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Die besten und schlechtesten Romananfänge

Begonnen von Mondfräulein, 03. Dezember 2022, 13:22:06

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Mondfräulein

In letzter Zeit gehe ich immer mal wieder die Bücher durch, die ich mir auf Goodreads mal markiert habe, weil ich sie irgendwie interessant fand oder weil sie mir jemand empfohlen hat. Dabei lese ich mir auch gerne mal ein paar Leseproben durch und ich merke stark, dass sich manche Romananfänge wie von selbst lesen, manchmal schleppe ich mich durch die Leseprobe und muss mich dazu antreiben, sie fertig zu lesen.

Deshalb habe ich darüber nachgedacht, was ich für mein eigenes Schreiben mitnehmen kann und würde gerne ein paar Romananfänge mit euch analysieren. Warum funktionieren sie so gut? Warum funktionieren sie nicht?

Die ersten Kapitel grundsätzlich noch nicht viel darüber aus, wie sehr mir das Buch am Ende gefallen wird. Ich habe einige Anläufe gebraucht, um Six of Crows zu lesen, weil sich der Anfang so gezogen hat, aber es ist eins meiner absoluten Lieblingsbücher. Manchmal sind auch die ersten Kapitel super und das Buch enttäuscht danach. Trotzdem denke ich auch in Bezug auf mein eigenes Schreiben darüber nach, was mich an manchen Romananfängen so schnell in den Bann zieht und was ich machen kann, um bei meinen Leser*innen dieselbe Wirkung zu erzielen.

Ehrlich glaube finde ich, dass es mir als Autorin mit am schwersten fällt, den Anfang meiner Geschichte einschätzen zu können. Als Autorin weiß ich so viel mehr als die Leser*innen, die zu diesem Zeitpunkt ja noch gar nichts wissen. Ich stelle Figuren vor, die ich selbst schon innig liebe, ich freue mich auf eine Geschichte, von der die Leser*innen noch nichts wissen. Deshalb auch der eigene Thread. Ich möchte einen großen Schritt von meinen eigenen Geschichte weggehen und aus der Perspektive einer Leserin heraus schauen, welche Romananfänge für mich funktionieren und welche nicht, um daraus wiederum Erkenntnisse für mein eigenes Schreiben abzuleiten.

Gerade deshalb interessiert es mich brennend, welche Romananfänge euch als Leser*innen überzeugen konnten und welche nicht. Welche Romananfänge haben euch so in den Bann gezogen, dass ihr das Buch nicht aus der Hand legen konntet? Was genau hat euch daran so in den Bann gezogen? Oder gibt es Romananfänge, die euch (fast) dazu bewogen haben, das Buch wieder wegzulegen und doch nicht weiterzulesen? Könnt ihr benennen, was euch gefehlt hat? Und weil ich oben eines meiner Lieblingsbücher erwähnt habe, bei dem mir der Einstieg ziemlich schwergefallen ist, würde mich auch interessieren, wie das bei euren Lieblingsbüchern so aussieht. Gefällt euch der Einstieg da besonders gut? Ist er eher okay und das Buch wird später richtig gut? Warum habt ihr dann trotzdem weitergelesen?

Es geht mir nicht nur um den ersten Satz, sondern mindestens um die ersten paar Seiten eines Romans, eher die ersten 1-2 Kapitel. Über erste Sätze gibt es auch viel zu sagen, aber mich interessiert es, wie Autor*innen in die Geschichte einführen, wie sie Setting, Figuren und die Geschichte vorstellen. Dafür braucht man eben meistens etwas mehr Raum als nur einen Satz.

Wir haben schon einen Thread über Romananfänge (https://forum.tintenzirkel.de/index.php?topic=3722.0), in diesem Thread möchte ich aber nicht generell darüber reden, wie ihr eure eigenen Romananfänge gestaltet und was ihr allgemein mögt und was nicht, sondern spezifisch über konkrete Beispiele reden und das auch erstmal aus der Leser*innen-Perspektive. Es geht mir nicht darum, wie wir das in unseren eigenen Geschichten machen, sondern was wir als Leser*innen mögen. Ich hoffe es ist okay, dass ich dafür einen eigenen Thread aufgemacht habe.

Ich stelle mir das auf jeden Fall spannend vor, ich hoffe, ihr auch! Ich würde mich freuen, von euch zu hören, welche Romananfänge ihr mochtet, welche nicht und warum. Und gerade weil die meisten Romananfänge als Leseprobe frei zugänglich sind, würde ich mich freuen, ein paar eurer liebsten Romananfänge selbst nachzulesen, außerdem müssen wir uns nicht um Spoiler sorgen. Ich werde auch nochmal ein paar meiner liebsten Bücher durchgehen, die ersten Kapitel nochmal lesen und schauen, wie sie mir gefallen und warum sie mir so gut gefallen.

Yamuri

Ich wähle ehrlich gesagt Bücher anders aus, oder sagen wir so -> die Bücher wählen mich aus. Meist lese ich den Schluss zuerst und nicht den Anfang. In den Schluss blättere ich aber nur rein, wenn das Cover oder der Titel mich irgendwie triggern, im positiven Sinne triggern, also etwas in mir auslösen, das mich neugierig macht.

Bisher gab es nur einen Romananfang, den ich nicht mochte -> den von Herr der Ringe. Er hat sich einfach zu lange dahin gezogen, war zu viel Beschreibung und in meinen Augen blabla. Ich habe daher die Bücher auch nie gelesen. Ich mag es, wenn sich mir gleich nach den ersten Zeilen Fragen auftun.

Was ich absolut gar nicht mag ist es, wenn ein Buch mit wörtlicher Rede beginnt. Dann habe ich nämlich das Gefühl den zweiten Band zu lesen oder als ob da etwas fehlen würde am Anfang. Also wörtliche Rede am Anfang ist für mich fast schon ein no-go. Spätere Kapitel dürfen gern mit wörtlicher Rede beginnen, nur eben der Anfang nicht.

Was mir gefällt ist, wenn ein bisschen Atmosphäre erzeugt wird durch Beschreibung des Ortes, des Wetters, der Gefühle des Protagonisten. Es sollte allerdings nicht zu viel Beschreibung sein. Ein-zwei Sätze genügen mir da vollkommen, einfach wie so ein Mini-Intro, das er zeigt, ok wir befinden uns an Ort XY, Prota XY macht dort etwas und die Witterungsbedingungen sind gerade hinderlich oder förderlich für ihn/sie. Also ich mag eine knappe Einleitung ins Geschehen, aber ein durchaus zügiges in die Handlung einsteigen. Es darf auch gern mystisch und geheimnisvoll sein, so dass Fragen bei mir entstehen.
"Every great dream begins with a dreamer. Always remember, you have within you the strength, the patience, and the passion to reach for the stars to change the world."
- Harriet Tubman

Antennenwels

#2
Eine wirklich interessante Frage. Mir ist auch schon aufgefallen, dass es Bücher gibt, bei denen mir der Einstieg schwerer fällt als bei anderen und dass das oft wenig darüber aussagt, wie mir das Buch dann insgesamt gefällt.
Ein Beispiel für eines meiner Lieblingsbücher, bei dem ich am Anfang Mühe hatte, war "The Mask of Mirrors" von M.A.Carrick. Die Geschichte beginnt mit einem Prolog, was mir selten gefällt, da dieser Teil oft "anders" ist, als der Rest der Geschichte (sowohl im Stil, als auch der POV-figur (wobei das hier nicht der Fall war, allerdings spielte der Prolog in der Vergangenheit)). Das erste Kapitel war dann besser, aber nicht aus der Sicht der Haupfigur. Was ich nun, nach mehrmaligen Lesen, sehr gelungen finde; aber als Einstieg war es nicht leicht. Erst lernt man die Figur als Kind kennen, und dann aus einer Drittperpektive.
Was mir wiederum sehr gut gefällt, ist wenn möglichst viele Fragen aufgeworfen werden. Ich liebe Bücher mit sehr wenig 'Exposition', bei denen man einfach ins Chaos geworfen wird. Der Anfang von Gideon the Ninth (von Tamsyn Muir) beispielsweise war daher perfekt für mich.
Oft liegt es aber auch schlicht an der Hauptfigur, wenn ich die auf den ersten Seiten toll finde, dann will ich unbedingt wissen wie es weitergeht. Bei A natural history of Dragons von Marie Brennan, war ich nach einer Seite schon ein Fan der Erzählerin (ist wie eine fiktive Autobiographie geschrieben) und wusste, dass die Geschichte ein neuer Liebling werden wird.
Wenn ich hingegen Mühe habe eine Verbindung zur Hauptfigur aufzubauen, dann kann es länger dauern, bis mir das Buch wirklich gefällt und ich reinfinde.
"You still prided yourself on three things: firstly, bloody-minded composure; secondly, an inhuman intellect for necromancy; thirdly, being very difficult to kill."

- Muir, Tamsyn. Harrow the Ninth

Masseliwriter

#3
Ich finde den Anfang einer Story wirklich am wichtigsten. Ich lese gerade "Der Name des Windes" von Patrick Rothfuss.
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.

Schlechte Romananfänge machen sich bemerkbar, wenn ich eigentlich schon in den ersten wenigen Zeilen verstehe, was der Autor versucht mir zu zeigen. Der Anfang in "Kriegsklingen" von Joe Abercrombie war unglaublich zäh.
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.


Ich denke, es kommt selbstverständlich auch auf die Erwartungen und persönlichen Präferenzen an. Die Kampfszene ist solide und interessant beschrieben. Einige Herzen schlagen dabei wahrscheinlich höher als meins. Pauschal zu sagen, "es sei ein schlechter Anfang" würde der Sache nicht gerecht werden, aber ich habe bei den ersten Seiten ziemlich schnell abgeschaltet.


Leann

ZitatIch denke, es kommt selbstverständlich auch auf die Erwartungen und persönlichen Präferenzen an.
Ja, das denke ich auch, vieles ist Geschmackssache. Mir gefällt z.B. wörtliche Rede als Einstieg.

Was mich abschreckt, sind handwerkliche Missgeschicke. Hab neulich ein Buch begonnen, da gab es auf der ersten Seite schon unsaubere Perspektive, die unnötige Verwendung von "welches" statt "das" und falsche Inquits. Aber ich nehme an, das ist so eine Autorinneneigenheit und diese Dinge fallen anderen Lesenden nicht auf.

Ganz übel finde ich, wenn die Geschichte mit einer an einen Steckbrief erinnernden Beschreibung der Figuren beginnt, angefangen beim Kindergartenbesuch über Schuhgröße bis zum Lieblingsessen und sämtlichen Hobbys. Da weiß ich aber, dass eine Menge Lesende das mögen, weil es ihnen zu anstrengend ist, eine Figur durch ihr Agieren in der Geschichte kennenzulernen und sich selbst ein Bild zu machen (bezeichnenderweise ist das in solchen Geschichten auch gar nicht möglich, da lediglich durch diese Beschreibungen vorgegeben wird, wie die Figuren angeblich sind).

Was mich auch stört sind extrem lange Prologe. Ich lese eine Fantasyreihe, in der jeder Band mit ca. 200 Seiten Prolog beginnt. Meistens wird da die Vergangenheit einer der Figuren beleuchtet. Mich stört das so sehr, dass ich mich bei jedem neuen Band überwinden muss, den anzufangen, kann mir aber vorstellen, dass viele das toll finden.

Christopher

Gutes Thema, das ich vor dem NaNo für mich selbst auch mal betrachten wollte. Aber dann kam der NaNo ;D

Und im Team erreicht man sicherlich mehr, was das analysieren angeht. Alleine hat man eben nur die eigene Perspektive, die kaum zu großen Entdeckungen neigt.

Ich fang mal an, mit den Romananfängen, die ich überhaupt nicht leiden kann:

1. Kampf- oder Actionszenen

Meiner Meinung nach gehören Kampfszenen zu den sehr schwierig zu schreibenden Szenen, die einfacher und besser werden, wenn man sie sauber vorbereitet (Ort des Kampfes ist bekannt, Figuren und Fähigkeiten sind bekannt etc.). Und Vorbereitung ist unmöglich am Anfang des Buches.
Mir fällt keine einzige Kampfszene an einem Romananfang ein (und ich kenne ein paar, auch aus meinen Lieblingsbüchern), die gelungen wäre. Sie sind alle aus oben genannten Gründen unübersichtlich, schwer verständlich, haben keinerlei Kontext, keinerlei Dinge die auf dem Spiel stehen (und mich interessieren würden, fehlende Verbindung zur Figur) und sind einfach ein grauenhafter Einstieg, der vom Filmbusiness abgeguckt zu sein scheint, ohne zu bedenken, dass Filme ein anderes Medium sind und nach anderen Regeln funktionieren.

2. Drölfzigtausend Jahre vor Beginn dieser Geschichte...

Ganz großes Gähnen. Sicherlich wichtig für die Geschichte, für den größeren Bogen. Aber erst mal ist das schlecht bis gar nicht verpackte Exposition, die vermutlich die ersten paar hundert Seiten nicht wahnsinnig wichtig ist. Ich verstehe die Gründe, die den einen oder anderen dazu treiben, so anzufangen, denke aber nicht, dass sie so einen Einstieg rechtfertigen.

3. Rückblick eines Charakters aus Perspektive am Ende/kurz vor dem Ende der Geschichte

"XY war der größte Krieger seiner Zeit. Er blickte zurück auf ein langes Leben, alle katzbuckelten vor ihm und hatten Angst, bla bla, aber damals war das natürlich noch nicht so..." Sprung zum Kapitel 1.

Da versucht jemand mir noch bevor ich die Geschichte gelesen habe, den Eindruck zu vermitteln, das wäre die tollste Geschichte der Welt die ich unbedingt gelesen haben muss. Und dass es am Ende ganz toll ist, wenn der Anfang nicht so gut ist, möge ich das bitte verzeihen. Ne, gib mir eine gute Geschichte und versuch nicht mich schon vor dem Lesen glauben zu machen, sie wäre toll.

4. Überlange Einstiege aus Perspektiven, die nicht der/die Prota sind, bzw. grundsätzlich lange brauchen, um zum Hauptcharakter zu kommen.

Der Prota ist der Charkater, der die Geschichte trägt. Ich will ihn oder sie zügig kennenlernen und schauen, ob ich diesen Charakter begleiten will. Ein kurzer Einstieg aus einer anderen Perspektive ist ok und kann als überraschender und interessanter Kunstgriff funktionieren. Aber bitte kurz.
Ich hab mal eine Geschichte gelesen, die fing damit an, dass aus einer anderen Perspektive als der des Protas geschrieben wurde. Ok. Die Person starb. Nächste Perspektive, wieder nicht der Prota. Person starb. Ähm... Nächste. Person stirbt.
Da hab ich die Leseprobe gelöscht.


Kommen wir zu Anfängen, die ich mag:

1. Einfach anfangen

Schlicht in die Geschichte an irgendeinem Punkt einsteigen, der interessant aber nicht zu kompliziert ist. Ein Gespräch zwischen dem Prota und seinem besten Freund das sich um irgendetwas interessantes dreht. Eine Szene, die den Prota vorstellt und den ersten Konflikt, das erste Problem, was er hat. Was dann zum nächsten oder gar direkt zum großen Bogen führt.

2. Kurzer Einstieg aus einer anderen Perspektive

Ein Kunstgriff, der helfen kann, die Perspektive des Hauptcharakters in der Geschichte zu finden. Ein wenig Einblick über die Welt die er kennt hinaus zu geben. Das Funktioniert, da der Prota in der Regel aus dem Klappentext hervorgeht. Da gibt es keine Verwirrung und wenn es kurz ist und einen interessanten Einstieg bietet - warum nicht?



Das sind nicht viele, liegt denke ich aber auch daran, dass Einstiege, abgesehen von den schlechten, mir nicht besonders in Erinnerung bleiben. Und selbst über die schlechten lese ich schnell hinweg, sofern sie nicht zu schlecht sind. Ich weiß, dass Einstiege schwer sind und oftmals von Agenten/Verlagen/wemauchimmer vorgegeben werden, nach irgendwelchen Kriterien, welche diese Leute für ne gute Idee halten (ich verdächtige solche Leute stark hinter den Kampfszenenanfängen). Daher laste ich das dem Autor nicht an und wenn Stil und Qualität des Textes abgesehen davon überzeugen, lese ich trotzdem weiter.


@Masseliwriter
Der Einstieg von "Kriegsklingen" ist auch einer, den ich überhaupt nicht leiden konnte. Auch wenn Abercrombies Bücher zu meinen Lieblingen gehören. Ich kann mich aber an kein weiteres seiner Bücher erinnern, wo er so oder so ähnlich eingestiegen wäre. Ich schiebe das auf die Marketingseite, die mit einem "filmreifen" Einstieg unbedingt einen guten Anfang wollte  ::)
Be brave, dont tryhard.

Alana

#6
Zitat von: Leann am 06. Dezember 2022, 11:06:14Ganz übel finde ich, wenn die Geschichte mit einer an einen Steckbrief erinnernden Beschreibung der Figuren beginnt, angefangen beim Kindergartenbesuch über Schuhgröße bis zum Lieblingsessen und sämtlichen Hobbys. Da weiß ich aber, dass eine Menge Lesende das mögen, weil es ihnen zu anstrengend ist, eine Figur durch ihr Agieren in der Geschichte kennenzulernen und sich selbst ein Bild zu machen (bezeichnenderweise ist das in solchen Geschichten auch gar nicht möglich, da lediglich durch diese Beschreibungen vorgegeben wird, wie die Figuren angeblich sind).

@Leann Ich finde das auch extrem schlimm. Ich habe das Gefühl, dass das eine deutsche Angewohnheit ist und es wirklich viele deutsche Leser zu mögen scheinen. Ich hasse das mit tiefster Inbrunst als Leserin. Viele Liebesromane haben das wirklich seitenweise und wenn es eine Story ist, wo die Hauptfigur auch noch auf die Insel zurückgeht, wo die Familie herkommt, kommt noch die gesamte Familiengeschichte dazu. (Ich nenne es daher "Oma-Opa-Story-Exposition".) Ich finde das als Leserin unterträglich. Es interessiert mich an dieser Stelle im Roman einfach null, während es später als Enthüllung oder Rückblende durchaus interessant sein könnte.

Was einem leider oft begegnet, besonders im New Adult, ist die Szene, in der sich die Protagonistin mit ihren Freundinnen im Café trifft und dann erstmal 50 Seiten lang jede Figur als inneren Monolog vorstellt und ihre Schwächen und Stärken reflektiert. Ich verstehe einfach nicht, dass irgendwer sowas gerne liest, aber diese Bücher sind durchaus erfolgreich. Ich glaube auch, dass viele Leser, die vielleicht nicht so extrem viel lesen, das als Einstieg einfach angenehmer finden und das ist ja auch valide und legitim, aber ich lege so ein Buch sofort weg.

Anfänge, die ich gar nicht mag:

Alles, was @Christopher geschrieben hat. ;D Grundsätzlich gilt bei mir aber auch, dass man bei mir so ziemlich mit allem landen kann, wenn es gut gemacht ist. Andreas Eschbach zum Beispiel, kann sich bei mir fast alles erlauben, weil er einfach immer so schreiben kann, dass es toll ist und man es gerne liest. Ebenso wie Andy Weir, der berühmterweise seinen Roman damit anfangen lässt, dass die Figur aufwacht, was viele als absolutes No-Go empfinden, aber es hat seinem Erfolg nicht geschadet. ;D

Anfänge, die mir sofort gefallen haben:

Als Leserin habe ich festgestellt, dass ich atmosphärische Beschreibungen als Einstieg ins Buch durchaus sehr gerne mag, sie bleiben mir zwar nicht als besonders im Gedächtnis, aber wenn es gut gemacht ist (und dabei muss es nicht besonders originell sein), bin ich sofort dabei, da die Stimmung in einem Buch für mich eines der wichtigsten Elemente ist.

Ich mag auch Anfänge, die mir sofort zeigen, dass die Hauptfigur spannend oder besonders ist oder einfach meine Wellenlänge trifft.

Buchbeispiele fallen mir leider auf Anhieb nicht so viele ein, die mir besonders wegen des tollen Anfangs in Erinnerung geblieben sind, aber hier ist eins:

The Cruel Prince von Holly Black - einfach ein totaler WTF Einstieg, zumal es sich um ein Jugendbuch handelt. Ich habe es von der ersten Seiten an geliebt und die Reihe gehört für mich zum Besten, was überhaupt geschrieben wurde. The Cruel Prince ist auch ein Beispiel dafür, was ein guter Prolog für mich als Leserin ist. Nämlich einer, der keine Fantasy-Variante der Oma-Opa-Story erzählt, sondern den Leser sofort reinholt, gutes Foreshadowing betreibt und eine gute Grundlage für den Roman schafft. Bei The Cruel Prince werden einige der wichtigsten Figuren und ihre Motive, die noch sehr wichtig werden, im Prolog bereits perfekt charakterisiert, die Stimmung für den Roman wird geschaffen. Und die Ereignisse des Prologs sind die Grundlage für alles, was später passiert.


Alhambrana

Mindi

Ich unterschreib da auch mal alles, was @Christopher genannt hat.

Ich mag es auch, wenn am Anfang direkt etwas passiert und die Hauptfigur in Bewegung ist. Sowohl direkt im Gespräch einsteigen mag ich, ich mag auch wenn die Figur aufwacht und ihren Tag beginnt, der im Idealfall von ihren gewöhnlichen Tagen abweicht. Oder wenn halt gerade irgendetwas passiert, dass ich als Leserin noch nicht verstehe.

Den Anfang von Der Kuss der Lüge" von Mary E. Pearson fand ich da sehr gut. Da erfährt man eigentlich erstmal nicht viel über die POV-Figur und kriegt nach und nach mit, in was für einer Situation sie da gerade steckt. Sie bekommt da eine Art Hochzeitsbemalung auf den Rücken und es wird mehr als deutlich, dass sie das alles nicht will. Ich müsste es nochmal lesen, aber ich erinnere mich daran, dass mich der Anfang total reingezogen hat und ich dann quasi nicht mehr aufhören konnte zu lesen. Ich kann mich jedoch nichtmal daran erinnern, wie die Figuren hießen. Ich fand die Bücher sehr gut zu lesen, aber im Gedächtnis geblieben sind sie irgendwie über die Jahre nicht.

Das Reich der sieben Höfe von Sarah J. Maas hatte für mich auch einen sehr stimmungsvollen Einstieg, der mir direkt die Prota und ihre Motive vorgestellt hat. Da wird über etliche Seiten nicht einmal geredet und man erlebt sie auf der Jagd und erfährt, dass sie besonders weit weg von zu Hause ist, weil ihre Familie verhungern würde, wenn sie nichts findet.


Was ich gar nicht mag, ist wenn der Anfang aus einer anderen Perspektive geschrieben ist. Ich mag z.B. wie @Mondfräulein den Anfang von den Krähen überhaupt nicht, weder in Band 1, noch in Band 2. Band 2 war dann schon etwas besser, weil ich ja wusste, dass das nicht die Hauptfigur ist. Ja, was da passiert ist schon wichtig, aber in beiden Fällen konnte ich mich null mit der POV_Figur identifizieren und das hat mich schon Überwindung gekostet, das zu lesen. Und selbst beim Anfang, als dann Inej und Kaz ihren Auftritt hatten, brauchte ich dann eine Weile um reinzukommen. Aber ich liebe diese Reihe total und habe die meisten Figuren total ins Herz geschlossen.

Auch Anfänge, die zu lange dauern, mag ich nicht. Wenn erst drölfzigtausend Dinge im näheren Umfeld oder in der Welt an sich erklärt werden. Ich bin beispielsweise nie weit in den Herr der Ringe Büchern gekommen (Ist aber auch schon über 15 Jahre her, dass ich das versucht habe zu lesen), weil der Anfang für mich sooo langweilig war. Das gleiche gilt für Dune. Ich komm da nicht rein, dazu kommt dort noch die aus heutiger Sicht etwas ungewöhnlichen Perspektivsprünge. Ich hab da seitdem ich den neuen Film im Kino gesehen habe bestimmt ... 50 Seiten? gelesen, aber alle waren eine Qual.
"When we are asleep in this world, we are awake in another." - Salvador Dalí

Alana

#8
@Mindi Das ist super interessant, denn ich fand den Anfang von Das Reich der sieben Höfe auch sehr schön stimmungsvoll, aber als sie nach Hause zu ihrer Familie kam, war es für mich vorbei. Ich kann mit der Protagonistin einfach gar nicht und finde leider auch, dass sich das Buch nach den ersten paar Seiten vollkommen im Nichts verliert und weder Handlung noch Figuren interessant sind. Ging dir das auch so? Oder mochtest du das Buch selbst dann auch? (Ich habe mich fast durch die Hälfte gequält, weil ich es echt mögen wollte, aber es wird einfach nichts mit uns beiden.)
Alhambrana

Mindi

#9
@Alana
Ich mochte beim Reich der Sieben Höfe Band 1 überhaupt nicht. Oder mindestens die erste Hälfte und auch noch sehr viel von der zweiten nicht. Das baut aber alles den großen "Twist" auf, den die Reihe hat. Ob man das mag, ist dann eine andere Sache.
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.


Ich fand fast jede Figur unsympathisch, da mochte ich die Prota eigentlich noch am meisten von den Figuren, die im ersten  Buch vorkommen. Auch wenn sie teils schon sehr naiv ist, obwohl sie doch eigentlich so selbstsicher und stark sein soll.
Ihre Familie war furchtbar, der vermeidliche LI war noch schlimmer, selbst ihr einziger "Freund" im Reich der Fae war öfter suspekt und "eh?" als dass ich ihn mochte. Da gab es glaube ich noch eine ... Angestellte? Die war ganz nett. Die ganze Reihe stellt sich mitten in Band 1 selbst auf den Kopf und bricht eigenlich erstmal mit dem, was man bis dahin gelesen hat.

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Ich hatte die Reihe fertig gelesen und ich habe dann auch einiges daran gemocht, ich hab sie dann auch recht zügig durchgelesen, als ich die furchtbare Zeit in Band 1 überstanden hatte, aber zu meinen Lieblingsbüchern zählen sie nicht. Ich glaube, da war auch vieles sehr aufgebläht und in die Länge gezogen. Und irgendwann wurde es dann ganz schön kitschig. Und in Band 3 oder so kam es vor lauter Sexszenen gefühlt in der Handlung nicht voran.
Was mich noch immer total irritiert, ist dass Buchhandlungen die Reihe in Jugendfantasy einordnen.
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Die zweite Reihe aus der Welt habe ich dagegen nicht mehr gelesen und ich weiß auch nicht, ob ich da Lust drauf habe.
"When we are asleep in this world, we are awake in another." - Salvador Dalí

Alana

#10
@Mindi Ah okay, danke, das deckt sich so ziemlich mit allen Erfahrungsberichten, die ich bisher bekommen habe. (Die Spoiler lese ich mal nicht, vielleicht höre ich die Reihe irgendwann doch noch aus lauter Verzweiflung oder Neugier.) Ich finde es faszinierend, dass so viele Leute das so sehen wie du und die Reihe trotzdem so erfolgreich ist. Und noch interessanter, dass der direkte Anfang uns eigentlich gut gefällt, aber leider kein Garant für ein schönes Leseerlebnis ist. Genauso ging es mir leider auch mit "A Curse so Dark and Lonely". Es fing echt ganz gut an und jetzt in der Mitte von Band 1, ist irgendwie nur noch Wüste. Keine richtige Handlung, keine interessanten Figuren, keine Spannung zwischen den Charakteren ... ich verstehe auch hier den Hype nicht, selbst wenn man davon ausgeht, dass die Zielgruppe jüngere Leser*innen sind, die noch nicht viel gelesen haben.
Alhambrana

Mindi

#11
Was ich auch oft gelesen habe: Leute, die Band 1 und den männlichen Charakter (Also das Biest) mochten, haben den Rest der Reihe gehasst.  :rofl:
Aus ... Gründen.
"When we are asleep in this world, we are awake in another." - Salvador Dalí

Rynn

#12
Ich verfolge das Thema sehr interessiert, weil ich das auch spannend finde.

Was Six of Crows angeht, bin ich bei euch: Ich finde den Anfang mit der Perspektive, die dann nie wieder vorkommt, wirklich schlecht und er gefällt mir überhaupt nicht. Das liegt, glaube ich, auch daran, dass die Figuren aus der Anfangssszene danach quasi nicht mehr vorkommen (sofern ich mich recht erinnere). Sie werden nur am Rande noch ein- oder zweimal erwähnt. Sie sind Wegwerf-Figuren. Die ganze Szene wird nur benötigt für den Weltenbau bzw. um Bedrohung durch
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aufzubauen, aber danach sind die Figuren in ihr überflüssig. Für mich ist ein sehr platter Versuch, Spannung aufzubauen. Schade, da das Buch danach handwerklich unfassbar gut wird und mir richtig gut gefällt.

Ich habe den Anfang gedanklich mit einem meiner eigenen Projekte verglichen, in dem ich ebenfalls eine Figur habe, die nur im Prolog Perspektive hat und danach nicht mehr. Obwohl ich das selbst ungern lese, gefällt es mir da und scheint zu passen.
Ich sehe da aber einen Unterschied zu SoC: Im Prolog meines Projekts besucht die Figur ein magisches Theater und wird durch den Besuch so krank, dass sie für den Rest des Buches kaum ansprechbar ist. Die Figur ist der Bruder meines Protagonisten, und die Tatsache, dass der Bruder nun krank ist, verändert für meinen Prota sehr viel; das ist der Beginn des Plots. Außerdem versucht mein Prota dann im Verlauf des Buches, den Bruder zu heilen; die Figur aus dem Prolog ist also weiterhin präsent und relevant. Vielleicht könnte ich diese Anfangsszene mit dem Theaterbesuch auch weglassen. Aber zumindest hat sie anders als bei SoC direkten Einfluss auf den Plot.

Insgesamt geht es mir also wie einigen im Thread: Buchanfänge mit Wegwerf-Figuren finde ich selten gut. Außer wenn ich es selbst mache. :rofl:

Was The Cruel Prince angeht: Das lese ich gerade erst. Während ich Prolog und dieses megalange Kapitel 1 ( ;D ) grandios gut finde, habe ich mich ab Kapitel 2 seeehr langsam durch die Handlung gekämpft. Nach Plot Punkt 1 gefällt mir das Buch langsam wieder. Ich weiß nicht genau, woran es liegt, dass es diesen Absacker gab, aber es ist mir zu langsam und viele der Fairy-Interaktionen wirken zu sehr wie us-amerikanische High School. Vielleicht liegt es daran.
»Dude, suckin' at something is the first step to being sorta good at something.« – Jake The Dog

Marta

Woran es liegt, dass ich einen Einstieg mag, kann ich gar nicht so genau sagen. Klar würde ich jetzt behaupten, dass ich es mag, wenn es direkt mit Action und Dialogen losgeht ... aber das stimmt halt auch nicht immer.

Bei Spellslinger mochte ich wirklich alles bis auf den Anfang. Der war mir zu viel. Der Held zieht gleich mit zwei Freunden los zu einem magischen Duell. Das heißt, er und die beiden werden vorgestellt, es gibt Action und Dialog und "nebenher" muss er noch die gesamte Welt plus Magiesystem aus sechs (?) Elementen erklären, bis er am Kampfplatz ankommt. Das hätte den Einstieg rasant machen können, mir kam er sehr zäh vor. Ist aber wieder so ein Fall, wo ich den Rest des Buches total geliebt habe. Interessanterweise dachte ich während des Lesens "Ist wohl ein TradPub-Problem". Also, dass der Einstieg so zäh ist, der Rest aber rasant. Aus SP-Büchern kenne ich es häufiger, dass der Einstieg extrem glatt ist, das Buch aber ab Mitte/Ende schwächelt. Ist nur mein Eindruck, andere Lesende mögen da andere Erfahrungen gemacht haben.

Da es gerade hier rumlag, habe ich mal in Das letzte Einhorn reingeschaut, an dessen Anfang ich mich nicht erinnern konnte (muss also gut sein). Es geht mit der Beschreibung des Einhorns los, aber in sehr originellen Worten ("and she was no longer the careless color of sea foam, but rather the color of snow falling on a moonlit night"). Funktioniert für mich sehr gut, ich könnte gleich weiterlesen. Ich dachte aber auch gleich, dass ich das selbst nicht könnte. Man muss schon extrem gut mit Worten umgehen können, damit sowas nicht prätentiös wirkt. Dann lieber doch "Das Einhorn war weiß, weiter im Text".

Was mir spontan noch einfällt ist der Anfang von 50 Shades of Grey. Den habe ich mal gelesen, weil in irgendeiner Autorengruppe wieder rumgenölt wurde, dass das Buch so schlecht sei. Es geht auch gleich mit einer Szene los, in der die Protagonistin vor dem Spiegel steht und sich beschreibt, was man laut Schreibratgebern nie nicht machen sollte, weil das ausgelutscht ist. ABER: Die Szene funktioniert. Sie funktioniert sogar richtig gut. Ich will damit nicht behaupten, dass das Buch keine Schwächen oder problematischen Elemente hätte. Aber ich sehe, warum es ein Bestseller geworden ist. Es gibt halt gleich Konflikt und die Handlung startet auf Seite eins und nicht erst auf Seite zehn oder hundert oder so.

Sunflower

#14
Ich finde den Thread superinteressant und schließe mich bei den allermeisten (allen?) Sachen an. Allen voran Six of Crows - ich liebe das Buch und lese es jedes Jahr mindestens einmal, aber den Prolog überspringe ich mittlerweile  ::) Und dafür finde ich den Prolog von Der Name des Windes einen der besten überhaupt. Jedenfalls einen der besten, die ich jemals gelesen habe.

Ich habe jetzt gerade mal geschaut, wie meine Lieblingsbücher der letzten Jahre so anfangen.

If We Were Villains (M.L. Rio) hat einen tollen Anfang, finde ich - kein Prolog, es geht direkt mit der Rahmenhandlung los. Von Anfang an werden bestimmte Elemente genutzt (Shakespeare-Zitate, Regieanweisungen, Dialoge, die sich wie Theaterskripte lesen), die sich durchs ganze Buch ziehen. Es gibt eine ganze Menge Foreshadowing, das muss man mögen, ich mag es hier total - vor allem, wenn man das Buch wieder liest, findet man noch mehr Andeutungen als beim ersten Mal. Es werden jede Menge Rätsel und Fragen aufgeworfen, gleichzeitig bin ich schon beim ersten Lesen schnell reingekommen.

Das erste Kapitel von Vicious (V.E. Schwab) finde ich auch großartig, es steigt auch direkt in die Handlung ein, kein Prolog oder große Vorrede. Es wird eine Menge über die Fähigkeiten der beiden Figuren angedeutet, und die ganze Situation ist makaber genug, dass ich danach sehr neugierig war. Allgemein habe ich den Roman als extrem gut geplottet in Erinnerung, aber das ist nochmal ein anderes Thema  :vibes:

Und dann habe ich gerade nochmal in Ninth House von Leigh Bardugo reingeschaut, da finde ich den Anfang auch toll. Alex' Erzählstimme ist von Anfang an toll, finde ich, und vor allem die ziemlich dubiosen Erwähnungen von Darlington, der irgendwie nur in der Vergangenheit existiert, haben mich gleich neugierig gemacht. Und das Blut  ;D

Also, wenn ich mir das so anschaue, mag ich, glaube ich: einen schnellen Einstieg, gern gleich mit dem Protagonist*innen, und genau die richtige Menge an Rätsel bzw. offenen Fragen. Nicht zu viel, dass man gar nicht mehr mitkommt, aber genug um weiterzulesen, weil man das jetzt alles gern wissen will.  :hmmm:

(Und ja, das war jetzt alles Dark Academia, das war aber echt keine Absicht, ich hab' noch einige Bücher mehr angeschaut  :rofl: Ich habe einfach eine Phase gerade  ;D )
"Stories are, in one way or another, mirrors. We use them to explain to ourselves how the world works or how it doesn't work. Like mirrors, stories prepare us for the day to come. They distract us from the things in darkness."
- Neil Gaiman, Smoke and Mirrors