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"Eine neue, intelligentere Art der Fantasy"?

Begonnen von Debbie, 28. Oktober 2014, 15:06:35

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Sunflower

Ich habe zu dem Thema gerade noch etwas Interessantes gefunden, und zwar ein Video, das Patrick Rothfuss gepostet hat.

Hier ist der Link.

Darin verteidigt er die Fantasy, und ich finde es eigentlich ganz gut, denn er sagt vieles von dem, was hier auch schon im Thread angesprochen wurde.

Er schreibt noch dazu (in Facebook): "When I was in Milwaukee, doing my reading and signing, someone told me that their creative writing teacher required them to go to a reading as part of their class, but that my reading didn't count, because I wrote fantasy.
I had her record a video where I voice my opinion on the matter.
Here's the video. It isn't entirely safe for work, as I remember saying the word "Bullshit" about seven or eight times."
"Stories are, in one way or another, mirrors. We use them to explain to ourselves how the world works or how it doesn't work. Like mirrors, stories prepare us for the day to come. They distract us from the things in darkness."
- Neil Gaiman, Smoke and Mirrors

Lavendel

Danke für den Link! (Auch wenn es ja immer eher wenig an den bestehenden Verhältnissen ändert, wenn ein Fantasy Autor Fantasy verteidigt ;))

Blackhat


Judith

ZitatDie ,,Feuer und Eis"-Reihe dagegen unterscheidet sich eigentlich nur durch die völlig erfundene Welt von den historischen Romanen.
Äh ... ja, und durch die Drachen, die White Walkers, die "Zombies", die Zauber der R'hllor-Priester, die Magie ganz allgemein, ....  ;D

Blackhat

Ja, an der Stelle musste ich auch schmunzeln.  ;) Aber der Grundtenor des Artikels klingt sehr aufgeschlossen und geradezu "versöhnlich".

Spinnenkind

Ich hoffe, es ist in Ordnung, wenn ich diesen Thread noch einmal ausgrabe, ich finde das Thema nämlich sehr interessant.

Ich denke zur Kompetenz des Autors des Artikels muss nichts mehr gesagt werden ;) Dennoch muss man generell sagen, dass es fast immer wünschenswert ist, wenn ein Thema wie Fantasy überhaupt in den Medien auftaucht - es regt zur Auseinandersetzung mit Genrekonventionen an, hat womöglich Gegenartikel und langfristig vielleicht sogar einen Wandel des Bildes von Fantasy zur Folge.

Was die anfangs gestellte Frage angeht: Ich persönlich habe größere Freude an einem Buch, wenn ich merke, der Autor hat sich zum einen Gedanken über seine Motive, Querverweise etc. gemacht und zum anderen eine Frage stellen wollen, die zeitlos und nicht an eine fantastische Welt gebunden ist. Ein anderer Artikel, den ich gerade leider nicht finde, hat es meiner Meinung nach sehr schön formuliert: In der Fantasy können Gedanken und Probleme aus der realen Welt weitergesponnen, unterschiedlich und bildhaft dargestellt und gelöst werden - und obendrein kann man sich an der Kreativität des Autors erfreuen!
Das alles hat jedoch weder etwas mit der Komplexität des Plots noch mit Bezügen zur historischen Realität zu tun (auch wenn ich persönlich ja ein Faible für solche Überschneidungen habe :))

Jetzt kommt noch kurz mein Motz-Absatz:
Ich finde es unfair, nur von unintelligenter Fantasy zu sprechen. Niemand beschwert sich über die Schwemme dämlicher nichtfantastischer Plots, die zum Großteil die Regale unserer Buchhandlungen verstopfen. Geschweigedenn über die angeblich so tiefgründigen preisgekrönten Bücher, die zumindest auf mich teilweise wahnsinnig konstruiert und steril wirken.
Ich schätze was ich sagen will, ist: Die Seele ist, was zählt.

Debbie

Zitat von: Spinnenkind am 20. Januar 2015, 12:15:02

Ich finde es unfair, nur von unintelligenter Fantasy zu sprechen. Niemand beschwert sich über die Schwemme dämlicher nichtfantastischer Plots, die zum Großteil die Regale unserer Buchhandlungen verstopfen. Geschweigedenn über die angeblich so tiefgründigen preisgekrönten Bücher, die zumindest auf mich teilweise wahnsinnig konstruiert und steril wirken.


