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Wie steht ihr zu Piraten, die eure Werke illegal runterladen?

Begonnen von JarlFrank, 28. Juni 2016, 17:18:04

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JarlFrank

Ich habe gerade einen englischen Artikel einer Autorin gelesen, die sich über Piraten beschwert hat und meinte, das sei im Endeffekt Diebstahl und sollte nicht schöngeredet werden. Das hat mich an einen Artikel von Neil Gaiman erinnert, der der Meinung ist dass Piraten in gewisser Weise gut fürs Geschäft sind und der selbst nichts dagegen hat, wenn Leute seine Bücher illegal herunterladen (er vergleicht das in etwa damit, dass sich jemand ein Buch von einem Freund oder aus einer Bibliothek ausleiht - das Endergebnis ist das gleiche: die Person hat es gelesen ohne dafür bezahlt zu haben).

Es gibt oft Threads in Autorenforen wo Autoren, die gerade festgestellt haben dass ihr neustes Werk irgendwo kostenlos als PDF herunterladbar ist, völlig entsetzt sind und sich darüber aufregen. Dann entbrennt immer eine Diskussion inwiefern "Piraterie" okay ist oder nicht.

Wie seht ihr das, wenn es um eure Werke geht? Würdet ihr euch aufregen und alles versuchen, um die illegalen Downloads zu stoppen? Oder würdet ihr es einfach ignorieren, weil sowas eh unvermeidbar ist? Oder würdet ihr sogar hoffen, dass sich das am Ende positiv auf eure Verkaufszahlen auswirkt, da die Piraten, wenn ihnen das Buch gefällt, zu loyalen Fans werden könnten?

Ich persönlich habe eine eher positive Einstellung zu den Piraten. Früher habe ich selbst viel auf Torrentseiten heruntergeladen und durch eine große Scifi und Fantasy Sammlung ein paar Autoren entdeckt die mir sehr gefielen, und deren Bücher ich dann prompt kaufte. Also kann ich aus eigener Erfahrung sagen dass hier durch Piraterie überhaupt erst Käufe entstanden sind! :)
Ein guter Freund von mir gehört außerdem zu den Leuten, die sich alles nur illegal herunterladen und eigentlich gar nichts von ihren Unterhaltungsmedien kaufen. Filme, PC-Spiele, TV-Serien... er lädt sich alles illegal herunter, und wenn er mal was nicht auf einer Torrentseite findet... naja, Pech gehabt. Dann verzichtet er eben drauf oder wartet bis es irgendwann auftaucht. Wenn so jemand Piraterie betreibt, dann entgehen dem Urheber natürlich auch keine Gewinne - da die Person das Produkt sowieso nicht gekauft hätte. Aber die Person kann ja trotzdem in ihrem Freundeskreis Werbung dafür machen.

Ich schreibe nicht nur Geschichten sondern bin auch in einem kleinen Team, das ein PC-Rollenspiel entwickelt (wird aber noch lange dauern, bis wir da mal was Vorzeigbares entwickelt haben), und ich weiß ganz genau, dass es nach der Veröffentlichung irgendwann auf illegalen Downloadseiten landen wird. Das passiert mit so gut wie jedem Spiel, selbst denen von kleinen Entwicklern. Aber das juckt mich nicht im geringsten. Auch der Gedanke, dass irgendjemand ein Buch von mir als PDF auf so eine Seite hochladen könnte löst bei mir keine Wut aus. Ich würde das eher ein Zeichen von Erfolg sehen: immerhin hat das Buch jemandem so gut gefallen, dass er es auf diese Weise teilen wollte. Das passiert nicht mit jedem Buch!

Für mich sind Piraten, die mein Zeug illegal ziehen, keine Diebe, sondern Leute, die das Produkt (sei es Buch oder Spiel) wahrscheinlich eh nicht gekauft hätten - also ist es für mich kein entgangener Gewinn - und die jetzt, wenn es ihnen gefallen hat, Mundpropaganda dafür machen können.

Hätte ich die Wahl zwischen den beiden Optionen:
- 2000 Leute kaufen mein Buch, niemand lädt es sich illegal herunter
- 1500 Leute kaufen mein Buch, 1500 laden es sich illegal herunter
Dann würde ich die zweite Option wählen. Das sind insgesamt zwar weniger Verkäufe, dadurch auch weniger direkter Gewinn für mich, aber insgesamt habe ich dadurch mehr Leser, die potentielle Fans werden könnten. Und wenn wir annehmen, dass jedem, der es gelesen hat, das Buch gefällt, habe ich insgesamt mehr Leute, die Mundpropaganda betreiben können, mehr die Rezensionen schreiben können, mehr die vielleicht meine Facebook-Seite liken könnten, etc etc.

Was ist eure Meinung dazu?

Malinche

#1
Zitat von: JarlFrank am 28. Juni 2016, 17:18:04
(er vergleicht das in etwa damit, dass sich jemand ein Buch von einem Freund oder aus einer Bibliothek ausleiht - das Endergebnis ist das gleiche: die Person hat es gelesen ohne dafür bezahlt zu haben).

Auch wenn das Ergebnis das Gleiche ist, finde ich, dass der Vergleich hinkt, denn wenn ich einem Freund ein Buch ausleihe oder in die Bibliothek gehe, gibt es in der Kette vor mir dennoch jemanden, der das Buch legal erworben hat.

Natürlich gibt es möglicherweise einen gewissen Werbeeffekt, wenn das eigene Werk über Piraterie verteilt wird, solche Aussagen kenne ich auch zur Genüge, sehe sie mittlerweile aber kritisch, auch wenn ich nicht bestreiten will, dass es in manchen Fällen diese Effekte geben kann.
Aber ich denke, es greift einfach zu kurz, bei der Piraterie-Frage nur zu betrachten, ob einem dadurch selbst konkreter Schaden oder potenzieller Nutzen entsteht (und es gibt durchaus Fälle, in denen durch Piraterie existenzbedrohende Schäden entstanden sind). Ich klaue einem Konditor auch nicht den Kuchen aus der Auslage und sage: "Aber ich kann dann allen meinen Freunden erzählen, wie lecker der schmeckt." Das Problem für mich ist die Geistehaltung dahinter, das mangelnde Unrechtsbewusstsein, wo ein Stück weit sicher auch Gesellschaft oder Politik in der Verantwortung sind, klarer zu machen, dass solche Aktionen Delikte sind und bleiben. Ob ich das Produkt normalerweise gekauft hätte oder nicht, ändert nichts an der Sachlage, dass ich ein Dieb bin, sobald ich es mir widerrechtlich aneigne.

Ich rege mich nicht über Gebühr darüber auf, ich weiß, wie handlungsunfähig wir leider den meisten illegalen Downloadportalen gegenüber sind und wie wenig es bringt, sich daran aufzureiben - aber ich halte nichts davon, das Kind nicht beim Namen zu nennen. Vor allem habe ich dafür kein Verständnis, wenn genügend alternative Kanäle offenstehen, an das gewünschte Medium zu kommen. Ich verstehe jeden, der für ein teures Hardcover nicht mal eben dreißig Euro auf den Tisch legen kann (das kann ich in der Regel auch nicht), aber für genau so etwas gibt es Bibliotheken. Da bekomme ich meinen Lesestoff auch annähernd für lau. Es gibt mittlerweile sogar Möglichkeiten der Online-Ausleihe. Ich kann das Nutzen illegaler Lösungen dann nachvollziehen, wenn es keine legalen gibt. Aber gerade die Bücher, die auf Downloadportalen landen, wären auf anderem Wege mindestens ebenso mühelos zugänglich, und da hört mein Verständnis einfach auf.

Und wenn ich mich nur in Kreisen bewege, wo illegale Downloads hip und gang und gäbe sind, ist die Wahrscheinlichkeit meiner Meinung nach gering, dass ich irgendwann doch losgehe und mir ein Buch ganz normal kaufe. Wozu, wenn ich es mir von meinen Freunden auf den Rechner saugen kann?

Letztlich muss es natürlich jeder halten, wie er mag. Ich habe auch keine Energie für übertriebene Hexenjagden. Aber ich halte es mittlerweile für sehr blauäugig und gelinde gesagt auch ziemlich daneben, eine kriminelle Handlung mit einem Schulterzucken abzutun oder zu etwas besonders Coolem zu erklären. Man muss die Kirche auch im Dorf lassen, klar. Aber einfach sagen "ach, die tun doch nix" kann ich schlichtweg nicht, weil das genau die Geisteshaltung ist, die Piraterie erst möglich macht.
»Be suspicious of the lemons.« (Roxi Horror)

Aljana

Mein Mann und ich diskutieren das Thema auch oft. Und diese Meinung vertreten ja viele. Selbst Paolo Coelho hat mal gesagt, er habe irgendwann mal eine geklaute Version seines Buches gefunden, die einer auf russisch übersetzt hätte. Was ihm einen ganzen neuen Markt aufgetan hat.
Unterbinden kann man das eh nicht. Sobald man etwas irgendwo freigibt, und sei es noch so gut geschützt, kann es illegal verbreitet werden.
Ich denke, man muss auch sein eigenes Konsumverhalten betrachten. Wer nicht will, dass seine Werke geklaut werden, der darf auch nichts aus grauen Kanälen ziehen. Und Hand aufs Herz, wer hat noch nie was gestreamt, oder was im Internet gefunden, wo er nicht mit Sicherheit sagen kann, der Film/Serie/Text ist da nicht illegal gelandet?

Klar, die einen achten darauf, die anderen suchen quasi danach. Doch wenn man in einem studentischen Umfeld gelebt hat (wo Tonnen an gecrackten Daten immer im Umlauf waren), dann fiel auch wie oft der Satz 'Das hab ich gesehen und hätte gern jetzt die DVD's/den Schuber dazu.'

Ob das richtig ist, oder nicht, da wage ich mir kein Urteil drüber zu bilden. Das Internet hat den Markt einfach verwässert und es gibt heute  so unenedlich viele Möglichkeiten. Aber auch ich denke nicht, dass es schadet.

Der Ansatz meines Mannes ist: Wer es sich frei irgendwo zugänglich gemacht hat, den kannn man nicht als 'Kunden' verlieren, weil der eh nie Kunde wäre. Im besten Fall wird er dadurch Fan und danach Kunde, weil ihm aufgeht, dass da verdammt viel Mühe, Zeit und Arbeit drin steckte. Aber wenn es nur den legalen Weg gäbe, dann hätte dieser Freibeuter des Internets das eigene Werk nie angefasst.

Da ist, finde ich, Wahres dran und darum gibt es ja auch mittlerweile neue Konzepte wie Startnext oder Patreon oder so. Nach dem Motto: Ich mach was Tolles und wenn es euch gefällt, dann unterstützt mich, dass ich weiter machen kann.
Es ist im Prinzip das krasse Gegenteil zu der alten GEZ-Diktatur, die propagierte: Jeder muss für Kunst zahlen, aber WIR sagen EUCH was wir für Kunst halten und wo euer Geld hingeht.

In diesem ganzen sich umwerfenden System sind die Piraten ein kleiner Stein, der manches ins Rollen bringen kann.

Sprotte

Es gibt Portale wie readfy, auf denen die Leser kostenloses Buchfutter vorfinden. Sie müssen nur Werbung ertragen. Aber bei vielen Nutzern illegaler Plattformen geht es um das Haben ohne zu bezahlen, weil die Diebeskunst hochwertiger und idealistischer dargestellt wird als die Arbeit und Kunst eines Autors.

JarlFrank

Zitat von: Malinche am 28. Juni 2016, 17:42:39
Zitat von: JarlFrank am 28. Juni 2016, 17:18:04
(er vergleicht das in etwa damit, dass sich jemand ein Buch von einem Freund oder aus einer Bibliothek ausleiht - das Endergebnis ist das gleiche: die Person hat es gelesen ohne dafür bezahlt zu haben).

Auch wenn das Ergebnis das Gleiche ist, finde ich, dass der Vergleich hinkt, denn wenn ich einem Freund ein Buch ausleihe oder in die Bibliothek gehe, gibt es in der Kette vor mir dennoch jemanden, der das Buch legal erworben hat.

Klar, das ist natürlich vom Umfang her nicht vergleichbar - wenn ich ein Buch in meinem Freundeskreis verleihe sehen das vielleicht 10 Leute, wenn ich es auf einem illegalen Downloadportal hochladen würde womöglich 10.000 - aber auch bei illegalen Downloads gibt es eine Person, die das Buch legal erworben hat, und zwar den ursprünglichen Uploader.
Aber klar, es ist insofern anders, dass diese Kette endlos weitergeführt werden kann. Jemand lädt ein Buch illegal hoch, zwanzig andere laden es herunter und laden es dann selbst auf anderen Downloadportalen hoch, etc etc...
Das Problem gibt es beim Verleihen natürlich nicht, aber der Vergleich mit der Bibliothek ist nicht komplett fehl am Platz, finde ich.

Zitat
Natürlich gibt es möglicherweise einen gewissen Werbeeffekt, wenn das eigene Werk über Piraterie verteilt wird, solche Aussagen kenne ich auch zur Genüge, sehe sie mittlerweile aber kritisch, auch wenn ich nicht bestreiten will, dass es in manchen Fällen diese Effekte geben kann.
Aber ich denke, es greift einfach zu kurz, bei der Piraterie-Frage nur zu betrachten, ob einem dadurch selbst konkreter Schaden oder potenzieller Nutzen entsteht (und es gibt durchaus Fälle, in denen durch Piraterie existenzbedrohende Schäden entstanden sind). Ich klaue einem Konditor auch nicht den Kuchen aus der Auslage und sage: "Aber ich kann dann allen meinen Freunden erzählen, wie lecker der schmeckt." Das Problem für mich ist die Geistehaltung dahinter, das mangelnde Unrechtsbewusstsein, wo ein Stück weit sicher auch Gesellschaft oder Politik in der Verantwortung sind, klarer zu machen, dass solche Aktionen Delikte sind und bleiben. Ob ich das Produkt normalerweise gekauft hätte oder nicht, ändert nichts an der Sachlage, dass ich ein Dieb bin, sobald ich es mir widerrechtlich aneigne.

Ich würde es nicht als Diebstahl bezeichnen. Diebstahl beinhaltet, dass ich jemandem was wegnehme, was er danach nicht mehr hat. Klaue ich den Kuchen aus der Auslage, hat der Konditor ihn nicht mehr und kann ihn auch nicht verkaufen. Wenn jemand mein Buch kopiert und irgendwo als PDF hochlädt, verschwinden ja keine Bücher aus dem Lager. Das Problem, illegale Downloads mit Diebstahl gleichzusetzen, ist, dass das einfach zwei verschiedene Straftatbestände sind. Das eine nimmt etwas weg, das andere fertigt bloß unerlaubte Kopien an.

Zitat
Letztlich muss es natürlich jeder halten, wie er mag. Ich habe auch keine Energie für übertriebene Hexenjagden. Aber ich halte es mittlerweile für sehr blauäugig und gelinde gesagt auch ziemlich daneben, eine kriminelle Handlung mit einem Schulterzucken abzutun oder zu etwas besonders Coolem zu erklären. Man muss die Kirche auch im Dorf lassen, klar. Aber einfach sagen "ach, die tun doch nix" kann ich schlichtweg nicht, weil das genau die Geisteshaltung ist, die Piraterie erst möglich macht.

Ich bin zwar anderer Meinung, kann deine Haltung aber durchaus nachvollziehen. Es kommt wahrscheinlich auch einfach darauf an, wie man aufgewachsen ist. Die ersten Computerspiele, die ich in meiner Kindheit gespielt habe, hatte mein Vater damals auf Disketten von Arbeitskollegen kopiert, und als ich dann auf dem Gymnasium war war es völlig üblich, dass wir in unserem Freundeskreis gegenseitig Spiele verliehen und auf CD brannten. Durch meinen Kumpel der aus Rumänien kam und von dort immer Raubkopien mitbrachte habe ich viele meiner Lieblingsspiele überhaupt erst entdeckt - ohne die Piraterie hätte ich wohl nie davon erfahren. Einige davon habe ich später dann auch gekauft.

Für mich war das in meiner Jugend immer etwas völlig normales. Oft führte es auch dazu, dass ich, wenn mir etwas gut gefiel, dann auch tatsächlich Geld dafür ausgegeben habe, um die Entwickler zu unterstützen. Deshalb habe ich auch jetzt als Autor noch eine positive Einstellung gegenüber der Piraterie, und mich würde es nicht stören, wenn irgendwann, wenn ich mal mehr Werke rausgebracht habe, ein Torrent mit meinem Gesamtwerk auf Piratebay erscheinen würde oder so. Das einzige, was ich dagegen unternehmen würde, wäre einen Kommentar darunter zu setzen: "Wenn es euch gefällt, kauft es bitte," und damit wäre das für mich erledigt.

Tintenteufel

Zitat von: Sprotte am 28. Juni 2016, 17:46:49
Aber bei vielen Nutzern illegaler Plattformen geht es um das Haben ohne zu bezahlen, weil die Diebeskunst hochwertiger und idealistischer dargestellt wird als die Arbeit und Kunst eines Autors.

Ich wäre vorsichtig mit solchen Spekulationen. Ich weiß es natürlich nicht ganz genau, aber es wird kaum jemand das einscannen von Buchseiten oder das Raubkopieren von eBooks oder PDFs als "Kunst" bezeichnen. Selbst das Cracken von Videospielen ist keine "Kunst", man bewundert die technische Raffinesse und Geschwindigkeit - so wie ich bei einem guten Auto die Fähigkeiten der Entwickler bewundern kann.
Und wenn wir den Markt mit dem größten Teil von Piraten nehmen - Film und Videospiele - dann wird das sehr deutlich:
Es ist Diebstahl, natürlich. Aber der Hauptantrieb ist nicht, dass mir das Produkt nicht gefällt. Der Hauptantrieb ist, dass ich mit Diebstahl leichter und unkomplizierter an ein höherwertiges Produkt komme. Convenience ist das Zauberwort.
Videospiele werden piratisiert, weil ein gestohlenes/gecracktes Videospiel für mich einfacher und besser zu handhaben ist. Ich brauche keine dauerhafte Internetverbindung, ich muss nicht täglich bei EA anfragen, ob ich meine 60€ Lizenz heute benutzen darf oder bei ihnen grad der Server spinnt. Ich kann die Dateien verändern, ohne meinen Account (und damit meine 60€ Lizenz) zu verlieren. Ich muss keine Angst vor Zwangs-Patches haben, die meinen Spielstand und hunderte Stunden "Arbeit" ruinieren (können). Kurz: Ich habe meine Ruhe beim spielen.

Ein weiterer Punkt, der von Gegnern oft genannt wird, ist derjenige der "Lost Sales". Jeder Pirat ist letzten Endes danach ein verlorener Kauf, also ein Minus.
Das stimmt so eben nicht. Man kann nicht beweisen und nicht einmal davon ausgehen, dass Diebe das Produkt gekauft hätten, wenn es nicht kostenfrei gewesen wäre. Einige Leute kaufen die Lizenz und cracken trotzdem nochmal - eben wegen der Vorteile. @Aljana hat das schon angesprochen.

Kompliziert wird es dann bei Sachen, die vom Gefühl her mehr Kunst und weniger Produkt sind - d.h. Film, Musik und Buch.

Nochmal komplizierter wird es dann bei der rechtlichen Frage. Womit ich meine, dass die Frage "Ist das eigentlich Diebstahl?" mit der Frage "Sollte das als Diebstahl gelten?" zusammen geworfen wird.
Momentan ist es Diebstahl, ganz klar. Da gebe ich Malinche auch Recht. Man muss das Kind beim Namen nennen.
In manchen Fällen sollte es aber keiner sein. Wenn einer das 200€ Textbuch raubkopiert, das ich mir eigentlich hätte kaufen müssen, weil der Professor bei einem Abzockerverlag gelandet ist und jetzt Wert drauf legt, dass ich mir das für die fünf Seiten kaufe, die in der Prüfung dran kommen, damit der seine Verluste wieder einfährt...ehm, nein? Das ist vielleicht kein Diebstahl vom Professor, aber mindestens Wegelagerei.
Das Feld wird ja nur noch komplizierter durch Künstler und Autoren, die völlig freiwillig ihr Werk kostenlos hergeben und darauf vertrauen, dass die Fans, die den tatsächlichen Wert zu schätzen wissen, sie finanziell unterstützen. Und das funktioniert. Sogar in der Videospielindustrie mit dem Humble Bundle oder beim Entertainment via Twitch, YouTube o.Ä.
Auch bei Autoren funktioniert das oder kann jedenfalls funktionieren.

Persönlich...ich persönlich habe keine Werke, die man klauen könnte. Einerseits sehe ich die Geisteshaltung dahinter auch problematisch - weil sie letztlich beinhaltet, dass es Gründe gibt, nicht für eine Dienstleistung/Ware zu zahlen. Und insbesondere wenn Kunst da zuerst unter den Hammer fällt, wird diese Gesellschaft noch positivistischer, noch widerlicher ökonomischer.
Andererseits würde ich gerne mit eben diesen neuen Finanzierungsmethoden arbeiten - insofern bin ich gespalten. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass die "Piraten" und junge Leute weit aufrichtiger sind, als sie oft dargestellt werden.
Sie wissen, dass diese Dinge einen Wert haben und dass letztlich von ihrem Profit auch der Erfolg abhängt. Diese Leute sind bereit, zu zahlen und sie tun das gern und viel - wenn das Produkt es wert ist.
Ich finde aber ganz witzig das Neil "I'm not your Bitch" Gaiman nichts gegen Piraterie hat.

Fynja

Das Thema gehört zu denen, bei denen ich mir vermutlich selbst noch keine vollständige Meinung gebildet habe. Generell sehe ich aber bei den Konsumenten an sich weniger das Problem, sondern mehr bei den Leuten, die die Bücher zum Download bereitstellen. Ich sehe das Downloaden an sich auch eigentlich nicht als Diebstahl an, eher als ein Kopieren, da die Datei selbst ja nicht verschwindet - ich weiß, dass das es nicht unbedingt besser macht, und verstehe jeden, der sich trotzdem darüber aufregt, aber für mich persönlich ist es deswegen nicht mit Diebstahl gleichzusetzen und nochmal eine komplett andere Thematik.

Ich finde es wichtig, dass bei einer solchen Diskussion zwischen den riesigen Download-Portalen, bei denen die Betreiber evt. sogar noch Geld mit den Werken anderer machen, und eventuellen Privatkopien, die zwischen Freunden rumgereicht werden, getrennt wird. Ich glaube, für mich persönlich ziehe ich da die Grenze, wo jemand anderes mit meinen Werken Geld macht, darüber würde ich mich wohl auch fürchterlich aufregen, aber eben mehr über den Betreiber und/oder Uploader als über den Konsumenten. Wenn aber mein ebook analog zum Verleihen im kleineren, nicht-kommerziellen Rahmen, weitergegeben wird, wäre das für mich völlig in Ordnung.

(Ich verurteile auch nicht pauschal die Portale an sich, da ich es generell gut finde, kulturelle Werke, Software usw. leicht erreichbar zu machen, aber sobald der kommerzielle Aspekt mit einspielt und das Geld an Leute geht, die es nicht verdient haben, geht es mir doch zu weit.)

Wie gesagt, noch sehe ich das Thema sehr zwiegespalten und deswegen finde ich es schwierig, mir eine feste Meinung dazu zu bilden. Eigentlich würde ich super gerne mal ein eigenes Experiment mit eigenen Werken starten, um zu sehen, ob es tatsächlich Auswirkungen auf die Verkaufszahlen hat und wie diese ausfallen. Generell stimme ich aber der Aussage zu, dass es nahezu unmöglich ist, Piraterie ganz zu verhindern und man deswegen statt ständiger Verbote und Abmahnungen vielleicht mal neue Wege suchen sollte, um mit dem Problem umzugehen.

Sascha

Zitat von: JarlFrank am 28. Juni 2016, 17:18:04
Ich würde das eher ein Zeichen von Erfolg sehen: immerhin hat das Buch jemandem so gut gefallen, dass er es auf diese Weise teilen wollte. Das passiert nicht mit jedem Buch!
Auf die Gefahr hin, Dir da eine Illusion zu nehmen: Meinen Kurt durfte ich bereits zwei Tage nach Erscheinen als eBook auf einer bislang nicht greifbaren Plattform sehen, für lächerliche 15 Cent. Der Typ, der das hochgeladen hat, wird es nicht in den zwei Tagen schon gelesen haben, das glaube ich nicht. Und ich glaube auch nicht, daß er die vorhererschienene Print-Version gelesen und dann extra zum Hochladen das eBook gekauft hat. Nein, ich glaube, daß er sich einfach ein recht günstiges eBook geholt hat, um es hochzuladen und sich damit einige Downloads zu "erkaufen".
Was ich von den Leuten halte, die die "Raub"-Kopien laden und lesen, ist die eine Sache. Die andere ist, was ich von den Betreibern der Portale halte, die damit dicken Reibach machen.
Alles hier nachzulesen:http://Fantasy.Raubal.de/schnaeppchen_und_schmarotzer.html
Davon ab gibt es irgendwo schon einen sehr ausführlichen Diskussionsthread zu dem Thema, irgendwas mit "Alarm, die Downloadportale sind wieder aktiv" oder so.

(Ich hab das früher übrigens auch lockerer gesehen – ohne selbst solche Portale zu nutzen –, aber Meinungen ändern sich.)

Alana

#8
Piraten sind Diebe. Sie laden Dateien, die nicht zum kostenlosen Download freigegeben sind und an denen sich oft Kriminelle bereichern. Wer sich unberechtigt etwas nimmt, ist ein Dieb. Fertig. Da gibt es keine Diskussion.

Dass wir vielleicht andere Marketingstrategien brauchen, steht auf einem anderen Blatt. Aber wer nicht bereit ist, für ein Buch das Gleiche auszugeben wie für einen Kaffee, und es deswegen klaut, für den habe ich ganz bestimmte Namen.

Und das mit dem "Diebe werden zu Käufern" stimmt erstens bei Büchern nicht und ist zweitens Quatsch, selbst wenn es so wäre. Man findet heute für jedes Buch eine Leseprobe online bequem zum Runterladen. Man muss also kein finanzielles Risiko mehr eingehen oder ein Buch klauen, um zu testen, ob man es lesen will.

Und im Gegensatz zu vielen hier sehe ich das Problem nicht bei den Portalbetreibern, das sind teilweise Kriminelle, die sich bereichern wollen, teilweise Leute mit Hacker Mind Set, die damit ihre Einstellung zu digitalem Besitz deutlich machen wollen. Die sind aber nicht das Problem. Das Problem sind die Tausenden von Menschen, die entweder nicht wissen, dass sie klauen und wem sie damit schaden (hier ist Aufklärung wichtig) oder *hierBegriffeinsetzen* denen es egal ist, wem sie damit schaden, weil sie es als Kavaliersdelikt sehen. Bei den Nutzern der Seiten muss man ansetzen. Gibt es die nämlich nicht mehr, sterben die Portale entweder aus oder spielen wirtschaftlich keine Rolle mehr.

@Privatkopie: Das große Problem: Diese Leute, die das machen, geben sich die Sachen festplattenweise weiter. Diese Leute und alle, die sie damit infizieren, werden nie wieder für irgendwas bezahlen, außer einmal im Jahr für die gold bedruckte Hardcoverausgabe des amerikanischen Jahresbestsellers.

@Es ist ja nur eine digitale Kopie: Man kann auch andersrum argumentieren. Diese Diebe haben hinterher ein Exemplar von etwas auf ihrer Festplatte, das ihnen nicht gehört. Sie können es nutzen, obwohl sie das Nutzungsrecht nicht erworben haben. Das IST Diebstahl.

@Das ist wie Ausleihen von Printbüchern: Nein.
1. Printbücher nutzen sich ab. Ebooks nicht.
2. ein verliehenes Printbuch kann immer nur einer lesen.

@Es ist Werbung: Nein. Denn die Leute, die geklaute Bücher weitergeben, geben damit auch die Adresse des Online-Portals und ihre kriminelle Einstellung weiter. Man wird durch solche Leute eher noch ehrliche Leser verlieren, weil der Gruppendruck von solchen Leuten sehr stark ist. "Du bist ja dumm, wenn du dafür bezahlst, ich kanns dir doch geben."

@Man gewinnt treue Leser: Ja. Aber leider Leser, die trotzdem kein Geld für Bücher ausgeben. Sie warten dann unter großen Verehrungsbezeugungen des Autors im illegalen Portal heißhungrig darauf, dass die Bücher ihrer Lieblingsautoren endlich hochgeladen werden. (Ich habe Screenshots gesehen und das macht mich echt traurig.)

Edit: Wie cryphos richtig bemerkt hat, sind nicht alle Hacker Verbrecher oder Raubkopierer. Ich meinte mit Hacker Mind Set eine gewisse Einstellung gegenüber digitalem Besitz, die unter Hackern sehr verbreitet ist, nämlich dass alles, was digital ist, allen gehört und daher kostenlos kopiert werden darf. Nicht alle Hacker denken so, das ist mir klar, und wenn ich damit etwas unglücklich verallgemeinert habe, tut es mir leid. Ich werde das hier jetzt aber nicht löschen, da sonst einige Folgebeiträge keinen Sinn mehr ergeben.
Alhambrana

Trippelschritt

Für mich ist es Diebstahl, aber ich rege mich nicht darüber auf, weil ich dagegen machtlos bin.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Alana

#10
@Trippelschritt: Ich versuche, aufzuklären, dabei ist man nicht machtlos. Und ich bin absolut kompromisslos bei meinem eigenen Konsumverhalten. Ich kaufe Bücher und Musik nur legal, lasse es mir niemals von irgendwem als illegale Kopie geben und ich streame Musik und Bücher nicht mal legal, weil die Vergütung für die Urheber bei diesen Modellen an Diebstahl grenzt. Serien und Filme streame ich legal, weil dabei die Urheber in den seltensten Fällen noch mal Geld sehen, wenn der Film bzw. die Serie mal produziert ist.
Alhambrana

Mondfräulein

Zitat von: Alana am 28. Juni 2016, 18:42:01
Piraten sind Diebe. Sie laden Dateien, die nicht zum kostenlosen Download freigegeben sind und an denen sich oft Kriminelle bereichern. Wer sich unberechtigt etwas nimmt, ist ein Dieb. Fertig. Da gibt es keine Diskussion.

Ich bin absolut gegen diese Argumentation, und zwar nicht, weil ich dir erklären will, dass es weniger schlimm ist. Es geht dabei überhaupt nicht darum, was schlimmer ist und was weniger. Aber meiner Meinung nach ist es einfach faktisch nicht richtig, dass das Herunterladen einer illegalen Kopie von irgendetwas, das für den Verkauf bestimmt ist, dasselbe ist wie Diebstahl. Wenn ich etwas stehle, dann bringe ich mich in Besitz eines Gegenstandes, der vorher im Besitz von jemand anderem war. Ich stehle eine Packung Kaugummi aus dem Supermarkt, der Supermarkt hat eine Packung Kaugummi weniger. Ich eigne mir etwas an, das danach jemandem fehlt. Bei einer Raubkopie ist das aber anders: Ich kopiere einen Gegenstand, den es hinterher zweimal gibt. Ich nehme so gesehen niemandem etwas weg, aber ein Schaden ist ja trotzdem da.

Meiner Meinung nach ist das mit dem Diebstahl eine Metapher, die nicht so richtig passt. Sie wird verwendet, um aufzuzeigen, dass Raubkopien nicht in Ordnung sind, aber ich glaube, das funktioniert nicht so recht. Das Problem ist meiner Meinung nach eben auch, dass dadurch viele Menschen denken, dass sie nichts Falsches tun, weil sie anders als bei einem Diebstahl niemandem etwas wegnehmen, sondern nur etwas kopieren. Die Metapher wird dem Sachverhalt nicht gerecht, weil sich ein Diebstahl aus dem Supermarkt eben nicht mit einer Raubkopie gleichsetzen lässt. Ich will dabei überhaupt keine Aussage darüber treffen, ob das eine schlimmer ist als das andere, aber der Sachverhalt ist in beiden Fällen eben anders und deshalb sollte man auch nicht den selben Begriff für beides verwenden.

Man könnte Raubkopien genauso gut mit Kopien von Markenwaren vergleichen. Wenn ich in Asien billige Kopien eines bestimmten Markenturnschuhs produziere und hier verkaufe, dann ist das im Prinzip nicht direkt Diebstahl, denn ich nehme dem Originalhersteller keine Schuhe weg, aber es entsteht auch ein Schaden. Aber: So einen Schuh kann ich nicht so einfach im Internet verbreiten und unendlich oft teilen wie ein eBook. Es gibt bestimmt noch viele andere Unterschiede, die Metapher passt eben auch nicht so richtig. Ich denke, es braucht eben für illegale Kopien von Kunstwerken eine eigenen Begriff, um dem komplexen Sachverhalt gerecht zu werden. Denn so ganz haargenau wie Diebstahl ist es eben doch nicht.

Alana

#12
Ich zitiere mich mal selbst:

Zitat@Es ist ja nur eine digitale Kopie: Man kann auch andersrum argumentieren. Diese Diebe haben hinterher ein Exemplar von etwas auf ihrer Festplatte, das ihnen nicht gehört. Sie können es nutzen, obwohl sie das Nutzungsrecht nicht erworben haben. Das IST Diebstahl.

In meinen Augen ist das Diebstahl, aber ja, ich stimme zu, dass der Begriff im herkömmlichen Gebrauch vielleicht nicht ganz passt. Jedoch wird diese Argumentation meistens von Leuten verwendet, die die Tat verharmlosen wollen, daher spielt das in der normalen Argumentation keine Rolle. Bis es einen besseren, passenden Begriff gibt, werde ich das Wort Diebstahl dafür verwenden, weil es ausdrückt, wie sich die geschädigten dabei fühlen und weil es auch deutlich macht, dass jemandem geschadet wird.
Alhambrana

Mondfräulein

@Alana: Ich habe eben die Befürchtung, dass gerade die Diebstahl-Metapher da vielleicht ein wenig zur Verharmlosung führt. Wenn ich sage, dass es ein Diebstahl ist und andere merken, dass die Metapher nicht so recht passt, dann könnten sie auch einfach denken, dass ich einfach nicht Recht habe, es ist ja nicht direkt ein Diebstahl ergo es ist in Ordnung. Diesen Schluss will ich vermeiden, indem ich in solchen Zusammenhängen eben nicht von einem Diebstahl spreche.

Alana

#14
Diesen Effekt hatte ich aber noch nie. Im Gegenteil. Mit dem Wort Diebstahl bekommst du Aufmerksamkeit und die Leute sind bereit, sich anzuhören, was du zu sagen hast. Und entweder, sie teilen das Hacker Mind Set, dann kannst du sie eh nicht überzeugen, oder sie klauen bewusst, dann auch nicht. Die aber, denen es an Aufklärung mangelt, die kann man schon überzeugen und ich glaube nicht, dass die Benutzung des Wortes Diebstahl bei denen irgendetwas verharmlost. Wenn du hingegen anfangen würdest, lange drumherum zu reden, würdest du ganz schnell die Aufmerksamkeit verlieren. Außerdem: viele Wörter haben sich dem modernen Leben angepasst. Warum soll es kein Diebstahl sein, sich ein Nutzungsrecht zu nehmen, das einem nicht gehört? Ist das nicht die eigentliche Definition? Man verschafft sich etwas, was einem nicht gehört?
Alhambrana