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eBook-Bestsellerliste

Begonnen von gbwolf, 22. März 2012, 15:38:55

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gbwolf

Im Börsenblatt gibt es heute eine interessante Ankündigung: Ab sofort erscheint im Börsenblatt eine Bestsellerliste für eBooks, getrennt nach Belletristik und Sachbüchern.

http://www.boersenblatt.net/523556/

An der Zeit ist es dafür auf jeden Fall, das Thema explodiert momentan ja (Also, vor allem auch in den Bibliotheken).

Zanoni

Die Bestsellerliste für eBooks finde ich absolut klasse! So etwas hat wirklich gefehlt! :-)

Nur ... weiß jemand zufällig auf welcher Datenbasis diese Liste zusammengestellt ist? Mir scheint als würde sie nur die Titel berücksichtigen, die im VLB geführt sind - also die eBooks der "normalen" Verlage. Wenn man sich bspw. die Amazon-eBook-Bestsellerliste anschaut, sieht die ganz anders aus.

Falls das wirklich so sein sollte, fände ich es zwar verständlich (aus Sicht der etablierten Verlage), aber doch ziemlich wirklichkeitsverzerrend. Aktuell werden wohl rund 70% oder sogar schon 80% aller eBooks über Amazon verkauft. Das muss man zwar nicht gut finden, aber wenn es nun mal so ist, müssten sich dann nicht auch Amazons Bestseller - mehr oder weniger - in dieser Media Control eBook-Bestsellerliste finden lassen?

Nachdenkliche Grüße

Moni

Die Amazonbestseller sind aber genau das: Amazonbestseller.
In die allgemeinen Bestenlisten können nur E-Books einfließen, die im gesamten Buchhandel verfügbar sind. Also entweder über die Barsortimente, die ja mittlerweile auch E-Books anbieten, oder direkt über die Verlage. Amazon hat da teilweise Titel im E-Book Programm, die nur dort zu bekommen sind, das habe ich schon mehrmals festgestellt, wenn ich versucht habe, diese Titel über libreka! & co. zu finden.
Genauso läuft es ja auch mit den Spiegel- und Focus-Bestsellerlisten.
Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
und im weitesten Sinne auch von Dieter Bohlen[/i]
Stefan Quoos, WDR2-Moderator

»Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzigen Tages sinnvoll zu ordnen,
ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
Johann Wol

Zanoni

Hallo Moni,

das mag ja sein, dass das "so läuft", aber wirklichkeitsverzerrend ist es trotzdem.

Okay, vermutlich ist dies nicht der geeignete Thread für eine Grundsatzdiskussion, aber das offensichtliche Missverhältnis des augenscheinlichen Anspruchs dieser Liste reizt mein Gerechtigkeitsempfinden so stark, dass ich mich einfach nicht zurückhalten kann. (sorry)

Was die Verfügbarkeit in Barsortimenten und im gesamten Buchhandel als Maßstab für physische Bücher angeht, stimme ich dieser Vorgehensweise absolut zu und würde es selbst nicht anders machen. Bei eBooks ist es aber etwas völlig anderes. Diese digitalen Bücher werden nun mal nicht über den stationären Buchhandel verkauft (ob man das nun gut findet oder nicht). Also macht eine Vorgehensweise, die so tut als wäre es dennoch der Fall, auch überhaupt keinen Sinn. Sie besitzt null Aussagekraft, wenn das Hauptgeschäft ganz woanders stattfindet. Insofern ist sie überflüssig. Außer natürlich, sie hat in Wirklichkeit nur eine Alibifunktion, und dient nur dazu sich selbst etwas vorzumachen ... damit man die tatsächlich stattfindende Wirklichkeit noch ein wenig länger ignorieren kann.

Fakt ist doch, dass viele Verlage - gerade kleinere - mittlerweile direkt über Amazon verkaufen und die klassischen Vertriebskanäle dabei komplett übergangen werden. Keine Barsortimenter, kein Libreka und auch kein VLB. Wozu auch? Sie haben sich ja selbst überflüssig gemacht. Sogar beim VLB empfiehlt man, die bei Amazon veröffentlichten Mobipocket-eBooks nicht mit einer eigenen ISBN zu versehen, weil dort keine erforderlich ist (das habe ich selbst vor kurzem erlebt).

Kleines Beispiel: Irgendein phyisches Bestseller-Buch wird über diese "offiziell anerkannten" Kanäle (Sortimenter, Libreka u.ä.) vielleicht 20 oder gar 50 mal im Monat verkauft. In dieser sehr begrenzten Teilmenge mag das ja ein riesiger Erfolg sein, aber gleichzeitig verkauft sich ein Autoren-Selfpublishing-eBook namens "Berlin Gothic" über Amazon mehrere tausend Male - und trotzdem taucht es in dieser "offiziellen" Bestsellerliste nicht auf? Weil es ausschließlich bei Amazon käuflich ist? Was ist das denn? Grob wirklichkeitsverzerrend, meiner Ansicht nach!

Nee, nee - so wird das nichts. Man wird keinen lästigen Konkurrenten los, indem man ihn ignoriert und so tut als existiere er überhaupt nicht. Wen interessiert schon eine Bestsellerliste, die nur einen immer kleiner werdenden Teil der Realität abbildet?

Maja

Das Börsenblatt ist das Börsenblatt des Buchhandels, nicht das Börsenblatt von Amazon - was erwartest du, was darin steht? Natürlich beziehen sich die Zahlen auf den ganzen Buchhandel, das ist die Definition. Graue Literatur kann immer auch große Absatzzahlen erreichen, aber was nicht über den Sortimentsbuchhandel geht, wird sich in einer Sortimentsbestsellerliste per definitionem nicht wiederfinden.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Zanoni

#5
Ist ja richtig, in Sachen Interessensvertretung und Lobbyarbeit kann ich das absolut nachvollziehen. Und auch bei den physischen Bestsellerlisten halte ich diese Vorgehensweise und den Anspruch, der damit verbunden ist, für absolut richtig und nachvollziehbar. Nur nicht für eBooks - ebenfalls "per definitionem"!

Es handelt sich dabei um ein völlig anderes Medium mit völlig anderen Vertriebswegen. Da spielt der "ganze Buchhandel" nun mal keine Rolle (zumindest bisher). Trotzdem wird so getan, als wäre dies das Maß aller Dinge* ... und spätestens da wird es absurd.

* Nachtrag: Der Text in dem Artikel wurde zwischenzeitlich offenbar verändert und die Angaben relativiert. Jetzt sieht es also nicht mehr so aus, als würde diese Liste den gesamten eBook-Markt abbilden. Insofern hat sich meine Kritik erledigt. Denn, wenn ein Anbieter eine Bestsellerliste aller über ihn vertriebenen (bzw. gelisteten) eBooks veröffentlicht und das auch so sagt, dann ist dagegen natürlich nichts einzuwenden.

gbwolf

Da ich schon überlegt hatte, ob das Thema zu umfangreich für die Büchernews ist, habe ich den Strang abgetrennt und hierher verpflanzt. Also nicht wundern.

Über das Zustandekommen der Liste gibt es auch bei Montségur eine nette Diskussion: http://autorenforum.montsegur.de/cgi-bin/yabb/YaBB.pl?num=1332427404

Insgesamt denke ich, dass es auf jeden Fall ein Anfang ist um wir noch sehen werden, wie sich alles entwickelt. Vor allem stehen da zwei gegeneinander, die ihr jeweiliges Hoheitsgebiet verteidigen (Sonst würde Amazon auch ein Format verwenden, das für alle Reader lesbar ist).

Noch ein interessanter Diskussionansatz über eBooks: http://www.scifinet.org/scifinetboard/topic/12341-ebooks-alternative-zu-print/page__view__findpost__p__220421
Also, eigentlich wird im SF-Netzwerk schon länger diskutiert, aber Karl Olsberg bringt neben einem bekannten Namen noch ein paar andere Thesen auf den Tisch. Gleichzeitig startet er übrigens ein eigenes Shared-World-Projekt (Siehe Autorenwerkstatt im SF Netzwerk).

gbwolf

Da die Bestsellerliste polarisiert und sich noch in den Kinderschuhen befindet, habe ich die Diskussion noch einmal abgetrennt und ein eigenes Thema daraus gemacht.

Gerade heute äußert sich Media Control in einem Interview im Börsenblatt zum Zustandekommen der Zahlen. Ein bisschen vage natürlich, aber mit einigen interessanten Äußerungen, vor allem zur Debatte der Kindle-eBooks und der sehr günstigen eBooks um 99 Cent: http://www.boersenblatt.net/526209/

Besonders interessant finde ich diese beiden Passagen:
Zitat von: BörsenblattDamit ein Titeln in den Charts publiziert wird, muss er von mindestens zwei unterschiedlichen Händlern geliefert werden.
Allein das schließt die meisten Kindle-eBooks aus. Gewinnen können hier allerdings Kleinverlage, die sowohl für den Kindle, als auch auf anderen Plattformen anbieten. Nur könnte es dann durch die Buchpreisbindung sein, dass man auf anderen Plattformen ähnlich niedrig anbieten muss oder für Amazon so teuer wird, dass man nicht in die Top-Rankings kommt (Die meisten schaffen das ja noch immer durch kostenfrei-Werbeaktionen und 99-Cent-Kampfpreise),

Zitat von: BörsenblattWir berücksichtigen alle Verkäufe und verarbeiten sie nach definierten Chart-Regeln. Hierbei hat natürlich auch ein Self-Publishing-Autor die gleiche Chance. Einen Filter "nur Verlage" gibt es nicht.
Wobei das theoretisch auch für PoD-Titel gelten dürfte.

Zanoni

Danke Wölfin, sehr interessant.

Um die Beantwortung der Frage, ob sie den mit deutlichem Abstand größten eBook-Shop in Deutschland - Amazon - nun mit in ihre Berechnung einbeziehen oder nicht, sind sie ja schön herumgeiert, aber zumindest haben sie jetzt klare Kriterien aufgestellt, an denen sich diese Bestsellerliste orientieren soll. Das ist schon mal gut. Wobei diese Kriterien - wie es der Zufall will - geschickt so gestaltet sind, dass der größte Teil der Selfpublisher von Anfang an herausfällt. Klar, nachvollziehbar aus Sicht der Auftraggeber dieser Media-Control-Dienstleistung.

Spannend finde ich allerdings, dass etliche Selfpublisher bereits auf die Idee gekommen sind, ihre Werke auch anderswo anzubieten. Mal schauen, welche Auswirkungen das auf Dauer haben wird ... oder ob die Kriterien der Bestsellerliste später nicht doch noch mal "optimiert" werden. *g*

Den in diesem Zusammenhang immer wieder erwähnten Titel "Berlin Gothic" habe ich jedenfalls gerade bei einem Spontantest im Weltbild-Shop gefunden. Dort ist er jedoch - zu meinem Erstaunen (ohne selbst ein Fan dieses Romans oder Autors zu sein) - keineswegs unter den Bestsellern zu finden. Wenn wir davon ausgehen, dass die Sortierung "Empfehlungen" gemäß den Weltbild-Interessen, aber die Sortierung "Bestseller" den tatsächlichen Verkäufen zusammengesetzt ist, dann müsste dieser Titel dort wirklich sehr viel schlechter laufen als bei Amazon. Als einzig plausible Erklärung dafür könnte ich mir vorstellen, dass der Hype um diesen Titel bereits durch ist ... Zenit erreicht und überschritten. Was jedoch in gewisser Weise auch schade ist, weil er damit nicht mehr als Hilfmittel zum Prüfen der MediaControl-Bestsellerliste taugt. Wenn man wenigstens wüsste, ob der Titel schon im Januar bei Weltbild verfügbar war ... aber so?!

Na ja, gut. Es bleibt weiter spannend. Sehr ermutigend finde ich jedenfalls die Tatsache, dass die Betreiber dieser Bestsellerliste sich so schnell zu mehr Transparenz und Offenheit genötigt sahen ... auch wenn m.M.n. noch nicht der Idealfall erreicht ist. Aber das wird schon noch ...