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Muss jedes Ding einen Namen habe?

Begonnen von FeeamPC, 23. November 2007, 22:50:33

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FeeamPC

Ich schreibe gerade an einer Story, die an einem geographisch sehr eng begrenzten Raum spielt. Die Protagonistin lebt in einer sehr kleinen Kleinstadt, und diese wiederum liegt an einem Fluß. Muß jedes Ding in der umliegenden Landschaft einen Namen haben?

Zum Beispiel der Fluß: in der Stadt kennt ihn jeder in- und auswendig, es gibt weit und breit keinen anderen. Würde in so einer Situation der Fluß bei den Einheimischen überhaupt einen Namen haben oder benötigen? Würde es Euch als Leser stören, wenn die in dem Buch immer nur vom Fluß reden?

Manja_Bindig

Hm... ich würde die Namen auf markante Punkte beziehen, den Fluss eventuell und ein paar der Stadtleute - du musst ja nicht jedem einen anderen Namen geben, in einer Kleinstadt sind Leute öfters miteinander verwadt.
Lass ein paar Namen fallen, wo sie dir relevant erscheinen. Den Fluss eventuell. Den Namen des Bürgermeisters, des Direktors der örtlichen Schule, etc. ... "wichtige" Dinge eben, die ein Gefühl für die Stadt vermitteln.

Julia

Um ehrlich zu sein: gerade dann würde ich den Dingen einen Namen geben.
Und ich kann es auch begründen: ich selbst stamme aus einem Dreihundert-Seelen-Dorf. Und dort hieß im allgemeinen Sprachgebrauch der Fluß eben nicht Fluß, sondern "Erse", die Feldmark hieß (und heißt immer noch  ;) ) Heestern, und das kleine Wäldchen "Der große Busch".
Meist hat in den Dörfern (oder auf engem, geografischen Raum) fast alles einen eigenen Namen, schon allein deshalb, weil es sich über Generationen so in den Köpfen festgesetzt hat. Natürlich kann man in einer Geschichte auch alles neutral halten, aber das schafft meiner Meinung nach eher Distanz und sollte dann nur als bewußt gesetztes Stilmittel verwendet werden.

Liebe Grüße,

Julia

Rumpelstilzchen

Zitat von: Julia am 23. November 2007, 23:14:50
Meist hat in den Dörfern (oder auf engem, geografischen Raum) fast alles einen eigenen Namen, schon allein deshalb, weil es sich über Generationen so in den Köpfen festgesetzt hat.

Dem stimme ich zu. Wenn deine Prota in der Kleinstadt aufgewachsen ist, dann kennt sie sich dort sehr gut aus und die Namen sind in ihrem Kopf fest verankert.
Anders ist es, wenn sie erst kürzlich zugezogen ist, dann würde ihr "die Sitten" vielleicht seltsam vorkommen, aber für gewöhnlich passt man sich doch recht schnell an.

Manja_Bindig

Hm, gut, daran hab ich nicht gedacht. Obwohl, oder gerade WEIL ich vom Dorf komme. Mir sind diese merkwürdigen Eigennamen zu geläufig...
Erwähne sie, aber wenn es nicht zu extravagant ist, erkläre nicht, woher sie kommen.

Lynn

Ich kenne es auch so, dass man - da man ja alles von klein auf mit Namen kennt - es auch mit den entsprechenden Namen benennt. Vielleicht gibt es innerhalb des Ortes spezielle umgangssprachliche Bezeichnungen für bestimmte Orte, die ein Außenstehender (oder Zugezogener) erst einmal nicht kennt.
Aber eigentlich sollte jedes Ding einen Namen haben. Das macht eine Geschichte auch glaubwürdiger und gibt dem Leser mehr, woran er sie 'festmachen' kann.  ;)

FeeamPC

Das bedeutet dann wohl, daß ich vor der weiteren Arbeit meiner imaginären Landschaft erst einige Namen mehr verpassen muss. Es wäre zu mühsam, das im Nachhinein zu ändern. Gut, dann bastele ich mal an meiner Welt weiter...

Drachenkind

Ich würde unbedingt einige solcher Namen einbauen und sie auch nicht sofort erklären. Für mich als Leser trägt es immer sehr zur Authentizität einer Geschichte bei, wenn ich den Einheimischen dabei zuschauen kann, wie sie ganz selbstverständlich m,it ihrer vertrauten Umgebung umgehen und auch die vertrauten Bezeichnungen verwenden. Wenn ich als Leser sofort die Bedeutung erklärt bekomme, fühle ich mich wie ein Tourist bei einer Präsentation des Fremdenverkehrsvereins. Wenn ich aus den Gesprächen der Charas langsam dahinterkomme, warum etwa ein Wäldchen "Der Busch" heißt, wachse ich in die Geschichte hinein.

leosluna

Ich stimme meinen Vorrednern da vollkommen zu.
Gib dem fluss einen öffentlichen Namen und vielleicht noch einen "Kosenamen", so wie ihn die Bürger nennen. :winke:

Berjosa

Hm, ich widerspreche ja nur ungern, aber hier in den umliegenden Käffern heißt das Wässerchen, das durchs Dorf fließt, jeweils "der Bach", äh, "die Besch". Eigene Namen haben die Gewässer weiter weg und Geländemerkmale, von denen es mehrere gibt, etwa Wälder oder Berge. Wenn vom "Tal" die Rede ist, ist auch völlig klar, von welchem. Es braucht keinen Namen. In der Nachbargemeinde gilt sinngemäß das gleiche für den "Berg".

Schöne Grüße

Berjosa

FeeamPC

Ähnliches kenne ich aus unserer Gegend, alle kleineren Wasserläufe heißen Beeke (Bach) und bekommen noch einen Ortsnamen dazu, wenn man sie irgendwie unterscheiden muß.
Scheint wohl darauf hinauszulaufen, daß Flüsse und Bäche selbstverständlich einen Eigennamen haben, kleinere Wasserläufe in dörflichen Gemeinschaften aber nicht unbedingt mit diesem Namen genannt werden.
Da mein Dorf allerdings an einem etwas größeren Fluß liegt, wird dieser Fluß wohl auch im Dorf mit seinem Namen benannt werden. Im dörflichen Sprachgebrauch wird es dann wohl bei mir auf eine Mischung rauslaufen: Bekannte Geländedetails, die nur die Dorfbewohner interessieren, haben entweder keinen Namen oder sind nach besonders ungewöhnlichen Merkmalen benannt. Größere Geländedetails wie Flüsse und Bergketten bekommen einen Landkartennamen und werden auch damit im Dorf benannt.

Aneirin

Hallo,

ich würde sagen, es kommt drauf an.

Landschaftsmarken und Gebäuden in Dörfern und Kleinstädten, ist sicher häufig richtig und in unserem Sprachgebrauch gibt es häufig solche Namen. Es ist dann wirklich schöner, wenn die leute, wenn die leute in der Geschichte von der Cramm sprechen statt immer nur vom Bach. Vorsicht ist allerdings auch geboten, denn der Leser muss sich dieses ganzen Namen merken. Schreibt man aber nur eine KG von 20 Seiten und der Leser muss sich 30 oder mehr Namen merken, überfordert ihn das. Kommt der Bach da nur einmal vor, würde ich lieber beim Bach bleiben, statt ihm einen Namen zu verpassen.

Also sollte man beides tun: den Leuten aufs Maul schauen, wie sie von ihrer Umgebung reden und gleichzeitig an den Leser denken.

Grüße
Aneirin

Lisande

Gerade in Kleinstädten werden doch auch markante Landmarken gerne mit den Namen von Personen in Verbindung gebracht - "Hinnerks Feld" oder so zum Beispiel, selbst wenn Hinnerk selber schon seit zweiundfünfzig Jahren tot ist... das Feld heißt dann immer noch so.

Shay

Ich bin auch aus einem kleineren Dorf. In meiner Erfahrung ist es schon so, daß jedes Ding einen feststehenden Namen hat. Aber dieser Name muß nicht unbedingt sonderlich einfallsreich sein. So gibt es in meinem Heimatort zwei Täler. Das eine wird "das Tal" genannt (genauer s'Daal), das andere "das Tälchen" (s'Dääle). Unterscheidung ist ganz einfach: zu einem rechten Tal gehört ein Bach. Das Dääle hat nämlich keinen.

Besagter Bach heißt übrigens in den Orten, die daran liegen, immer mal wieder anders, wobei die Varianten Grenzbach und Kreuzbach die häufigsten sind.

Flüsse gibt es bei uns auch nur einen, die Enz. Und als mein Onkel als kleiner Bub mal bei Verwandten ein paar Täler weiter war, hat er die dortige Fils als "die Enz wo Fils heißt" bezeichnet ;)

Steigungen oder Straßen heißen im Normalfall einfach nach dem Ort, der dahinter kommt, weswegen die je nach Ort unterschiedlich heißen. Was für einen Auricher eben die Nussdorfer Steige ist, ist für einen Nussdorfer die Auricher Steige, während ein Vaihinger unter der Auricher Steige was anderes versteht.

FeeamPC

Flurnamen sind in dörflicher Umgebung offensichtlich wesentlich wichtiger als Landschaftsnamen. Es ist eben für eine bäuerliche Bevölkerung essentiell, welcher Acker zu welcher Familie gehört und wo die Gemeindeweide liegt, dagegen scheint es eher unnötig, dem einzigen Weg durch das Dorf einen Namen zu verpassen  (es sei denn, der Weg wird außerhalb des Dorfes benannt, dann heißt er eben nach dem nächsten Dorf, in dessen Richtung er geht..