• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Queere Figuren vor dem Leser outen

Begonnen von Maja, 03. Mai 2016, 20:14:53

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Pinnie

Ich bin nicht der Meinung, dass die Sexualität eine Art Alleinstellungsmerkmal eines Charakters ist. Wenn das der Fall wäre, müsste ja auch jede Heterosexualität gesondert hervorgehoben werden. Klar, verschweigen, um dann später einen Knalleffekt damit zu erzeugen finde ich auch nicht passend, dazu finde ich (für mich persönlich, ich weiß, ein nicht geringer Teil der Gesellschaft sieht das anders) Homo-, Bi-, Trans- usw. -Sexualität einfach zu normal. Ich würd's tatsächlich so halten wie in dem Beispiel mit dem Cop. Ein wenig mehr als nebensächlich, aber kein Knalleffekt. Du hattest das Zitat gebracht: "Aber er liebte ihn trotzdem". Ich kenne jetzt natürlich den konkreten Kontext nicht, aber ich finde die Herangehensweise so eigentlich ziemlich gut und empfinde es nicht als Knalleffekt.
Nichtheterosexualität (ich hab bis heute nicht 100%ig verstanden, was alles unter Queer fällt, glaube aber, dass das mehr als LGBT ist) sollte etwas normales sein. Also würde ich sie auch so behandeln.

Ich kann Deine Bedenken mit dem Identifizieren nachvollziehen. Im Umkehrschluss hieße das aber, sobald Du einen Charakter ausschließlich an eine Sexualität, in diesem Fall lesbisch, anpasst, verliert der Charakter ggf. das Identifikationsmerkmal für Heten, Pans, Trans*, oder Asexuelle. Es mag eine Binsenweisheit sein, aber man kann es nicht allen recht machen. In dem Kontext würde ich ganz klar schauen, welche Zielgruppe Du primär ansprichst und das als Basis benutzen, wie Du die Sexualität konzipierst.
Sofern Deine Chars Dich lassen. Die beiden Mädels in meiner Geschichte sind auch eher durch Zufall zusammengekommen, ohne IRGENDwelche Erfahrungen in Sachen Liebe gemacht zu haben. Hatte ich selbst nicht so recht erwartet. Aber bitte...wenn sie denn wollen. ;)

Aircaina

Es wurde hier ja schon vieles gesagt, dem ich zustimmen würde. Ich persönlich finde es auch besser, wenn damit ganz locker umgegangen wird.
Es kommt aber halt auf die Figur an und auch daran, wie die Menschen um sie herum damit umgehen. So einen Wow-Effekt würde ich wirklich nur in den seltensten Fällen einbauen, wenn es eben zu der Welt passt. Wenn die Handlung z.B. an einem Ort spielt, an dem Homosexualität ein schweres Verbrechen ist. Dann würde ich es ab und an andeuten, weil ich davon ausgehen würde, dass der Charakter, über den ich schreibe, das nicht heraus posaunen würde. Es sei denn natürlich, es ist aus der Ich-Perspektive verfasst.
In der Welt meines momentanen Werkes ist das alles z.B. gar kein Problem. Da wird niemand für seine Sexualität schief angeguckt, das ist da schlichtweg zu normal. Einer meiner Protas liegt mit seinem Partner im Bett, als er das erste Mal auftaucht. Das ist da selbstverständlich und wird von mir demnach auch so dargestellt. 

Außerdem gebe ich Lina Franken, aber auch Pinnie recht. Es ist sicherlich kein Alleinstellungsmerkmal und muss auch nicht immer stark den Charakter der Figur prägen. Kann ja auch sein, dass sie damit super locker umgeht. Zumindest ich würde es aber schon nebenbei erwähnen, genauso, wie ich auch erwähnen würde, wenn jemand z.B. asexuell ist oder wenn ein heterosexueller Mann in einer Bar eine für ihn sehr attraktive Frau sieht. Das macht für mich einen Teil des Charakters aus und den dürfen die Leser auch wissen, selbst, wenn es kaum Relevanz in der eigentlichen Handlung hat.

Sehr stark und auch ausführlich würde ich auf das Thema eingehen, wenn sich die Geschichte gezielt an homosexuelle Jugendliche richten sollen, oder an solche, die sich nicht sicher sind, ob ihre Neigung in die Richtung geht. Aber das ist ja logisch.

Siara

Zitat von: Maja am 03. Mai 2016, 20:14:53
Nur nehme ich mir damit die Möglichkeit, meine Leser zu überraschen, denn wenn ausgerechnet der steinharte Krieger schwul ist, rechnet damit wirklich kaum jemand.
Die Frage ist doch aber: Willst du sie damit überraschen? Für mich klingt es danach, als würde es dich ja selbst eher stören, wenn aus dem Outing ein Effekt gemacht wird. Die Kehrseite der Medaille wäre dann, dass durch die überraschende Erkenntnis, dass der harte Krieger nicht heterosexuell ist, mit Vorurteilen abgebaut wird - Schwule sind nicht weinerlich und können durchaus Blut sehen, und nicht alle kampferprobte Männer stehen auf Frauen. Meiner Meinung bringt das allerdings schnell einen belehrenden Effekt mit sich. Und zudem wird - wenn auch auf Metaebene - aus der sexuellen Orientierung dann wieder etwas Großes und "Spezielles" gemacht, auf das die Leser mit der Nase gestoßen werden. Obwohl die gegenteilige Intention dahintersteckt, wird das Schwulsein damit wieder als Eigenschaft eines Sonderlings hervorgehoben, finde ich. Auch meiner Meinung nach sollte das Outing also so dezent und nebensächlich wie möglich vonstatten gehen. Es sei denn, die Welt oder die Beziehung zwischen Perspektivträger und der betreffenden Person braucht diesen Überraschungseffekt. Aber das ist dann natürlich eine Frage des Einzelfalles.

Zitat von: K a t e am 03. Mai 2016, 21:02:29
Dazu ergänzen würde ich noch, dass es immer auf den Leser ankommt. Viele machen aus einem queeren Charakter eine "Oh mein Gott was?!" Situation und andere denken sich nur "Jaaah, schön, warum nicht."
Das ist meiner Meinung nach auch eine Sache, die bedacht werden muss. Eine leichte Hervorhebung, Maja, wie du sie am Ende des Kapitels durch den einen Satz setzt, ist befindet sich da für mich in einer Grauzone. Wer queere Menschen als nichts Besonderes empfindet, wird es einfach als eine schöne Liebesbekundung aufnehmen. Wer das Thema ohnehin kritisch beäugt oder auch nur sehr neugierig ist, wird den Satz als extremer ansehen und ihm mehr Beachtung schenken.
I'm going to stand outside. So if anyone asks, I'm outstanding.

Fianna

Manche sehen das Personalpronomen vielleicht als Tippfehler oder lesen einfach drüber. Die meisten Leser sind nicht so aufmerksam. Außer sie sind selbst Autoren, Blogger/Rezensenten, aber die Mehrheit eben nicht.

Siara

Ah, stimmt, weil Guddy es gerade erwähnt. In "Wege des Sommers" ist der beste Freund meines Love Interest schwul, was mir auch erst während des Scheibens bewusst geworden ist. Als er abends die WG (in der er und der Love Interest wohnen) verlässt, will meine Protagonstin sichergehen, dass er nicht ihretwegen verschwindet und fragt nach. Der Love Interest antwortet, dass besagter Mann heute ohnehin bei seinem Freund übernachten wolle. Selbst die Lektorin hat dies komplett überlesen und nicht verstanden, als es in einem späteren Zusammenhang noch einmal erwähnt wurde. Nebensächlich ist also eine Sache, aber unauffällig eine ganz andere.
I'm going to stand outside. So if anyone asks, I'm outstanding.

Issun

#20
Als Leser bin ich an der Sexualität der Charaktere  durchaus interessiert, auch wenn es sich um Nebenfiguren handelt, und manchmal ein wenig enttäuscht, wenn ich darüber lange oder gänzlich im Ungewissen bleibe. Da ich gerne (gerne ist untertrieben!) über homosexuelle Beziehungen lese, hoffe ich immer auf Zeichen, dass Figuren in solchen leben oder sie im Verlauf der Geschichte eingehen könnten. Das steigert meine Freude am Lesestoff.

Zeigen kann man die sexuelle Ausrichtung auf unterschiedlichste Art, und ich stimme meinen Vorrednern zu, dass das Wie ganz stark vom betreffenden Charakter abhängt. Steht er selbstbewusst zu sich oder hadert er mit seiner Sexualität? Welche Rolle spielt sein Umfeld? Ist er sich seiner sexuellen Ausrichtung schon sicher - oder lernt er sich erst kennen? Im Fall eines Perspektiventrägers kann man den Leser recht schön durch die Perspektive mit dem Charakter vertraut machen, wie oben bereits gesagt wurde: Worauf richtet der Charakter seine Aufmerksamkeit? Wie reagiert er auf andere Figuren (die er attraktiv findet)? Als besonders eindrucksvolles Beispiel einer sich entwickelnden Liebesbeziehung habe ich kürzlich Maria McCanns "Rotes Glas" entdeckt. Die Hauptfigur ist bisexuell, wird sich dessen aber erst nach und nach bewusst. Der Leser merkt es früh, passend zum Charakter an besitzergreifendem Verhalten, häufiger Bezugnahme auf das Love Interest und eingehende Beschreibungen seines Aussehens, seiner Handlungen usw.

Maja

Zitat von: Siara am 03. Mai 2016, 22:06:29
Zitat von: Maja am 03. Mai 2016, 20:14:53
Nur nehme ich mir damit die Möglichkeit, meine Leser zu überraschen, denn wenn ausgerechnet der steinharte Krieger schwul ist, rechnet damit wirklich kaum jemand.
Die Frage ist doch aber: Willst du sie damit überraschen?
Die Frage kann ich ganz einfach beantworten: Ich will meine Leser immer überraschen. Das ist meine Masche - andauernd den Leser in seiner Erwartung an der Nase herumführen und dann sagen "Aber in Wirklichkeit ist alles ganz anders". Meine gesamte Marke, um dieses Wort mal in den Mund zu nehmen, basiert auf dem Prinzip. Deswegen tue ich mich schwer, an einer Stelle, wo der Leser ganz sicher anderes erwartet, das nicht auszunutzen, sondern die Gelegenheit verstreichen zu lassen. Es treffen also zwei Ansprüche, die ich an mich selbst habe, aufeinander.

Wenn ich einmal etablierter bin, kann ich mit "Ach übrigens, der Chara ist schwul" keine Maus mehr hinterm Ofen hervorlocken. Ich habe mehr queere Hauptfiguren als straighte, und früher oder später wird sich das rumsprechen. In der "Traumstadt" ist Sandro von Anfang an offen schwul, ohne dass er oder der Leser auch nur einmal daran zweifeln müssen. In anderen Geschichten habe ich Figuren, deren Sexualität dem Leser ersichtlich ist, aber den Perspektivträgern nicht - weil Roshan in der "Gauklerinsel" überhaupt nicht auf die Idee kommt, dass irgendjemand schwul sein könnte, versteht er bis zum Ende nicht, dass Trosca buchstäblich stockschwul ist, und Percy ist vermutlich vor dem Leser lange out, bevor er selbst merkt, dass er auf Männer steht (da kommt die Überraschung eher in dem Moment, wo er sich zum ersten Mal in eine Frau verliebt und sich herausstellt, dass er nicht schwul ist, sondern bi).

Für meinen schwulen Krieger hingegen habe ich jetzt eine Möglichkeit gefunden, das Thema schon ein Kapitel früher anzusprechen und nicht in Form eines effekthascherischen Knalls, sondern eher zart und romantisch. Ich hoffe, das wird funktionieren - aber da ich das entsprechende Kapitel von Grund auf neu schreiben werde, kann ich die Gelegenheit beim Schopfe packen und zusehen, dass ich das zu meiner Zufriedenheit löse.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Nachtblick

Es sind hier die essentiellen Dinge (und vor allem Ratschläge) schon gesagt worden. Ich fände es bei einer Figur, die weiß, dass sie schwul ist (und damit offenbar auch kein Problem hat), am angebrachtesten, das so früh, wie es sich gut erzählen lässt, zu erfahren. :)
Ich finde ein Outing immer wichtig und Dumbledore leider ein denkbar mieses Beispiel. Es wäre einfach um so viel stärker und wichtiger gewesen, das in den Büchern stehen zu haben, als es im Nachhinein als "Bonus" zu kriegen. Mit der Strategie läuft man als Autorin nicht Gefahr, die homophobe Fraktion irgendwie zu reizen (die Bücher sind schließlich schon alle erschienen) und sammelt gleichzeitig auch noch Prämienpunkte von der Fraktion, die sich danach sehnt, sich selbst in Büchern und Filmen zu sehen. Das ist einfach langweilig, wenn nicht feige. Und zum Thema "Aber dann müsste man ja auch Heterosexualität erwähnen": Die wird ja vorausgesetzt. Und Harry Potter hat nun an allen Ecken und Enden (Hetero-)Romanzen. Allein, wer alles mit wem zum Winterball im vierten Buch geht! Und sogar Remus Lupin, dessen Werwolf-sein eine deutliche Metapher auf Aids ist, ist natürlich hetero. Klar.
Dumbledore sagen zu hören, dass er Grindelwald geliebt habe ... ich kann schlecht ausdrücken, wie viel mir und vielen anderen das bedeutet hätte.

Aber zurück zum Thema: Outing ja, aber wie? Ich bin da tatsächlich leicht zu begeistern. Wenn ich erst auf der letzten Seite feststelle, @Maja, dass die Hauptfigur lesbisch ist, wäre mein erster Gedanke definitiv nicht "Das hätte ja früher kommen sollen! So konnte ich das Buch gar nicht in der Hinsicht genießen!". Aber ich bin auch eine Mehrfachleserin. ;)
Hier im Thread haben ja viele unterschiedliche literarische Outings. Das muss man auch noch mal unterscheiden. Weiß die Figur, dass sie homosexuell (oder transgender etc) ist? Steht sie dazu? Oder findet sie das erst alles raus?
Sehr gefallen hat mir in der Hinsicht Tschick, wo das Outing der Hauptfigur auf den letzten dreißig Seiten passiert. Es ist eine meiner absoluten Lieblingsszenen im Buch. Der Roadtrip der beiden Jungs (die gerade ihre Begleiterin abgesetzt haben), war so weit eine großartige Katastrophe, aber langsam holt sie die Realität ein. Sie müssen auf die Autobahn, um weiterzufahren. Sie stehen auf einem Feld und warten auf eine Lücke im Verkehr. Tschick, der zu Beginn des Buchs noch einige homophobe Kleinigkeiten vom Stapel gelassen hat, sagt dem Erzähler, er müsse ihm etwas erzählen, und gesteht ihm: Er habe es nicht so mit Mädchen. Er wäre einfach nicht so und er würde jetzt nicht von Maik verlangen ... aber das wäre eben so und er hätte es noch nie jemandem gesagt. Er sitzt da, sichtlich überwältigt, dass er es gesagt hat, und Maik ist nicht besonders überrascht. Er überlegt sogar, "selbst schwul zu werden, weil das wäre jetzt die Lösung all unserer Probleme gewesen", stellt aber natürlich fest, dass er nur auf Mädchen steht. Er legt Tschick die Hand in den Nacken und sie hören eine Weile Radio.
Und es war so schön, so gut, so echt! Und es hat überhaupt nichts gemacht, dass man es erst am Ende erfahren hat, denn auch Tschick hat es erst am Ende der Reise sagen können.
In Left Behind, dem DLC von The Last of us, finden wir auch erst in der letzten Minute heraus, dass Ellie in ihre Freundin Riley verliebt ist, und was es hier schade macht, dass es nicht "früher" kam, war, dass wir im Spiel nur ganz subtile Hinweise auf diese Geschichte kriegen und nicht wissen, dass Ellie lesbisch ist (es gibt im Spiel noch eine weitere Figur, bei der nur stark impliziert ist, dass sie schwul ist).

Ich habe in meinem ersten Roman mehrere homo- und bisexuelle Figuren und auch so ziemlich jede Form des Outings dabei. Der Vater meiner Hauptfigur, der mit einer Frau verheiratet ist, hat im dritten Kapitel ein Date, woraufhin sie ihn fragt: "Ist er auch aus der Stadt?" Da versteht man plötzlich, dass sowohl er als auch seine Frau homosexuell sind und eine Scheinehe haben und dass die Frau, die die Mutter in den vorherigen Kapiteln erwähnt hat, ihre Partnerin und nicht nur gute Freundin ist. Es folgt später eine kurze Erklärung, wie die beiden zu dieser Scheinehe gekommen sind. Ihre diversen Hintergrundgeschichten mit Expartnern und -partnerinnen sowie ihr Umgehen mit ihrer in den 80ern verbotenen Homosexualität werden im Buch immer wieder wichtig und erwähnt, aber mit beiläufiger Selbstverständlichkeit. Bei den beiden hätte ich nicht in letzter Minute "Überraschung!!!" schreien können.
Bei einer weiteren Figur stellt sich erst dadurch, dass sie jemanden küsst, heraus, dass sie bi ist. Es gibt schon früher Hinweise darauf, die aber leicht zu überlesen sind, und ich habe das "Outing" auch erst dann geschrieben, als es sich natürlich ergeben hat. Bei einer vierten Figur finden wir erst ganz am Ende heraus, dass sie schwul ist, was ich aber selbst umso spannender finde, da es a) den/die Leserin überrascht und b) man plötzlich feststellt, dass es die ganze Zeit unterschwellig da war (auch wenn ich jetzt nicht garantiere, dass es nicht zu erraten ist).
Als Leserin freut mich anders herum nichts mehr, als meinen "Verdacht" bestätigt zu sehen. Daher macht mich auch ein Last Minute Outing definitiv glücklicher als ein "Word of God"-Outing ...

(Als PS: Ich freue mich wahnsinnig, dass so viele inzwischen LGBT-Figuren schreiben! Das macht mich so glücklich, Leute! :vibes: )

Evanesca Feuerblut

Ich klinke mich hier ein, weil ich gerade ein ähnliches Problem mit einer bisexuellen Figur habe. Ich habe sie in der Form bereits mit 15 angelegt, als mir noch gar nicht bewusst war, dass ich sie da "versehentlich" bi geschrieben habe.
(Wobei, eher pan als bi, ich glaube, Livia springt einfach jedes Wesen an, das menschlich und attraktiv ist :D )
Und ich habe dabei einen seltsamen Bruch im Narrativ. Sie ist Römerin, war mal verheiratet und hat in der Ursprungsversion als Mensch ausschließlich was mit Jungs/Männern.
Dann wird sie zur Vampirin und "ist auf einmal" bi. Und das gefällt mir persönlich jetzt nicht, weil das ja so wirkt, als wäre ihre Orientierung erst durch ihre Verwandlung zu Stande gekommen und das ist definitiv nicht der Fall.
Ich überlege also gerade, dass ihr Vater sie nicht wegen eines "Gaius", sondern wegen einer "Iulia" oder einer "Flavia" zu Hause einsperrt...

Mondfräulein

@KaPunkt: Das war Arkadien erwacht! :psssst: In Arkadien brennt waren beide schon längst tot...

Ich persönlich erwähne immer sehr genau, dass eine Figur queer ist und auf welche Weise. Ich will Repräsentationsfiguren für Leser schaffen und das geht ja nicht, wenn die überhaupt nicht wissen können, dass mein Held queer ist. Wie ich das mache, kommt aber immer darauf an, auf welche Weise meine Figur überhaupt queer ist. Einfach ist es, wenn eine Figur mit einer Person des selben Geschlechts zusammen kommt, dann ist das für jeden ziemlich offensichtlich und nur, wenn die Figur nicht homosexuell ist, muss ich noch klar machen, dass sie nicht nur auf das eine Geschlecht steht. Zum Beispiel kann ich dann Ex-Partner erwähnen, oder ich benutze am besten einfach wirklich das Wort bi oder pan (sofern sich meine Figur damit identifiziert, in einem Buch ist es meiner Figur wirklich schlicht egal, was gut zu ihm passt, auch wenn er absolut respektiert, dass das Label seinem besten Freund, der biromantisch und asexuell ist, wirklch sehr wichtig ist).

Schwierig ist zum Beispiel Asexualität, denn das ist so wenig bekannt, dass man eigentlich schon genauer darauf eingehen und es erklären muss. In dem Fall benutze ich wirklich am liebsten ganz direkt das Wort, damit es auch jedem klar wird, denn wenn ich eine Figur einfach keinen Sex haben lasse oder kein Interesse daran zeigen lasse, dann würde ich das nicht einmal selbst eindeutig als asexuell lesen. Ich mache das bei einer Figur, in dem ich sie einfach sagen lasse, dass das bei ihr ein wenig anders ist (er ist demi, kann aber die Emotionen von anderen Menschen spüren, deshalb hat er einen guten Vergleich), eine andere Figur erklärt das seiner Schwester sehr genau. Gerade in dem Bereich ist Repräsentation sehr wichtig und leider umso schwieriger, weil es eben nicht so ist, dass man asexuellen Menschen das von außen ansieht oder anmerkt. Man muss da die Balance finden, denn ich will es auch nicht so plump machen wie "sexuelle und romantische Anziehungskraft müssen nicht übereinstimmen, du kannst zum Beispiel auch homosexuell und biromantisch sein, aromantisch und asexuell sind unterschiedliche Dinge" reinschreiben, das ist ja kein Lehrbuch. (Da fällt mir ein, dass ich echt mal eine Figur schreiben könnte, bei der romantische und sexuelle Orientierung nicht ganz überein stimmen... :hmmm:) Ehrlich gesagt denke ich bei meinen asexuellen Figuren sehr viel bewusster darüber nach, wann und wie ich sie oute.

Ich denke, ich schreibe meine Figuren einfach von Anfang an queer. Das ist mir beim Protagonist meines letzten Projektes am meisten aufgefallen. Er ist meiner Meinung nach nicht irgendwie so und so, weil er schwul ist, aber ich wusste es von Anfang an und habe es von Anfang an im Hinterkopf gehabt. Feedback von einer Betaleserin war dann, bevor er im Buch ganz offen gesagt hat, dass er schwul ist "Der ist so schwul, von Angang an, das merkt man total".  Mir sind einfach kleine Nuancen hinein geraten, zum Beispiel, dass seine Mutter denkt, er hat eine Freundin und er denkt sich nur, dass das ja nicht ganz so ist oder so etwas. Und irgendwann kommt dann bei mir meistens auch der Moment, in dem ich dem Leser "ganz natürlich" sage, dass die Figur queer ist, nämlich in dem Moment, in dem ich es wie jede andere Eigenschaft auch von mir aus spontan im Buch erwähnen würde.

Das klappt aber natürlich auch nicht immer. Wie gesagt, asexuelle Figuren brauchen etwas mehr als subtile Hinweise, finde ich, und manchmal plane ich auch, in welcher Situation das letztendlich raus kommt, habe dann schon eine Idee im Hinterkopf und baue sie ein, wenn ich finde, dass es gerade passt. Ich mache das selten ganz am Anfang, denn die sexuelle Identität meiner Figuren ist nicht der Wichtigsten Teil von ihrem Charakter und am Anfang versuche ich sehr bewusst, meine Figuren für den Leser gut zu umreißen - aber ich kann mir auch gut vorstellen, das zu tun, wenn es zur Figur passt. Ich mache das aber auch selten ganz am Ende, obwohl ich auch schon Bücher mit mehreren Bänden geplant und dann überlegt habe, ob das bei jeder Figur schon in Band I herauskommt oder ob dafür für eine andere Figur vielleicht erst später Zeit ist. Ganz am Ende würde ich aber nicht machen, denn das hätte für mich einen zu großen Knalleffekt und ich wüsste auch nicht, warum ich so lange warten sollte. Dinge, die am Ende stehen, haben für mich auch immer viel mehr Gewicht, als die in der Mitte (Primacy und Recency Effekt, ne?), und so viel Gewicht hat die Sexualität meiner Figuren meistens echt nicht. Ich benutze die Sexualität einer Figur ja auch nie als Effekt, dafür haben sie meistens sehr viel interessantere Geheimnisse.

Interessant fand ich, wie Maggie Stiefvater das in ihrem Raven Cycle gemacht hat. Ich fand es ziemlich wohltuend, wie das einmal überhaupt absolut gar keine Rolle gespielt hat. Ein Progatonist verliebt sich erst in ein Mädchen und dann in einen Jungen und es spielt in keinem Moment eine Rolle, dass sich da gerade zwei Jungs verlieben, es gibt nur um zwei Figuren und ihre Persönlichkeit, ihre Beziehung zueinander, gar nicht ums Geschlecht. Das muss man nicht immer so machen, aber auf der einen Seite wurde natürlich ziemlich deutlich, dass einer schwul ist und einer bi, weil sie ja am Ende zusammen gekommen sind, auf der anderen Seite war es eben einfach kein großes Drama. Ich würde das nicht immer genau so machen, aber ich fand ihre Herangehensweise durchaus interessant.

KaPunkt

Zitat von: Mondfräulein am 05. Mai 2016, 12:05:32
@KaPunkt: Das war Arkadien erwacht! :psssst: In Arkadien brennt waren beide schon längst tot...
Nachdem ich das Buch heute morgen nochmal aus dem Regal gezogen habe, ist mir das auch aufgefallen.
Und Dingens heißt natürlich Rosa.

Liebe Grüße,
KaPunkt
She is serene
with the grace and gentleness of
the warrior
the spear the harp the book the butterfly
are equal
in her hands.
(Diane di Prima)

Lukas

#26
@Nachtblick: Ha, Dumbledore war immer meine Lieblingsfigur. Und es wäre unsagbar wichtig gewesen ihn zu outen. Ich will mich nicht beklagen, weil die Potter Romane trotzdem herausragende Jugendliteratur sind, aber das hätte viele Jugendlichen bestimmt nocheinmal ein positives Bild von Homosexualität vermittelt. Grade weil Dumbledore nicht der 1,80 große Adonis in der Blüte seiner Jugend ist und einen 1,80 großen Adonis in der Blüte dessen Jugend datet. Wie Rainbow Rowell gesagt hat(über die Frage nach der Homo -Romanze ihrer Hauptfigur):
ZitatIt's not a secret. I've been loudly flailing that from day one. People kept saying, 'I can't wait for the subtext,' and I have such a negative reaction to that. No, this is not some cheesy, will-they-won't-they, subtext-y thing. That's not a game I'm interested in playing. I'm definitely not the first person to write a gay Y.A. story. By a million years. I do think in our culture there was a time when this had to be subtext, but I don't think that time is now. I decided to spoil their romance always, every time I talked about it. It's text. Don't watch it for the subtext, don't watch it for the moments [in BBC's Sherlock] when Sherlock and John make eye contact and the world sets on fire but none of it's real. As a culture, we are ready for text.

@Mondfräulein Ich habe die Stiefvater-Romane noch nicht gelesen. Danke für den Spoiler :wart: (Nicht so schlimm, ich wusste es eh schon, dachte aber man könnte so einen Kommentar mit einem Spoiler versehen?)  An sich finde ich es eigentlich schade, dass immer ein Teil einer homosexuellen Beziehung Bi sein muss. Siehe Malec oder eben die Raven Chronicles. Allerdings baut es natürlich auch Spannungen auf(wie übrigens auch im realen Leben). Mir fällt nur auf, dass solche Beziehungen in Jugendbüchern überhaupt fast immer und überall so aufgebaut sind, wobei es in der Realität der Ausnahme entspricht.(Was ja ok ist, mir fiel es nur spontan so auf...)

@Thema: Knalleffekte sind komisch, da ich Majas Geschichte nicht bis ins letzte Detail kenne, kann ich nur das schreiben, was ich für meine Charakter als richtig/angenehm entdeckt habe.
Ich habe es bei meinem Protagonisten so gehalten, dass er sich nie Gedanken darüber macht(ergo der Leser wenig dazu erfährt) und dann viel Show-don´t-tell verwendet. Also lasse ich ihn zum Beispiel immer Merkmale von männlichen Nebenfiguren wahrnehmen (elegant geformte Augenbraue, hohe Wangenknochen, Narben sind "verwegen") während ich die weiblichen Figuren mit wenigen Ausnahmen (in seiner PoV) mit nüchternen Beschreibungen oder Nichtwahrnehmen seinerseits bedenke. Meist beschreibe ich diese allerdings vorher schon aus einer anderen PoV. Ich bin noch nicht so weit, aber geplant ist ihn später offiziell zu outen, wenn ihm klar wird, dass er sich zu einem anderen Mann hingezogen fühlt.
Bei seinem primären Love-Interest habe ich das anders gehalten. Der weiß, was er will; dass er nicht will, dass jemand anderes das mitkriegt und dementsprechend weiß der Leser das auch(Puh, so viele DASs) :hmhm?:.

Kati

Zitat von: NachtblickUnd es war so schön, so gut, so echt! Und es hat überhaupt nichts gemacht, dass man es erst am Ende erfahren hat, denn auch Tschick hat es erst am Ende der Reise sagen können.

Ja, das sehe ich natürlich auch so. Ich war ja die, die meinte es stört sie, wenn es erst auf den letzten Seiten kommt, aber es gibt natürlich Situationen wie diese, wo es nicht anders sein darf. Ich meinte natürlich generell Romane, in denen die betreffende Figur lange weiß, dass sie nicht hetero ist, aber es grundlos erst so spät kommt. Es gibt einen Roman, dessen Titel und Autor ich jetzt mal für mich behalte, weil es ein übler Spoiler ist: Den ganzen Roman lang lässt uns der Autor in dem Glauben der Ich-Erzähler sei ein heterosexueller Junge, um dann ein paar Kapitel vor Ende rauszuhauen, dass es sich um ein lesbisches Mädchen handelt, das von Anfang an weiß, dass es lesbisch ist. Das finde ich ehrlich gesagt nur Effekthascherei und unnötig, da hätte ich lieber von Anfang an gewusst, dass ich aus der Sicht eines lesbischen Mädchens lese. Ist natürlich ein Extrembeispiel, aber solche Dinge meine ich. In "Tschick" und ähnlichen Romanen, in denen sich die Figuren selbst erst noch mit ihrer Sexualität auseinandersetzen müssen, ist das natürlich was ganz anderes und absolut berechtigt.

Zitat von: LukasAn sich finde ich es eigentlich schade, dass immer ein Teil einer homosexuellen Beziehung Bi sein muss. Siehe Malec oder eben die Raven Chronicles. Allerdings baut es natürlich auch Spannungen auf(wie übrigens auch im realen Leben). Mir fällt nur auf, dass solche Beziehungen in Jugendbüchern überhaupt fast immer und überall so aufgebaut sind, wobei es in der Realität der Ausnahme entspricht.(Was ja ok ist, mir fiel es nur spontan so auf...)

Ich finde das eigentlich ganz erfrischend. Es gibt dem Autor die Möglichkeit, zwei verschiedene Sexualitäten einzubinden und ich würde auch nicht sagen, dass es im wahren Leben selten ist oder Spannungen verursacht. Gerade bei Cassandra Clare und Maggie Stiefvater verursacht es ja eben keine Spannungen, was ich auch schön finde, sondern ist einfach ein Fakt über die Figur.  :) Das gefällt mir, weil es ja schon kein so nettes Klischee ist, dass Bisexualität zwingend Spannungen verursachen muss, deshalb mag ich es, wenn in der Jugendliteratur mehr bisexuelle Figuren friedliche Beziehungen ohne Konflikt wegen ihrer Sexualität führen. Das ist jetzt ein bisschen off topic, tut mir Leid.

Mondfräulein

@Lukas: Sorry! :psssst: Aber ich halte das auch für keinen großen Spoiler, weil es von Anfang an fast klar ist und weil es da noch ganz andere Sachen in den Büchern gibt, die so ein riesiger Spoiler wären, dass ich das letzte Buch am Erscheinungstag in einem Ruck durchgelesen habe. Lies die Bücher! Sie sind toll!

Ich sehe das wie Charlotte (an deinen neuen Nicknamen muss ich mich auch erst noch gewöhnen). Ich schreibe die bi - homosexuell Konstellation tatsächlich auch recht häufig, weil ich einfach mehr Figuren schreiben will, die bi oder pan sind und dann passiert das immer irgendwie. Dann gibt es aber immer so viele spannende Konflikte, dass ein "aber er ist doch bi" ziemlich langweilig wäre, außerdem finde ich es da schon echt unnötig, weil es, wie Kati schon sagt, ein Klischee ist. Mir ist aber noch nicht aufgefallen, dass das, außer bei mir, häufig vorkommt.

Cailyn

Maja
Ich finde es sehr wichtig, ob deine Geschichte in einer Zeit spielt, in welcher Homosexualität im allgemeinen akzeptiert wird, oder ob es als anrüchig oder gar pervers angeschaut wird. Wenn es eine frühere Zeit ist (z.B. angelehnt ans Mittelalter), dann finde ich, sollte man das Thema sicher früher aufgreifen, da dieser Mensch ja deswegen in permanenter Hab-Acht-Stellung sein muss. Das beeinflusst ja sein Leben stärker als in einer modernen Zeit, wo sexuelle Ausrichtungen von den meisten als natürlich angesehen werden. Gerade wenn deine Figur der Protagonist ist, würde ich mir als Leserin um die Info zu seiner sexuellen Ausrichtung betrogen führen. Handelt es sich allerdings um eine Nebenfigur, fände ich einen Überraschungseffekt am Ende gut.