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BGH: VG Wort darf nicht pauschal 50% an Verlage ausschütten

Begonnen von TheaEvanda, 25. November 2013, 12:41:17

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FeeamPC

Dazu habe ich nur eine kleine Anmerkung:
Klar, bei Kleinverlagen geht es nicht um Riesen-Summen. Aber da kann bereits ein zweistelliger Betrag, der nicht vorhanden ist, ausreichen, damit ein anderes Buch nicht gedruckt werden kann.
Das meinte Treogen vermutlich mit: "Die Autoren werden es zu spüren bekommen".

Kerstin

Bisher war aber die Aussage, dass die VG-Wort-Ausschüttung bei Kleinverlagen ohnehin zu gering ist, um von Bedeutung zu sein.
Dass auch bei mittleren Verlagen ein zweistelliger Betrag problematisch sein soll, wundert mich (bin aber wirklich nur neugierig - bitte nicht falsch verstehen).

Golden

Ließen sich nicht neue Verträge schlicht mit einer Klausel verfassen, die eine 50-50-Aufteilung festhält? :hmmm: Das Problem der Rückzahlung besteht natürlich weiterhin, aber so könnte doch wieder alte Plaungssicherheit hergestllt werden (außer jemand stellt dann fest, dass diese Klauseln wieso und wie auch immer rechtswidrig sind).

Kerstin

@Golden: Das dürfte zu aufwändig sein. Bisher wird das ja automatisch von der VG-Wort erledigt. Bei individuellen Regelungen müsste nun der Verlag von dem Autor das Geld einfordern. Dazu müsste er aber erstmal wissen, wie viel der Autor erhalten hat (für das Buch, das bei ihm erschienen ist) und dann dafür sorgen, dass der Autor auch zahlt.
Umgekehrt müsste die VG-Wort dem Autor detaillierte Aufstellungen zukommen lassen, wie sich der Gesamtbetrag zusammensetzt und dann muss dieser pro individuellen Vertrag die Summe ausrechnen, die jeder Verlag erhält. Das ganze darf man dann auch wieder transparent für das Finanzamt machen, da diese Beträge ja auch steuerpflichtig sind.
Mir persönlich wäre das zu viel Aufwand, um mich auf so eine Klausel einzulassen.

FeeamPC

#34
Kleinverlag und Kleinverlag ist ein ziemlicher Unterschied. Ich bin Kleinstverlag, also ein kleiner Kleinverlag, und damit wohl kaum betroffen. Die Summen, die ich eventuell bekommen hätte, wären eh vernachlässigbar gewesen. Etwas größere Kleinverlage könnten da aber schon an ihre Grenzen stoßen, auch deshalb, weil die mehr Fixkosten haben und nicht so leicht auf andere Arbeitsabläufe ausweichen oder Bücher schieben können, insbesondere dann, wenn außer dem Verlagsinhaber noch weitere fest angestellte Mitarbeiter vorhanden sind.
Es hängt sehr von der Zusammensetzung des Verlages und von dem Umfang seiner Produktion sowie von dem vorhandenen oder eben nicht vorhandenen Eigenkapital ab, ob dieses Gerichtsurteil sich jetzt für den Verlag bemerkbar macht oder nicht. Aber wenn es sich bemerkbar macht, dann mit Sicherheit verdammt deutlich in Form mangelnder Liquidität.
Und bei mangelnder Liquidität drehen heutzutage die Banken schnell den Geldhahn zu, und das Finanzamt setzt dann noch einen obendrauf (war wohl doch nur Liebhaberei, da holen wir uns die ganzen geltend gemachten Mehrwertsteuern mal schnell wieder zurück). Dann ist der (ehemalige) Verlag doppelt gekniffen.

Tigermöhre

Zur Vertragsklausel, könnte das dann nicht auch der Verlag machen?
Im Verlag steht, dass das Geld zum Verlag gehen soll, und der leitet dann den Autorenanteil zusammen mit den Tantiemen weiter?

Bei golem.de steht übrigens, dass die Verlage doch noch was bekommen, wenn die Autoren keinen 100%igen Wahrnehmungsvertrag bei der VG-Wort haben. Weiß da jemand etwas genaueres?

Silvia

Mich würde mal interessieren, wie man mit der VG-Wort-Summe für Verlage eigentlich überhaupt sicher planen kann? Die wird doch nach Ausleihen in Bibliotheken und Kopien etc. ausgeschüttet - wie soll man denn voraussagen, wie oft das im folgenden Jahr passiert? Das klingt doch nach einer eher unsicheren Einnahmequelle, zumindest nach der Höhe. Oder? (Ich habe aber auch noch nie eine Abrechnung gesehen, daher - keine Ahnung ^^)

Auch bin ich - zumindest was Belletristik angeht - in mehreren Bibliotheken nur höchst selten auf Ausgaben aus Klein- oder Kleinstverlagen gestoßen. Dort wird doch auch viel von dem gekauft (und natürlich ausgeliehen), was Richtung Bestseller geht. Es fällt mir doch schwer, mir die Riesensummen vorzustellen, die - zumindest den kleineren Verlagen - da jetzt entgehen.

Maria

Die Schwierigkeit bei der fairen Verteilung im belletristischen Bereich dürfte beim Wort "fair" liegen.  Nicht jedes Manuskript macht gleich viel Arbeit. So sind bei mir auch für jedes Bilderbuch gleich viel an den Verlag übergeben worden wie bei meinen Fantasybüchern mit vielen Seiten Text und bei den Bilderbuchtexten musste kein Korrektorat ran und auch kein Lektor. Die Illustratorin bekommt den Löwenanteil an den Tantjemen, somit ist sie kein Fixkostenpunkt wie ein reiner Coverkünstler sondern Mit-Urheber.

FeeamPC

Fair absolut und objektiv gibt es nicht. Allenfalls eine Regelung, die von beiden Seiten subjektiv für ein bestimmtes Buch als fair oder zumindest annähernd fair empfunden wird.

Zit

Naja, faire Verträge für beide Seiten sind ab einer bestimmten Verlagsgröße und gerade bei fehlendem Autoren-Agenten irgendwann imho nicht mehr gegeben.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

treogen

#40
Zitat von: Kerstin am 23. April 2016, 06:41:25Bekommt ihr Verlage so viel mehr? Oder die kleineren Verlage im Verhältnis zu den Großen? (Ich habe mich mit den Ausschüttungsregeln noch nie befasst).

Nein, die kleinen Verlage bekommen nicht so viel mehr. Sie bekommen 30% - die Autoren 70%.
Aber ... jetzt kommt es.
Ein Kleinverlag ist meiner und @FeeamPC.
Ein Kleinverlag ist auch Feder und Schwert, ist auch Abacus, ist auch periplaneta - mit mehreren Festangestellten.
Kurz - ein Kleinverlag ist alles was zwischen 0 und 2 Mio Umsatz ist.
Und scheiße ja - für einen Verlag mit 500.000 Euro Umsatz im Jahr (und vielleicht 25.000 Euro Gewinn) sind die 4000 Euro Ausschüttung über alle Bücher existenziell. Da geht es ja um Verlage, die teilweise 200, 300, 500 Bücher auf dem Markt haben - und nicht nur 10.
Und wenn du jetzt noch davon ausgehst, dass du die letzten Jahre zurückzahlen sollst, dann kneift das schon.

Zitat von: Kerstin am 23. April 2016, 06:41:25Ich verstehe auch, dass eine Rückzahlung katastrophal sein kann (und ich hoffe, dass es nicht soweit kommt), aber ansonsten empfinde ich die Kalkulation eines mittleren Verlags (wie du sagtest, die Kleinen interessiert es eh nicht), schon als sehr knapp, wenn sie keine Debüts mehr rausbringen wegen einem zweistelligen Betrag, den ihnen dann bei diesem Autor fehlen werden.

Es fehlen ja nicht die 30 Euro für den Debütautor. Es fehlt die Gesamtheit der Ausschüttung. Die kompletten 4000 Euro.
Ein Debütautor kostet einen großen Verlag einen Mittelklasse-Jahreswagen.
Für einen Kleinverlag ist der Betrag zwar geringer, aber trotzdem einschneidend. Während ich für einen Stammautor eigentlich fast gar nichts investieren muss, weil es ein "Selbstläufer" ist, muss ich in meinen Kleinverlag schon 1 Tausender für einen Debütanten mehr einkalkulieren. Und in etwas größeren Kleinverlagen ist es auch ein wenig mehr, weil die auch mit etwas höheren Auflagen rangehen.

Zitat von: Kerstin am 23. April 2016, 06:41:25Die Summe ist so winzig, die man (meiner Erfahrung nach) als Autor erhält, dass wohl kein Autor darauf angewiesen sein dürfte (nicht, dass die Ausschüttung nicht nett wäre, ich freue mich auch immer).

Das ist aber genau das Problem. Ab einer gewissen Größe eines Verlages summiert es sich. Und man kann nicht exakt so rechnen, dass alles, was für Buch A ausgegeben wurde, von Buch A - und nur von Buch A - wieder reingeholt werden muss.
Das ist die Mischkalkulation. Man hat Bestseller, Langsamdreher und Flops.
Und wenn man mindestens 1 Bestseller und 6-8 Langsamdreher hat, kann man damit auch einen Flop (sprich: einen Debütanten) auffangen.
Wenn man die nicht hat, dann sieht es übel aus. Und in eben diese Rechnung zählt halt auch diese Ausschüttung. Die kommt obendrauf - um das abzupuffern, was nicht gut gelaufen ist und um das zu finanzieren, was man als Lektor/Verleger für finanzierenswert hält, wo man sich aber keine großen Hoffnungen auf Gewinn macht (sprich: mindestens 90% der Debütromane).
Fällt das jetzt weg, ändert sich das Verhältnis. Wie genau, kann ich dir nicht sagen. Vielleicht brauchts neben den Langsamdrehern 2 oder 3 Bestseller. Vielleicht auch 4. Was am Ende nichts anderes heißt, wie: Größere Kleinverleger werden weniger für Risiken bereit sein.

Zitat von: Kerstin am 23. April 2016, 06:41:25Ebenso mit den Vertragsbedingungen. Wenn ein Großverlag sich hinstellen würde und mir (wegen einem zweistelligen Betrag pro Buch) nun ein Prozent weniger anbieten würde, würde ich ihn wirklich auslachen.

Nun, auch da zählt wieder: Mischkalkulation.
Auch die Großen haben ihre Debüts immer über die Bestseller finanziert. Und über die Ausschüttungen, die natürlich gerade bei den bekannten und damit häufig ausgeliehenen Autoren richtig hoch sind. Und so, wie dein Debüt höchstwahrscheinlich mit Gewinnen eines Bestsellers finanziert wurde, wirst du die Verluste durch die fehlenden Ausschüttungen der Bestseller mit abfangen müssen.
www.verlag-torsten-low.de

Phantastik vom Feinsten

FeeamPC

Ich glaube, die 70%, die Amazon bei den Ebooks der Self-Publisher ausschüttet, haben den Autoren ziemlich gründlich den Blick für reale Marktzahlen verstellt. Amazon hätschelt natürlich die Self-Publisher, um sie an sich zu binden und eine gewisse Monopol-Stellung zu bekommen.
Wenn ich Ebooks verkaufe, nimmt der Zwischenhandel inklusive Amazon mir mindestens 40%, teils sogar 60% ab, und natürlich will Vater Staat noch seine 19% MWSt. Dann können am Ende weder für den Autoren noch für mich große Zahlen herauskommen. Auf jeden Fall kommen für die Autoren weniger als die 30% herum, die Amazon im ungünstigsten Fall den Self-Publishern gibt.

Und bei gedruckten Büchern sind die 5%, die Autoren normalerweise angeboten werden, ziemlich halbe-halbe vom Gewinn.
Das gilt für Kleinverlage wie für Großverlage.
Genau deshalb reagieren derzeit die Verlage so gepiekt auf dieses Urteil.

Wie ich schon sagte, eine goldene Nase verdient sich keiner, weder die Autoren noch die Verleger (außer, man heißt George R.R.Martin) ...

treogen

#42
Die ersten Auswirkungen sind schon mehr als deutlich sichtbar.

ZitatDie Reaktion der Zeitungsverleger kam prompt: Die verbandseigene Akademie, die bislang etwa 20.000 Journalisten besucht hätten, müsse voraussichtlich noch vor der Sommerpause Liquidation anmelden. Das VG-Wort-Urteil gefährde also die Aus- und Weiterbildung von Journalisten. Ein harter Vorwurf. Und zumindest ein bisschen ist dran, denn: Die Ausschüttungen der VG Wort waren ausdrücklich zweckgebunden, eben für die journalistische Ausbildung. Allein: Das war eine freiwillige Vereinbarung.

Und an den Zitat sieht man eigentlich, dass man da einfach keine Rückstellungen bilden kann.
ZitatBei einigen kleinen Buchverlagen sollen die Ausschüttungen der VG Wort bis zu einem Drittel des Umsatzes ausgemacht haben.

Wenn man für ein Drittel des Umsatzes Umsatzsteuer zahlen muss und sie mit in die Unternehmenssteuer mit reinrechnen muss, dann muss man sie auch verwenden. Sonst ist man ja komplett arbeitsunfähig.

http://www.deutschlandfunk.de/vg-wort-urteil-autoren-brauchen-geld-nicht-mit-verlagen.761.de.html?dram:article_id=352222

@Edit: Macht vielleicht Sinn, beide Threads zu vereinen?
www.verlag-torsten-low.de

Phantastik vom Feinsten

Grummel

Zitat von: Alia am 22. April 2016, 09:50:28
Ich schätze, dass es sich hier auch lohnen könnte, die noch nicht verjährten Ansprüche zurück liegender Ausschüttungen von der VG Wort zu verlangen.  ;D

Mal unabhängig vom anderen Thread, wäre ich da sehr vorsichtig bei der Rückforderung an den VERLAG, denn das kann ganz doll nach hinten für den Einzelnen und auch für alle Autoren gehen.
"Kaffee?"
"Ja, gerne."
"Wie möchtest du ihn?"
"Schütte ihn mir einfach ins Gesicht!"

Nycra

Zitat von: treogen am 28. April 2016, 17:36:55
@Edit: Macht vielleicht Sinn, beide Threads zu vereinen?
:wache!:
Da ich das genauso sehe, hab ich es einfach mal gemacht.