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Historische Fantasy

Begonnen von Lennard, 30. Dezember 2007, 20:57:27

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Lennard

Hallo zusammen,

Ich habe beim Lesen verschiedener Threads den Eindruck gewonnen, das es auch unter den Mitgliedern dieses Forums einige Schreiberlinge gibt (mich eingeschlossen), deren derzeitiges Romanprojekt auf einen historischen Hintergrund basiert. Z.B. eine bestimmte Zeitepoche, ein bestimmtes historischesEreignis oder eine alte (reale) Kultur.
Hierbei stellt sich wahrscheinlich nicht nur mir die Frage: Was ist das eigentlich, was ich da schreibe? Wie ist das einzuordnen? Ist es ein ,,historischer Roman" oder ist es ,,Fantasy"? Oder gar eine Mischung aus beidem?

Kürzlich las ich im Rahmen einer Buchkritik auf der Rückseite des betreffenden Buches die Bezeichnung ,,historische Fantasy".
,,Historisch" bedeutet: Etwas ist hat sich (real) einst wirklich so zugetragen, bzw. ist wirklich so gewesen. Bei einem historischen Roman hat sich der Autor zwangsläufig auf eine vorgegebene Welt festgelegt – nämlich unsere reale Welt mit all ihren Naturgesetzen, halt nur in einer anderen Zeit und (meistens) in einem anderen Land. ,,Fantasy" ist das Gegenteil, schöpferischer Einfallsreichtum des Autors, dem keine Grenzen gesetzt sind. ,,Historische Fantasy" ist somit m.E. ein unüberbrückbarer Widerspruch in sich – sozusagen eine frei erfundene, wahre Begebenheit. Nein, ich sage: Das ist unmöglich. Entweder ist es ein sog. historischer Roman oder ein Fantasyroman. Eine Mischung aus beidem kann es nicht geben. Beispiel: Die Nibelungensage. Eine mitreissende Geschichte vor einem historischem Hintergrund (Burgund, König Gunther etc.). Die Nibelungensage beinhaltet aber auch Dinge, die natürlich nicht wirklich (also real) existiert haben, z.B. den Drachen Fafnir, die Tarnkappe, die Nibelungen etc. Einige Sachverhalte aus der Nibelungensage nehmen Bezug auf historische Gegebenheiten, aber dennoch ist es ,,Fantasy" – nicht mehr, nicht weniger.

Gewiss kann und darf sich auch ein Fantasyautor von bestimmten historischen Begebenheiten unserer realen Welt inspirieren lassen oder sie gar in einem Roman aufgreifen. Natürlich kann ich einen heldenhaften Wikinger gegen ein paar Untote kämpfen lassen, natürlich kann sich ein schottischer Highlander in eine Waldelfe verlieben, natürlich kann ich eine Gruppe von Tempelrittern, die in einem unbekanntem Land gestrandet sind, gegen ein Heer von Chaoskriegern streiten lassen etc. Aber dann ist es kein historischer Roman – Es ist Fantasy.

Wenn ich andererseits z.B. das Leben von William Wallace nacherzähle, evtl. angereichert durch ein paar spannende Dinge/Handlungen, die mangels anderslautender Informationen frei erfunden sind, aber den wesentlichen Fakten nicht widersprechen, dann hat das Werk den berechtigten Anspruch eines historischen Romans. Ein unverzeihlicher Fehler wäre es jedoch, wenn dieser schottische Volksheld in meinem Roman nicht hingerichtet wird, sondern in hohem Alter eines natürlichen Todes stirbt, oder noch krasser: Wallace (oder irgendein anderer Schotte) trifft auf einen Ork.  ;D Das wäre dann weder ein historischer Roman noch Fantasy – das wäre einfach nur Mist.

Fazit: Welcher Fantasyautor hat sich nicht schon einmal von alten Kulturen und Mythen inspirieren lassen, sei es bewusst oder unbewusst? Warum auch nicht? Doch auch wenn ich eine bestimmte Kultur oder Historie für meinen Roman als Hintergrund verwende, bleibt es letztendlich ein Fantasyroman, wenn z.B. Elfen, Zwerge, Trolle, Orks, Vampire, Werwesen etc., wie selbstverständlich dieses Land ebenfalls bevölkern.