Das hast du wirklich sehr schön und treffend formuliert!  :jau:

Ich muss mich auch immer wieder wundern, wenn in belletristische Werke teilweise Dinge hineininterpretiert werden - damit sie auch ja preiswürdig sind und man die Vergabe nicht nur mit der Auswahl des Themas begründen muss - die dem gesunden Menschenverstand vollkommen widersprechen oder in Wahrheit vollkommen banal sind.

Aber über literarische Interpretation darf ich nicht reden, da rege ich mich immer zu sehr auf ...  :wums:

Christopher

Das ist auch der Grund, warum viele Künstler erst nach ihrem Tod so richtig berühmt werden. Dann können sie nämlich nicht mehr widersprechen, wenn irgendwelcher Mist in ihre Werke interpretiert wird und dem Herrn/der Dame den Vogel zeigen  :P
Be brave, dont tryhard.

Waldkatze

Ihr sprecht mir aus der Seele!

Das (Hinein-)Interpretieren ist mit ein Grund, warum ich mich zur Zeit nur in der Unter- und Mittelstufe herumtreibe  ;D
Es hat mich wahnsinnig gemacht und ich bin mir sicher, dass die meisten Autoren etwas anders (oder auch gar nichts  :darth:) im Sinn hatten, als sie jene Stellen schrieben!

Ein interessantes Beispiel am Rande:

Ein ehemaliger Deutschlehrer meines Mannes gab zu einer Oberstufen-Klausur ein Gedicht, das er selbst geschrieben hatte. Natürlich traf kein einziger Schüler mit seinem Interpretationsversuch ins Schwarze. Darauf gab es, wenn ich mich recht entsinne, viele schlechte Noten.  :pfanne:

HauntingWitch

Da sprecht ihr etwas an, worüber ich mir schon seit einer ganzen Weile Gedanken mache. Ich muss zugeben, dass ich selbst auch gern interpretiere oder Möglichkeiten, wie etwas gemeint sein könnte, abwäge, weil ich einfach Freude daran habe. Aber letztendlich interpretiert jeder jedes Werk anders und der Autor meint praktisch immer noch einmal etwas anderes. Das soll ja auch erlaubt sein und ich finde es völlig in Ordnung. Nicht in Ordnung finde ich es, wenn eine Person darauf beharrt, dass ihre Interpretation die einzig richtige ist. Manche Werke sind ja auch so gemacht, dass jeder seine eigenen Gedanken dazu geben kann, das macht es ja so spannend. Und manche Autoren sagen absichtlich nichts dazu, damit es auch weiterhin so spannend bleibt.  ;D

@Waldkatze: Was war denn das für ein Lehrer? ::)

FeeamPC

Nebenbei bemerkt, sind auch die Irrfahrten des Odysseus Fantasy- eine klassische Heldenreise, Magie, Götter, eine Zauberin, Ungeheuer wie die Sirenen oder der Zyklop inklusive ... Sozusagen bonzezeitliche Urban Fantasy.
Hat noch nie Lehrer behauptet, die Odyssee wäre trivialer Quatsch.

Und interpretieren kann ohnehin jeder, wie er will, denn jeder Mensch interpretiert eine Geschichte gemäß seiner eigenen Lebenserfahrung.

Waldkatze

Zitat von: Witch am 20. Januar 2015, 14:28:48
Was war denn das für ein Lehrer? ::)

Ein sehr von sich selbst Überzeugter.
Ich kannte ihn persönlich nicht, aber solche Exemplare gibt es (leider) überall.

Thaliope

Was in einem Text faktisch drinsteht, muss der Autor nicht immer absichtlich hineingeschrieben haben. Trotzdem kann es von Bedeutung sein.

Als jemand, der den Deutschunterricht in der Schule gehasst hat, um danach mit großer Begeisterung Germanistik zu studieren, fühle ich mich an Stellen wie diesen immer wieder befleißigt, zu erwähnen, dass an der sogenannten E-Literatur sehr viel mehr dran sein kann, als man so in der Schule lernt. Auch - bzw. gerade wenn siche einem ein Text nicht auf Anhieb erschließt.

Ich möchte dann immer auf die dritte Strophe vom "Abendlied" verweisen ... "so sind wohl manche Sachen, die wir getrost verlachen, weil unsere Augen sie nicht sehen." Vielleicht sind die Sachen gar nicht so blöde, vielleicht haben wir sie nur nicht verstanden ...

Das nur am Rande :)
LG
Thali

HauntingWitch

Zitat von: FeeamPC am 20. Januar 2015, 14:29:37
Und interpretieren kann ohnehin jeder, wie er will, denn jeder Mensch interpretiert eine Geschichte gemäß seiner eigenen Lebenserfahrung.

Treffender könnte ich es nicht formulieren. :)

@Thaliope: Was genau versteht man den unter dem Begriff E-Literatur? Ansonsten stimme ich zu.

Was noch hinzu kommt: Es kann durchaus sein, dass man als Leser etwas ganz Grossartiges, Tiefgründiges hinein interpretiert, während der Autor sich eigentlich überhaupt nichts überlegt hat dabei. Vieles liegt wirklich mehr beim Betrachter oder ist Zufall.

Debbie

#29
Hihihi, ich hab Deutsch in der Schule nicht gehasst - es war sogar eines meiner Lieblingsfächer, weil ich viel Zeit hatte mich meinen eigenen Büchern zu widmen (z. B. der Edda).

Während meiner Schullaufbahn musste ich alles mögliche lesen und interpretieren - angefangen von Nathan, dem Weisen über Andorra, den Richter und seinen Henker, den Besuch der alten Dame bis Michael Kohlhaas, Effie Briest, etc.. Aber nichts, wirklich nichts davon, hat mich auch nur ansatzweise gefordert. Ich hab nicht eines der Bücher komplett gelesen (abgesehen von den Abschnitten, die wir in der Schule lesen mussten), nie eine Interpretationshilfe in der Hand gehabt und Internet gab es auch noch keines - trotzdem hat es für jede Textinterpretation/-analyse nur Einser gehagelt. Und da sich Lehrer bei sowas ja immer auf die "allgemeingültigen Interpretationen" berufen, müssen all diese "literarischen Klassiker" offensichtlich sehr leicht zu interpretieren gewesen sein - von einem Mittelstufe- oder Oberstufenenschüler, der sich noch nicht mal die Mühe gemacht hat, die Bücher vollständig zu lesen ...  :snicker:

Das sollte jetzt nicht arrogant klingen, sondern nur mal verdeutlichen, dass literarische Werke eben nicht immer "schwierig" zu verstehen oder zu interpretieren sind und/oder so besonders tiefgründig und vielschichtig sind, dass sie einer jahrelangen Analyse bedürfen, auch wenn es manchmal gerne so dargestellt wird.  ;)

Zitat von: FeeamPC am 20. Januar 2015, 14:29:37
Und interpretieren kann ohnehin jeder, wie er will, denn jeder Mensch interpretiert eine Geschichte gemäß seiner eigenen Lebenserfahrung.

Das ist ein ganz wichtiger Aspekt. Interpretationen, auch wenn sie in den grundlegenden Dingen allgmein übereinstimmen, sind natürlich immer bis zu einem gewissen Grad subjektiv.

Aber zu behaupten, dass z. B. ein Werk wie Harry Potter (Fantasy für Kinder) in seiner Komplexität und seiner Vielschichtigkeit jedem der oben genannten literarischen Klassiker unterlegen wäre, halte ich für engstirnig und vermessen. Allein zu dem Thema "Die Katharsis des Lesers durch Harry Potter" könnte ich wahrscheinlich eine fünfzigseitige Abhandlung verfassen ...


Edit:
Zitat von: Witch am 20. Januar 2015, 15:00:14
Was noch hinzu kommt: Es kann durchaus sein, dass man als Leser etwas ganz Grossartiges, Tiefgründiges hinein interpretiert, während der Autor sich eigentlich überhaupt nichts überlegt hat dabei. Vieles liegt wirklich mehr beim Betrachter oder ist Zufall.

Absolut, und das passiert wahrscheinlich häufiger als man denkt  :snicker: