• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Kelten am Ende, oder: Der Untergang des Abendlandes

Begonnen von Maja, 22. Juni 2007, 20:26:08

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Maja

Als ich vor - rechne - 18 Jahren mit dem Fantasyschreiben anfing, da inspirierte mich, natürlich, Irland. Saftiges Grün, tolle Musik, Männer mit Bärten und eine Geschichte voll Feen, Blut und Unterdrückung - was wollte man mehr? Und so leisteten dann rothaarige Kobolde erbitterten Widerstand gegen böse Besatzer. Später war es dann nicht mehr ganz so offensichtlich, aber immer noch waren die Inseln grün, schafsbevölkert und sangesfreudig.
Ich traf während meines Studiums andere Autoren, die schrieben Fantasy und orientierten sich an... Irland. Bis es mir zuviel wurde, weil ich doch etwas besonderes schreiben wollte, und auswich nach Wales. Da gibt es auch Schafe, grüne Hügel und Sangesfreude, aber weniger Rotbärte, und die Namen klingen noch etwas lustiger.
Bis ich mich dann irgendwann ganz von den Kelten verabschiedete und beschloß, mein eigenes Ding durchzuziehen.

Und jetzt treffe ich hier viele Autoren, darunter viele Junge, die noch nicht so lange dabei sind, um meine irokeltische Phase erlebt zu haben - und die lassen sich, so mein Gefühl, überhaupt nicht von den Iren inspirieren. Und auch nicht von den Walisern. Nicht mal Schotten. Nein, das geht ganz, ganz weit weg: Plötzlich schöpft jeder aus dem alten Japan.

Als ich zum ersten Mal von Lindas "Schicksalstanz" hörte, war ich schwer begeistert allein von der Idee und der Nische. Dann stellte ich fest, daß auch meine Elomaranwelt Parallelen zum Japanischen Feudalismus aufwies. Dann kam "Das Schwert in der Stille" heraus - und irgendwann in der Zwischenzeit muß es passiert sein: Die Iren sind Geschichte. Und Japan hat die deutsche Fantasy erobert.

Oder bilde ich mir das ein?
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Kalderon

Hi Maja,

Zitat von: Maja am 22. Juni 2007, 20:26:08
Oder bilde ich mir das ein?

Ich darf mit Freude verkünden: Du bildest es dir "teilweise" ein.
Es war in den letzten Jahren, vor allem mit der Zunahme der Tolleranz gegenüber Mangas und Animes, auch gegenüber japanischen Kung-Fu-Filmen (auch geprägt durch die Popularität von Matrix) überall ein Anstieg solcher Themen zu verzeichen (Clan der Otori, fällt mir da spontan beim Buchmarkt ein). Aber meines Erachtens legt sich das gerade wieder.
Mich würde es nicht wundern, wenn bald wieder mehr Piratenstorys rauskommen. ;)


Liebe Grüße: Kalderon

Moni

Vielleicht liegt es auch daran, daß man heutzutage Kelten nicht mehr automatisch mit Iren asoziiert, sondern die weitreichende Verbereitung der Kelten in Europa mit einbezieht?
Was den Eroberungszug des Japanischen angeht: spätestens nach dem Herüberschwappen der Manga- und Animewelle war das ja fast abzusehen...
Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
und im weitesten Sinne auch von Dieter Bohlen[/i]
Stefan Quoos, WDR2-Moderator

»Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzigen Tages sinnvoll zu ordnen,
ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
Johann Wol

Steffi

Bei den jüngeren Generationen scheint das wohl wirklich so zu sein, aber mein erstes und vermutlich auf längere Sicht auch einziges Fantasywerk orientiert sich namens- als auch landschaftstechnisch sehr an den britischen Inseln und Skandinavien.

Irland st seit Jahren meine große Liebe, das United Kingdom hat aber zu einer rasanten Aufholjagd angesetzt. Na ja, immerhin studiere ich den Kram auch. Nein, ich schätze Fantasy wird bei mir immer in der Ecke bleiben :)

Übrigens Maja - entgegen der allgemeinen Annahme sind die Kelten ein dunkles Volk mit braunen bis schwarzen Haaren gewesen, und die meisten Iren sind das immer noch. Lustigerweise sind es eher die Schotten, die tatsächlich rotbärtig auftauchen :)
Sic parvis magna

Rumpelstilzchen

Romantechnisch habe ich da eher weniger mitbekommen, weil mich Japan so überhaupt nicht interessiert. Das einzige was mir neulich in einer Buchhandlung aufgefallen ist, waren Regele voll mit Mangas und das fand ich etwas übertrieben, als ich dagegen ein äußerst kleines Regal mit Fantasy in der Ecke sah.

Mich fasziniert das geheimnisvolle Schottland, die Landschaft, die Kultur, die Geschichte, die Menschen, die Sagen, einfach alles. An Japan finde ich so überhaupt gar nichts geheimnisvoll.

Artemis

#5
Ich denke auch, dass diese Trendwelle der Fantasy periodisch anschwellt und sich dann wieder verzieht. Beinahe jedes Land war schon mal beliebt gewesen und hatte die Regale der Buchläden überschwemmt, bis sich die Leute sattgelesen hatten und nach neuem Stoff gierten.
Sei es jetzt das besagte Irland, Schottland (wobei Diana Gabaldon wohl die erste Fahne in die neue Nische piekste), Deutschland, Japan, Amerika, Skandinavien, Australien, Afrika ... alles wurde bereits benutzt, so ziemlich jede geschichtliche Epoche ist ausgebucht. Manche waren mehr, andere weniger populär. Die Kelten waren lange Zeit wirklich der letzte Schrei, aber für mich hat dieses Volk mittlerweile den Reiz verloren. Ich hab genug von hellseherischen Barden und Jungfern mit goldenen Haaren, von Artus und dem Gral, von Sternenguckern und feenhaften Frauen ... Irgendwie ist das alles schon zu bekannt, der Reiz ist verloren.

Mit Japan ist das genauso. Mangas waren früher ein Insider-Tip, Animes kostspielige Handelsware, die es nur in erlesenen Geschäften zu den Preisen eines Apothekers gab. Ich erinnere mich gut an die Zeit, als DVD noch ein Fremdwort war - damals kosteten die Ur-Animes auf VHS noch 40-60 DM! (Eine dieser Reliquien habe ich sogar noch: Lily CAT aus dem Jahre 96  ;D) Und wer Mangas wollte, musste zum Comic-Laden latschen.
Heute findet man die Mangas und DVDs in jedem Supermarkt in der Zeitschriftenabteilung oder im Elektroladen um die Ecke. Sobald etwas jedem zugänglich ist, verschwindet der Reiz des neuen recht schnell.

Dummerweise ist das auch ein Teufelskreis. Sobald eine Kultur stärker in den Vordergrund tritt und sich viele Leute dafür interessieren, wird mehr recherchiert und geforscht. Die Kultur wird ausgelotet, bis man alles weiß, Romane fliegen auf den Markt, die Leser verschlingen sie und füllen ihr Wissen, bis sie glauben, studierter Japanologe zu sein.

Gebiete, die weniger interessant sind, sind dagegen weitestgehend unerforscht. Ich kenne auf Anhieb kein Fantasy-Buch über Eskimos oder südamerikanische Indianer. Warum? Sind diese Völker etwa weniger interessant? Oder liegt es einfach daran, das die Autoren sowohl die mühevolle Recherche als auch die Gefahr, mit ihrer "Nische" an der Desinteresse der Leser abzuprallen, fürchten?

Dorte

Ich hatte es irgendwie nie mit den Kelten - vielleicht bin ich eine Ausnahme ;) Bei mir war's eher Skandinavien, Island und Grönland, das antike Griechenland und das antike Ägypten. Japan kam irgendwann auch dazu, aber das gab es früher im öffentlichen Bewusstsein auch gar nicht - nix mit Mangas und Animes (außer Heidi natürlich).

