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Schreibt ihr eigentlich über euch selbst?

Begonnen von Grey, 21. Juni 2007, 00:20:54

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Grey

Na ja ... Unsinn finde ich deine Argumentation grundsätzlich nicht, aber mir wäre das einfach zu persönlich. Deswegen würde ich sowas nicht in Betracht ziehen.

Ratzefatz

#106
@ Schreiberling:

Unsinnig finde ich das nicht. Mir fallen bloß zwei Schwierigkeiten ein:

1) Damit aus dir selbst ein glaubhafter Charakter wird, müsstest du dich sehr gut kennen. Und mal ehrlich, wer von uns weiß schon, wie er wirklich reagieren würde, wenn man ihn plötzlich mit der Rettung der Welt beauftragen oder ein Drache ihn auf das Mittagsmenü setzen würde?

2) Du müsstest dich auch völlig objektiv betrachten. Dich nicht klüger machen, als du bist, nicht dümmer, nicht hübscher, nicht hässlicher ... Und du dürftest auch nicht dazu neigen, zu denken, dass die anderen Charaktere deinen Avatar mögen müssen. Ich stelle mir das alles ziemlich schwierig vor.

Was natürlich niemanden abhalten soll! :-)

LG
Ratzefatz

,,Dein Name ist Venko", raunte Zoya in sein Ohr. ,,Venko, Venko, Venko." Sie gab ihm für jedes ,,Venko" einen Kuss und ermahnte ihren Mann: ,,Vergiss deinen Namen nicht!"
,,Wie könnte ich ihn vergessen, meine Zoya", raunte er zurück, ,,wenn ihn vergessen auch dich vergessen hieße?"

Rika

Höchst interessante Unterhaltung hier!

Ich habe glaube ich noch nicht genug geschrieben, um da so richtig viel drüber sagen zu koennen, aber ich denke schon, dass man es nicht vermeiden kann, von sich selbst was einfliessen zu lassen. Immerhin haben wir alle nur unsere eigenen Erfahrungen, die wir wirklich erlebt haben, und wo wir erlebt haben, wie es sich anfühlt.

So deutlich wie in den Werken, über die Grey gestolpert war, sollte das allerdings nicht sein, bzw es würde mir auch nicht gefallen, eine versteckte Predigt in eine Geschichte hineingezwungen zu finden.

Ich habe auch nicht vor, mich in meine Geschichte hinein zu stecken - ob das gelingt werde ich (oder meine Betaleser) ja vielleicht sehen, wenn ich sie fertig habe. Wenn ich allerdings drüber nachdenke, gibt es schon auch Parallelen, wenn auch (zum Glück!) keine identischen. Wenn ich darüber jetzt mehr nachdenke fällt mir allerdings auch auf, daß für den, der danach guckt, sich eigentlich fast überall irgendwie irgendwelche Ähnlicheiten finden lassen. Wie es so schön heißt "wir sind doch alle Menschen".
Meine Prota & ich teilen, wenn mensch es so abstrahiert, das Erlebnis eines frühen Verlustes als Trauma. Und wir haben beide sowohl "survivor" Aspekte, als auch sich-manchmal-gehen-lassen-und-überwältigt fühlen. So betrachtet, sind das definitive Ähnlichkeiten. Andererseits, Verlust erleben viele Menschen schon früh. Früher oder später jeder. Überleben, mit welchen seelischen "Wunden" oder "Narben" (oder vielleicht auch nur Formung) tun das auch die meisten. Und sich überfordert fühlen ist ja nun auch wirklich keine Seltenheit.
Ist das also mehr eine Ähnlichkeit mit mir? Oder eine in sich stimmige Idee, die u.a. deshalb stimmig ist, weil soetwas halt wirklich einigermaßen häufig vorkommt? Oder eine Frage davon, aus welcher Perspektive man es betrachtet, bzw. wie nahe man "ranzoomt"? Für mich ist die Antwort darauf nicht wichtig, sondern nur, daß die Geschichte & der Chara in sich stimmig und realistisch sind.

@Manja - deine Geschichte "Selbstmord" würde mich auch interessieren! Ich PMe dann mal...

ZitatEin Leser muss diesen Rahmen mit eigenem Leben füllen und steckt mindestens ebenso viel von sich selbst in das Buch wie der Autor.
@Lomax - Ja, auf jeden Fall.
ZitatWenn ich als Leser/in eine Geschichte lese, wie soll ich dann wissen, was der/die Verfasser/in sich gedacht hat oder was wohlmöglich unterbewusst in die Ansichten oder Handlungsweisen der Charaktere eingeflossen ist? Noch viel wichtiger: interessiert mich das überhaupt?
Um ganz ehrlich zu sein, nein, kein Stück.
@Lavendel - Geht mir ganz genauso.
ZitatZu langweilig ist dafür niemand, ich bin jetzt einfach mal so kühn zu behaupten, dass jeder Mensch unglaublich interessant ist und es auch wert wäre, ein Buchcharakter zu sein. ;) Denn was unterscheidet uns von einem selbst konstruierten Charakter, warum nicht gleich die eigene Persönlichkeit nehmen?
@Schreiberling - Auch ein interessanter und positiver Ansatz. Ich habe auch durchaus schon gute Vertreter von sowas gelesen, bewußt bermerkt vielleicht eher außerhalb des Fantasygenres. Auch Fantasy muß jedoch nicht immer von Weltrettung, Schlachten oder Drachenfutter handeln, auch hier kann es interessante "kleine" Geschichten geben, bzw interessante Geschichten in denen es um "kleine"/"normale" Leute geht.
Kitchen Heroes
, wie Talis Kimberley es in einem Lied nennt, können auch spannende Momente haben, die es sich zu erzählen/lesen lohnt. ;)

LG - Rika

Joscha

Hallo!

Ich persönlich schreibe nicht über mich selbst - oder zumindest nicht bewusst. Gründe habe ich dafür mehrere. Zum einen ist es schwer, dabei ehrlich zu sein - ich neige dazu, eine idealisierte und/oder eine übermäßig negative Darstellung meiner selbst zu wählen - und ich habe einfach eine Abneigung gegen Bücher, bei denen es sich so anfühlt, als wäre der Charakter das Wunsch-Selbstbild des Autors. Genau so, wie ich es nicht mag, wenn eine männliche/weibliche Person - je nach Geschlecht des Autors - als Idealbild des jeweiligen Geschlechts beschrieben wird.

Außerdem würde ich, glaube ich, eine relativ langweilige Romanfigur abgeben. Ich würde mich in bestimmten Situationen einfach verhalten wie die meisten und ich habe eine Vorliebe für eher düstere Charaktere - zu denen man mich beim besten Willen nicht zählen kann.

Des weiteren, wie einige vor mir schon geschrieben habe, wäre das etwas zu persönliches. Natürlich ist jeder Roman persönlich, zumindest ein wenig und gibt eine Menge über die Person des Autors preis, dennoch gibt es eine bestimmte Grenze. Ich will nicht, dass jeder weiß, wie ich denke und wie ich mich in bestimmten Situationen verhalte, was meine geheimen Ängste sind und dergleichen. Irgendwo sollte ja noch ein wenig Privatsphäre bleiben.

Grüße
Joscha

Kati

Ich mache das auch nicht bewusst, genau wie ich nicht bewusst über andere Leute schreibe. Und trotzdem kommt es manchmal vor, dass mir jemand ein Manuskript zurückgibt und ganz freudig feststellt: "Diese Rothaarige, die erinnert mich total an mich!"
Ich weiß nicht, ob ich das gut finden soll, wenn ich da an diese Sache mit dem Verklagen denke...

LG,

Kati

Schreiberling

Ich hoffe, es ist nicht schlimm, wenn ich das Thema schon wieder hochhole, aber es lässt mich einfach nicht los und ich zerbreche mir immer wieder den Kopf darüber.  ::)

Dass man wirklich sich in seinem Ganzen als Hauptperson nimmt, halte ich inzwischen auch für problematisch, wegen oben genannten Gründen (Privatsspähre, sich nicht gut genug kennen, etc.).
Für mich wäre es interessant gewesen, dass mal zu machen ohne eine Gedanken an Veröffentlichung zu verwenden, sozusagen nur für mich.
Aber bei Romanen, die ich anderen auch zum Lesen geben will, möchte ich nicht, dass erkennbar von mir so viel in den Charas steckt. Besonders nicht, da es einige Personen gibt, die mich fast besser kennen, als ich mich. Aber momentan bin ich mir einfach nicht sicher, ob ich mich wirklich aus meinen Geschichten rauslasse(n kann). Obwohl ich versuche meine Charas nicht so zu gestalten wie ich bin, habe ich das Gefühl, dass trotzdem viel zu viel von mir in ihnen steckt.
Auch die Konflikte, die ich bearbeite, interpretiere ich momentan auf einen Teil meiner Situation, aber ich bin mir nicht sicher, ob das stimmt.
Ich habe eifnach das Gefühl, viel zu viel in meine Charaktere und mich hinein zu interpretieren.
Beim Schreiben habe/fühle ich auch nicht die Unterscheidung Autor/Charakter, sondern der Charakter bin dann ich, bzw. der Charakter ist so tief in mir, dass er schon fast ich ist.

Oh Mann, ich hoffe, dass waren jetzt nicht zu viele Chaosgedanken. *rauchenden Kopf habe*
Liebe Grüße,
Schreiberling

Nycra

Zitat von: Schreiberling am 18. März 2010, 16:24:28
Beim Schreiben habe/fühle ich auch nicht die Unterscheidung Autor/Charakter, sondern der Charakter bin dann ich, bzw. der Charakter ist so tief in mir, dass er schon fast ich ist.

Hiho,

das klingt irgendwie ein bisschen nach gespaltener Persönlichkeit ;) - nee quatsch... nur ein Spaß.

Ich kann da nur von mir sagen, dass ich meinen Chars immer ein bisschen von mir mitgebe. Bei Lili ist es eindeutig ein bisschen mehr. Ich verarbeite gerne eigene Konflikte in meinen Büchern, so ist es halt auch nicht verwunderlich, dass es zum Beispiel eine genervte Sekretärin gibt, die kaltlächelnd dabei zuschaut, wie ihr Chef umgebracht wird. Wer Chef und wer Sekkie ist, dürfte dabei klar sein.

Trotzdem achte ich dabei darauf, dass man nicht direkt Rückschlüsse auf mich ziehen kann, es sei denn, man kennt mich sehr gut. Ich finde halt, dass es wichitg ist, über Dinge zu schreiben, die man kennt und seine eigene Gefühlswelt bspw.  gehört dazu.

Gruß

Nycra

Ps: Grrr.. hab heute zum 3. Mal Nyra geschrieben, wenn das so weitergeht, lass ich mich umbenennen..  :pfanne:

Grey

Na ja, so einzelne Elemente aus dem Privatleben einzuflechten, ist natürlich auch was anderes, als einem Charakter die eigene Persönlichkeit zu verpassen. Mein Lieblingsvampir Ceddi beispielsweise ist mir von der Persönlichkeit her absolut nicht-ähnlich. Trotzdem hasst er es, Formulare für Drittmittelanträge für seine Forschungsstation auszufüllen - und als er das kundgetan hat, hat wirklich jeder meiner Betaleser sofort mein Gejammere darin wiedererkannt. ;D Ist doch auch nur legitim, das so ein bisschen zu verarbeiten. ;)

Schreiberling

Mhm, ein bisschen finde ich okay und stört mich nicht. Aber obwohl meine Charaktere so verschieden sind, habe ich das Gefühl, dass man mich sehr deutlich in jedem wieder erkennt. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll.
Habt ihr manchmal auch das Gefühl, in solche Dinge zu viel rein zu interpretieren?

Kuddel

Zitat von: Schreiberling am 18. März 2010, 18:40:54
Mhm, ein bisschen finde ich okay und stört mich nicht. Aber obwohl meine Charaktere so verschieden sind, habe ich das Gefühl, dass man mich sehr deutlich in jedem wieder erkennt. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll.
Habt ihr manchmal auch das Gefühl, in solche Dinge zu viel rein zu interpretieren?
100% Wenn ich meine Charaktere lese, dann denke ich immer: Verdammt, das bist du. Aber wirklich was dagegen tun, kann man glaube ich auch nicht. Immerhin steckt in jedem Charakter etwas  :engel: und was  :darth: von uns mit drin.
The first draft of everything is shit - Ernest Hemingway

Schreiberling

Zitat von: Kuddel am 18. März 2010, 20:04:16
100% Wenn ich meine Charaktere lese, dann denke ich immer: Verdammt, das bist du. Aber wirklich was dagegen tun, kann man glaube ich auch nicht. Immerhin steckt in jedem Charakter etwas  :engel: und was  :darth: von uns mit drin.

Langsam kriege ich das Gefühl, mich gedanklich im Kreis zu drehen. :P
Ich glaube, ich frage mal denjenigen, der meine Charas dann ein wenig kennt, was er dazu meint. *Kopf kratz*
Warum muss das alles so kompliziert sein? ;)

Wuo Long

In einem Vorwort zu dem Buch Fahrenheit 451 hat der Autor Ray Bradbury davon gesprochen, dass die Charaktere in seinem Buch aus seinem Unterbewusstsein sprachen.

In dem Sinne scheinen also auch in die Charaktere eines bedeutenden Autors Teile seiner Persönlichkeit einzufließen und wer kann es ihm oder dir oder irgendeinem anderen Autor verübeln? Schließlich sind wir diejenigen, die eine Geschichte erzählen, und eine Geschichte erzählt sich nun mal über die Charaktere.

Ein Punkt, der bei einem zu autor-ähnlichen Charakter zu Problemen führt ist, wenn er als Mary Sue deklariert werden kann. Wenn es sich um eine idealisierte Version der Autor-Persönlichkeit handelt, eine Figur, der alles gelingt, die jeden Konflikt löst blabla. Falls du das vermeidest, sehe ich keine Probleme, selbst wenn deine Charaktere autobiographische Züge hat. Deine späteren Leser kennen dich in der Regel ja nicht so gut, wie vielleicht deine Beta-Leser.

Ich hatte auch einmal mit einem zu Charakter zu kämpfen, der drohte, mir zu ähnlich zu werden. Sein Vorstellungsgespräch kannst du übrigens hier im Forum nachlesen (Levin). Was ich dann getan habe, waren zwei Dinge:

1. Ich habe ihm zwei distinkte Eigenschaften gegeben, die im krassen Gegensatz zu mir stehen. Erstens ist er ein Frauenheld und zweitens mag er kein scharfes Essen. Das ist bei mir exakt das Gegenteil.
2. Ich habe angefangen, mit ihm zu reden und zu streiten. Aus Spaß, aber auch um ihn als eine eigenständige Identität von mir selber zu trennen. So lange du das nicht irgendwo machst, wo man dich beobachtet (Sieht für andere aus wie Selbstgespräch), hat es für mich ganz gut funktioniert. ich glaube in meinem Vorstellungsgespräch sieht man einige Anzeichen meiner Bemühungen.

Gruß Wuo Long


Joscha

Zitat von: Kuddel am 18. März 2010, 20:04:16
100% Wenn ich meine Charaktere lese, dann denke ich immer: Verdammt, das bist du. Aber wirklich was dagegen tun, kann man glaube ich auch nicht. Immerhin steckt in jedem Charakter etwas  :engel: und was  :darth: von uns mit drin.

Bei mir eindeutig mehr  :darth:. Aber ich kenne das Gefühl. Das ist einer der Gründe, warum ich lieber aus der Sicht von älteren Personen schreibe. Je jugendlicher meine Figuren, desto mehr habe ich das Gefühl, da steckt zu viel von mir selbst drin. Besonders bei einem meiner aktuellen Protagonisten (Rokos Kovic) habe ich das gespürt. Ich habe ihm das aber größtenteils ausgetrieben, indem ich ihn hier einem Vorstellungsgespräch ausgesetzt und darauf geachtet habe, dass es wirklich er ist, der da antwortet und nicht ich.
Wenn ich älter bin, schreibe ich vermutlich nur noch Jugendromane. ;D

Hanna

Ich denke gerade darüber nach, sehr eindeutig über mich selbst zu schreiben. Nämlich für einen Beitrag für den Härtling-Preis, wo ja offenbar ausschließlich Problembücher prämiert werden. Als Teenie war ich ein echter Problemfall. Aber ich ringe noch mit mir. Ich weiß nicht, ob es gut für mich wäre, in meiner Vergangenheit zu buddeln und außerdem mag ich Problembücher eigentlich nicht. Härtling schmäht zwar Fantasy als Flucht vor der Realität, aber die Realität ist oft grausam - vorallem für Kinder. Da sollte man ihnen doch die kleinen Fluchten lassen, oder?

Irgendwie habe ich bei diesen Problembüchern das Gefühl, sie werden eher für Erwachsene geschrieben als für Kinder ... aber das wäre ein Thema für einen eigenen Thread.
#happyverpeilt oder auch gründlich überfordert ...

Grey

Zitat von: Wuo Long am 18. März 2010, 20:58:33

2. Ich habe angefangen, mit ihm zu reden und zu streiten. Aus Spaß, aber auch um ihn als eine eigenständige Identität von mir selber zu trennen. So lange du das nicht irgendwo machst, wo man dich beobachtet (Sieht für andere aus wie Selbstgespräch), hat es für mich ganz gut funktioniert.

Das ist toll, das mache ich auch immer. Vor allem, wenn die mysteriösen Typen, die bei mir doch immer mal auftauchen, so mysteriös sind, dass sie sich weigern, mir ihre Pläne zu erzählen. :darth: