• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Adonia Barum Gräfin zu Dörenberg, Hexe mit schlimmer Kindheit

Begonnen von Biene, 13. März 2022, 10:11:18

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 2 Gäste betrachten dieses Thema.

Biene

Kurz zur Vorgeschichte: Adonia wuchs als Kind einer Bettlerin auf. Sie hat in ihrer Kindheit Gewalt, Ablehnung und Not erfahren. Sie war 14 als sie von einer Hexe in deren Hütte gelockt wurde. Die Hexe wollte ihre Lebensenergie rauben, um sie sich selbst einzuverleiben und als Grundlage für ihre Unsterblichkeit und magischen Kräfte zu nutzen. Adonia wehrt sich, es kommt zu einem Unfall, bei dem die Hexe stirbt und ihre Kräfte auf Adonia übergehen und sie so zur Hexe wird. Adonia nutzt ihre Kräfte, um sich am Grafen zu Dörenberg zu rächen. Er hatte ihre Mutter, eine Küchenmagd auf seinem Schloss, verführt, geschwängert, dann vom Schloss gejagt und sie so in das Elend gezwungen, das Adonias Kindheit bestimmt hat. Adonia heiratet den Grafen, ermordet dann ihn und seine Nachkommen und eignet sich so seinen Besitz an. Seitdem unterdrückt sie die Menschen in der Grafschaft Dörenberg, da sie ihnen nicht verzeihen kann, dass sie ihrer Mutter nicht geholfen haben.

Nun denn. Meine Zofe Danika behauptet, dass ich Euch vertrauen kann, dass das hier Gesprochene den Raum nicht verlässt und dass es mir guttun würde, wie auch immer ich das verstehen soll. Da ich ihr vertraue, will ich mich darauf einlassen, auch wenn ich nicht genau weiß, wozu das dienen soll. Im Gegenzug verspreche ich, dass ich Euch für Eure Fragen und ehrlichen Worte nicht bestrafen werde.
Tu erst das Notwendige, dann das Mögliche, und plötzlich schaffst du das Unmögliche. (Franz von Assisi)

Der Inspektor

#1
Erstmal vorab: Wow. Das klingt sehr, sehr düster und sehr, sehr spannend. Würde ich sofort lesen.

Zitat von: Biene am 13. März 2022, 10:11:18
Im Gegenzug verspreche ich, dass ich Euch für Eure Fragen und ehrlichen Worte nicht bestrafen werde.
Ich danke Euch, verehrte Gräfin, für diese Gnade. In Dörenberg erzählt man sich ja so manches über Euch - nun, es sind zweifellos alles Lügen, und es ist nicht so, dass ich den hässlichen Gerüchten über das Schicksal des Grafen und seinen Nachkommen Glauben schenken würde - aber es gibt doch einige Fragen, die mich umtreiben.
Im Dorf hörte ich, Ihr würdet den Pöbel zuweilen (und sicher zurecht) recht grausam bestrafen. Auch hörte ich aber, Ihr wäret in ebendiesem Pöbel geboren und aufgewachsen. Ihr kennt die Nöte des gemeinen Volkes und ebenso kennt Ihr die Menschen. Unter einem Grafen musstet Ihr selbst schon leiden. Zweifelt Ihr nicht manchmal, wenn Ihr die Leute leiden lasst? Habt Ihr nicht Mitleid mit Euren alten Freunden und Verwandten? Denkt Ihr nicht, Ihr solltet dem Volk eine bessere Herrscherin sein, als es der Graf vor Euch war? Und zuletzt, und bitte verzeiht mir diese absurde Vorstellung, macht Euch Eure Rache nicht unglücklich oder einsam?
"Ich habe die Schlimmste aller Sünden begangen, die ein Mensch begehen kann. Ich war nicht glücklich." -Jorge Luis Borges, Die Reue

Biene

ZitatIm Dorf hörte ich, Ihr würdet den Pöbel zuweilen (und sicher zurecht) recht grausam bestrafen. Auch hörte ich aber, Ihr wäret in ebendiesem Pöbel geboren und aufgewachsen. Ihr kennt die Nöte des gemeinen Volkes und ebenso kennt Ihr die Menschen. Unter einem Grafen musstet Ihr selbst schon leiden. Zweifelt Ihr nicht manchmal, wenn Ihr die Leute leiden lasst? Habt Ihr nicht Mitleid mit Euren alten Freunden und Verwandten? Denkt Ihr nicht, Ihr solltet dem Volk eine bessere Herrscherin sein, als es der Graf vor Euch war?

Nun Inspektor, meine Mutter hatte weder Verwandte noch Freunde in den Dörfern. Ich will Euch nicht mit Details aus meiner Vergangenheit langweilen, doch soviel sei gesagt:
Meine Großmutter folgte ihrem Mann, einem Soldaten, in seine Heimat nach Albach, doch er verließ sie, kurz nachdem meine Mutter geboren war. Der Bauer, bei dem meine Großmutter sich ihr Brot verdiente, hatte Mitleid und gab ihr weiter Arbeit. Doch sie starb an einem Fieber, als meine Mutter gerade sechzehn Jahre alt war. Weil sie mit ihrer Schönheit den jungen Burschen den Kopf verdrehte und sie von der Arbeit abhielt, musste sie den Hof verlassen. Sie fand eine Anstellung als Küchenmagd im Schloss. Der Graf, von ihrer Schönheit angetan, verführte sie. In ihrer Hoffnung auf ein besseres Leben gab sie sich ihm hin. Doch für ihn war sie nur ein Zeitvertreib und als sie ein Kind von ihm erwartete, wurde sie zur Last. Ohne Verwandte war sie ganz auf sich gestellt, nachdem man sie vom Schloss gejagt hatte, schwanger und mit nichts als den Kleidern auf dem Leib. Sie bat bei den Bauern um eine Stelle als Magd, doch niemand nahm sie auf. Das hat sie mir immer wieder erzählt. Sie nutzen dich nur aus. Sie sind freundlich, wenn sie etwas wollen und wenn sie es haben, brechen sie dir das Herz. Es ist besser, niemandem zu vertrauen.

Und was meine Untertanen angeht: Sie verdienen jegliche Strafe, die ich ihnen aufbürde. Sie haben meiner Mutter und mir nicht einmal die kläglichen Reste aus dem Abfall gegönnt, haben nach uns geschlagen, wann immer wir nach Essbarem suchten. Sie haben uns immer wieder aus dem Dorf gejagt. Ich habe kaum geschlafen, aus Furcht, dass sie uns auch aus der zerfallenen Köhlerhütte jagen, in der wir Unterschlupf gefunden hatten. Meine Mutter musste ihren Körper verkaufen, damit wir nicht verhungern. Bei jedem Mann hat sie gehofft, dass er sie aufnimmt, dass das Elend ein Ende hat. Doch sie hat vergebens gehofft, sie wurde nur benutzt und dann allein gelassen. Sie haben keine Gnade gezeigt und darum werde ich jeden Kreuzer aus ihnen herauspressen, sodass sie erfahren, was es heißt Hunger zu leiden und im Winter frieren zu müssen. Und wenn sie nicht bezahlen können, dann sollen sie im Steinbruch schuften. Und wenn sie es wagen aufzubegehren, werde ich sie bestrafen. Es ist mein Land, es sind meine Regeln und meine Söldner setzen sie gnadenlos durch. Warum soll ich Mitleid haben, wenn niemand mit uns Mitleid hatte?
Danika versucht immer wieder mein Mitgefühl zu wecken, doch sie hat nicht erlebt, was ich erlebt habe, sie kann es nicht verstehen. Wenn ich nachgebe und Schwäche zeige, werden sie wieder kommen und mich verjagen und mir Leid antun. Das kann ich nicht zulassen. Ich bin Adonia Barum Gräfin zu Dörenberg! Niemand kann mir mehr etwas antun!

ZitatUnd zuletzt, und bitte verzeiht mir diese absurde Vorstellung, macht Euch Eure Rache nicht unglücklich oder einsam?

Wer ist schon glücklich? Ich weiß gar nicht richtig, was das bedeuten soll. Und ich bin mein Leben lang einsam gewesen. Meine Mutter hat mich zwar versorgt, aber sie hatte keine Kraft, mich zu lieben, wie auch immer das sein soll. Sie hat mich gelehrt, keinem zu vertrauen. Und so halte ich es. Es ist besser so. So kann mich niemand verletzen.
...
Nur Danika ist anders. Sie schafft es, dass ich mich in ihrer Gegenwart wohl fühle und gibt mir das Gefühl, ein wertvoller Mensch zu sein. Sie hasst mich nicht und sorgt sich um mich. Das fühlt sich gut an, fast zu gut, um wahr zu sein.
Aber sie ist eben nur ein einzelner Mensch, eine Ausnahme. Meine Untertanen sind anders. Vor ihnen bin ich nur sicher, wenn sie mich fürchten. Und wenn das heißt, einsam zu bleiben, dann ist es so.

Tu erst das Notwendige, dann das Mögliche, und plötzlich schaffst du das Unmögliche. (Franz von Assisi)

Zauberfrau

Seid gegrüßt, Adonia, Gräfin von Dörenberg,

Ihr habt eine sehr bewegte und erschreckende Kindheit erfahren. Hier möchte ich gerne ein wenig mehr wissen.
Wie habt Ihr es geschafft, ganz allein im zarten Alter von 14 Jahren die mächtige Hexe zu bezwingen? Hab Ihr selbst den Unfall herbeigerufen, der dem bösen Weib zum Verhängnis wurde? Und was mich auch brennend interessiert: Wie ist die Magie dieser mächtigen Frau auf Euch übergegangen? Wie habt Ihr gelernt damit umzugehen? Habt Ihr die magischen Bücher Eurer Peinigerin entziffern und aus ihnen lernen können? Wie lange hat es gedauert, bis Ihr Euch stark genug fühltet, Euch eurem Vater und Verführer Eurer Mutter entgegenzustellen?

Zum Verhältnis zum Grafen: Er ist Euer Vater. Wie habt Ihr es geschafft, dass er sich mit Euch vermählen wollte? Ein besonderer Liebeszauber? Habt Ihr Euch selbst mit Transformationsmagie unkenntlich gemacht? Und auch wenn er sich Eurer Mutter gegenüber nicht aufrichtig verhalten hat, müssen doch auch an ihm Eigenschaften gewesen sein, die Euch durch Euer eigenes Wesen nicht unbekannt waren. Ist Euch der Vatermord da tatsächlich so leicht von der Hand gegangen? Ebenso frage ich mich das auch in Hinblick auf Eure Halbgeschwister.
Und nachdem Ihr das Leben Eurer Vaterlinie ausgelöscht hattet: Warum  muss das Blutbad den Untertanen gegenüber weitergehen? Waren wirklich alle Dörenberger schlecht zu Eurer Mutter? Habt Ihr keine Vertrauten in Eurem Leben kennenlernen dürfen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Euer Herz nur aus Eis besteht.
Was ist mit Eurer Zofe Danika? Ihr sagt, dass sie anders ist. Was macht sie so besonders, dass Ihr ihr vertraut? Ist es nur der Umstand, dass sie die einzige zu sein scheint, die euch nicht hasst? Ihr scheint viel von ihrer Urteilskunst zu halten, sonst würdet Ihr Euch nicht wildfremden Menschen zu einer Fragerunde stellen.

Ich danke Euch, dass Ihr mir für eine kurze Zeit Euer Ohr schenktet und freue mich sehr über offene und ehrliche Antworten.

Mit großer Ehrerbietung von der
Zauberfrau

Biene

#4
ZitatWie habt Ihr es geschafft, ganz allein im zarten Alter von 14 Jahren die mächtige Hexe zu bezwingen? Hab Ihr selbst den Unfall herbeigerufen, der dem bösen Weib zum Verhängnis wurde? Und was mich auch brennend interessiert: Wie ist die Magie dieser mächtigen Frau auf Euch übergegangen?

Zauberfrau, Ihr seid sehr neugierig. Das macht mich misstrauisch. Wer viele Fragen stellt, führt oft etwas im Schilde. Also seid gewarnt. Wahrt Eure Verschwiegenheit über das Gesprochene, sonst wird es Euch schlecht ergehen.
Meine Verwandlung bereitet mir oft Albträume. So sehr ich sie auch vergessen will, bringt sie mich doch immer wieder um meinen Schlaf. Ich kann mich noch erinnern, als ob es erst geschah. Meine Mutter war vor drei Wintern gestorben, wahrscheinlich erschlagen vom Bäcker oder vom Krämer. Sie konnte es mir nicht mehr sagen. Seit ihrem Tod war ich wirklich allein, musste allein für mich sorgen. Ich sammelte gerade Beeren im Wald, als mich eine alte Frau ansprach. Ich hatte sie noch nie gesehen, sie schien freundlich zu sein. Sie bot mir Tee in einer Flasche aus gebranntem Ton an und ich nahm ihn, denn ich war durstig. Es hatte seit Tagen nicht geregnet und das Wasser im Tümpel schmeckte faulig. Der Tee schmeckte gut, aber er hinterließ ein Brennen auf der Zunge. Das war merkwürdig. Sie bedrängte mich weiterzutrinken, also tat ich als ob. Dabei beobachtete sie mich scharf. Ich spürte, dass etwas mit ihr nicht stimmte. Ich wollte weg, doch etwas hielt mich zurück. Sie wollte, dass ich mit ihr gehe, wollte mir zu essen geben. Mein Verlangen zu fliehen wurde schwächer und ich hatte wirklich großen Hunger. Die Beeren waren das Einzige, das ich an diesem Tag gefunden hatte. Mein Verstand war vernebelt, ich konnte ihren Befehlen nicht widerstehen.
Heute weiß ich, dass sie in den Tee den Gehorsamkeitstrank gemischt hatte. Dass ich nur einen Schluck trank, rettete mich.
Ich folgte ihr in ihre Hütte tief im Wald, dort war ich noch nie gewesen. Die Hütte war hell und freundlich. Auf einer Kommode neben dem Kamin stand eine kleine, sehr alte Truhe und sie wollte, dass ich hineinsehe. Mein Verstand regte sich, kämpfte gegen den Nebel an. Mein Unbehagen wuchs. Ich schüttelte den Kopf, das machte mich schwindelig. Ich trat einen Schritt zurück, sah mich nach einem Weg nach draußen um, doch sie stand zwischen mir und der Tür. Ihr Gesicht verzerrte sich vor Wut. Nun bekam ich wirklich Angst. Was immer sie wollte, es war nichts Gutes. Bevor ich weiter zurückweichen konnte, packte sie mich mit erstaunlicher Kraft und zerrte mich zur Truhe. Sie war so stark. Ich wehrte mich mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte. Strampelte, kratzte, warf mich hin und her, schrie. Alles in mir drängte mich zur Flucht, ich war außer mir vor Furcht, ich wollte weg, weit weg. Meine Gegenwehr muss sie überrascht haben. Sie stolperte, stieß mit dem Kopf heftig gegen den Kaminsims und fiel ins Feuer. Ich stand wie erstarrt davor, mein Arm schmerzte, wo sie mich gepackt hatte. Ich wollte verschwinden, doch konnte nur ins Feuer starren, dass die Alte auffraß, als wäre sie trockenes, dünnes Reisig.
Die Hütte um mich herum verschwamm und als ich wieder klar sehen konnte, sah ich Kräuterbüschel von der Decke hängen, Regale vollgestopft mit Flaschen und Krügen. Mir dämmerte es, dass ich im Haus einer Hexe war, einer echten Hexe. Schon machte ich den ersten Schritt in Richtung Tür, als sich aus der Asche der Hexe eine grüne Wolke erhob. Bevor ich mich versah, hüllte sie mich ein, drang in mich ein, in meinen Mund, in meine Nase, meine Ohren. Meine Haut brannte wie Feuer, ich konnte nichts sehen, jeder Atemzug war eine Qual. Es tat so weh, solche Schmerzen hatte ich noch nie erleiden müssen. Ich fiel auf die Knie, wälzte mich auf dem Boden, die Schmerzen fraßen sich immer tiefer, bis ich keine Luft mehr bekam ... keine ... Luft ...
... kann ... nicht ...
... brauche ...Ruhe


( Adonia muss sich jetzt erst mal beruhigen, nicht umsonst hat sie Albträume davon. Morgen geht es weiter.  ;))
Tu erst das Notwendige, dann das Mögliche, und plötzlich schaffst du das Unmögliche. (Franz von Assisi)

Biene

#5
ZitatWie habt Ihr gelernt damit umzugehen? Habt Ihr die magischen Bücher Eurer Peinigerin entziffern und aus ihnen lernen können? Wie lange hat es gedauert, bis Ihr Euch stark genug fühltet, Euch eurem Vater und Verführer Eurer Mutter entgegenzustellen?

Zum Verhältnis zum Grafen: Er ist Euer Vater. Wie habt Ihr es geschafft, dass er sich mit Euch vermählen wollte? Ein besonderer Liebeszauber? Habt Ihr Euch selbst mit Transformationsmagie unkenntlich gemacht? Und auch wenn er sich Eurer Mutter gegenüber nicht aufrichtig verhalten hat, müssen doch auch an ihm Eigenschaften gewesen sein, die Euch durch Euer eigenes Wesen nicht unbekannt waren. Ist Euch der Vatermord da tatsächlich so leicht von der Hand gegangen? Ebenso frage ich mich das auch in Hinblick auf Eure Halbgeschwister.


Verzeiht Zauberfrau ich habe etwas länger gebraucht, aber warum musstet Ihr mich daran erinnern? Ich frage mich, was es nützen soll, dass ich mich so quäle. Aber ich will Eure Fragen weiter beantworten. Täte ich es nicht, würde ich Danika enttäuschen.
Ich musste ohnmächtig geworden sein, denn ich fand mich auf dem Boden liegend wieder. Die Erinnerung überfiel mich und ich kam schnell auf die Füße, um diesen fürchterlichen Ort zu verlassen. Ich stand schon in der Tür, als sich mein Hunger wieder meldete. Wieso sollte ich nicht noch schnell nach Essbarem suchen, bevor ich verschwinde? Ich sah mich in der Hütte um. Sie war vollgestopft mit faszinierenden Dingen. Ich fand das Buch. Es war alt und oft benutzt. Ich konnte nicht widerstehen und fing zu lesen an, die Schrift war schwer zu entziffern, teilweise schon verblasst, an anderer Stelle waren die Buchstaben mit neuer Tinte nachgezogen. Es enthielt Zaubersprüche, Rezepte für Zaubertränke. Ich erfuhr, dass die Truhe die Quelle der Kraft der Hexe gewesen war. Nun meiner Kraft. Und sie war die Quelle ewiger Jugend. Mein Herz klopfte wild, meine Gedanken überschlugen sich. Was konnte ich mit dieser Kraft, mit dieser Macht alles anfangen? Ich musste nie mehr Not leiden, niemand konnte mir mehr weh tun, ich war stärker als sie, mächtiger als sie. All die Schläge kamen mir in den Sinn, der Hunger, die Kälte im Winter. Nun konnte ich sie leiden lassen, konnte ihnen das antun, was sie mir angetan haben, so wie ich es mir immer vorgestellt habe, wenn Angst mich zu überwältigen drohte.
Ein Plan reifte langsam in mir, gab mir Kraft und zum ersten Mal in meinem Leben das Gefühl, sicher zu sein. Ich würde meine Mutter rächen, der Graf sollte mit seinem Leben bezahlen, denn die Vertreibung aus dem Schloss hatte ihr letztendlich das Leben gekostet. Wenn ich mir den Besitz des Grafen aneignen könnte, würden auch die Bewohner in den Dörfern unter meiner Herrschaft stehen. Dann könnte ich ihnen all die Dinge antun, von denen ich so oft träumte. Es fühlte sich gut an. Der Gedanke, dieser Plan hat mich glücklich gemacht.
Ich übte mich fast zwei Jahre in der Zauberkunst. Manche Dinge gelangen mir recht schnell. Der Wirklichkeitszauber war schwierig. Man durfte bei der Herstellung des Wirklichkeitspulvers keinen noch so kleinen Fehler begehen und es dauerte fast ein Jahr bis ich den Zauber leidlich beherrschte. Er eröffnete mir eine neue Welt, in der ich mich unerkannt bewegen konnte. Ich sah nicht mehr wie die Bettlerin aus, die es zu vertreiben galt, ich war eine feine Dame, der man Respekt zollte. Ich streifte durch die Dörfer. In Loverna gab und gibt es immer noch einen Buchladen. Damals kam der Buchdruck in Mode und plötzlich gab es viele Bücher aus aller Welt. Kennt Ihr die gedruckten Bücher? Ich liebe ja Reiseberichte. All diese wundervollen fremden Welten. Aber ich schweife ab. Ich kaufte Bücher über Benimmregeln und alles was ich an Informationen über den Adel und seine Lebensweise finden konnte. Wieder übte ich, sprach mit den Bäumen und Rehen, bis ich in gewählter Ausdrucksweise Konversation betreiben konnte. Die Regeln bei Tische, schrecklich, wozu nur braucht man so viele Gabeln und Löffel? Aber ich gab nicht auf. Nach ungefähr zwei Jahren war ich bereit. Der Graf hielt seine jährliche Jagd ab, eine Angewohnheit, die ich übernommen habe, man danach ein schönes Fest feiern. Ich wusste, wo ich ihn finden würde und täuschte eine Gräfin in Not vor. Es war ein Leichtes, ein passendes Kleid zu kaufen, mit dem Wirklichkeitszauber wurde aus einem Karren und einem Esel eine Kutsche mit Pferd. Einem Bauernmädchen und ein alter Soldat zahlte ich ein paar Heller, dass sie mir als Kammermädchen und Kutscher dienten. Mit dem Gehorsamkeitstrank sorgte ich dafür, dass sie keine dummen Dinge anstellten. Ein Rad der Kutsche war gebrochen und so wartete ich auf die Jagdgesellschaft, dass sie mich finden würde. Mein Plan ging auf. Der Graf war von meiner Schönheit augenblicklich angetan. – Seine Frau war im Jahr zuvor gestorben und er hatte noch nicht wieder geheiratet. – Er erkannte mich nicht, er schien meine Mutter komplett vergessen zu haben. Er lud mich auf das Fest nach der Jagd ein und es war ein Leichtes, ihm meinen Liebestrank in den Wein zu mischen. Ich habe ihn nie als Vater gesehen, oder seine Kinder als meine Geschwister. Sie haben sich nie um meine Mutter geschert, sie sind nie meine Familie gewesen. Ich kannte ihn nur aus den Erzählungen meiner Mutter, wie er sie belogen und dann benutzt hat. Als er hatte, was er wollte, war sie nur noch eine Last. Er hat ihre Hoffnungen zerstört, ihr das Herz gebrochen. Immer und immer wieder hat sie mich gewarnt. Ich darf nicht vertrauen, ich darf niemanden an mich heranlassen. Sie sind nur freundlich, wenn sie etwas wollen und dann nutzen sie dich aus. Ich hasste ihn und seine Brut mit ihm. Ich konnte es kaum erwarten ihn endlich den verdienten Tod zu bringen. Es dauerte nicht lange, bis er um meine Hand anhielt und damit hatte ich ihn in der Hand. Er hat bis zu seinem Tod nicht erkannt, wer ich bin und auch nicht, als ich es ihm sagte, als er letztendlich von dem Gift starb, dass ich ihm zusammen mit dem Liebestrank in den Wein mischte.
Ich hatte nun seinen Besitz, die Gewalt über die Grafschaft Dörenberg. Ich hätte glücklich sein müssen, mich frei und sicher fühlen, doch sein Tod hat mich nicht von der Angst befreit. Noch immer quält mich die Angst, vor Schlägen, Ablehnung und Vertreibung. Und immer wenn ich unerkannt durch die Dörfer streife, zeigt mir das, was ich höre, dass ich gut daran tue, auf der Hut zu sein.
Nun Zauberfrau, es ist Zeit für das Abendmahl, ich bin hungrig. Weitere Fragen werde ich in den nächsten Tagen beantworten.
Tu erst das Notwendige, dann das Mögliche, und plötzlich schaffst du das Unmögliche. (Franz von Assisi)

Zauberfrau

Werte Gräfin, habt Dank für Eure ausführliche Auskunft.

Leider frisst sich Eure Kälte gegenüber Euren Mitmenschen tief in mein Herz.
Ich suchte ein wenig Wärme in Euch. Aber Eure Antworten lassen mir frieren.
Wenn ich Eure Vita lesen müsste, würde ich das Buch zur Seite legen, denn ich kann Euer hartes Herz nicht nachvollziehen.
Ich hatte bei meinen Fragen gehofft, ein wenig Wärme in den Antworten zu finden. Aber Ihr sinnt nur nach Rache und Grausamkeiten.
Die grausamen Erlebnisse streite ich Euch nicht ab, sondern glaube, was ich von Euch höre. Aber Eure Reaktionen zeigen mir, wie sehr Ihr die Grausamkeiten von Euren Peinigern kritiklos übernommen habt. Und so sehr Ihr auch beteuert, dies alles nur zu tun, weil Ihr Eure Mutter und Euer trauriges Leben rächen wollt, so kann ich nicht mitfühlen, da sich um Euer Herz zu viel Eis gesammelt hat.

Inständig hoffe ich für Euch, dass Ihr einen Weg findet, die Wärme in Euer Herz zu lassen. Damit Ihr am Ende Eures Lebens wohlwollend auf Euch und die Welt zurückschauen könnt.

Ansonsten lebt wohl. Rächt, was Ihr rächen wollt. Quält, mordet und erniedrigt Eure Untertanen. Aber lasst mich dies nicht wissen. Denn mir brechen solche Eigenschaften wie Kaltschnäuzigkeit und Überheblichkeit das Herz.

Mit einer hochoffiziellen Verbeugung verabschiede ich mich und verlasse rückwärts und mit dem Blick gesenkt den Audienzsaal.

Die Zauberfrau

Biene

#7
Nun Zauberfrau, wenn es Euer Wunsch ist zu gehen, dann will ich Euch ziehen lassen.
Es ist schade, denn gerade fing ich an, mich an Euch zu gewöhnen und in den letzten Antworten hättet Ihr vielleicht gefunden, was Ihr gesucht habt. Gerne hätte ich Euch von meiner Zofe Danika erzählt. Sie stellt die gleichen Fragen wie Ihr. Seid Ihr gar wie sie, freundlich zu anderen ohne Hintergedanken? So wie auf diese Fragerunde hatte ich beschlossen, mich auf ihre Fragen und Antworten einzulassen und sie nicht für ehrliche Worte zu bestrafen, selbst wenn sie mir missfallen. Sie lässt mich alles erneut durchleben und tatsächlich, unter all dem Hass, den Warnungen meiner Mutter, entdecke ich doch nach und nach Erinnerungen, die zeigen, dass meine Mutter vielleicht Unrecht hatte. Ich finde dann ein wenig Ruhe, die Angst verblasst für kurze Zeit. Ich hätte nie für möglich gehalten, dass es auf andere Art und Weise geht.
Niemals würde ich es außerhalb dieser Runde zugeben, aber ich bin des Hassens müde. Es ist so anstrengend, es saugt mich aus und nimmt mir jegliche Freude, denn zu hassen quält mich nicht weniger als meine Angst.  Doch wie soll ich meiner Angst entkommen? Sie wird jedes Mal angefacht, wenn ich den Hass meiner Untertanen spüre, wenn ich die Warnungen meines Verwalters und meiner Söldner höre, dass sie etwas planen müssen, dass etwas im Gange ist. Ich weiß nicht, wie ich dem anders begegnen soll als mit Strafe und Unterdrückung. Wenn ich Schwäche zeige, werden sie sich nicht an mir rächen und mir Leid zufügen? Danika sagt, dass Mitgefühl und Freundlichkeit zurückkommen. Es hört sich immer so einfach an, wenn sie davon spricht. Doch ich weiß nicht, wie ich es machen soll, es erscheint so unendlich schwierig. Oft denke ich über einen Neuanfang nach. Was kommt dann, wird es wirklich besser? Diese Gedanken machen mir genauso Angst, wie das, was ich jetzt habe.
Aber ich will Euch nicht aufhalten. Geht in Frieden. Ich danke Euch für Eure guten Wünsche. Ich hoffe, dass sie wahr werden.
Lebt wohl, Zauberfrau.
Tu erst das Notwendige, dann das Mögliche, und plötzlich schaffst du das Unmögliche. (Franz von Assisi)

Zauberfrau

Nun. Hatte ich mich doch auf den Weg gemacht, Euch zu verlassen, da ließen Eure Worte doch meinen Fuß verharren. Konnte ich in Eurer Stimme etwa Überdruss an Euren Taten vernehmen?

...

Ich drehe mich um und schaue zurück, blicke Euch direkt in die Augen.

Hat Danika Euer Herz erwärmt?
Schmilzt bei gewissen Gelegenheiten das Eis, das Ihr in Eurer Pein zu einem dicken Klumpen heranwachsen ließet?
Welche Erinnerungen bringen das Eis zum Schmelzen?
Von welch einem Unrecht redet Ihr in Bezug auf Eure Mutter?

Solltet Ihr doch noch irgendwo die Fähigkeit besitzen, Euch zu ändern und eine wohlwollende Gräfin werden? Ist dies Euer geheimes Ziel?
Ihr sagt, es sein unendlich schwierig. Nun. Liegt es nicht in der Natur des Menschen, das Unmögliche zu wagen, um über sich selbst hinauszuwachsen?
Vielleicht könnt Ihr diese Mammut-Aufgabe überwinden, wenn Ihr Danika an Eurer Seite wisst? Kann Eure Zofe Eure Angst im Zaum halten und Euch durch die Wirren der Änderung führen?

Wenn dem so sein sollte, werte Gräfin, dann werde ich gerne Eurer Vita folgen. Denn nichts ist schöner als zu sehen, wie ein Mensch mit seinen inneren Dämonen kämpft und sie am Ende zu bezwingen lernt.
Sagt, lohnt es sich, zu Euch zurückzukehren? Werdet Ihr den Schritt ins Licht wagen?

Biene

Zauberfrau, wie schön, dass Ihr Euch doch zum Bleiben entschlossen habt. Nun will ich Euch von Danika erzählen und wie sie mich zum Nachdenken bringt.
Ich ließ gerade den Koch bestrafen, weil er mich angelogen hatte. Danika sprach für ihn, schützte ihn, wohl wissend, dass Strafe auch sie selbst treffen konnte. Es machte mich neugierig, dazu stellte sich heraus, dass sie eine schöne Schrift besaß. So machte ich sie, obwohl sie nicht den passenden Stand hatte, zu meiner Zofe und Schreiberin. Ich wies meine anderen Zofen an, sie im höfischen Benehmen zu unterweisen und hörte, wie sie Danika noch auf dem Flur abwiesen. Ich war gespannt, was sie tun würde. Schnell stellte sich heraus, dass sie keinen Unterricht erhielt, doch sie zog keinen Nutzen daraus, dass die anderen meinen Befehl missachteten, sie schaffte es sogar, ihre Ablehnung so zu erklären, dass sie nicht log. Ich verstand es nicht, warum zog sie keinen Nutzen daraus? Meine Neugier und meine Verwirrung wurden größer. Am nächsten Morgen erwachte ich aus einem Albtraum und Danika kam ohne Aufforderung in mein Schlafzimmer, wollte wissen, ob es mir gut gehe und ich Hilfe brauche. Mir war nicht bewusst gewesen, dass ich nicht nur im Traum sondern auch in Wirklichkeit schrie. Es mussten auch andere gehört haben. Niemanden hatte es interessiert. Nur Danika kam. Ich dachte im ersten Moment, sie wollte mir etwas antun, schon wollte Angst sich meiner bemächtigen, doch ich konnte mich fangen. Wie sollte ich reagieren? Mit Unfreundlichkeit und Arroganz, auch mit Dummheit und Frechheiten kann ich umgehen, aber Danikas Freundlichkeit entwaffnete mich. Genauso muss sich ein Ritter fühlen, dessen Schwert zerbricht. Ich ließ es zu, dass Danika mich umsorgte, beruhigenden Tee und Blumen und brachte. Ich lächelte sie sogar an! Könnt Ihr Euch das vorstellen? Ich hatte sie zunächst für Ihr unerlaubtes Eindringen gerügt, doch als sie versprechen wollte, es nie wieder zu tun, gab ich ihr die Erlaubnis, jederzeit zu kommen, wenn sie mich hörte, wenn ich Hilfe brauchte. Es war beinahe ein Aufschrei, der aus der Tiefe meiner Seele kam. Bald darauf hörte ich den Bericht des Verwalters, nachdem er die Steuern in den Dörfern eingetrieben hatte. Er warnte mich vor dem Unmut der Bevölkerung, das er wuchs. Danika war bei mir und ich fragte sie, was sie dachte. Sie zögerte und so sicherte ich ihr Straffreiheit für ehrliche Antworten zu. Anstatt um Gnade zu betteln, fragte sie mich nach den Gründen für mein Handeln, was diese Menschen mir getan hatten, dass ich sie so hart behandelte und ihnen fast alles nahm.
Natürlich hatte ich meine Gründe. Ich konnte es ihr nicht erzählen, vielleicht kann ich es irgendwann. Aber so begannen unsere Gespräche, die mich zum Nachdenken anregen, die mich mein Handeln überdenken lassen. Als ich ihr den Entlassungsbrief für Dahlia Eschen diktierte, in meiner üblichen direkten Art und Weise, bat sie mich höflicher und freundlicher zu sein. Ich hatte gedacht, wenn ich Dahlia vom Hof entferne, würde sie sich freuen, da Dahlia besonders unfreundlich zu ihr war. Doch Danika machte sich Sorgen, dass es Dahlia nun sehr schwer haben würde. Ich tat ihr den Gefallen und Danikas Freude über mein Einlenken steckte mich an. Sie sagte mir, dass Freundlichkeit und Mitgefühl zurückkommen würden und tatsächlich, die Antwort von Dahlias Vater, Graf Eschen, war ebenso freundlich. Er dankte mir, für meine Bemühungen. Es gab mir ein gutes Gefühl und ich verstand ein Stück, von dem was Danika mir sagen wollte. Ich begann zu glauben, zu hoffen, dass sich meine Mutter in ihren Ansichten geirrt hatte, dass Menschen nicht generell schlecht waren und einen nur ausnutzen wollte. Und so setzte es sich fort. Auf die Bitte des Verwalters hin, stimmte ich zu, die Steuern für ein Jahr nicht zu erhöhen. Als einige Dorfbewohner belauscht wurden, als sie eine Rebellion planten, ließ ich sie nur verwarnen und nicht gleich hinrichten. Ich fing an, mich daran zu erinnern, dass die Hebamme von Albach damals hin und wieder zu uns kam. Einmal war meine Mutter krank, weil sie die Kräuter zu stark gemischt hatte, mit denen sie ein Kind verlieren wollte. Dann brachte die Hebamme regelmäßig ein Mittel, mit dem meine Mutter ihre Fruchtbarkeit unterdrücken konnte. Diese Frau war freundlich und sah nach mir, wenn sie kam. Zwar wollte sie für ihre Dienste bezahlt werden und meine Mutter gab ihr die wenigen Münzen, die sie von Durchreisenden erbetteln konnte und von Männern bekam, wenn sie mit ihnen schlief, doch sie mied uns nicht. Ich fühlte mich wohl, wenn sie da war. Und dann war da der Lehrer, der hin und wieder zu meiner Mutter kam und ihre Dienste in Anspruch nahm. Er bot ihr an, dass er mir als Gegenleistung lesen und schreiben beibringen würde. Meine Mutter lehnte ab, doch er gab mir das Lehrbuch und so konnte ich es mir selbst beibringen und damit machte er mir eine große Freude. Ich werde langsam ruhiger, sogar die Albträume kommen nicht mehr jede Nacht. Ich denke, ich bin auf einem guten Weg.

[An diesem Punkt kommt Adonia nicht weiter, da sie die Zukunft nicht sehen kann, darum lasse ich sie jetzt einen Sprung nach vorne ans Ende machen. Also nicht wundern.]

Zauberfrau, Ihr seid noch da. Nun kann ich Euch auch den Rest erzählen. Ich war auf einem guten Weg, hatte wirklich Hoffnung, dass ich meine Ängste überwinden könnte. Doch dann wandte sich Danika dem neuen Stallburschen zu, der sich als Spion der Rebellen entpuppte. Sie hatten nach der Verwarnung nicht aufgegeben, sondern waren nur vorsichtiger gewesen. Ich wage gar nicht Euch zu berichten, wie ich Danika benutzt habe, um den Stallburschen zum Reden zu bringen, da er meinem Wahrheitstrank widerstand. Es treibt mir die Schamesröte ins Gesicht und Ihr würdet Euch entsetzt abwenden. In meiner Enttäuschung handelte ich wieder so, wie ich immer gehandelt habe und zerstörte alles, was ich mit Danikas Hilfe erreicht hatte. Ich sperrte sie sogar ins Verlies, wo sie auf ihre Hinrichtung warten sollte. Ihre letzten Worte, die sie an mich richtete, bevor der Söldner sie aus dem Raum führte, werde ich nie vergessen. ,,Ihr habt nie verstanden, dass die Welt sich nicht nur um Euch dreht. Es geht nicht nur um Eure Bedürfnisse, Eure Erlebnisse, Euer Leiden. Jeder hat mit seinem Schicksal zu kämpfen und das Beste daraus zu machen. Ihr habt das vor langer Zeit aufgegeben und Euch selbst in einen Käfig gesperrt. Ich war bereit dazu, Euch gern zu haben, Euer Leid mitzutragen, doch Ihr wolltet mich nur ebenfalls in Euren Käfig sperren. Dabei habt Ihr vergessen, dass ich nicht Euer Besitz bin. Ich habe Euch verraten, sonst hätte ich mich selbst verraten müssen. Wieso erwartet Ihr von mir etwas, was Ihr selbst nicht zu tun bereit seid? Wie soll man Euch vertrauen, wenn ihr selbst nicht vertraut, wenn Ihr Eure Versprechen brecht?"
Und sie hatte Recht. In dem Moment, als die Tür hinter ihr zuschlug, begriff ich, dass ich mich selbst eingesperrt hatte. Ich hatte damals im Hexenhaus die Möglichkeit, ein neues Leben zu beginnen, denn die Hexe hatte genug Geld angehäuft, sodass ich keine Not hätte leiden müssen. Ich hätte reisen können, fremde Orten entdecken, ich hätte vergessen können. Doch ich entschied mich, Rache zu üben und mich in meinem Elend zu suhlen, bis ich keinen anderen Ausweg wusste. Ich hatte die Wahl gehabt und das Falsche gewählt. Es war meine eigene Schuld und nun hatte ich die einzige Person, die einer Schwester, einer Freundin am nächsten kam, in den Tod geschickt. Ich weiß nicht, wie lange ich geweint habe, aber danach konnte ich klar denken. Ich sah, dass es für mich keinen Neuanfang geben würde, nicht nachdem, was ich getan hatte. Um meinen Untertanen ihre Freiheit zu schenken, gab es nur einen Weg. Und ich konnte Danika retten. Nicht alle Rebellen waren gefangen genommen worden, einige waren in das Schloss eingedrungen. Die Söldner kämpften mit ihnen und ich dachte, Danika sei sicherer, wenn sie bei mir wäre.
Und als man sie zu mir brachte und sie mich sah, mein vom Weinen verquollenes Gesicht, meine Haare in Unordnung, zeigte sie wieder ihr Mitgefühl und verzieh mir. Könnt Ihr Euch das vorstellen? Nach all den Dingen, die ich ihr angetan habe, konnte sie mir dennoch verzeihen. Dann kamen die Rebellen, sie hatten die Söldner überwältigt und steckten das Schloss in Brand. Mit dem Feuer zerstörten sie auch meine Truhe und damit meine Kraft. Auch der Stallbursche, dem Danika zur Flucht verholfen hatte, war zurückgekehrt, um sie zu retten. Es wärmte mir das Herz, das zu sehen. Er hätte sein Leben retten können, doch er begab sich wieder in Gefahr für sie. Meine Mutter hatte wirklich unrecht gehabt.
Ich wollte nicht von einem Schwert durchbohrt werden oder in den Flammen sterben und so stürzte ich mich aus dem Fenster in den Fluss. Mit meinem Tod würde ich meinen Untertanen die Freiheit schenken.
Doch wie durch ein Wunder überlebte ich den Sturz und wurde ans andere Ufer gespült. Eine ältere Frau und ein junger Mann fanden mich und wollen mich mit in den Süden zu ihrem Herrn nehmen. Nun werde ich ein neues Leben beginnen, ein einfaches Leben, als einfacher Mensch. Ich werde das Beste daraus machen und mir immer in Erinnerung rufen, dass nicht alle Menschen schlecht sind und hoffentlich glücklich werden.
Tu erst das Notwendige, dann das Mögliche, und plötzlich schaffst du das Unmögliche. (Franz von Assisi)

Blaustein

#10
Seid gegrüßt, Adonia Barum Gräfin zu Dörenberg!
Bitte verzeiht meine späte Einmischung in dieses Tafelgespräch - ich hatte eine Menge Briefe auszuteilen in meiner Heimat, und meine Stiefel blieben ständig im Schlamm stecken... Ich habe sie ausgezogen, bevor ich Euer Anwesen betreten habe, also bitte nicht in einen Frosch verwandeln!
Mich macht die Zeit nach Eurem Erwachen in der Hexenhütte neugierig: Habt Ihr noch an demselben Tag den Plan Eurer Rache gefasst? Ich stelle mir gerade vor, ich würde unversehrt im Haus einer Hexe aufwachen, nachdem diese versucht hat, mich für irgendeine schwarze Magie zu opfern - und ich wäre doch erstmal froh, dass ich am Leben bin! Aber mehr noch: Ab wann konntet Ihr Euch sicher sein, dass Eure Macht reichen würde, einen Plan dieser Größe auszuführen? Ist Euch nie in den Sinn gekommen, Euch einfach in diesem Haus einzurichten und missliebige Fremde fern zu halten? Ich hätte Angst, dass ich das Dach überm Kopf und meine neu gewonnenen Kräfte gleich wieder verliere, indem ich mich offenbare. Ich frage das vor allem, da Ihr aus so bescheidenen Verhältnissen stammt. Da gibt es Leute, die schon zufrieden wären, wenn sie mal täglich satt werden würden, und andere, die sich todsicher sind, dass sie einen besseren Job als der König machen würden.

Habt Ihr nicht zu Anfang vielleicht sogar Abscheu empfunden gegenüber Euren Kräften? Immerhin wäret Ihr fast selbst im Hexenkessel gelandet! ... Und ich vermute, dass die Leiche der Hexe noch im Häuschen lag? Wenn nämlich von der Hexe keine Spur gewesen wäre, hätte ich erstmal vermutet, dass sie nur vorübergehend weg ist und ich schleunigst die Flucht ergreifen sollte!

Nun, bitte nehmt keinen Anstoß an meinen Fragen. Am Ende des Tages bin ich doch nur ein einfacher Bote :-)

PS: Aus den bisherigen Beiträgen verstehe ich, dass diese Episode aus dem Leben der Gräfin eher zum Setup gehört und die Geschichte hauptsächlich davon handeln soll, wie nun Adonias Grausamkeit und Despotismus aufgebrochen wird durch einen Moment echter Trauer und Liebe. Ich möchte also nicht die Prämisse des Werks infrage stellen, sondern eher anregen, die Antworten auf die o.g. Fragen als Futter für die Beschreibung von Adonias Sinneswandel/ Rückweg zurück zur Menschlichkeit zu sehen. Und da ist ja wissenswert, was sich am Tag des Unfalls wirklich verändert hat - und was vielleicht sogar schon vorher da war.
"[...] Und solang du das nicht hast - dieses: "Stirb und werde!"
Bist du nur ein trüber Gast auf der dunklen Erde."
Auszug aus "Selige Sehnsucht" (1814, von Johann Wolfgang von Goethe, Gedichtsammlung: "Westöstlicher Diwan")
Instagram: Blaustein.autor

Biene

Werter @Blaustein, mit Euch hatte ich gar nicht mehr gerechnet. Aber ich will Eure Fragen noch beantworten, bevor ich in mein neues Leben aufbreche.

Ich erzählte der Zauberfrau bereits, wie ich zusah, wie die Hexe vollends zu Asche verbrannte. Als ich nach der Verwandlung aufwachte, brauchte ich die Hexe nicht mehr zu fürchten. Und natürlich war mein erster Gedanke, sofort von diesem unheimlichen Ort zu verschwinden. Ich war schon an der Türschwelle, als sich mein Hunger und Durst meldete, deswegen habe ich ja den Tee der Hexe überhaupt erst angenommen. So durchsuchte ich die Hütte nach Essbarem und stillte meinen Hunger und Durst an den Vorräten der Hexe. Doch ein tiefsitzendes Hungergefühl blieb. Es wurde stärker, fast verzweifelt, als ich die Hütte verlassen wollte und ich war mir sicher, dass es mit der Truhe zusammenhing. Ich schaute mir die Hütte genauer an und fand das Zauberbuch der Hexe und in ihm die Erklärung, was es mit der Truhe auf sich hatte. Was sie mir geben konnte, aber auch welches Opfer sie forderte.
Das nötige Opfer schreckte mich zunächst ab. Und ja, mir kam der Gedanke, die Schätze, welche die Hexe angehäuft hatte, einfach zu nehmen und weit weg zu gehen. Doch wohin hätte ich gehen können? Ich kannte nur Albach und die Umgebung. Dort kannte ich mich wenigstens aus. Ich hatte damals nur das Bedürfnis, zu überleben. Der Gedanke wegzugehen, erfüllte mich Furcht, verunsicherte mich mehr, als ich verkraften konnte. Auch heute ist es nicht anders. Wird mein Leben wirklich besser werden oder wird alles wieder in Elend enden? Nur habe ich jetzt keine andere Wahl. Damals wählte ich das, was ich kannte.
Die Hütte gefiel mir und ich wollte mich dort einrichten. Endlich ein richtiges Dach über dem Kopf haben, im Winter nicht mehr frieren müssen. Ich hatte genug Geld, um mir genug zu essen kaufen zu können, und die Hütte lag so tief im Wald, dass ich vor anderen sicher gewesen wäre. Das klang gut, so wollte ich es machen.
Doch da war nach wie vor der Hunger, den ich nicht stillen konnte. Aus dem Buch wusste ich, dass er irgendwann vergehen würde, aber ich wusste nicht wie lange es dauern würde und ich gebe unumwunden zu, dass mich die Möglichkeiten der Zauberei schon neugierig machten. Was konnte ich alles damit erreichen, wenn ich erst einmal gelernt hatte mit diesen Kräften umzugehen? Und ja, meine Gedanken drehten sich schon damals um Rache. Immer wenn ich wieder vertrieben und geschlagen wurde und hungrig in meinem Unterschlupf saß, malte ich mir aus, was ich diesen Menschen gerne antun würde, wie ich ihnen ihr mitleidloses Verhalten heimzahlen würde. So fühlte ich mich stark und überlegen. Das tat gut und vertrieb die Angst für eine Weile. Mir kam nie in den Sinn, dass ich, wenn ich Rache üben würde, nicht besser als sie wäre, ich sah mich immer im Recht. Und nach dem Tod meiner Mutter hörte ich immer ihre Stimme in meinem Kopf, die mir zuflüsterte, dass alle Menschen schlecht seien, dass sie mich nur misshandeln und ausnutzen würden. Dass ich immer auf der Hut sein müsse und am Besten für mich allein bliebe.
Ich hatte mich der Truhe genähert und sie geöffnet, denn ich wollte schon gern wissen, wie sich diese Kraft anfühlen würde, doch nichts war geschehen. Als ich dann dem kleinen Mädchen im Wald begegnete, sie war auf der Suche nach Beeren wie ich selbst ein paar Tage zuvor, versprach ich ihr Süßigkeiten, und sie kam freiwillig mit mir. Ich dachte in dem Moment nicht daran, dass sie mir nie etwas getan hatte. Ich frage mich heute, ob die Substanz, die in mich eingedrungen war und ja immer noch in mir war, in diesem Moment mein Handeln bestimmt hatte und einfach ihren Hunger stillen wollte? Ich kann mich nicht erinnern. Woran ich mich erinnern kann, ist, wie das Kind voller Vorfreude in die Truhe geschaut hatte und dann von dem darin liegenden Stein langsam aufgelöst und seine Lebensenergie von ihm aufgesaugt wurde. Ich habe stundenlang zitternd in der Ecke gesessen und habe mich nicht getraut, mich der Truhe zu nähern. Ich werde den gequälten Gesichtsausdruck des Mädchens nie vergessen. Doch nun war es geschehen und ich gab dem Hunger nach, schaute selbst in die Truhe und der Stein gab etwas von der Energie, die er zuvor aufgenommen hatte, an mich ab. Selbst, wenn ich der Zauberkunst noch nicht mächtig war, so wuchs doch meine Körperkraft stark an. Meine Sinne waren um vieles schärfer. Es war ein wunderbares Gefühl. Damals war ich mir nicht sicher, ob ich wieder einen Menschen dafür würde opfern können, ob es wieder über mich bringen könnte, jemanden zu töten. Lieber wollte ich den Hunger ertragen. Wäre ja nicht so, dass ich es nicht gewohnt war. Vielleicht hätte ich dieses zurückgezogene Leben in Frieden wirklich gelebt, wenn man in Albach einfach akzeptiert hätte, dass ich von nun an nicht mehr stehle, sondern wie jeder andere meine Lebensmittel bezahle. Doch es kam anders. Ich wollte Brot kaufen, da mein Versuch, aus Mehl und Wasser welches zu backen, kläglich fehlgeschlagen war. Ich ging ins Dorf, hatte zuvor ein ordentliches Kleid der Hexe angezogen. Ich hoffte, unbehelligt meine Geschäfte erledigen zu können. Doch der Bäcker erkannte mich und bezichtigte mich, die Münzen gestohlen zu haben. Wieder wurde ich geschlagen und vertrieben. Und ich floh, so wie ich es gewohnt war. Hinter einer Ecke machte halt, schöpfte Atem und hörte, wie der Bäcker zum Krämer sagte, dass er in der Nacht in meinen Unterschlupf gehen wollte und mir einen Denkzettel verpassen wollte, damit ich nie wieder ins Dorf zurückkehren würde. Ich floh in die Hütte, mein neues Heim. Bis jetzt hatten sie immer die Verfolgung am Waldrand aufgegeben. Würden sie diesmal wirklich den nächsten Schritt gehen und mir in meinen Unterschlupf folgen und mir meine letzte Zuflucht nehmen? Ich hatte diesen Tag immer gefürchtet, doch war er bis jetzt nie eingetroffen.
Ich überlegte, was ich tun sollte. Jetzt war ich stark, ich konnte es mit ihnen aufnehmen. So nahm ich abends meine Truhe und machte mich auf den Weg zu meinem Unterschlupf. Den Gehstock der Hexe nahm ich ebenfalls mit, er war sehr stabil, eine gute Waffe. Ich versteckte mich außerhalb der zerfallenen Köhlerhütte, in der ich bis vor ein paar Tagen noch geschlafen hatte. Ich brauchte nicht lange warten, bis ich Stimmen hörte. Ich sah zu, wie der Bäcker und der Krämer den Vorhang von der Türöffnung rissen und die Ruine durchsuchten. Unverrichteter Dinge kamen sie wieder hinaus. Der Bäcker wollte warten, bis ich aus meinem Versteck kam. Er war sich sicher, dass ich in der Nähe war, dass ich sie gehört haben musste. Der Krämer ließ ihn allein zurück.
Ich schlich mich an ihn heran und schlug ihn nieder, dann holte ich den Stein aus der Truhe und er verleibte sich die Energie des Bäckers ein.
In dieser Nacht lief das Fass über. Dass sie mir meinen letzten Zufluchtsort nehmen wollten, war mehr, als ich ertragen konnte. Hätte ich bis zu diesem Punkt noch ein anderes Leben wählen können, mit der Zeit vergeben können? Vielleicht. Ich bin mir nicht sicher, ob ich es allein geschafft hätte, aber ich war gewillt, es zu versuchen, bis zu dieser Nacht.
Der Wunsch nach Rache wurde übermächtig, füllte mein Denken komplett aus. Erst wollte ich mir nur den Krämer noch holen. Doch was war mit den anderen? Sie hatten die beiden nicht aufgehalten, also waren auch sie schuldig. Es dauerte lange, fast zwei Jahre, bis mein Plan in allen Einzelheiten ausgereift war und ich ihn durchführen konnte, aber den Entschluss fasste ich in dieser Nacht und steigerte mich so tief hinein, dass ich nicht wieder von alleine herausfand. Alle Bedenken, die ich noch hatte, verblassten. Meine Gefühle schloss ich ganz weit weg, bis sie verkümmerten. Selbst wenn ich noch Zeit zum Umdenken gehabt hatte, ich war alleine dazu nicht mehr in der Lage. Ich habe mir oft die Frage gestellt, warum nur ich die Möglichkeiten, die ich hatte, nicht anders genutzt habe. Heute weiß ich, dass ich es nicht allein geschafft hätte, dass ich Hilfe gebraucht habe.
Ich weiß nicht, ob ihr wirklich versteht, Blaustein, was in mir vorgegangen ist, dass ich mich nicht in der Lage sah, anders zu handeln. Vielleicht kann man es nur verstehen, wenn man es selbst erlebt hat. Es waren viele kleine Dinge, die sich stetig zu einem riesigen, unüberwindbaren Berg angehäuft hatten und mich schließlich unter sich begruben, dass ich mich nicht mehr selbst befreien konnte.
Tu erst das Notwendige, dann das Mögliche, und plötzlich schaffst du das Unmögliche. (Franz von Assisi)

Blaustein

Verzeiht, oh Gräfin!
Ich muss Eure Schilderung dieses wichtigen Ereignisses überhört haben. Ich danke Euch trotzdem für diese sehr lebendige Schilderung, wie Ihr zu Beginn mit Eurer neu gefundenen Macht umgegangen seid und auch versucht habt, ein normales Leben zu führen. Ich beginne Euren Hass auf diese Dorfbewohner zu verstehen!

Gleichzeitig bin ich erleichtert, dass Ihr diesen - wenn auch auf die harte Tour - überwinden konntet und nach allem Leid, das ihr selbst erdulden musstet, die Aussicht auf ein normales Leben habt.
"[...] Und solang du das nicht hast - dieses: "Stirb und werde!"
Bist du nur ein trüber Gast auf der dunklen Erde."
Auszug aus "Selige Sehnsucht" (1814, von Johann Wolfgang von Goethe, Gedichtsammlung: "Westöstlicher Diwan")
Instagram: Blaustein.autor

Sandschlange

Zitat von: Biene am 14. März 2022, 19:16:49Die Hütte um mich herum verschwamm und als ich wieder klar sehen konnte, sah ich Kräuterbüschel von der Decke hängen, Regale vollgestopft mit Flaschen und Krügen. Mir dämmerte es, dass ich im Haus einer Hexe war, einer echten Hexe. Schon machte ich den ersten Schritt in Richtung Tür, als sich aus der Asche der Hexe eine grüne Wolke erhob. Bevor ich mich versah, hüllte sie mich ein, drang in mich ein, in meinen Mund, in meine Nase, meine Ohren. Meine Haut brannte wie Feuer, ich konnte nichts sehen, jeder Atemzug war eine Qual. Es tat so weh, solche Schmerzen hatte ich noch nie erleiden müssen. Ich fiel auf die Knie, wälzte mich auf dem Boden, die Schmerzen fraßen sich immer tiefer, bis ich keine Luft mehr bekam ... keine ... Luft ...
... kann ... nicht ...
... brauche ...Ruhe


Geehrte Gräfin, verzeiht, dass ich mich erst jetzt aus dem Schatten wage oder es überhaupt tue, ich glaube nicht, dass meine Frage Euch gefallen wird, doch stellen muss ich sie dennoch: Glaubt Ihr, dass damals, als die Hexe ihr Ende fand, etwas in Euch eingefahren ist? Wie eine Art Dämon, so klingt die Schilderung vom Rauch, macht Ihr Euch manchmal darüber Gedanken?

Und erlaubt mir vielleicht noch eine weitere Frage: Wie steht es zum Verhältnis mit eurer Mutter? Ihr sagtet, sie hätte keine Kraft gehabt Euch zu lieben und stets habe sie Euch eingebläut, niemandem zu trauen - darum frage ich Euch: Habt Ihr Eurer Mutter vertraut - sie vielleicht sogar geliebt, obgleich sie diese Liebe nicht erwidern konnte?

Und noch einmal will ich frech sein, indem ich Euch die wohl persönlichste Frage stelle: In welchem Verhältnis steht oder standet Ihr zu Danika? Und wieso fällt es Euch so schwer, ihr von Euren Gründen für Euer Handeln zu erzählen? Glaubt Ihr vielleicht, dass sie es nicht nachvollziehen könnte, weil Ihr insgeheim selbst Zweifel daran hegt, ob Eure Beweggründe aussreichen, genügen, um Euer Handeln zu rechtfertigen?


Der Frieden kennt keine Opfer.

Biene

#14
Sandschlange, wie geht es Euch? Obwohl ich nun schon einige Zeit mein neues Leben lebe, will ich Euch Eure Fragen beantworten.
Was den Rauch angeht, habt Ihr ganz recht vermutet. Er war ein Lebewesen, das in mich gedrungen ist und mich durchzogen hat, wie das Wurzelgeflecht eines Baumes die Erde. Es hat in gewisser Weise zu mir gesprochen über Gefühle und Bilder in meinen Gedanken. Es stand alles in meinem Zauberbuch, das ich zusammen mit meinem alten Leben in meiner Hütte zurückgelassen habe. Ich muss gestehen, dass ich die Erklärung im Buch nie ganz verstanden habe, nur dass das Wesen in mir mit der Lebensenergie anderer Lebewesen gefüttert werden muss, um zu überleben. Die geschah mit Hilfe eines Steines, den ich in der Truhe aufbewahrt habe. Der Geschichte im Buch nach ist dieser Stein, auf dem sich dieses Lebewesen befand, (Und noch viele seiner Art.) vor langer Zeit vom Himmel gefallen. Aaron Darende, der erste Zauberer, hat diese Steine gefunden und hat sich als Erster mit einem dieser Lebewesen verbunden. Besser vermag ich es nicht zu erklären. Nachdem die Truhe und der Stein in dem Feuer, das auch mein Schloss zerstört hat, vernichtet wurde, scheint auch das Wesen gestorben zu sein. Ich spüre es nicht mehr.

Damals wusste ich nicht, was Vertrauen und Liebe ist. Es waren Worte für mich, ich hatte nur eine sehr vage Vorstellung davon, was diese Worte bedeuten. Ich hatte nur meine Mutter und ja, ich denke, ich habe sie trotz allem geliebt. Wäre dem nicht so, hätte mich ihr Tod nicht so sehr getroffen. Ich hätte mich dem Rachegedanken nicht so sehr hingegeben, wenn weder sie noch ihre Worte mir etwas bedeutet hätten. Ich versuche, zu vergessen, wie sehr es geschmerzt hat, dass sie mich nicht in den Arm genommen hat, das sie mir nie gesagt hat, dass sie mich liebt, oder das ich ihr wichtig bin. Sie hat mir das Leben geschenkt und mich groß gezogen. Damit hat sie mir das Leben, das ich jetzt führe, ermöglicht, und dafür liebe ich sie auch heute noch.

Danika war ein Geschenk des Himmels, auch wenn ich es nicht immer so gesehen habe. Sie hat mir in die Seele gesehen und mich dazu gebracht, mein Tun zu hinterfragen und mich so aus der festgefahrenen Situation heraus zu manövrieren, in die ich mich gebracht hatte. Sie war mir eine Freundin, als alle mich nur fürchteten. Sie hatte keine Angst vor mir und ja, sie glaube, sie wusste ganz genau, dass es für meinen Hass und meine Grausamkeit keine ausreichenden Gründe gab, dass ich nur so handelte, weil ich selbst Angst hatte und nicht wusste, wie ich anders damit umgehen sollte. Ohne sie hätte ich mich nie von meiner Vergangenheit lösen können. Ich verdanke ihr viel und ich hoffe, dass sie glücklich ist.

Ich hoffe, ich habe Euren Wissendurst gestillt. Ich verabschiede mich, denn es liegt noch viel Arbeit vor mir.

(Anmerkung von mir: Wenn es dich wirklich interessiert @Sandschlange , ich habe auf Facebook, Twitter und meiner Homepage so nach und nach die Vorgeschichte zum Roman eingestellt. Dort habe ich die Wandlung zur Hexe und wie sie Gräfin wird beschrieben. Ich bin noch nicht durch, aber wenn du magst, kannst du ja mal reinlesen. Hier der Link:
https://www.sabine-kalkowski-schriftsteller.de/adonia-schatten-der-vergangenheit/?logout=1   )
Tu erst das Notwendige, dann das Mögliche, und plötzlich schaffst du das Unmögliche. (Franz von Assisi)