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Hilfswörter - Kann es einfach nicht lassen -

Begonnen von OgerBoy, 01. Januar 1970, 01:00:00

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OgerBoy

Hallo.
Ich versuche gerade wieder einmal meine Geschichte Waldgeflüster zu überarbeiten.

Ich bin auf der Seite von Vera Hesse darauf gestoßen das man Hilfswörter wie "war" und "hatte" möglichst vermeiden sollte.  Ich weiß nicht ob das nur mir so geht, aber ich habe im Nachhinein unheimliche Schwierigkeiten diese Wörter aussen vor zu lassen, ohne den Großteil meiner Geschichte umzuschreiben. Wer kann helfen.

Hattet ihr diese Probleme auch schon? :-[

Wie sehen eure Lösungsansätze aus?

Habt ihr Tips oder Ratschläge?



Danke schonmal im voraus.


Olli
 :-[

Feuertraum

Ganz ehrlich gesagt: solche ach so hilfreichen Tipps sollte man getrost  in den Mülleimer schmeißen.
Natürlich sollte man einige Regeln des Schreibens beachten, aber im Prinzip ist es wie beim Rollenspiel: beharre nicht mit Brachialgewalt auf die Regeln, wenn diese den Spielfluß erheblich stören würden.

Meines Erachtens ist dies die Wichtigste aller Regeln.

Zumal das ganze auch noch eine Frage des Stils ist.
So gibt es schon seit langen einen Clich zwischen Anhängern vom Sol Stein und dessen Gegnern zum Thema Adjektive:
Während die gegnerische Gruppe immer wieder behauptet: Vermeidet Adjektive! Sie grenzen die Fantasie des Lesers ein, und zwei Adjektive sind schon drei zuviel, stellt sich die andere Gruppe (zu der ich mich zähle) hin und sagt: "Nutzt die Adjektive, da diese die Szenerie erst realistisch machen, den Leser bewußt ansprechen, ihm erst das Kino im Kopf richtig ermöglichen. (oder sehen Sie Filme nur in Schwarz/Weiß?)"

Jeder, der "seine" Meinung vertritt schreibt auch so und kritisiert den Stil des anderen.
Das aber ist eben Stil.
Es wird immer Leute geben, die den Daumen nach oben, und einige  Leute geben, die den Daumen nach unten halten.
Deswegen würde ich nicht unbedingt auf solche Aussagen, egal ob vom Twain, vom Stein oder von der Hesse fußen und meinen eigenen Stil durchziehen..

Gruß

Feuertraum  
Ein Bekannter von mir liebt Bier so sehr - ich bekam als Schutzimpfung gegen Corona Astra Zenica, er Astra Pilsener ...

Lomax

Das Problem bei solchen Regeln ist immer: Beide Seiten haben Recht  ;D Natürlich soll man diese Regeln NICHT in den Mülleimer schmeißen, leider werden sie in der Praxis aber allzuoft sinnentleert gebraucht.

Für die Hilfsverben (und Füllwörter) gilt im Grunde nämlich dasselbe wie für die Sache mit den Adektiven: Es sind Faustregeln für "Dummies", zugespitzt gesagt: Im wahrsten Sinne des Wortes "Eselsbrücken", die einfach formuliert und verständlich sind und es dem Anfänger erlauben sollen, typische Anfängerfehler zu vermeiden. Und als solche sind sie meistens auch sinnvoll, denn sie betreffen typische Anfängerfehler - 90% aller Leute, denen man diese Tipps gibt, können damit tatsächlich ihren Stil verbessern.

Nun passiert es aber allzu oft, wenn man einem Anfänger eine Faustregel an die Hand gibt und er damit seinen Stil verbessern kann, dass er damit glaubt, den Stein der Weisen gefunden zu haben und "überkompensiert"; manisch wird also jedes Hilfverb und jedes Adjektiv aus dem Text getilgt, bis das Ergebnis faktisch unlesbar wird. Das ist im Ansatz nicht einmal schlimm und gehört zum Lernprozess. Wer über das Sprachgefühl verfügt, dass ein Autor braucht, merkt rasch selbst, dass er übers Ziel hinausgeschossen ist; und irgendwann pendelt er sich auf ein Mittelmaß ein. Lernprozess abgeschlossen, der Schreiber hat sich weiterentwickelt.

Leider tummeln sich im Hobbyschreiberbereich auch Leute mit unterdurchschnittlicher Sprachbegabung. Die sammeln dann solche Regeln, und weil sie kein Gefühl für Texte haben, versuchen sie, die Sprache zu verbessern, indem sie Adjektive und Hilfsverben zählen und den Algorithmus aufstellen: Je weniger, desto besser. So einfach ist es natürlich nicht, denn die Kunst liegt daran, das richtige Maß zu finden. Trotzdem findet man immer wieder die Schreibspezialisten, die Bestsellerautoren einen schlechten Schreibstil attestieren, weil sie selbst ja schon weniger als ein Adjektiv pro Seite schaffen, während der betreffende Autor immer noch mehrere pro Absatz hat  ;D Na ja, dazu muss man wohl nichts weiter sagen ...

Also, OgerBoy, was dein Problem mit den Hilfverben betrifft: Wenn du noch nicht flüssig schreiben kannst, würde es deinen Texten vermutlich nutzen, diese Wörter bewusst zu vermeiden; und zwar nicht durch blindes Durchstreichen, sondern durch bedachtvolles Neuformulieren. Aber wirklich wissen, ob in deinen, persönlichen Texten zu viele von diesen Wörtern drin sind, kannst du nur, wenn ein erfahrener Leser dir einen umständlichen Stil attestiert und dich auf überflüssige Hilfsverben aufmerksam macht. Also: individuelle Stilanalyse geht vor pauschale Faustregeln! Seinen Stil zu verbessern, erfordert manchmal ein schmerzhaftes Umdenken. Aber den Unterschied zwischen diesem notwendigen Neulernen und schädlichen und krampfhaften Vermeidungsstrategien kannst du allenfalls dann erkennen, wenn du funktionierende und anerkannte "Vorbildtexte" als Maßstab heranziehst, oder besser noch im Dialog mit geeigneten Testlesern.

Linda

ZitatHallo.
Ich versuche gerade wieder einmal meine Geschichte Waldgeflüster zu überarbeiten.

Ich bin auf der Seite von Vera Hesse darauf gestoßen das man Hilfswörter wie "war" und "hatte" möglichst vermeiden sollte.  Ich weiß nicht ob das nur mir so geht, aber ich habe im Nachhinein unheimliche Schwierigkeiten diese Wörter aussen vor zu lassen, ohne den Großteil meiner Geschichte umzuschreiben. Wer kann helfen.

Hattet ihr diese Probleme auch schon? :-[

Wie sehen eure Lösungsansätze aus?

Habt ihr Tips oder Ratschläge?



Danke schonmal im voraus.


Olli
 :-[

Hallo Olli,

Also Hilfsverben ganz wegzulassen - keine Lösung.  ;)

Ich persönlich achte beim Überarbeiten darauf, dass sich die Hilfsverben nicht zu sehr aufeinander drängeln. Ich versuche also, die Satzkonstruktion abzuwechseln, damit auf ein 'war' ein 'hatte' folgt und es somit nicht beim Lesen hängt.

"Er war groß, seine Haare waren von einem herbstlichen Braun und er war ein Krieger ..." mal abgesehen von der grauslichen Beschreibung soll der Satz hier nur verdeutlichen, dass man in der Mitte mit einem "er hatte herbstbraune Haare" Abwechslung schafft, um den Satz aufzulockern.

Alleine für 'Zeitenfolge' braucht die Sprache nun mal diese kleinen Hilfsverben. Hier bietet sich eine weitere Möglichkeit, zu sparen:  
"Wenn er gewusst hätte, dass seine Haare diesen kackbraunen Farbton besaßen, dann hätte er gewünscht einen andern Vater gehabt zu haben" Ähm.... muss man dazu noch was sagen?

"Er war gerade erst um die Ecke gebogen, als der einen Mann getroffen hatte, der Hüte verkauft hatte."

Gerade in den Vergangenheitsformen und bei erzählendem Stil häufen sich die Hilfsverben in manchmal unschönen Reihen.
Da kann man als Autor durchaus überlegen, das Ganze umzuschreiben. Keine Erinnerungssequenz mehr, sondern direkt erzählt oder erlebt. Manchmal reicht es, die Sätze einfach etwas kürzer zu halten um den unseligen Anhäufungen zu entgehen.
"Der Krieger  bestürmte den Verkäufer um einen Hut.  Glücklich zog er dann behütet von dannen."

Das sind ein paar Überlegungen, die man anstellen kann, wenn man über zu viele Hilfsverben unglücklich ist.
Aber ganz allgemein gesehen, kann man ja einem Menschen auch nicht so einfach ein paar Knochen entfernen, ohne dass seine Stabilität darunter leidet. Die Grammatik ist nun mal das Skelett der Sprache. Beliebig lässt sich daran nicht herumschnippeln. Man kann nur aufwendige Schönheits-OP's (Überarbeitungen) anleiern, um deutliche Schönheitsfehler zu kaschieren.

Viel Erfolg,
wünscht Linda

Manja_Bindig

So eine "Schreibspezialistin" kenne ich auch...ihr ahnt es schon - meine "geliebte" Frau K.
Wir bekommen unsere Aufsätze zurück.
Frau K. leiert über Literaturkanon, liest was aus meinem Aufsatz vor, wo ich bemerke, dass Fontanes Effi Briest nciht interessanter wird, weil sie in einem Literaturkanon steht.
Frau K. an dieser stelle: "Also, Klassiker wie Fontane müssen sein! Die zeigen uns doch, wie schön die Sprache mal war und was sie bewirkt hat! Das heutige Literaturniveau is ja arg gering!" Dabei hat sie auf meine Schattengilde geschielt, die neben Faust auf der Bank lag... (Fontane und schöne Sprache? Hab ich was verpasst?)
Ich sehe meinen aufsatz durch - ein Rechtschreibfehler bei 1987 Wörtern und eine Menge "A" am Rand - angeblicher ausdruck.
In der Pause dann Frau K.: "Willst du mal n Buch veröffentlichen?"
Ich: "Zu spät."
"Wie, dich hat 'n Verlag angenommen?"
"Ja."
Schweigen. Dann Frau K.: "Bei deiner miesen Rechtschreibung und deinem katastrophalen Ausdruck is das sehr verwunderlich."

*hust* Soviel zum Thema, Deutschlehrer hätten Ahnung von Literatur.
Aber das bestätigt uns doch wieder: Leute, die keine Ahnug vom Schreiben  und von gutern Büchern haben, meckern ewig rum. Wenn diese Leute rumnörgeln ignoriert man sie besser. Man sollte sich eher gedanken machen, wenn ein Autor und ein Bücherwurm sagen, dass der Stil nciht so umwerfend ist...

Kristin

Mh... Ich mag Fontane... Wollte ich nur mal einwerfen, bevor er hier so "verteufelt" wird.  ;)

VG
Kristin

Lastalda

Das nennt man Geschmack. ;)
Ich mag ihn nicht, bzw. ich mag seine Bücher nicht, aber ich mag die ganze Epoche nicht besonders, das hat mit dem Mann selber wenig zu tun...

Aber Manja, welche Bedeutung wir Frau K's Meinung zumessen dürfen, wissen wir ja, ne?

Lastalda

Manja_Bindig

Ich denke mal, hin und wieder kann ich die gute Frau zitieren, weil mich einer ihrer "genialen" Sprüche trotz seines geringen Gehalts extrem aufregt und wenn er außerdem noch zum Thema passt, weil wir mal wieder hören, was gewisse Leute von unsereins halten...
außerdem kann ich so den Glücklichen, die nicht mehr in der Schule sind, Arbeit und einen netten Vorgesetzten haben(gibts die hier?) ihr Glück vor Augen führen.  ;D

Aber du hast recht 'talda... auf der ihre Meinung muss man ncihts geben... eine Frau, die glaubt, Kulis verbessern das Schriftbild, kann man nicht ernstnehmen.

Kristin

*lol* Kulis verbessern das Schriftbild... Mein Gott, das habe ich von einem Lehrer noch nie gehört. Uns haben die Lehrer immer angefleht, wir sollen doch lieber mit Füller schreiben. Sachen gibt's... Gibt es von Frau K. ein Foto im Internet? Langsam bin ich neugierig auf die gute Frau.

VG
Kristin

Lastalda

Da die Schulhomepage offenbar nicht mehr gepflegt wird und die Schülerzeitung seit meinem Abschluss eingegangen zu sein scheint, sieht es nicht so aus...

@Manja:

nimm's mit nicht übel, aber kannst Du den Namen bitte ausschreiben? Oder zumindest nicht an so ner komischen Stelle trennen? ;)

Lastalda

Manja_Bindig

Ehe wir uns wieder dem Thema zuwenden(ich scheine ein Talent zu haben, abzulenken):
Von Frau Kernbach gibt es leider, leider kein Foto auf der Schulhomepage... hab jedenfalls keins gesehen. Wens wirklich brennend interessiert: groß, dünn, blonde Steckdosenfrisur.

Arielen

Ich würde auch vorschlagen, schreibe einfach deinen Text erst einmal herunter, und gehe dann später durch, denn wenn ein Satz erst mal da steht ist es viell leichter, ihn umzuformulieren!
Alles liegt im Auge des Betrachters

OgerBoy

Ja das stimmt. Hab das ganze mal soweit ausprobiert und bei meiner neuen Story angewandt.

habe sogar die gesamte Masse an Text in die von euch empfohlene Formation gebracht (Das ganze schnellte auf Seitenzahl 180).  Sehr aufmunternd. Kann ich nur empfehelen.

Lässt sich nun auch viel besser kontrollieren und umschreiben.

Danke erstmal an alle die mir versucht haben zu helfen.

Arielen

Schade, daß das thema schon wieder so weit abgerutscht ist, aber ich finde es dennoch wichtig, da es uns alle betrifft. Mit ist aufgefallen, daß bei den in den Verlagen erschienenen Romanen jetzt wieder eine Adjektivflut herrscht. Es gibt kaum eine Beschreibung, die nicht opulent mit Adjektiven um sich schmeißt u8m eine Person oder eine Landschaft zu beschreiben. Zwar gleitet das nur selten ins Kitschige ab, aber der Leser wird trotzdem ziemlich erschlagen. Was haltet ihr davon?

Und wie haltet ihr es selber? Sehr ihr bei anderen die Adjektivflut, aber sehr es bei euch lockerer, oder geht ihr insgesamt strenger oder lockerer damit um? Jeder von uns hat immerhin eine andere Gewichtung Adjetive einzusetzen - der eine braucht sie, um seine Beschreibungen plastisch zu machen, der andere um seinen Charakteren Leben einzuhauchen, weil er in den dezenteren Beschreibungen noch zu unsicher ist.
Alles liegt im Auge des Betrachters

Elena

Ich halte es da mit einem Mittelmaß, versuche, vor allem durch die Verben zu beschreiben, aber ohne Adjektive geht es mMn auch nicht.
Ich sehe davon ab, in einem Satz mehr als zwei zu benutzten, und nur selten zwei hintereinander (zum Beispiel bei "Langen, braunen Haaren" oder so).


Liebe, gute, herzliche, Glück wünschende, freundliche Grüße,

Elena