Maja

#7
@Steffi
Mein Bild des Iren wurde geprägt durch den rothaarigen Luke Kelley von den Dubliners. Aber die klassische irische "Colleen" ist natürlich schwarzhaarig. Ich glaube, die anteilig meisten Rothaarigen Europas leben auf Island. :)

@Kalderon
Nicht direkt Piraten, aber ich habe eine Insel voller Mantel-und-Degen-Schurken in Arbeit...
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Steffi

@Maja: nett zu wissen, dass außer mir noch jemand gerne die Dubliners hört. Und stimmt, der wirkt schon sehr irisch :)
Sic parvis magna

Coppelia

Meine erste sorgfältig ausgearbeitete Fantasy-Welt wurde von Schottland inspiriert. ;)

Und im Moment hab ich einen ziemlichen Azteken-Tick ... ich hab auch schon eine entsprechende Fantasy-Romanidee, mal sehen. :)

Lavendel

Och, ich denke, man sollte sich da nicht verrückt machen. Ich hab auch so ein bissl asiatisches Flair in meinem aktuellen Werk, eigentlich sind Leute aber ziemlich katholisch. :hmhm?:

Stimmt, Artemis, das mit den Indianern ist seltsam - aber ich habe schon ein Buch in sehr sehr weit nördlichen Gebieten in Peilung ;D.

Aber mal ehrlich: Europäisches Mittelalter müsste nach dieser These doch schon so ausgelutscht sein, dass wir uns alle kein Stück mehr dafür interessieren würden. Außerdem habe ich noch gar keinen Fantas-Roman gesehen, der sich um Japaner dreht. Kann mir wer einen nennen?

Judith

Um unsere Japaner oder um Japaner-inspirierte Völker? Da fällt mir vor allem der "Clan der Otori" ein.

Ich muss ehrlich zugeben, dass ich mit dem alten Japan gar nichts anfangen kann. Allerdings sind auch die Kelten in der Fantasy dermaßen oft verwurstet worden, dass ich nicht unglücklich bin, wenn das allmählich abflaut. Wobei ich die historischen Kelten durchaus sehr faszinierend finde. Allerdings habe ich das Gefühl, dass die nordgermanische Mythologie mindestens ebenso stark im Fantasybereich vertreten ist/war wie die keltische.

Ich hab ja eher einen Hethiter-Tick, aber das merkt niemand, weil alles, was davon inspiriert ist, bei mir bisher nur im Kopf existiert.  ;D

Maja

Zitat von: Lavendel am 22. Juni 2007, 22:39:09
Aber mal ehrlich: Europäisches Mittelalter müsste nach dieser These doch schon so ausgelutscht sein, dass wir uns alle kein Stück mehr dafür interessieren würden.

Stimmt. Zumindest auf mich trifft das zu.
Was mich zur Zeit reizt, ist die Savanne. Ich habe eine Geschichte in einem von Rittern kolonialisiertem Pseudo-Afrika angesiedelt, aber ohne da jetzt groß afrikanische Mythen zu recherchieren - es soll ja nicht Afrika sein, aber nur ähnliche klimatische Bedinungen mitbringen. Jetzt habe ich ein Naturvolk und viele Gnus und Hyänen und Warzenschweine - und ich bin noch nie einer Hyäne in einem Fantasyroman begegnet. Zumindest keiner einäugigen.

Aber mit Mittelalter und Kelten und dreieinen Muttergöttinnen lockt mich keiner mehr hinter dem Ofen hervor.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Artemis

Wenn ich meinen Roman mal mit einem Auge überfliege, stelle ich fest, dass ich da ein wildes Sammelsurium an allen möglichen Ländern drin versteckt habe. Deutschland, Südfrankreich, Arabien, Grönland, Schottland, Rocky Mountains, Schweden, Kanada, Spanien, Brasilien, Japan ...

:o Verdammt, das ist ja ne halbe Weltreise ... O_o

In Sachen Kleidung, Mentalität ect. habe ich mich da auch (oft unbewusst) an den Vorbildern der Länder orientiert. So kann ich sagen, dass mein Buch in keine und gleichzeitig in alle Richtungen geht  ::)

Hr. Kürbis

Ich bin weder ein Fan der Kelten (in Romanform) noch der Japaner (hier noch weniger in Buchform, die sind mir eigentlich zu "audiovisuell"), ich tendiere mehr in Richtung vorderer Orient. Ich finde den Culture-clash dort ziemlich interessant und irgendwie versucht sich das imer bei ir einzuschleichen...

Witzigerweise beeinflusst Europa (und speziell die deutsche Klischee-Architektur) ja auch die japanische Fantasy, man muss sich nur mal einige Mangas und Animes ansehen, dann wird man wissen, was ich meine!  ;)