Sicher werdet ihr jetzt sagen: ,,Ist ja schön und gut, aber ist das wichtig?" Für die eigentliche Arbeit – das Schreiben – mag es erstmal unwichtig sein. Aber spätestens wenn es darum geht, das fertige Manuskript mit einem Begleitschreiben an den zuständigen Lektor eines Verlages zu schicken, sollte man wissen, welches Genre bedient wird. Fantasy oder historischer Roman. Ein Roman irgendwo dazwischen kann es m.E. nicht geben.

Ich bin gespannt auf eure Meinungen.

Ich wünsche euch allen an dieser Stelle ein frohes und gesundes neues Jahr 2008.
Lennard


Lavendel

Wenn ich beispielsweise einen Roman schreibe, der im 19. Jahrhundert spielt, ist das natürlich erstmal ein historischer Roman. Wenn mein Protagonist aber übersinnliche Fähigkeiten hat und trotzdem ein waschechter englischer Landadliger ist - dann kann man wohl von einem historisch phantistischem Roman sprechen.

Zitat,,Fantasy" ist das Gegenteil, schöpferischer Einfallsreichtum des Autors, dem keine Grenzen gesetzt sind.

Grenzen setzt man sich in Punkto schöpferischem Einfallsreichtum höchstens selbst. Entweder, indem man sich einen historischen Kontext aussucht oder indem man sich seinen eigenen Kontext (seine eigene Welt) schafft. In beiden herschen Gesetzte, an die man sich halten muss.

Ich halte nichts von solchem Schubladendenken. Denn letztendlich kann man jeden Roman unter verschiedenen Gesichtspunkten bewerten. Ein Krimi kann doch zugleich ein Liebesroman sein. Und dabei auch noch historisch - und phantisch vielleicht auch noch. In welche Schublade man ein Buch steckt, hängt vom Blickwinkel ab.

Fantasy ist facettenreich. Das merkt man allein schon hier im Forum - nämliche an der Bandbreite der unterschiedlich Themen und Vorlieben, die hier vertreten sind. Ich finde, man sollte nicht zu eindimensional denken. Anything is possible ;D.

Artemis

#2
Ui ... einer der Knackpunkte, mit denen ich grade kämpfe  :rofl:
Na ja, ist halt schwer, eine Mischung aus zwei Genres zu benennen. Ist es historische Fantasy oder gar phantastische Historik? Oder doch nur schnöde Phantastik?  ::)

Ich sag mal: Historik ist es nicht. Historik beruht allein auf Fakten, da hat Übersinnliches keinen Platz. Wenn ein Historiker ein solches Buch aufschlägt, will er nicht mit Dämonen, Zeitreisen und Seelenwanderungen erschlagen werden, sondern sachliche und nüchterne Fakten vorfinden.
Aber da wir uns ja in der Unterhaltungsliteratur tummeln und nicht im Bereich der Sachbücher, haben wir immer noch kleine Schlupflöcher. Denn wie der Name schon sagt, schreiben wir zur Unterhaltung - und was ist langweiliger als das Leben irgendeines Sesselpupsers aus der Vergangenheit? Da wird hier etwas geknibbelt und da hinzugefügt, diese Lebensspanne etwas ausgewalzt und die komplett weggelassen, bis der Typ einen halbwegs interessanten Lebenslauf vorzuweisen hat.

Aber es gibt ja auch bei den historischen Romanen große Klüfte. Die einen Bücher klammern sich total an tatsächliche Begebenheiten und behandeln praktisch nur Personen, die damals auch wirklich gelebt haben - praktisch eher eine Biografie. (Ich nenne mal Rebecca Gablé als Beispiel)
Andere Historikschinken dienen mehr der reinen Unterhaltung und handeln von fiktiven Gestalten, die nur vor einem historischen Setting herumhampeln und wie Puppen in jede beliebige Epoche gestopft werden können (öh ... fällt mir spontan die Iny Lorentz ein ^^)
Dann gibt es wieder diese phantastisch angehauchten Bücher, die gut recherchiert sind, ihren besondern Touch aber durch ein phantastisches Element bekommen (Diana Gabaldon)
Und als letztes die Fantasy-Bücher, die ein historisches Setting haben, sich aber in Sachen Story und Personen auf Legenden und / oder erfundenen Figuren stützen (Marion Zimmer-Bradley)

Stöbert man mal in Buchläden und bei amazon, wird man merken, dass die alle unter dem Sammelbegriff "Historische Romane" stehen, manche aber auch bei den Fantasy-Büchern rumpurzeln. Im Grunde ist also alles subjektiv - es kommt einfach darauf an, welches Genre im Buch dominiert  :)

Judith

"Historische Fantasy" ist einfach eins der vielen Subgenres der Fantasyliteratur. Es bezeichnet meistens einerseits eben pseudo-historisches Zeug wie die "Nebel von Avalon" und andererseits aber auch Fantasyromane, die sehr stark an eine historische Epoche unserer Welt angelehnt sind - und zwar so stark, dass es über leichte Inspiration weit hinausgeht.
Das Paradebeispiel hierfür ist Guy Gavriel Kay mit "The Sarantine Mosaic": Sarantium ist gewissermaßen ein alternatives Byzanz, einige Hauptpersonen entsprechen historischen Persönlichkeiten (Kaiser Justinian und Theodora), es werden auch tatsächliche historische Gegebenheiten aufgegriffen, aber es ist eben eine andere Welt. Es gibt aber keine Magie, keine "Fantasywesen" und nichts, was es nicht in einem historischen Roman auch geben könnte. Ähnlich ist es mit "A Song for Arbonne" vom selben Autor, wo vor allem der frühprovenzalische Minnesang aufgegriffen wird.
Gerade bei Kay kommt mir diese Bezeichnung durchaus sinnvoll vor. Denn jemand, der einen "gewöhnlichen" Fantasyroman erwartet, ist sonst vielleicht enttäuscht - "Hä, das ist ja fast wie bei uns. Da gibts ja gar keine Magie, nix Übersinnliches und... hm... irgendwas kommt mir an Valerius doch bekannt vor." Und als historischen ROman kann man es andererseits ja auch nicht einordnen.
Es steht nun mal dazwischen und als solches passt die Bezeichnung. Falls ich jemals meine geplanten cumeischen Krimis schreiben werde, würde ich die ebenfalls als "historische Fantasy" bezeichnen, da es zwar eine fremde Welt ist, es aber an die römische Republik angelehnt ist und keine Magie oder sonst etwas Übersinnliches vorkommt.

Zitat von: Lennard am 30. Dezember 2007, 20:57:27
Einige Sachverhalte aus der Nibelungensage nehmen Bezug auf historische Gegebenheiten, aber dennoch ist es ,,Fantasy" – nicht mehr, nicht weniger.
Moment, stopp, die Nibelungensage ist keine Fantasy. Das ist Heldenepik und wurde mal für wahr und somit historisch gehalten. Heldenepik mag heute keine "lebendige" Gattung mehr sein, aber dennoch bleibt das Nibelungenlied genau das und lässt sich nicht in moderne Literaturgenres einordnen.

Lennard

#4
@Lavendel

Ein englischer Adliger aus dem 19. Jahrhundert mit übersinnlichen Fähigkeiten. Hm...um das ganze mal deutlicher herauszustellen, lass uns aus übersinnlich mal magisch machen, also: Ein englischer Landadliger im 19. Jahrhundert mit magischen Fähigkeiten. Würdest du dem betreffenden Roman auch jetzt noch das Prädikat ,,historisch" geben?

ZitatGrenzen setzt man sich in Punkto schöpferischem Einfallsreichtum höchstens selbst. Entweder, indem man sich einen historischen Kontext aussucht oder indem man sich seinen eigenen Kontext (seine eigene Welt) schafft.

So isses. Insbesondere wenn man sich einen historischen Kontext aussucht, setzt man sich als Fantasyautor gewisse Grenzen. Allerdings nicht, weil es grundsätzlich so sein muss, sondern wegen der Glaubwürdigkeit. Je authentischer – desto glaubwürdiger und damit besser.

ZitatIn beiden herschen Gesetzte, an die man sich halten muss.

Wenn du mit ,,man" die Charaktere des Romans meinst, stimme ich dir zu. Wenn du aber den Autor meinst, dann muss ich dir widersprechen. Im Genre Fantasy sind dem Autor grundsätzlich keinerlei Grenzen gesetzt, weder im Schöpfungsprozess noch im daraus folgenden Storytelling. Gerade das ist es doch, was dieses Genre so hervorhebt. Ich als Autor bin der Gott meiner Fantasywelt, ich habe die Allmacht. Wenn z.B. ein Magier einen Feuerball aus dem Nichts entstehen lassen kann, um diesen mit einer lässigen Geste seiner Hand dem Feind entgegenzuschleudern, dann muss ich das nicht begründen. Er kann es einfach. Wenn ich will, gebe ich dem Leser bei der Gelegenheit einen kurzen Exkurs in die ,,magischen" Zusammenhänge meiner Fantasywelt, ich muss es aber nicht zwingend.
Bei einem historischen Roman sieht das völlig anders aus.

Die Leser werden einen Roman gewiss unterschiedlich bewerten, das ist klar. Es geht mir hierbei eher um das, was der Autor aus seiner Sicht dem Leser präsentieren will bzw. welchen Anspruch der Autor an seinen Roman stellt. Du hast Recht, je facettenreicher ein Roman ist, desto besser. Es hat jedoch nichts mit Schubladendenken zu tun, wenn man versucht, seinen Roman klarer zu definieren. Wenn die Frage gestellt wird: ,,Welche Art Roman ist das denn? Krimi? Horror? Liebesroman? Fantasy?" Und ich dann einfach sage: ,,Tja, irgendwie von allem etwas." Hm Sorry, aber ich glaube nicht, das eine derartige Antwort dem Fragenden befriedigt.

Nein, Schubladendenken ist das keineswegs, denn zwischen Fantasy und historischem Roman liegen Welten (im wahrsten Sinne des Wortes). Ich denke schon, das es sinnvoll ist, darüber zu diskutieren, wie weit man bei einem historischen Roman in bezug auf die eigene Phantasie gehen kann, oder andersrum, ab wann ein Fantasyautor sein Werk berechtigterweise ,,historischer Roman" nennen darf.
Ein ,,historischer Roman" ist m.E. schon was besonderes. Also holla...ey dat is schon ziemlich fett. Was mich betrifft, ist die Bezeichnung ,,historisch" schon eine Art Gütesiegel. Es gehört schon mehr als nur Einfallsreichtum und wesentlich mehr schriftstellerisches Können dazu, einen ,,historischen Roman" zu schreiben. Ich vermag das sicher nicht. Und einen humorvollen Fantasy-Horror-Liebes-Krimi...Nö, ich glaube, das will ich nicht schreiben. Ich für meinen Teil möchte wissen, was ich schreibe, und das will ich richtig schreiben – richtig und gut.

@Judith

Schmach und Schande über mein Schwert. Klaro ist es ein Frevel, die Nibelungensage nur als Fantasy abzuwerten. So war es auch nicht gemeint. Ich will es mal so ausdrücken: Gäbe es in der Welt der Bücher nur die beiden Genres "Fantasy" und "historischer Roman", so würde ich die Nibelungensage der Fantasy zuordnen. Ich weiß, das ist jetzt grob vereinfacht, aber es soll  ja auch nur deutlich machen, was ich meine  ;)

Grey

Zitat von: Lennard am 31. Dezember 2007, 01:24:42


Wenn du mit ,,man" die Charaktere des Romans meinst, stimme ich dir zu. Wenn du aber den Autor meinst, dann muss ich dir widersprechen. Im Genre Fantasy sind dem Autor grundsätzlich keinerlei Grenzen gesetzt, weder im Schöpfungsprozess noch im daraus folgenden Storytelling.

Ja natürlich - aber wenn du dir deine Welt bastelst, dann legst du dich dabei irgendwann auf bestimmte Regeln fest. Natürlich hast du die "Allmacht" zu entscheiden, welche das sind und musst auch nicht zwingend begründen, warum das so ist. Aber wenn du dich erstmal entschieden hast, dass es so ist, musst du dabei auch bleiben. Mitten im Roman die physikalischen oder auch metaphysischen Gesetze deiner Welt zu ändern - das kannste nicht machen, auch als Autor nicht. Denn dann wirds unglaubwürdig.

Hr. Kürbis

Eigentlich kein soooo schwieriges Thema wie ich finde.
Ein historischer Roman greift ein reales *hust* Thema zu einer realen Zeit unter realen *hust* Bedingungen (Naturgesetze, Personen, Kultur, etc.) auf.
Ein Fantasy-Roman tut dies nicht, sollte sich aber trotzdem an irgendwelche Regeln halten, damit er glaubwürdig ist. Kann, muss aber nicht ....
Ein historischer Fantasy-Roman verquickt diese Genres, indem er sich auf Fakten beruft und diese um phantastische Elemente, die in diesem Fall erklärbar rübergrebracht werden müssen, erweitert. Sobald etwas "reales" in einem Fantasy-Roman auftaucht, zum Beispiel die Hugenotten (fällt mir grad spontan ein), Frankreich, VW-Käfer, etc., ließe sich das für mich in die Sparte "historische Fantasy" einordnen. ;)

Ich selber habe vor, einen Mischmasch aus Fantasy und realem Western zu schreiben, hört sich vielleicht etwas trashig an und wird definitiv nicht in unserer, aber einer eindeutig daran angelehnten Welt spielen. Das wird dann vielleicht soetwas wie ein alternativ-historischer Fantasy-Roman. ;D

PS: Übrigens bleibt jeder noch so fundiert recherchierte historische Schinken irgendwo Fantasy, im wortwörtlichen Sinne. Außerdem wird das Genre zusehends flacher und auf FAKTEN, FAKTEN, FAKTEN wird nur noch am Rande wert gelegt.

Judith

#7
Zitat von: Lennard am 31. Dezember 2007, 01:24:42
Ein englischer Adliger aus dem 19. Jahrhundert mit übersinnlichen Fähigkeiten. Hm...um das ganze mal deutlicher herauszustellen, lass uns aus übersinnlich mal magisch machen, also: Ein englischer Landadliger im 19. Jahrhundert mit magischen Fähigkeiten. Würdest du dem betreffenden Roman auch jetzt noch das Prädikat ,,historisch" geben?
Hm, ich finde aber nicht, dass das so einfach ist. Immerhin hat man in vielen Kulturen und vielen Zeiten fest an Magie und göttliches Wirken geglaubt (bzw. tun das viele auch heute noch).
Wenn man jetzt also z.B. einen Roman in der Antike ansiedelt und darin ein Orakelspruch der Sibylle von Cumae vorkommt (der dann auch so eintritt) oder auch ein Haruspex, der mit seinen Deutungen ebenfalls Recht behält und man dazu dann noch den Charakter wegen eines Schadenszaubers zu einer Hexe schickt (und der Schadenszauber zeigt auch seine Wirkung), dann haben wir - wenn der Roman streng aus der Sicht des antiken Charakters geschrieben ist - allerortens Magie und spürbares göttliches Wirken.
Und wie stufen wir das dann ein? Zufall? Fragt man sich, ob da jetzt tatsächlich jemand Magie beherrscht?
Man wird es nicht mit Sicherheit sagen können, aber dennoch wird es in jedem Fall als historischer Roman und nciht etwa als Fantasy einzustufen sein.

Schelmin

#8
Ich würde sagen, ein historischer Roman ist nur dann einer, wenn er tatsächlich auf historischen Tatsachen beruht, und nur das. Es hat auch im 15. Jahrhundert keine Elfen gegeben. Behaupte ich jetzt mal so aufgrund meiner Informationen. Der Glaube an etwas ist etwas anderes. Leute können ihren Aberglauben und dergleichen haben, und er kann in der Geschichte gegenwärtig sein. Die Leute dürfen glauben, daß ihr Kind von Kobolden geraubt wurde, aber Kobolde als reale Figur sollten in der Handlung nicht tatsächlich Kinder rauben.

Irgend jemand hier im Zirkel hat mich mal aufgeklärt, daß ein Roman, der in unserer Realwelt spielt, in die phantastische Elemente einbrechen, keine Fantasy, sondern Phantastik ist, da Fantasy ganz und gar in einer eigenen erfunden Welt spielt. Ich schätze mal, um welche Zeit es dabei geht, ist wurscht.
Daher würde ich sagen, daß die Bezeichnung "historischer phantastischer Roman" bzw "phantastischer historischer Roman" passt.

Lennard

#9
@Grey

ZitatAber wenn du dich erstmal entschieden hast, dass es so ist, musst du dabei auch bleiben. Mitten im Roman die physikalischen oder auch metaphysischen Gesetze deiner Welt zu ändern - das kannste nicht machen, auch als Autor nicht. Denn dann wirds unglaubwürdig.

Ich möchte folgendes vorwegschicken, damit wir nicht aneinander vorbei reden:
Ich betrachte meinen Roman solange er nicht in Manuskriptform ausgedruckt und an einen Verlag geschickt ist, als ,,in Bearbeitung" bzw. ,,noch bearbeitungsfähig". Erst wenn ich das Manuskript an einen Verlag geschickt habe, findet meine Allmacht als Autor seine endgültige Grenze.
Selbstverständlich kann es nicht sein, das etwas geschrieben steht, was dem beschriebenen Weltenhintergrund an anderer Stelle widerspricht. Der Weltenhintergrund muss eine klare Linie haben zwecks Glaugwürdigkeit, vollkommen richtig. Dennoch kann ich natürlich noch Dinge einfügen, ergänzen oder umbasteln. Ich darf nur nicht vergessen, das ich den ,,gesamten" Text auf  Kompatibilität überarbeite. Mal angenommen, ich habe einen Weltenhintergrund ausgearbeitet und er im spielt im bisherigen Text bereits eine gewisse Rolle, und ich habe zu einem späteren Zeitpunkt eine Idee, die unbedingt in diesem Roman Einlass finden soll – Wenn ich es will, finde ich immer eine Erklärung (wenn sie denn nötig ist), baue den Weltenhintergrund um, bis sich schließlich der Weltenhintergrund wieder mit allem Geschreibsel im Einklang befindet. Ich kann also durchaus beim Schreiben des Romans auch mittendrin die Naturgesetze meiner Welt ändern, wenn ich dabei auch darauf achte, die Welt (ganzheitlich betrachtet) entsprechend anzupassen. Im Rahmen dieses Schöpfungsprozesses habe ich alle Macht. Erst wenn man das Manuskript verschickt, ist die Welt quasi erschaffen und unabänderlich.
Aber ich weiß, wie du das meinst und da stimme ich dir natürlich zu.

@Hr. Kürbis

ZitatÜbrigens bleibt jeder noch so fundiert recherchierte historische Schinken irgendwo Fantasy, im wortwörtlichen Sinne.

Ach ja? das musst du mir bitte mal genauer erklären.

@Judith

ZitatImmerhin hat man in vielen Kulturen und vielen Zeiten fest an Magie und göttliches Wirken geglaubt (bzw. tun das viele auch heute noch).
Wenn man jetzt also z.B. einen Roman in der Antike ansiedelt und darin ein Orakelspruch der Sibylle von Cumae vorkommt (der dann auch so eintritt) oder auch ein Haruspex, der mit seinen Deutungen ebenfalls Recht behält und man dazu dann noch den Charakter wegen eines Schadenszaubers zu einer Hexe schickt (und der Schadenszauber zeigt auch seine Wirkung), dann haben wir - wenn der Roman streng aus der Sicht des antiken Charakters geschrieben ist - allerortens Magie und spürbares göttliches Wirken.
Und wie stufen wir das dann ein? Zufall? Fragt man sich, ob da jetzt tatsächlich jemand Magie beherrscht?
Man wird es nicht mit Sicherheit sagen können, aber dennoch wird es in jedem Fall als historischer Roman und nciht etwa als Fantasy einzustufen sein.

In einem solchen Fall stimme ich dir zu. Nämlich aus folgendem Grund: Richtig, in vielen Kulturen und Zeiten hat man an Magie und göttliches Wirken geglaubt. Ich betone ,,geglaubt". Wenn man einen bestimmtes Geschehen im Roman als Magie, göttliche Kraft oder übersinnliche Fähigkeit in den Raum stellt und es aber letztendlich dem Leser überlässt, zu entscheiden, ob es nun wirklich etwas derartiges war oder einfach nur Zufall, dann würde ich den Roman als historisch bewerten. Wie du schon richtig schreibst: ,,Fragt man sich, ob da jetzt tatsächlich jemand Magie beherrscht?" Solange das Geschehen ,,fraglich" ist und vom Autor nicht defacto als Magie o.ä. festgelegt ist, solange ein imaginärer Charakter aus dieser Welt ketzerisch behaupten kann, das es sich hierbei genauso gut um ein ,,natürlich" erklärbares Geschehen handelt, bleibt der Roman trotz aller wundersamen Ereignisse historisch.
Gegenbeispiel: Wenn der besagte Charakter von einer Hexe einen Schadenszauber verliehen bekommt, eine Lichtkugel, die um die geballte Faust entsteht und aus der ein Blitz herausschiesst und den Gegner fällt, das ist dann defacto Magie, göttliche Kraft oder was auch immer – weil unbestreitbar. Da kann dann der Roman noch so historisch korrekt sein – Er ist dennoch ein Fantasyroman.

@Schelmin

ZitatIch würde sagen, ein historischer Roman ist nur dann einer, wenn er tatsächlich auf historischen Tatsachen beruht, und nur das. Es hat auch im 15. Jahrhundert keine Elfen gegeben. Behaupte ich jetzt mal so aufgrund meiner Informationen. Der Glaube an etwas ist etwas anderes. Leute können ihren Aberglauben und dergleichen haben, und er kann in der Geschichte gegenwärtig sein. Die Leute dürfen glauben, daß ihr Kind von Kobolden geraubt wurde, aber Kobolde als reale Figur sollten in der Handlung nicht tatsächlich Kinder rauben.

Jau, das unterschreibe ich so.

ZitatIrgend jemand hier im Zirkel hat mich mal aufgeklärt, daß ein Roman, der in unserer Realwelt spielt, in die phantastische Elemente einbrechen, keine Fantasy, sondern Phantastik ist, da Fantasy ganz und gar in einer eigenen erfunden Welt spielt. Ich schätze mal, um welche Zeit es dabei geht, ist wurscht.
Daher würde ich sagen, daß die Bezeichnung "historischer phantastischer Roman" bzw "phantastischer historischer Roman" passt.

Ein interessanter Ansatz. In diesem Zusammenhang stellt sich mir die Frage: Was konkret sind für dich ,,phantastische Elemente" und wo fangen die ,,Fantasy-Elemente" an? Ich will jetzt keineswegs eine Diskussion über den Unterschied zwischen Phantastik und Fantasy lostreten. Diese Nebenfrage ist für mich nur sehr bedeutsam im Hinblick auf die Bezeichnung ,,historisch phantastischer Roman".

Ansonsten kenne ich aus dem Larp noch eine andere Kategorisierung: Low-Fantasy und High-Fantasy. Low Fantasy bedeutet kurz gesagt: Das Ganze ist Fantasy, aber so realistisch wie möglich (oftmals gar mit historischem Hintergrund). High-Fantasy bedeutet salopp gesagt: Grenzenlose Fantasy, frei erfundene Welten, alles ist möglich (und zwar wirklich alles). Ein blutsaugender Viertelelfenberserker mit dämonischer Abstammung und magischen Kräften ist da nicht ungewöhnlich.
Eine solche Unterteilung gibt es in der Fantasy-Buchwelt nicht. Aber die Bezeichnung ,,Low-Fantasy" für einen Roman, der Fantasy-Elemente mit historischem Setting vereint, finde ich weitaus treffender, als die Bezeichnung ,,historische Fantasy", die nach wie vor meiner Ansicht nach unmöglich ist.

Artemis

#10
Urgs ... allmählich erinnert mich diese Diskussion an die "Wie viel Phantastisches braucht Fantasy"-Diskussion  :gähn:

Hr. Kürbis

Aaaaaalso, ich habe mal LEO bemüht wegen Fantasy im wortwörtlichen Sinne, demzufolge ist "Fantasy" übersetzt Fantasie  :d'oh:, ein Fantasiebild und/oder eine Fantasterei. Also trifft das eigentlich so ziemlich auf 99,58673% (grob geschätzt ;D) der Unterhaltungsliteratur zu, zu der ich den historischen Roman einfach mal frech hinzuzähle. Also im wortwörtlichen Sinne alles Fantasy, klaro? :rofl:

Und die Unterscheidung Low-Fantasy bzw. High-Fantasy gibt es auch hierzulande im Buchsektor, nur druckt man das nicht unbedingt aufs Buch. "Low-Fantasy" auf dem Cover würde sich wohl kaum als Kaufempfehlung eignen, im wortwörtlichen Sinne... soll ich das auch erklären? ;)
Die Unterscheidung gibt es demzufolge nicht nur im LARP, auch wenn ich eine Definition wie deine noch nicht gehört habe. Aber auch hier weiß Tante Wiki zu erhellen.

Lennard

@Hr. Kürbis

Ein historischer Roman ist also deiner Ansicht nach auch nur eine Phantasie/Phantasterei. Aaaah ja  ;D, schon klar  :rofl:

Zitat"Low-Fantasy" auf dem Cover würde sich wohl kaum als Kaufempfehlung eignen

Das bezweifle ich. Aber das führt jetzt zu weit weg.

Meine Unterteilung in Low-Fantasy und High-Fantasy basiert auf eine Definition, die eigentlich aus dem Roleplaying kommt. ich habe sie einfach mal auf den Buchsektor übertragen, da ich sie auch hierbei für passend halte. Dein Link zu Wiki erhellt in diesem Zusammenhang nicht, er verwirrt eher. Low- und High Culture in der Literatur ist was anderes und steht in einem anderen Zusammenhang.

Aber guckst du hier: http://www.larpwiki.de/cgi-bin/wiki.pl?LowFantasy

Coppelia

#13
Ich glaube nicht, dass man hier irgendwo eine wissenschaftliche und allgemeingültige Definition finden wird. Mein Prüfungsthema ist Phantastik, und schon da gibt es mehrere Definitionen, von denen sich nur die einen mehr und die anderen weniger durchgesetzt haben. Die Phantastik-Wissenschaftler kämpfen aber ziemlich damit, überhaupt eine Definition zu finden, die griffig ist. Nach der Definition, für die ich mich für meine Prüfung jetzt entschieden habe, ist Phantastik: ein in der Realität angesiedelter Text, in dem realitätsinkompatible Dinge geschehen, für die es mindestens ein nicht realitätskompatibles Erklärungsangebot gibt. Wobei darunter heute auch Gattungen wie "Mystery" fallen würden, denke ich. Allerdings kann ich mir wirklich nicht vorstellen, dass Meyrinks Golem und HP zur selben Kategorie gehören!
Für Fantasy habe ich bisher überhaupt nur eine sehr schwammige Definition gefunden, nämlich, dass es ein Text sei, der in einer erfundenen Welt spielt und eine eigene Hintergrundwelt erschafft, in der eigene Regeln gelten.
Dieser Definition zufolge haben Fantasyfiguren auch nicht viel Charakter und sind immer sowas wie Symbolwesen, die eine symbolische Handlung erleben. Ich bin aber nicht dafür. Was ist denn mit meinen ganzen spannenden Charakteren, soll ich ihren Charakter ableugnen? Und schreib ich etwa keine Fantasy? ;D Daher hab ich nicht selten den Eindruck, der jeweilige Literaturwissenschaftler nimmt sich die Bücher, die er selbst gut findet, abstrahiert daraus ein Gattungsprinzip und erklärt, alle anderen Bücher seien schlechte Vertreter dieser Gattung. Mag gemein klingen, aber mir ist doch immer wieder so ...

Da sich die Literaturwissenschaft selbst offenbar so uneinig ist, denke ich, wird es mit der verbindlichen Definition schwer. Ich persönlich werde mich um die Gattungsgrenzen eher weniger kümmern. Letzten Endes entscheidet wohl der Buchmarkt, was zu welcher Kategorie gehört. Und ich persönlich kann nicht mal riechen, wo sie meine Geschichten einordnen würden.

Hr. Kürbis

Aaaargh, Lennard, du machst mich irre!  ;D

Guck mal bei Tanta Wiki weiter nach unten, da sind weitere Fantasy-Unterarten verlinkt, ich meinte nicht die High- und Low-Culture!
Klick mal da: http://de.wikipedia.org/wiki/Low_Fantasy

Und jeder Roman, der nicht auf belegten Fakten beruht, der nicht haarklein das wiedergibt, was wirklich passiert ist, wo der Autor auch nur ein Quäntchen sich selbst und seine Fantasie eingebracht hat und nicht Augenzeuge war, ist für mich schon Fiktion.
Oder beruht etwa jedes Gespräch, jede Figur, jedes Gefühl, jeder Schicksalsschlag aus Ken Follets "Säulen der Erde" auf Fakten, die belegt werden können? Nein, aber unbestreitbar ein historischer Roman, der Phantasterei ist, nur das Szenario orientiert sich an einer Epoche, die real existiert hat, der Rest ist Fiktion.