gespannt, was er dazu sagt.

ZitatDas Minnie-Mouse-Shirt von Anna, nein Sarah, oder Bettina?, eines der Models jedenfalls.
So etwas in der Art würde ich auch wählen. Das verstärkt die Innensicht auf den Prota schön.

Leann

Danke für eure Einschätzungen! Ich schreibe jetzt ab der Mitte mit Perspektivwechseln innerhalb der Kapitel. Als ich eure Meinungen gelesen habe, ist mir eingefallen, dass es mir ab und zu bei Romanen missfallen hat, wenn sehr lange Zeit nur eine Perspektive verfolgt wurde, weil ich doch gerne wissen wollte, wie es bei der anderen Figur weitergeht. Das hat mich mehr gestört als schnelle Wechsel (wenn sie nicht zu schnell und klar abgegrenzt sind).

Die Lösung mit dem Model und dem "vergesslichen" Typ finde ich witzig, das würde mir in einem Buch sehr gefallen.

@Angela: Genau das habe ich neulich in einem Krimi gelesen. Da wurde während des Showdowns, der an zwei Orten stattfand, sehr rasch hin und her geschaltet. Mir kam das vor wie schnelle Schnitte bei einem Film-Finale und es hat mir gut gefallen, ich fand das sehr spannend.

HauntingWitch

Ich danke ebenfalls. :) Ich bin aber noch nicht sicher, ob ich flowrites Idee wirklich übernehmen werde, ich weiss nicht, ob ich meinen Charakter so darstellen möchte. Das wirft ja ein ganz bestimmtes Bild auf, das nicht unbedingt positiv ist. Und da ich weiter vorne schon weniger sympathische Züge von ihm zeige...  :hmmm: