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Chancengleichheit auf dem Buchmarkt für Own Voices

Begonnen von Rosentinte, 24. Februar 2021, 10:25:25

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Rosentinte

In den letzten Jahren hat sich die Diversität in Fantasy-Romanen erfreulicherweise erhöht. Doch bei den veröffentlichten Autor*innen lässt sich leider kaum Diversität feststellen. Autor*innen, die marginalisierten Gruppen angehören, haben weiterhin schlechtere Chancen auf eine Veröffentlichung als beispielsweise weiße, cis oder heterosexuelle Autor*innen.

Dieser Thread soll nicht dazu dienen, zu diskutieren, wie Diversität in Romanen eingebaut werden soll. Stattdessen soll es um die Mechanismen gehen, mit denen der Buchmarkt Own Voices an der Veröffentlichung hindert und wie eine Veränderung aussehen kann. Dazu können beispielsweise die folgenden Fragen diskutiert werden:

Können wir als Autor*innen den Buchmarkt in der Hinsicht auf die Repräsentation von Own Voices verändern und wenn ja, wie? Wie können wir die Diversität in unseren Romanen erhöhen, ohne dabei gleichzeitig Own Voices den Platz wegzunehmen? Wie können wir feststellen, ob wir die richtige Person sind, um die Geschichte von Charakteren aus marginalisierten Gurppen zu erzählen?

El alma que anda en amor ni cansa ni se cansa.
Eine Seele, in der die Liebe wohnt, ermüdet nie und nimmer. (Übersetzung aus Taizé)

Mondfräulein

Danke, dass ihr einen neuen Thread zum Thema aufgemacht habt! Ich finde, das ist eine gute Lösung.

Ich bin zuerst auf das Thema aufmerksam geworden, als ich ein Video von Xiran Jay Zhao gesehen habe, in dem sie darüber spricht, dass sie fast keinen Vertrag für ihr Buch bekommen hätte, weil ihr gesagt wurde, dass es schon zu ähnliche Bücher auf dem Markt gibt. Repräsentation ist zwar wichtig, aber ist es möglich, dass ich Angehörigen der Gruppen, über die ich schreibe, damit auch Chancen wegnehme und es ihnen noch schwerer mache, ihre eigenen Geschichten zu erzählen? Helfe ich der repräsentierten Gruppe mit meinem Buch, weil sie sich selbst darin wiederfinden können, oder nehme ich ihnen die Chance, ihre Geschichten selbst zu erzählen?
Das Video ist sehr lang (aber sehenswert!), die Stelle, in der sie über dieses Thema spricht, beginnt ungefähr bei 52 Minuten: https://www.youtube.com/watch?v=x8MD8U1Ilwc

Ein anderer wichtiger Tweet zum Thema kommt von Moniza Hossain:
Zitat
ZitatI know white writers write poc main characters because they want poc readers to see themselves in books, but here's what happens when you do that: publishers end up acquiring books written by white people instead of books by pocs because they find the former easier to relate to.

https://twitter.com/moniza_hossain/status/1358522821815640064

Hier geht es jetzt erstmal um den amerikanischen Buchmarkt, aber letztens wurde ich an die Diskussion erinnert, als Not Your Type von Alicia Zett herausgekommen ist. Soweit ich weiß, ist es das zweite Romance-Buch auf dem Markt, in dem der Love Interest trans ist, aber das erste, in dem das für den Leser von Anfang an klar ersichtlich ist. Die Autorin ist cis und ich habe mich gefragt: Wenn eine trans Person nun ein ähnliches Buch anbietet, wird es vielleicht abgelehnt, weil es schon ein Buch auf dem Markt gibt, dessen Prämisse zu ähnlich ist? Kann es auf dem deutschen Buchmarkt also zu genau demselben Problem kommen? Vielleicht sogar viel eher, weil der Buchmarkt hier generell kleiner ist? Ich glaube nicht, dass dieser Verlag in nächster Zeit ein Buch mit derselben Prämisse kaufen wird.

Wenn ich als weiße Autorin eine moderne Neuerzählung von Mulan schreibe und dann ein chinesischer Autor mit einer ähnlichen Idee an den Verlag herantritt, dann könnte das Buch abgelehnt werden, einfach weil es meinem schon veröffentlichten Buch zu ähnlich ist. Die Geschichte stammt aus seinem Kulturkreis, aber er kann sie nicht mehr erzählen, weil ich das als weiße Autorin schon getan habe. Ich denke im Moment beim Schreiben wenig darüber nach, ob es Bücher auf dem Markt gibt, die meinem zu ähnlich sein könnten, vielen anderen Autoren geht es bestimmt auch so. Aber ich denke Verlage haben da schon ein genaues Auge drauf und beziehen das in ihre Entscheidungen mit ein.

Ebenso wichtig: Bei Not Your Type wird die Marginalisierung der Hauptfigur konkret benutzt, um das Buch zu verkaufen. Die Prämisse ist "Mädchen verliebt sich in Jungen, aber er ist trans". Damit wird das Buch beworben, deshalb kaufen des Leser*innen. Die Autorin und der Verlag schlagen also böse gesagt Profit aus dieser Gruppe (und ihrer Marginalisierung, denn die nimmt im Roman eine sehr präsente Rolle ein), ohne dass die Gruppe selbst davon profitiert. Das könnte man aber auch über viele andere Bücher sagen, die Diversität beinhalten. Wo liegt hier die Grenze? Wann ist das in Ordnung, wann nicht?

Wichtig ist, dass niemand sagt, dass man nicht mehr divers schreiben soll. Repräsentation in Romanen ist gut und wichtig. Für mich liegt die Grenze finde ich darin, keine Bücher über Marginalisierung zu schreiben, wenn ich der Gruppe nicht angehöre, wohl aber über marginalisierte Figuren. Wenn die Prämisse meines Buches nicht ohne die Marginalisierung der Figuren auskommt, dann bin ich vielleicht nicht die richtige, um das Buch zu schreiben, wenn ich diesen Gruppen nicht angehöre. Ich sollte mich immer fragen: Wenn der Verlag mein Buch kauft, führt die Angehörigkeit meiner Figuren zu marginalisierten Gruppen dazu, dass einem Angehörigen dieser Gruppe Chancen weggenommen werden?

Es gibt hier keine pauschalen Antworten. Man muss sich jede Geschichte einzeln ansehen, um es beurteilen zu können. Aber ich finde, das sind wichtige Fragen, die wir uns stellen sollten, wenn wir divers schreiben.

(Ja, ich habe schamlos von meinen Beiträgen aus dem alten Thread abgeschrieben und sie hier zu einem Beitrag verarbeitet. Ich schäme mich für nichts.)

Zit

#2
Ach, gut dass du es erwähnst, ich habe gerade schon an mir gezweifelt. ;D

Worüber ich mir damals nicht so sicher war, ob ich es anbringen wollte, es aber jetzt doch gerne tun will:

ZitatWenn der Verlag mein Buch kauft, führt die Angehörigkeit meiner Figuren zu marginalisierten Gruppen dazu, dass einem Angehörigen dieser Gruppe Chancen weggenommen werden?

Die Frage impliziert, dass wir Autor*Innen in einer Machtposition sind, was publiziert wird und was nicht. Nur ist dem nicht so. Die Frage, ob ich als Nichtangehöriger einer Gruppe eine Geschichte schreiben (und anbieten!) soll, in der das Gruppenmerkmal zentral ist, ist eine Sache, und das muss jeder mit sich selbst ausmachen und mit den Konsequenzen leben.
Die Frage allerdings, ob Bücher von Menschen über X, die nicht X angehören, bevorzugt publiziert werden sollen, ist ein Problem der Publizierenden. Was ich damit sagen will: Es gibt ein generelles Überangebot an Stufe1-Produzenten (Autor*Innen/ Schriftsteller*Innen), die um begrenzte Programmplätze bei (Groß)Verlagen konkurrieren. Das heißt, für jedes Werk, das ein (Groß)Verlag publiziert, gibt es dutzende andere Werke, die abgelehnt wurden. Also, nein, als Autor*In nehme ich anderen keine Programmplätze weg, weil ich auch nur eine Labormaus bin, die versucht an den Käse zu kommen wie alle anderen Labormäuse. Es ist Aufgabe der Verlage, ihre Autor*Innenauswahl diverser zu gestalten und sich nicht von Bequemlichkeit und Ismen lenken zu lassen, weil sich mit einem weißen Menschen in einer rassistischen Gesellschaft besser werben lässt.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Mondfräulein

Zitat von: Zitkalasa am 24. Februar 2021, 18:11:54
Die Frage impliziert, dass wir Autor*Innen in einer Machtposition sind, was publiziert wird und was nicht. Nur ist dem nicht so. Die Frage, ob ich als Nichtangehöriger einer Gruppe eine Geschichte schreiben (und anbieten!) soll, in der das Gruppenmerkmal zentral ist, ist eine Sache, und das muss jeder mit sich selbst ausmachen und mit den Konsequenzen leben.
Die Frage allerdings, ob Bücher von Menschen über X, die nicht X angehören, bevorzugt publiziert werden sollen, ist ein Problem der Publizierenden. Was ich damit sagen will: Es gibt ein generelles Überangebot an Stufe1-Produzenten (Autor*Innen/ Schriftsteller*Innen), die um begrenzte Programmplätze bei (Groß)Verlagen konkurrieren. Das heißt, für jedes Werk, das ein (Groß)Verlag publiziert, gibt es dutzende andere Werke, die abgelehnt wurden. Also, nein, als Autor*In nehme ich anderen keine Programmplätze weg, weil ich auch nur eine Labormaus bin, die versucht an den Käse zu kommen wie alle anderen Labormäuse. Es ist Aufgabe der Verlage, ihre Autor*Innenauswahl diverser zu gestalten und sich nicht von Bequemlichkeit und Ismen lenken zu lassen, weil sich mit einem weißen Menschen in einer rassistischen Gesellschaft besser werben lässt.

Ich finde, die Verantwortung liegt hier auf beiden Seiten. Du hast natürlich Recht. Dier Verlage sind hier in der Verantwortung, Titel entsprechend auszuwählen. Autoren können nicht alleine Lösung des Problems sein.

Auf der anderen Seite glaube ich aber schon, dass Autoren ihre Werke dementsprechend hinterfragen sollten, gerade wenn ich aus einer privilegierten Position heraus über die Marginalisierung einer Gruppe schreibe, der ich nicht angehöre. Wenn ich das Buch gar nicht erst schreiben würde, dann würde ich damit auch niemandem einen Programmplatz wegnehmen.

Maja

Ich sehe auf dem deutschen Buchmarkt gegenwärtig eine klare Tendenz Pro-OwnVoice. Das ist ein Schlagwort, das auch als Marketingwerkzeug ein nicht zu verachtendes Gewicht hat.

Ich kann nicht beurteilen, inwieweit Own-Voice-Autoren durch mutmaßlich besser vermarktbare Nicht-Own-Voice-Autoren ersetzt werden, mir ist kein derartiger Fall bekannt - natürlich auch schwer zu beurteilen, weil man narürlich keine entsprechende Absage bekommen würde, aber wenn jemand einem Verlag ein Buch angeboten hat, und zwei Jahre später veröffentlicht genau dieser Verlag ein Buch zu genau meinem Thema, aber von einem Autor, der selbst nicht betroffen ist, dann wäre das schon bezeichnend. Kommt das Buch vom Nicht-Own-Voice-Autor hingegen nur drei Monate später raus, war es zum Zeitpunkt meines Manuskriptangebotes schon lang in Vorbereitung und hat sich unglücklich überschnitten - die langen Vorlaufzeiten von Verlagsbüchern machen es hier schwierig, Fälle eindeutig zu überführen.

Was ich aber als deutlichen Trend sehe: bereits etablierte Autoren bekommen eher die Möglichkeit als früher, auch aus ihrem persönlichen Erfahrungsschatz zu schöpfen und die Diversität, die sie mitbringen, auch in ihre Bücher einzubringen. Hatte ich bei "Kettlewood" noch vom Verlag die klare Ansage "Wir wollen ein Hetero-Happyend!", kann ich heute als queere Autorin mit viel größerer Selbstverständlichkeit queere Themen behandeln. Natürlich müsste ich dafür selbst nicht queer sein, der Markt ist auch so viel offener für Diversität geworden. Aber dass es mir als queerer Mensch ein Anliegen ist, über queere Figuren zu schreiben, wird viel besser akzeptiert als früher. Es gibt viele Autoren, die eine Own Voice sein könnten, wenn man sie lässt, statt sie zu nötigen, normativer zu schreiben, und zunehmend lässt man sie. Das sind Autoren, die längst da sind - wie es sich für neue Autoren, die sich überhaupt erst einen Buchvertrag erkämpfen müssen, darstellt, kann ich in diesem Zusammenhang nicht sagen.

Eine systematische Hinderung sehe ich da nicht, eher einen Trend, der erfreulich klar in die umgekehrte Richtung geht. Natürlich noch lang nicht am Ende angekommen, aber zumindest in Deutschland sehe ich die Entwicklungen positiv.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Lothen

#5
Zitat von: MajaWas ich aber als deutlichen Trend sehe: bereits etablierte Autoren bekommen eher die Möglichkeit als früher, auch aus ihrem persönlichen Erfahrungsschatz zu schöpfen und die Diversität, die sie mitbringen, auch in ihre Bücher einzubringen.
Das ist schon mal eine erfreuliche Entwicklung. Nora hat es ja auch mit ihrem durchaus sehr queeren und diversen Dark-Fantasy-Roman zu Knaur geschafft und nutzt diese Reichweite sehr konstruktiv. Das sind aber halt leider auch nur Baby-Steps und vieles davon wird leider dadurch wieder unterminiert, dass es etablierte Autor*innen gibt, die ihre Reichweite lieber dazu verwenden, das N-Wort zu replizieren und sich über political correctness aufzuregen statt Own Voices oder Diversitätsthemen sichtbar zu machen. Das macht die Dinge nicht einfacher.

Zitat von: MondfräuleinIch finde, die Verantwortung liegt hier auf beiden Seiten. Du hast natürlich Recht. Dier Verlage sind hier in der Verantwortung, Titel entsprechend auszuwählen. Autoren können nicht alleine Lösung des Problems sein.
Das sehe ich auch so. Das ist ein Prozess, in dem ALLE Beteiligten gleichermaßen an einem Strang ziehen müssen, damit sich etwas verändert. Weder sollte man als Autor*in jegliche Verantwortung von sich weisen (gerade was Themenwahl und -bearbeitung angeht), noch sollte man die komplette Verantwortung alleine schultern müssen.




Zur Frage: Was kann ich als (nicht-marginalisierte) Person tun, um Own Voice zu supporten?

Ich möchte dazu mal Rick Riordan heranziehen, denn er ist ein super Beispiel, wie es gehen kann. Zum einen hat er sich viel selbst mit diesen Themen beschäftigt, seine Charaktere sind sehr vielfältig und überwiegend gute Repräsentationen. Wenn es Kritik an der Darstellung gab, hat er entsprechend darauf reagiert, nicht abwehrend, nicht verteidigend, sondern sachlich erklärt, wie es zu der Situation kam, was er sich dabei gedacht hat und was er künftig verändern möchte. Im gleichen Atemzug hat er dann direkt seine Reichweite genutzt, um Own Voice Romane zu empfehlen. Mittlerweile besitzt er sogar ein eigenes Imprint, in dem er Own Voice Autor*innen Raum bietet.

Nun sind wir leider alle nicht in der Position eines Rick Riordan, aber grundsätzlich sind das sehr gute Ansatzpunkte: sich informieren, sich weiterbilden, Kritik annehmen, Own Voice Literatur lesen und weiterempfehlen.

Anila

ZitatNun sind wir leider alle nicht in der Position eines Rick Riordan, aber grundsätzlich sind das sehr gute Ansatzpunkte: sich informieren, sich weiterbilden, Kritik annehmen, Own Voice Literatur lesen und weiterempfehlen.
Das sind wirklich wirklich gute Leitlinien nach denen sich jeder richten kann, egal auf welchem Wissensstand zum Thema Diversität.
https://www.tintenzirkel.de/counter/wordcount.php?mode=TiNo21&target=200000&title=T12:Flossen und Sand&count=14000

"Courage is grace under pressure." (Hemmingway)

Aphelion

#7
Etwas, das wirklich alle tun können:

nicht selbst diskriminieren.

Das klingt furchtbar banal, aber die Umsetzung fällt offensichtlich noch vielen schwer. Wenn diskriminierte Menschen Preisverleihungen, Messen & Co. meiden, sind sie weniger sichtbar, was zum Teufelskreis der Marginalisierung beiträgt.

Darüber hinaus sollte unterirdische literarische Qualität oder Einfallslosigkeit nicht mit "aber mein Prota ist bi!" o.ä. verteidigt werden. Zwischen schlechter Schreibleistung und Queer-Sein gibt es keinen Zusammenhang. Punkt. Ich habe leider aber schon erschreckend oft von Leuten gehört, dass sie keine Bücher von Queeren kaufen, weil sie dabei schlechte Qualität erwarten, "weil das ja immer als Ausrede benutzt wird".

Meine Vermutung ist, dass diese unsinnige Assoziation daher rührt, dass manche (cis-)Schreibende tatsächlich meinen, sie müssten sich keine Mühe geben, weil ihr bisexueller Prota alles andere wett machen würde. Ähm, nein. Dadurch werden zwei Dinge in eine Nähe zueinander gerückt, die nicht zusammengehören. Eine derartige Ausrede ist auch an sich hochproblematisch.

Hier im TZ sind mir solche Ausreden zum Glück noch nicht bewusst begegnet, aber an anderen Stellen schon häufiger, als es mir lieb ist. Deshalb wäre es vermutlich hilfreich, wenn solche Bullshit-Argumente auch wirklich als Bullshit entlarvt werden, wenn sie jemandem begegnen.

Nachtrag:
Aus den gleichen Gründen wäre ich vorsichtig, eine unbegründete Absage sofort auf die eigene Zugehörigkeit zur Gruppe xy zurückzuführen, oder darauf, dass das Manuskript Figuren enthält, die marginalisierten Gruppen angehören. Solche Zuschreibungen lassen diskriminierte Gruppen als Heulsusen dastehen, die eine Exrawurst verlangen - obwohl gerade das nicht der Fall ist.

DunkelSylphe

Zitat von: Aphelion am 27. Februar 2021, 15:09:27
Etwas, das wirklich alle tun können:

nicht selbst diskriminieren.

Das klingt furchtbar banal, aber die Umsetzung fällt offensichtlich noch vielen schwer. Wenn diskriminierte Menschen Preisverleihungen, Messen & Co. meiden, sind sie weniger sichtbar, was zum Teufelskreis der Marginalisierung beiträgt.


@Aphelion: Ich denke, du sagst da etwas sehr Richtiges, und wenn es noch so banal ist. In den letzten Wochen hat mich sehr die Unsichtbarkeit von nichtweißen Autor*innen, aber auch anderen Gruppen beschäftigt. Mir ist aus eigener Erfahrung klargeworden, dass wir eben die großen Räume meiden, wenn sie zu feindlich und kraftraubend sind.

Das ist ja auch eigentlich logisch. Ich rede jetzt nicht mal davon, Safe Spaces oder so was einzurichten. Aber wenn deine bloße Anwesenheit dafür sorgt, dass Leute dich politisieren, ihre Meinung zu deiner Community aufdrücken oder dich gar beschimpfen ... Das ist natürlich keine Basis, das kann nur besser werden.

Was du bezüglich Buchinhalten angesprochen hast: Ich nehme es gar nicht so wahr, dass schlechter Inhalt oft mit Queerness oder anderer Marginalisierung verteidigt wird. Viel öfter sehe ich im Genre, dass Büchern mit queeren Protas (um bei deinem Beispiel zu bleiben) grundsätzlich keine Chance gegeben wird, weil: "Ich mag keine Gay Romance." Diese Aussage an sich ist nicht problematisch, täte sie denn stimmen. Es gibt viele Gründe dafür, Gay Romance nicht zu lesen, dieselben, aus denen man auch keine Het Romance liest, weil man vielleicht keine Liebesgeschichten oder explizite Darstellungen von Sex mag.

Ich habe allerdings oft mitbekommen, dass Bücher NICHT Gay Romance sind und trotzdem wird diese Aussage bemüht. Beispielsweise eine lustige Urban-Fantasy-Geschichte, mit viel Plot, die sich gar nicht um eine Romanze dreht, aber der Prota ist eben bi. Und dann wird so was, obwohl nicht Gay Romance, als solche abgetan. Das riecht einfach nur nach Vorurteil für mich.

Nun kann man Leser*innen nicht zwingen, solchen Büchern eine Chance zu geben, aber wir können schon als Szene gemeinsam sensibilisieren, dass queere oder auch andere marginalisierte Protas ganz normal in Büchern vorkommen können, ohne dass es sofort ein Label wie "Gay Romance" rechtfertigt.

Auch noch kurz zu dem Nachtrag: Ich stimme dir zu, dass man nicht jede Absage darauf zurückführen darf, dass Marginalisierung eine Rolle gespielt hat. Aber ich weiß eben aus sicheren Quellen, dass solche Dinge in der Vergangenheit passiert sind. Ich habe Kolleginnen, denen vom Verlag klar gesagt wurde, ihre Bücher würden nur veröffentlicht, wenn sie queere u. a. Elemente rausnehmen. Ich weiß auch von Grafikdesignern, bei denen Cover mit Whitewashing vorsätzlich in Auftrag gegeben wurden. Nur um jetzt kurz zwei Beispiele zu zitieren. Diese Sachen passieren schon wirklich. Sie dürfen natürlich keine Ausrede für schlechte Inhalte werden, da müssen wir Communities uns schon an die Nase packen, existieren tun diese Probleme trotzdem.
Man braucht die Dunkelheit, um stärker leuchten zu können.

Aphelion

Zitat von: DunkelSylphe link=topic=26121.msg1269196#msg1269196
Was du bezüglich Buchinhalten angesprochen hast: Ich nehme es gar nicht so wahr, dass schlechter Inhalt oft mit Queerness oder anderer Marginalisierung verteidigt wird.
Das ist zum Glück auch nicht immer der Fall; mir ist es inzwischen aber oft genug begegnet, dass ich ein ernsthaftes Risiko darin sehe.

Das ist allerdings ausdrücklich kein Gegenargument gegen die anderen Probleme, die du in deinem Beitrag ansprichst. Das sind ernsthafte Probleme, die in der Buchbranche so nicht passieren dürften und die leider trotzdem Realität sind.

Amanita

(Anmerkung: Ich verwende jetzt der Lesbarkeit zuliebe das generische Maskulinum, meine damit aber alle, bis wir da eine allgemeine Lösung fürs Forum gefunden haben.)

Ich kenne mich mit den Mechanismen nach denen beurteilt wird, welche Bücher von Verlagen veröffentlicht werden, nicht wirklich aus und kann deswegen auch nicht beurteilen, wie schwierig es für Own Voice-Autoren wirklich ist.
Als Leser kann ich nur sagen, dass ich bei Büchern, in denen die (negativen) Erfahrungen von Menschen mit anderer ethnischer Zugehörigkeit, aber auch andere Kulturen und außereuropäische Mythologien im Mittelpunkt stehen, schon immer solche bevorzugt habe, die auch von Angehörigen der Gruppe geschrieben wurden, um die es geht.
Schlicht und einfach deswegen, weil ich solche Bücher nicht zuletzt auch deswegen lese, weil ich etwas lernen möchte und dafür dann solchen Autoren zutraue, dass sie wissen, worüber sie schreiben, während das bei anderen zumindest nicht sicher ist. Deswegen finde ich es auch problematisch, wenn sich jemand dann passend zum Buch ein beispielsweise japanisches Pseudonym gibt, obwohl er eigentlich weißer Deutscher ist.
Mal annehmend, dass andere das auch so sehen, denke ich mir, dass die Verlage da durchaus auch ein Interesse daran haben sollten, Own Voice-Autoren bei solchen Themen den Vortritt zu lassen, schließlich können sie dann auch mit Authentizität und einem Autor, der weiß, wovon er spricht, werben.

Was Fantasybücher in fiktiven Welten ohne konkreten Bezug zu bestimmten Kulturen oder Mythologien angeht, finde ich aber durchaus, dass es zum Normalfall werden sollte, dass dort Figuren mit unterschiedlichen Hautfarben vorkommen und Abenteuer erleben und die Welt retten, oder was eben in dem jeweiligen Buch auf dem Plan steht. Da sehe ich auch keinen logischen Grund, warum es "begrenzte Plätze" geben sollte und dann irgendjemandem etwas weggenommen wird und es kein weiters Buch mit einem schwarzen Protagonisten geben kann, weil es vorher einmal eins gab. Die Hautfarben der Protagonisten schränken ja die mögliche Vielfalt an Plots wirklich in keinster Weise ein.

Als Möglichkeit selbst etwas zu tun, sehe ich es als Person ohne Verlagskontakte oder Internetreichweite aber auch als einzige Möglichkeit, Bücher von PoC-Autoren zu kaufen und dadurch zu zeigen, dass Bedarf und Nachfrage bestehen. Zu diesem Zweck werde ich mir dann auch mal die entsprechenden Empfehlungsthreads hier näher anschauen.

Zumindest im Fanfictionbereich (ich kaufe eigentlich nie was, wo "Romance" draufsteht ;)) sehe ich aber bei den Darstellung von männlichen, homosexuellen Beziehungen ein recht großes Problem damit, dass die Geschichten, die wirklich von Angehörigen der Gruppe geschrieben wurden und deren Sicht auf die Dinge widergeben zwischen all den Fantasien von heterosexuellen, weiblichen Autoren untergehen und auch falsche Vorstellungen bei den Lesern geweckt werden.
Da würde ich tatsächlich eher empfehlen das zu lassen, wenn man nicht wirklich eingehend recherchiert hat, aber da mir der Reiz an solchen Geschichten eher unverständlich ist, habe ich da sicherlich auch leicht reden.

Mondfräulein

Zitat von: Aphelion am 27. Februar 2021, 15:09:27
Darüber hinaus sollte unterirdische literarische Qualität oder Einfallslosigkeit nicht mit "aber mein Prota ist bi!" o.ä. verteidigt werden. Zwischen schlechter Schreibleistung und Queer-Sein gibt es keinen Zusammenhang. Punkt. Ich habe leider aber schon erschreckend oft von Leuten gehört, dass sie keine Bücher von Queeren kaufen, weil sie dabei schlechte Qualität erwarten, "weil das ja immer als Ausrede benutzt wird".

Meine Vermutung ist, dass diese unsinnige Assoziation daher rührt, dass manche (cis-)Schreibende tatsächlich meinen, sie müssten sich keine Mühe geben, weil ihr bisexueller Prota alles andere wett machen würde. Ähm, nein. Dadurch werden zwei Dinge in eine Nähe zueinander gerückt, die nicht zusammengehören. Eine derartige Ausrede ist auch an sich hochproblematisch.

Hier im TZ sind mir solche Ausreden zum Glück noch nicht bewusst begegnet, aber an anderen Stellen schon häufiger, als es mir lieb ist. Deshalb wäre es vermutlich hilfreich, wenn solche Bullshit-Argumente auch wirklich als Bullshit entlarvt werden, wenn sie jemandem begegnen.

Mir ist das tatsächlich noch nie begegnet, aber ich glaube, das Gerücht, dass das passieren würde, rührt daher, wie über Repräsentation berichtet wurde. Ich erinnere mich an einen Artikel über eine Buchmesse, in der darüber gesprochen wurde, dass die Literatur auf dem englischsprachigen Buchmarkt immer diverser wird und die eigentliche Handlung dabei vernachlässigt wird. Diversität wurde zu Beginn oft als Trend dargestellt, der dafür sorgt, dass die Bücher schlechter werden, weil sich Autor*innen zu sehr auf Diversität konzentrieren und nicht genug auf die Aspekte, die ein Buch wirklich gut machen. Diversität statt guter Handlung und glaubwürdiger Figuren.

Ich würde behaupten, dass das so nie passiert ist. Manche Bücher sind einfach nicht besonders gut, egal ob sie divers sind oder nicht. Wenn mehr Autor*innen divers schreiben, dann gibt es auch eine Menge Bücher mit Diversität, die schlecht sind oder als schlecht empfunden werden. Und was wird an den Büchern eigentlich kritisiert? Denn häufig sehe ich, dass Leser*innen einfach nur Erwartungen hatten, die das Buch nie erfüllen wollte. Das ganze Gay Romance Genre zum Beispiel. Das lese ich auch nicht gerne und viel davon ist bestimmt ziemlich schlecht, aber die Leute schreiben eben, was die Leser*innen lesen wollen. Die wollen das genauso schreiben, wie sie es am Ende schreiben. Einige Bücher mit queeren Liebesgeschichten haben genau deshalb schlechte Rezensionen bekommen, weil die Leser*innen eine heterosexuelle Liebesgeschichte erwartet haben und damit dann nicht klar kamen, auch wenn das Buch gut geschrieben war.

Vielleicht hat irgendjemand diese Ausrede wirklich mal benutzt, aber ich glaube, ein großes Problem ist hier auch, dass Bücher mit Diversität anders bewertet werden als Bücher ohne. Viel rührt bestimmt auch daher, dass viele den Drang verspüren, doch irgendwie dagegen zu sein. Es gibt aber keine guten Argumente gegen Diversität in Büchern und wenn man sich dann doch (vielleicht auch unbewusst) dagegen sträubt, dass es mehr Diversität in Büchern gibt, vielleicht auch gegen Own Voices, dann führt dieser innere Widerstand auch dazu, dass eben andere Dinge am Buch kritisiert werden. Aber ich würde behaupten, dass Queerphobie/Rassismus dazu führen können, dass Bücher schlechter bewertet werden, weil sie Diversität beinhalten und dass Bücher von Autor*innen die nicht cis-weiß-hetero sind schlechter bewertet werden.

Zitat von: DunkelSylphe am 27. Februar 2021, 17:43:13
Was du bezüglich Buchinhalten angesprochen hast: Ich nehme es gar nicht so wahr, dass schlechter Inhalt oft mit Queerness oder anderer Marginalisierung verteidigt wird. Viel öfter sehe ich im Genre, dass Büchern mit queeren Protas (um bei deinem Beispiel zu bleiben) grundsätzlich keine Chance gegeben wird, weil: "Ich mag keine Gay Romance." Diese Aussage an sich ist nicht problematisch, täte sie denn stimmen. Es gibt viele Gründe dafür, Gay Romance nicht zu lesen, dieselben, aus denen man auch keine Het Romance liest, weil man vielleicht keine Liebesgeschichten oder explizite Darstellungen von Sex mag.

Ich habe allerdings oft mitbekommen, dass Bücher NICHT Gay Romance sind und trotzdem wird diese Aussage bemüht. Beispielsweise eine lustige Urban-Fantasy-Geschichte, mit viel Plot, die sich gar nicht um eine Romanze dreht, aber der Prota ist eben bi. Und dann wird so was, obwohl nicht Gay Romance, als solche abgetan. Das riecht einfach nur nach Vorurteil für mich.

Das ist ein Grund, warum ich das Gay Romance Genre sehr kritisch sehe. Zum einen, weil da meistens Frauen für Frauen über schwule Männer schreiben, aber nicht für schwule Männer. Zum anderen, weil es da viele sehr toxische Stereotype gibt, die immer wieder reproduziert werden. Oder weil sich das Genre ziemlich ausschließlich auf schwule Männer beschränkt und alle anderen queeren Identitäten ignoriert. Oder, so paradox es klingen mag, die omnipräsente Misogynie im Gerne. Aber auch, weil das Genre aus dem Boden schoss und sehr erfolgreich wurde, während Diversität in allen anderen Genres noch selten war. Da ist viel Othering passiert und alles, was eine queere Liebesgeschichte beinhaltet, sofort in die Gay Romance Ecke geschoben wurde. Ich weiß nicht, ob es für Geschichten anderer Genres mit queeren Liebesgeschichten dadurch wirklich schwerer wurde, weil sie eben nicht in das Gay Romance Genre gepasst haben und das der einzige Platz war, der für sie vorgesehen war, aber die Befürchtung hatte ich lange.

DunkelSylphe

#12
Zitat von: Mondfräulein am 28. Februar 2021, 14:00:20
Ich würde behaupten, dass das so nie passiert ist. Manche Bücher sind einfach nicht besonders gut, egal ob sie divers sind oder nicht. Wenn mehr Autor*innen divers schreiben, dann gibt es auch eine Menge Bücher mit Diversität, die schlecht sind oder als schlecht empfunden werden.

@Mondfräulein: Das ist auch mein Gefühl, wobei ich @Aphelions Erfahrung nicht kleinreden will. Wenn mir das Internet eines beigebracht hat: Es gibt nichts, was es nicht gibt. Sicherlich findet man dann auch Menschen, die nicht wahrhaben wollen, das ihre Texte einfach noch nicht so weit sind, Diversität hin oder her. Ich denke, der Großteil im TiZi wird sich nicht auf so etwas ausruhen & wir können uns dann auch gegenseitig pushen, dass das nicht passiert.

Deine Gedanken zu Gay Romance kann ich nur unterschreiben, das Genre wird ja auch regelmäßig von schwulen Autoren kritisiert. Teils ist es so vorbelastet, dass es von Own Voices gar kein Interesse mehr gibt, darin zu veröffentlichen. Stattdessen vermarkten sie ihre Bücher einfach als "queer" oder Genreliteratur. Ich finde es auch sehr interessant, zu sehen, dass einige (nicht nur) queere Menschen, die heute in der Szene bekannt sind für ihr Engagement im Bezug auf Diversität, in dem Genre angefangen haben, um sich dann im Nachhinein davon zu distanzieren, z. B. Annette Juretzki und Elea Brandt.

Es ist sehr bedauerlich, dass das größte queere Genre mit einer gewissen Marktkraft so wenig von Own Voices geformt wird. Ohne dass jetzt allen Autor*innen anzulasten, die das schreiben - ich weiß, dass viele im Genre queer und nicht-binär sind, es gibt viele Gründe für Nichtmänner, sich in Gay Romance wiederzufinden. Aber es ist trotzdem ein großes strukturelles Problem. Ich habe mich oft gefragt, wie man das angehen kann, und bisher so gar keine Antwort darauf.

Vielleicht kann man das Genre auch gar nicht mehr "zurückerobern" und ein insgesamt diverserer Buchmarkt bietet bessere Chancen für Own Voices, ihre Geschichten zu veröffentlichen.
Man braucht die Dunkelheit, um stärker leuchten zu können.

Tasha

#13
Zitat von: DunkelSylphe am 28. Februar 2021, 15:25:59

Vielleicht kann man das Genre auch gar nicht mehr "zurückerobern" und ein insgesamt diverserer Buchmarkt bietet bessere Chancen für Own Voices, ihre Geschichten zu veröffentlichen.

Das wäre eine absolut wünschenswerte und großartige Entwicklung. Ein bisschen habe ich im Moment auch das Gefühl und die Hoffnung, dass es in die Richtung geht.

Zum Thema gay romance muss ich sagen, dass ich selbst gern in dem Genre schreibe und auch lese und das mit Sicherheit Ausdruck meiner eigenen Nonbinarität  und Pansexualität ist. Die Möglichkeit mich literarisch auszudrücken, gerade was diese Seite angeht, war für mich schon immer unglaublich wichtig und zentral, gerade auch als Teenager. 1995 als ich angefangen habe zu schreiben hatte ich z.B. noch keinen Zugriff auf das Internet und kannte den Begriff nonbinary nicht. Meine Geschichten waren für mich fast überlebenswichtig. Ich kann mir absolut vorstellen, dass das auch weiteren Autor*innen so geht, die vielleicht weder geoutet sind, noch als Mann gelesen werden.

Etwas vorischtig muss man glaube ich immer damit sein, wenn man von Autor*innen ein outing erwartet, um in einem bestimmten Genre schreiben zu können, denn viele Menschen nutzen das Schreiben ja gerade als Ausdruck von Teilen ihrer Selbst, die sie sonst vielleicht nicht ausleben (können). Das wurde ja hier bereits auch geschrieben. Ich will damit auch nicht sagen, dass das hier in diesem Thread passiert wäre, sondern nur anmerken, dass es oft nicht unbedingt so ist, dass man genau sagen kann, welche Beweggründe jemand hat, um in einem bestimmten Genre zu schreiben. Gerade wenn es um marginalisierte Gruppen geht.


Ich habe auch noch nie erlebt, dass jemand der Meinung gewesen wäre ihr oder sein Buch wäre automatisch dadurch gut oder besser, weil queere Charaktere enthalten wären. Und ich habe tatsächlich auch eher das Gefühl, dass Verlage noch immer eher nach cis Charakteren und Hetero Lovestories suchen. Wäre aber richtig schön, wenn ich mich da täusche :)
We are all in the gutter, but some of us are looking at the stars (Oscar Wilde)

Mondfräulein

@Natascha Ich stimme dir definitiv zu, aber ich musste lange über deinen Beitrag nachdenken. Das mit dem Outing stimmt natürlich, man sollte Autor*innen nicht zwingen, sich zu outen. Das führt mich dann aber weiter zu der Frage, wie wir Own Voices Bücher kritisieren. Ich habe zum Beispiel schon gesehen, dass sich Own Voices Autor*innen gegen Kritik sperren, weil sie Own Voices sind. In diesem Fall (das Buch will ich öffentlich echt nicht konkret benennen) ging es um queere Repräsentation, die einfach wirklich keine gute Repräsentation war und auch von anderen queeren Menschen kritisiert wurde. Viele Rezensionen von nicht-queeren Personen haben in diesem Fall die problematischen Inhalte benannt und auch erklärt, aus welcher Perspektive sie die Rezension schreiben. Das ist denke ich eine sehr transparente Lösung. Generell stellt sich da für mich aber die Frage, wie man Repräsentation kritisieren kann, wenn sie Own Voices ist. Darf ich das nur, wenn ich der Gruppe selbst angehöre? Wie gehe ich damit um? Dabei meine ich keine Bücher, die einem einfach nicht gefallen, sondern solche, die Dinge tun, von denen die allermeisten Angehörigen dieser Gruppen sagen, dass man sie nicht machen soll, wenn man gute Repräsentation schreiben will.

Insgesamt gibt es hier auch bei Own Voices Büchern einen Unterschied dazwischen, sich seine eigenen Erfahrungen von der Seele zu schreiben, nur für sich selbst, und als professionelle*r Autor*in Bücher zu veröffentlichen. Denn dann trage ich immer Verantwortung sowohl für mich als auch für meine Leser*innen. Nur weil ich queer bin heißt das nicht, dass ich queere Repräsentation schreiben kann, wie ich will, oder? Wie sehr ihr das?