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Piratenpartei - Runder Tisch für Schriftsteller

Begonnen von Schommes, 05. Juni 2012, 10:03:49

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Zanoni

#30
Also Mitglied in dieser Partei bin ich nicht (obwohl ich vor 1 - 2 Jahren tatsächlich mal ernsthaft darüber nachgedacht hatte), aber ich auf jeden Fall Sympathisant.

Die meisten Themen und Positionen dieser Partei finde ich gut und wichtig, aber natürlich nicht gundsätzlich alle Einzelmeinungen jedes der vielen Parteimitglieder.

Die Themen Urheberrecht und Verwertungsrecht halte ich sehr wichtig und auch reformbedürftig. Ein Patentrezept habe ich selbst auch nicht, daher lasse ich derzeit alle Ansätze, Vorschläge, Kritiken und Befürchtungen auf mich wirken und wäge alles ab. Für mich persönlich ist das noch ein ziemlich ergebnisoffener Prozess. Ich finde die Diskussion spannend und notwendig, würde sie aber am liebsten in einem größeren Gesamtzusammenhang sehen. Denn es ist ja nicht nur in Kunst und Kultur so, dass diejenigen, welche die eigentliche schöpferische Leistung erbringen, am Ende das kleinste Stück vom Kuchen erhalten.

Grundsätzlich bin ich immer ein Fan von Wünschen und Visionen. Damit meine ich, dass ich es für sinnvoller halte, über die Ziele nachzudenken, bevor darüber diskutiert wird, wie und auf welche Weise diese erreicht werden sollen. Also einen Schritt zurück machen und die Eckpunkte definieren, wie die Situation zu einem bestimmten Zeitpunkt konkret aussehen soll. Wer soll was dürfen, können, sollen, bekommen oder auch nicht. Sobald es dazu einen gemeinsamen Konsens gibt, kann man in Ruhe darüber nachdenken, wie man das erreicht. Anders herum wäre so, als wenn alle schon mal ganz schnell los laufen, aber niemand weiß, wo das Ziel ist.


Zanoni

#31
Ach so, ganz vergessen zu erwähnen:

Grundsätzlich sollten wir uns die Erwartungshaltung abgewöhnen, bei den Piraten immer DIE EINE Meinung präsentiert zu bekommen, die ALLE Piraten vertreten. Das ist das Gedankenmodell der alten repräsentativen Demokratie (also das, was die etablierten Parteien praktizieren): Einer sagt, wo es langgeht und alle anderen nicken und folgen. Das gibt es bei den Piraten nicht! Sie praktizieren direkte Demokratie. Das heißt, jeder darf mitentscheiden. Das ist ein riesiger Unterschied, an den wir uns erst noch gewöhnen müssen (gerade die Medien scheinen besonders große Probleme damit zu haben).

Schommes

Zitat von: Maja am 07. Juni 2012, 18:49:28
Das klingt für mich ein wenig wie "Ich möchte hier meine Meinung darlegen können, nicht auf die Meinungen anderer eingehen müssen". Da wir hier das Glück haben, Vertreter beider Seiten anwesend zu haben - Volker ja nicht nur ein Piratensympathisant, sondern sitzt als solcher in der Bezirksverordnetenversammlung von Marzahn-Hellersdorf, ist also ein Teil genau jener Berliner Piraten, die den runden Tisch veranstalten -finde ich es wichtig, dass auch beide Seiten zu Wort kommen können.
Missverständnis: Ich wollte Meinungen sammeln um sie dort einzubringen, keine Piratendiskussion starten. Da brauche ich dann aber keine Piratenmeinungen, da die Piraten ihre eigene Meinung schon kennen. ;-)
Im Übrigen waren das nicht die Berliner, sondern die Bundespiraten, die das veranstaltet haben.

Schommes

#33
Mein Resümee zum runden Tisch der Piraten vom 7.6.:
Eine Kantine ist ein schlechter Ort für eine Debatte.
Permanentes Twittern währen des Gesprächs wirkt grenzmanisch und unhöflich auch wenn es von einer bekannten Transparenzaktivistin ausgeführt wird.
Fotografen, Schriftsteller und Journalisten sind kaum unter einen Hut zu bringen. Der Kollege Fotograf Karp, scheut sich nicht, die Wahrheit deutlich zu sagen und wurde damit absehbar zur Zielperson abfälliger Twitterkommentare während und nach des Panels. Frau Reuss vom Börsenverein liegt voll auf unserer Linie, aber hat sich leider während der Debatte nur selten laut geäußert.
Bruno Kramm ist ein amüsanter Demagoge und der inoffizielle Meinungsführer der Piraten zum Urheberrecht. Basisdemokratie hin oder her ... an ihm geht dort nichts vorbei. Ich bin mir noch nicht sicher, ob sein ,,Kulturmusszirkulierenismus" eher auf innerer Überzeugung oder der Lust am Profilieren beruht.
Daniel Neumann, der Verfasser des PA149 ist ein lieber Kerl, aber steht völlig in Brunos Schatten. Eigentlich sollte er ja offiziell der Moderator sein. Wer den Stream gesehen hat, weiß, dass er das nur auf dem Papier war. Meine Einschätzung, er wird in seinen nächsten Entwurf genau das Reinschreiben, was Bruno ihm sagt.
Anke Domscheit-Berg ist geprägt von ihrer eigenen DDR-Vergangenheit und daher eine strikte Verfechtern des ,,Kultur gehört allen"-Prinzips.
Überrascht hat mich Julia Schramm. Ganz entgegen der von ihr im Netz sichtbaren Äußerungen ist sie die einzig inhaltlich kompromissbereite aus der Führungsriege des Panels gewesen. Sie könnte sich vorstellen Filesharing ähnlich wie Schwarzfahren zu bestrafen. Auf jeden Fall jemand mit dem man reden kann. Aber – wie gesagt – an Bruno kommt da keiner vorbei.
Mareike Peter, die auch mit am Tisch saß, war die freundlichste und interessierteste von allen, meiner Einschätzung aber auch die jüngste und die, die am wenigsten zu sagen hat.
Inhaltliches Resümee: Mit Ausnahme von Julia Schramm dürfte Nichtkommerzielles Filesharing als Idealvorstellung bei den Piraten so bald nicht auszurotten sein. Immerhin ist ein Grundverständnis vorhanden, dass Buch- und Musikmarkt sich grds. unterscheiden, Buchverlage mit ihren Urhebern recht sorgsam umgehen und sogar größere Häuser wie Aufbau Verluste einfahren.  Konkrete Konzepte zur Finanzierung von Urhebern jenseits der bekannten gab es keine. Interessanterweise beriefen sich die Piraten mehrfach darauf, dass sie ja ohnehin absehbar keine Mehrheit hätten, ihre Ideen durchzusetzen. Interessant fanden alle Gesprächsteilnehmer die Idee eines öffentlichen Internetportals in den geistiges Eigentum FREIWILLIG zur allgemeinen Nutzung eingestellt werden kann.
Ob uns das alles weitergebracht hat, weiß ich nicht, aber es war den Versuch wert. Wer eine humorige Zusammenfassung lesen will, schaue bitte auf Spiralteppich.de

EDIT: Ach ja ... und ich habe mit Staunen gelernt, dass der Aufbauverlag seit Jahren einstellige Millionenverluste einfährt und nur weitermachen kann, weil hinter ihm ein einzelner, "kulturverrückter" (Zitat Justiziar des Verlages) Investor steht, der bis jetzt noch immer nachgeschossen hat.

Kaeptn

#34
Zitat von: Schommes am 08. Juni 2012, 10:08:17
Interessanterweise beriefen sich die Piraten mehrfach darauf, dass sie ja ohnehin absehbar keine Mehrheit hätten, ihre Ideen durchzusetzen.

Einer der Gründe, warum ich das ganze Bohei um die Piraten und ihre Positionen sowieso nicht nachvollziehen kann. Die können ja nicht nur nicht, die wollen ja nicht mal Regierungsverantwortung übernehmen (siehe Schleswig-Holstein). Dass die anderen Parteien sich von ihnen getrieben fühlen ist ja eine Sache, aber man sollte dann eher dafür sorgen, dass die Meinung der Parteien in die richtige Richtung geht, die letzen Endes über Reformen am Urherberrecht zu entscheiden haben.

Ich halte die Piraten für total überbewertet. Derzeit sind sie hipp, aber sie werden von einer Generation gewählt, die ihre Meinungen und Überzeugungen schnell ändert. Und wenn sich die Prozesse fortsetzen, das es mit der Ehrenamtlichkeit an der Parteispitze bald vorbei ist, wird auch diese Partei sich mehr und mehr in die übliche Richtung entwickeln. Leute auf gut dotierten Posten wollen diese Posten nunmal behalten ...

Darüberhinaus haben die Piraten ein ähnliches Problem wie die Grünen: Die Grünen wurden durch Fukushima nach ganz oben gespült, dann hat Merkel sich das Thema zu eigen gemacht und die Grünen sind wieder auf ihr Normalmaß geschrumpft. Wenn die Piraten weiter vor allem im Bereich Transparenz und Urheberrecht punkten, werden die anderen Parteien ihnen diese Themen einfach abknöpfen - und viel mehr haben die Piraten ja bislang auch nicht zu bieten.

Vor ein paar Jahren war noch die Linke der große Aufsteiger, nun sind es die Piraten, mal sehen was in 5 Jahren kommt.

Dennoch vielen Dank für deine Bemühungen Schommes!! Am besten gleich bei den anderen Parteien weitermachen ;)

Alaun

Vielen Dank Schommes für deine Mühe und den Bericht.
Tja, war das zu erwarten? Irgendwie schon. Ich bin gespannt, wie es sich weiter entwickelt.

Aphelion

Hallo TheaEvanda,

ich stimme dir in deinen Punkten zu - allerdings sind das keine Änderungen, die die piratenpartei im Auge hat. Deine Punkte finde ich durchaus wichtig, aber das ist denke ich eine andere Baustelle. Bei der Debatte wird ja v.a. das Autor-Verlag-Prinzip als solches angegriffen. Und da ist es tatsächlich eine Frage der freien Entscheidung, ob man sich darauf einlässt. (Ärzte und Krankenkassen sind vergleichbar - da würde vermutlich aber niemand auf die Idee kommen, das Zusammenspiel grundsätzlich abschaffen zu wollen.)

Missstände gibt es definitiv - aber der Grundgedanke von Verlagen und dem Handelssystem ist nicht falsch.

Und: Bei dem, was der piratenpartei vorschwebt, kann man wirtschaftlich erst recht einpacken. (Das heißt wie gesagt nicht, dass ich grundsätzlich Änderungen an der Gesetzeslage diesbezüglich falsch finde :) ; aber *diese* Änderungen gehen an der Realität und v.a. auch an uns Autoren vollkommen vorbei.)

* * * * * * * * * * * * * * *

Hallo Schommes,

danke für den Bericht. Mich wundert es allerdings ernsthaft, dass freiwiliges Zu-Verfügung-Stellen als großes Aha angepriesen worden zu sein scheint. Denn das hätte eigentlich vorher schon jedem bewusst sein müssen, dass es die Möglichkeit gibt (und auch schon praktiziert wird). Naja. ;)

Das mit Aufbau finde ich auch interessant... Hätte ich nie gedacht.

Schommes

Zitat von: Aphelion am 09. Juni 2012, 11:34:49
Mich wundert es allerdings ernsthaft, dass freiwiliges Zu-Verfügung-Stellen als großes Aha angepriesen worden zu sein scheint.
Das große Aha galt mehr der Idee hierfür eine Öffentlichrechtliche Plattform zu schaffen, quasi mit dem ÖR Fernsehen und Rundfunk als Vorbild, allerdings ohne GEZ.

Lomax

Zitat von: Schommes am 08. Juni 2012, 10:08:17Interessanterweise beriefen sich die Piraten mehrfach darauf, dass sie ja ohnehin absehbar keine Mehrheit hätten, ihre Ideen durchzusetzen.
Noch eine kleine Einschätzung von mir dazu: Das klingt auf den ersten Blick vielleicht dämlich, ist aber bei näherer Betrachtung eine durchaus vernünftige und verbreitete Vorgehensweise. Wenn man nicht die Möglichkeit hat, seine Forderungen so im Alleingang durchzusetzen wie Politiker ihre Diäten, dann ist es üblich, erst mal mit Maximalforderugen einzusteigen und von vornherein davon auszugehen, dass am Ende ein Kompromiss dabei herauskommt, der deutlich darunter liegt. Da kann es einem tatsächlich egal sein, wie realistisch manche dieser Maximalforderungen im Detail sind, weil das Arbeitsprinzip selbst mit mangelhaften Einstiegsforderungen funktioniert und man am Ende immer noch ein besseres Ergebnis dabei erzielt, als wäre man gleich mit realistischen Kompromissen in die Verhandlungen gegangen - und hätte dann noch mehr Zugeständnisse machen müssen.
  Das Prinzip kann man Jahr für Jahr beim Tariftheater beobachten, und auch in der Parteipolitik ist es usus (gerade bei der FDP habe ich den Verdacht, dass sie eine Menge solcher Punkte in ihrem Programm hat, die nicht nur unrealistisch sind, sondern die sie im Grunde selbst nicht will und die nur Drohkulisse für potenzielle Koalitionspartner sind, nach dem Motto: "Haltet mich bloß auf, sonst könnte ich ..."  :snicker:).
  Ich würde so eine Feststellung also durchaus als Beleg für die geforderte Professionalisierung bei den Piraten werten. Streiten kann man sich nur darüber, ob es besonders klug ist, das dann so offen anzusprechen - aber das ist dann halt nur ein Beleg für die Offenheit dieser Partei  :snicker:. Und praktisch gesehen ... ja mei. Bei den Gewerkschaften weiß auch jeder, dass es so ist, und es spielt eigentlich keine Rolle, ob es nun gesagt wird oder nicht. Wichtig ist nur, dass dass es funktioniert und dass es halt ausreicht, wenn die erste eigene Position nicht 1:1 für die Wirklichkeit, sondern nur für eigene Verhandlungen taugt und als Drohkulisse, um andere Parteien ein Stück in die eigene Richtung zu drängen. Und da gerade letzteres derzeit schon funktioniert (wie man beispielsweise in Schleswig Holstein derzeit beobachten kann, wo der designierte Ministerpräsident ja schon offen mit der stillschweigenden Duldung durch die Piraten rechnet, weil in seinem Koalitionspapier schon so viele "piratennahe" Ziele zu finden sind), haben die Piraten auch wenig Grund, sich da zu entradikalisieren, bevor sie in eine Position kommen, wo es an die konkrete Umsetzung geht.

Schommes

#39
Zitat von: Lomax am 10. Juni 2012, 12:39:54
Noch eine kleine Einschätzung von mir dazu: Das klingt auf den ersten Blick vielleicht dämlich, ist aber bei näherer Betrachtung eine durchaus vernünftige und verbreitete Vorgehensweise. Wenn man nicht die Möglichkeit hat, seine Forderungen so im Alleingang durchzusetzen wie Politiker ihre Diäten, dann ist es üblich, erst mal mit Maximalforderugen einzusteigen und von vornherein davon auszugehen, dass am Ende ein Kompromiss dabei herauskommt, der deutlich darunter liegt.
Kaufmännische Vernunft sozusagen. Das sehe ich im Prinzip so wie Du. Allerdings ist das Thema Legalisierung von nichtkommerziellem Filesharing eher ein digitales, denke ich.

EDIT: Hier der Link zur Aufzeichnung der Gesprächsrunde bei Youtube: http://www.youtube.com/watch?v=VePynP2gEHE

2nd EDIT: Und dann war da noch die SZ, die meinen Nach- und Nickname nicht auseinaderhalten kann (und woher sie letzteren überhaupt hat, ist mir schleierhaft): http://www.sueddeutsche.de/medien/piraten-und-urheber-im-dialog-dieses-werk-ist-mein-baby-1.1377172