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Alles zur Perspektive

Begonnen von Lastalda, 01. Januar 1970, 01:00:00

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Aphelion

Ich finde eher problematisch im ersten Band nur eine Perspektive zu nehmen und im zweiten dann zwei. Nicht schlimm, aber es ist irgendwie inkonsequent. Wenn der Prolog aber immer (wenn du für jeden Band einen schreibst) aus einer "anderen" Perspektive ist, sehe ich darin überhaupt kein Problem. :)

(Es gibt übrigens vier! "Wächter"-Bücher. ;))

Alana

#151
Danke für eure Einschätzungen!

@Aphelion: Das ergibt sich daraus, dass ich im ersten Band nicht aus seiner Perspektive schreiben kann, ohne den Twist vorweg zu nehmen. Im zweiten Band will ich aber seine Perspektive schildern, weil es sehr stark um seine Charakterentwicklung gehen soll.

Und dann noch ein Edit: Was sagt ihr zum "heranzoomen"?
Also man beginnt eine Szene oder das ganze Buch erzählend, von außen und schlüpft dann nach und nach in den Prota hinein, aus dessen Sicht dann das restliche Buch geschrieben wurde. Wie ist soetwas zu bewerten? Kann das funktionieren? Ich meine, dass das bei Harry Potter auch so gemacht wurde und ich es nicht als störend empfunden habe.
Alhambrana

Mika

Hm... Heranzoomen, ich weiß ehrlich gesagt nicht so recht. Persönlich fände ich es nicht so prickelnd und wäre wohl beim Lesen auch eher erstmal etwas verwirrt. Ich denke man sollte sich von Anfang an für eine Distanz zu einer Figur entscheiden. Natürlich kann sich diese Distanz im Laufe einer Geschichte verändern, allerdings muss das dann irgendwie begründet sein. Zum Beispiel könnte ich mir vorstellen nach und nach von einer Figur wegzurücken, wenn sie unnahbarer wird. Anders herum, also wie von dir vorgeschlagen, wäre es wohl eher weniger mein Fall, aber das ist jetzt mehr meine persönliche Meinung ;D

Alana

@mika: Ich sehe das eigentlich ähnlich und denke, dass ich es doch so machen werde, bei einer Perspektive zu bleiben.
Alhambrana

HauntingWitch

Zitat von: Aphelion am 10. März 2012, 12:42:15

(Es gibt übrigens vier! "Wächter"-Bücher. ;))

[OT]Ach du liebe Güte, ich habe tatsächlich "Trilogie" geschrieben. Dabei stehen sie alle hier im Regal.  :versteck: Wird geändert, danke für den Schubs, Aphelion. [OT aus]

Rosentinte

Zitat von: Alana am 10. März 2012, 20:42:01
Und dann noch ein Edit: Was sagt ihr zum "heranzoomen"?
Also man beginnt eine Szene oder das ganze Buch erzählend, von außen und schlüpft dann nach und nach in den Prota hinein, aus dessen Sicht dann das restliche Buch geschrieben wurde. Wie ist soetwas zu bewerten? Kann das funktionieren? Ich meine, dass das bei Harry Potter auch so gemacht wurde und ich es nicht als störend empfunden habe.
Also ich finde das eher störend. Ich lese momentan so ein Buch und ohne ersichtlichen Grund wird da ran- oder weggezoomt. Das finde ich extrem irritierend, vor allem weil es keinen ersichtlichen Grund dafür gibt.
El alma que anda en amor ni cansa ni se cansa.
Eine Seele, in der die Liebe wohnt, ermüdet nie und nimmer. (Übersetzung aus Taizé)

caity

Hallo,

Zoomen, mmh, das ist auch so eine Frage, wie es gemacht wird.
Ich habe das erst neulich bei einer Kurzgeschichte ausprobiert und da aber bewusst am Anfang reingezoomt und am Ende wieder hinausgezoomt, das fand ich passend, weil es so einen Kreisschluss ergeben hat, die Geschichte fängt an mit einem Bus und endet mit einem Taxi, die sich beide durch die Straßen schlängeln und in denen beide Male die Protagonistin sitzt. Der Nachteil, insbesondere am reinzoomen, ist, dass der Leser am Anfang etwas orientierungslos gelassen wird. Der Vorteil ist imho, dass er gleich von Anfang an aus dem Blickwinkel des Protagonisten sieht und in seine Situation hineingestoßen wird. Ich denke, zu langsam darf nicht gezoomt werden, der Protagonist sollte schon so früh wie möglich genannt werden und persönlich empfinde ich es auch oft als störend, wenn erst eine andere Person auftritt und mir dann plötzlich mitgeteilt wird, dass ich mich gar nicht in der Person befinde, die gerade agiert, sondern dass die agierende Person von meinem Perspektivträger von außen betrachtet wird.

Ansonsten glaube ich aber, dass Zoomen ein sehr beliebtes Mittel ist. Habe gerade mal in ein paar Bücher reingelesen und die meisten Szenen fangen eigentlich nicht mit dem Perspektivträger an, sondern beschreiben erst einmal sein Umfeld, in das er dann hinein handelt. Vom Umfeld, das die Person wahrnimmt, wird auf die Person selbst und ihr Handeln hingezoomt. Und so eine Art Zoom finde ich eigentlich auch in Ordnung.

Letztendlich ist bei so etwas natürlich immer die Frage, wie es gemacht ist und da geht eben nichts über: ausprobieren ;)

Bye
caity
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)

Sunflower

Ich finde, Zoomen ist eine ziemlich praktische Technik, wie caity schon gesagt hat. Mir gefällt Hin- besser als Wegzoomen, aber das ist wohl Geschmackssache.
Bei mir ist es sogar fast Standart, dass ich Kapitel aus einer allgemeineren Perspektive beginne und erst einmal das Wetter/die Umgebung/die Landschaft/die Stimmung/etc. beschreibe und dann auf den Perspektivträger eingehe. Ich finde, dann kann der Leser sich besser in die Szene einfühlen und hineinversetzen.
Wegzoomen dagegen verwende ich eigentlich nicht, da ich die Szenen lieber mit den Perspektivträgern aufhören lasse und diese dann mitten in einer Handlung "im Regen stehen lasse" und aus einer anderen Sicht weiterschreibe.

Zoomen allgemein wirkt ja eher verlangsamend und gerade im Epilog finde ich das Wegzoomen dann doch irgendwie passend. Schließlich nimmt man dann Abschied von den Figuren und auch in Filmen ist es ja so, dass am Ende noch einmal ein Bild aus der Vogelperspektive gezeigt wird.

Letztendlich muss das aber jeder für sich entscheiden.
"Stories are, in one way or another, mirrors. We use them to explain to ourselves how the world works or how it doesn't work. Like mirrors, stories prepare us for the day to come. They distract us from the things in darkness."
- Neil Gaiman, Smoke and Mirrors

Kaeptn

#158
Hallo,

ich belebe mal wieder, weil ich gerade mit meiner Lektorin nicht ganz einer Meinung bin, was die Strenge bei der Auslegung der Perspektive angeht. Sie ist der Meinung, bei personalem Erzähler (kein ICH-Erzähler) können wirklich nur Dinge erzählt werden, die der Perspektivträger auch mitbekommt. Sie geht dabei so weit, dass Sätze wie "Ihm entging, dass ..." oder "Ohne es zu bemerken tat Perspektivträger diesunddas..." ihr nicht in den Kram passen, da würde man die Perspektive verlassen, denn wie gesagt, was der Perspektivträger nicht mitbekommt, kann man auch nicht aus seiner Sicht schreiben.

Nun weiß ich genau, dass ich solche Sätze schon tausendfach gelesen habe, und auch da war es kein auktorialer Erzähler und es waren auch keine literarischen Vollpfosten die das geschrieben haben. Manchmal tut man nunmal unbewusst etwas, oder ich will, dass der Leser etwas mehr weiß, als der P-Träger.
Oder irre ich mich da? Legen das viele so streng aus?

Und falls ihr auf meiner Seite seid, habt ihr Munition für mich, sprich Gegenargumente, Beispiele oder auch Abhandlungen (Links) dazu?

Erwähnen sollte ich vielleicht noch, dass es um ein Kinderbuch geht - wobei die Lektorin aber generell viel wert auf Perspektivtreue legt.

Danke

Arcor

Aus gegebenem Anlass meiner Abschlussarbeit verweise ich da einfach mal auf Barry Unsworths The Songs of the Kings, Kaeptn. Der Autor ist wahrlich kein literarischer Vollpfosten, sondern wie ich finde ein erstklassiger Autor, der 1992 den Booker Prize gewonnen hat und dessen Bücher nahezu durch die Bank gute Kritiken bekommen haben.

In dem Buch wechselt Unsworth wiederholt innerhalb einzelner Szenen die Perspektive. Ich bin da beim ersten Lesen etwas drüber gestolpert, allerdings ist es notwendig, um das Geschehen aus den verschiedenen Blickwinkeln darzustellen und das Innere der Figuren so offen zu legen, wie es die Absicht des Autors war. Ohne diese Technik hätte er 20 Szenen mehr gebraucht, die alle rückwärts gerichtet gewesen wären, um bereits einmal Erzähltes noch einmal aus einer anderen Sicht zu beleuchten - viel zu unnötig und sperrig und ausbremsend.
Not every story is meant to be told.
Some are meant to be kept.


Faye - Finding Paradise

Malinche

#160
Das ist schwierig. Denn eigentlich versuche ich auch, solche Sätze zu vermeiden, eben aus den Gründen, die deine Lektorin angeführt hat: Es ist schwer, etwas zu beschreiben, was man selbst gar nicht merkt. Ich bin jetzt keine professionelle Lektorin, aber ich neige auch dazu, mir selbst und beim Betalesen solche Konstruktionen anzukreiden.

Allerdings denke ich, dass es Grauzonen gibt bzw. Möglichkeiten, solche unbewussten Handlungen doch darzustellen:
"Seine Hand blutete, aber er merkte es kaum" ist für mich damit beispielsweise vertretbar, "Seine Hand blutete, aber er bemerkte es gar nicht" hingegen nicht, weil es - aus seiner Perspektive - einfach keinen Sinn ergibt.

Eine andere Alternative wäre, dass dem Perspektivträger nach einer Weile auffällt, was da passiert (und darüber begreift, dass ihm beispielsweise in den letzten zehn Minuten das Bluten seiner Hand entgangen sein muss).

Gut möglich, dass es häufig irgendwo zu lesen ist, ich habe da gerade keine Beispiele im Kopf bzw. zur Hand. Trotzdem würde ich damit nicht unbedingt argumentieren. Wenn der Leser mehr wissen soll als der Perspektivträger, gibt es meiner Meinung nach ebenfalls andere Möglichkeiten - das wäre vielleicht sogar einen eigenen Thread wert, wenn wir das noch nicht haben? -, das zu erreichen, als mit einer inkonsequenten und unsauberen Perspektive. Dass das wiederum sauschwierig ist,  ist eine andere Sache. ;D

[EDIT] Und natürlich stellt sich die Frage, welche Prioritäten man setzt. Mir persönlich ist eine sauber durchgehaltene Perspektive mittlerweile sehr wichtig, wobei es natürlich Bücher gibt, wo häufiger Perspektivwechsel auch ein gezieltes Stilmittel sein kann.
»Be suspicious of the lemons.« (Roxi Horror)

Sprotte

Ich stimme Malinche zu. Ich kreide es ebenfalls an. "Tim bemerkte nicht, wie sein Feind sich hinter ihm anschlich." Geht für mich nicht.

Zit

Zitat von: Sprotte am 11. Oktober 2012, 16:55:57"Tim bemerkte nicht, wie sein Feind sich hinter ihm anschlich." Geht für mich nicht.

Ich mag solche Konstrukte auch nicht. Allerdings aus dem Grund, dass sie mir zu passiv sind. Und in dem speziellen Beispiel nimmt man sich ja auch selbst die Spannung oder vielmehr den Schrecken, was man Lesern bereiten könnte. :D
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Angela

Ich bin da inzwischen auch ganz empfindlich und verliere schnell die Lust, einen solchen Text zu lesen. Einfach, weil es mich aus der Geschichte reißt. (Was einem Leser, der nicht auf diese Dinge achtet, unter Umständen überhaupt nicht auffallen mag.)
Andere Beispiele als Beweis heranzuziehen? Das wird die Lektorin nicht beeindrucken, denke ich. Malinches Alternativenvorschlag wäre sicher besser.

Aphelion

Es macht in meinen Augen einen deutlichen Unetrschied, ob die Perspektive "ständig" wechselt, oder nur an zwei Stellen auf x Seiten. Ersteres ist ein Stil (den man mögen kann, aber nicht muss), letzteres leichte Inkonsequenz. Ob diese Inkonsequenz durch einen übergeordneten Sinn gerechtfertigt ist, kommt auf den Kontext an. In den meisten Fällen gibt es imho jedoch keine solche (tatsächliche) Rechtfertigung: Entweder, man baut die Information anders ein, oder die (diese eine) Perspektive ist nicht 100%ig die richtige für diese Textstelle.