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Die Epoche eines Fantasy-Romans

Begonnen von Tasso, 22. Dezember 2011, 21:34:06

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Nirathina

ZitatKann man als Autor eigentlich in ein und derselben Welt Geschichten unterschiedlichen Genres unterbringen oder reißen einem die Lektoren da den Kopf ab? Hätte für dieselbe Welt nämlich noch was in der Hinterhand, was vermutlich eher Dark Fantasy wird.

Man hat schon gesehen, dass so etwas funktioniert, zwar nicht in der Literatur, dafür auf dem Videospiele-Markt  ;) Wenn ich an die Fable-Reihe zurückdenke, haben wir im ersten Teil Albion mit High Fantasy-Touch, im zweiten Teil sieht man Maschinen und Feuerwaffen. Da hat es funktioniert.

Ich finde, dass du das durchaus versuchen solltest, Arcor, denn soweit ich das sehe, schreibst du damit quasi deine eigene Historie  ;D Und nichts ist spannender als "hautnah" mitzuerleben, wie die Welt sich verändert, sei es unsere oder eine andere. Und mal ehrlich: Es wäre wohl ein bisschen unrealistisch, wenn man sich über einen Zeitraum von 1000 Jahren in einer stagnierenden feudalen Gesellschaft bewegte. Außerdem wäre es, nach meiner Definition, immer noch High Fantasy: deine Welt, deine Strukturen, deine Backgrounds. Low Fantasy wäre doch eher so etwas wie Harry Potter.

Ich persönlich fühle mich zwar auch eher in den mittelalterlich angehauchten Welten wohl, aber mein Barden-Projekt tendiert mittlerweile doch ein wenig in Richtung Renaissence (pompöse Kleider gehören da einfach hin).

@ Mogylein:

Ich stimme Snöblumma zu. Mein Hirn fährt Achterbahn  :brüll:

@ Kati:

ZitatHarry Potter? Mittelalter?

Na ja, wohl die Kulisse (Hogwarts) und die Hintergründe (Godric Gryffindor und Konsorten).

Judith

Zitat von: Kati am 28. Dezember 2011, 12:13:45
Ich finde dieses Epochenmischen, das einige hier machen, um ehrlich zu sein ein bisschen suspekt. Ich glaube, das kann wunderbar klappen, wenn man sich auf so Kleinigkeiten wie das Militär beschränkt, aber eine mittelalterliche Welt mit der Mode einer anderen Epoche... da frage ich mich einfach : Wieso? Und wie? Die Mode hat sich mit der Zeit ja auch aus bestimmten Gründen weiterentwickelt. Aber vielleicht reicht meine Phantasie dafür bloß nicht aus, oder ich bin zu sehr Geschichtsfan dafür.  ;D
Das Militär siehst du im Vergleich zur Mode als Kleinigkeit? Also das betrachte ich ja eher umgekehrt, muss ich sagen.  ;D
Es muss halt einfach stimmig sein. Wie gesagt, meine Welt ist großteils eher antik, und alles, was davon abweicht, ergibt sich eher aus der Welt/der Gesellschaft heraus, bereitet mir aber manchmal durchaus Kopfzerbrechen, weil ich mich frage: ist das stimmig? funktioniert das?
Aber gerade die Mode ... Ich finde keinen einzigen überzeugenden Grund, weshalb meine Leute nicht in anderer (natürlich von der Herstellung her der Epoche angemessenen) Kleidung rumlaufen sollten als in Toga.  ;)

Kati

Zitat(natürlich von der Herstellung her der Epoche angemessenen)

Das ist es ja. Wenn du das hinbekommst, dann ist alles im grünen Bereich. Aber, wenn mir jemand in einem historischen Roman erzählen wollte, seine Mittelalterfrauen im 13. Jahrhundert würden Korsetts tragen, dann würde ich mich beschweren. Wieso sollte ich das dann hinnehmen, wenn es kein historischer Roman ist, sondern ein Fantasyroman? Mit High Fantasy ist das natürlich wieder so eine Sache, weil es dort ja nie zu der Erfindung des Korsetts gekommen ist, jedenfalls nicht so, wie es in der realen Welt war. Aber das gilt ja dann auch für alles andere wie Schusswaffen und so. Jetzt habe ich mich erfolgreich selbst verwirrt.  :d'oh:

Valaé

Ich bin eine begeisterte Weltenbauerin und habe mir diese Frag ezu einem Großteil nur einmal stellen müssen, nämlich an welche unserer Epochen die Gegenwart meiner Welt angelehnt sein soll. Dass ich dann später in die Vergangenheit meiner eigenen Welt gegangen bin, ist eine andere Geschichte und da hatte ich auch nur noch das Problem, zu entwickeln, wie ich logisch von jener Entwicklungsstufe auf eine andere komme, da hat sich die Epochenanlehnung dann ganz gerne von selbst ergeben.
Meine Wahl ist, wie bei den meisten, vor allem sympathiebedingt. Ich habe ein großes Interesse für das Mittelalter, verabscheue Schusswaffen in Fantasyromanen und mag auch viele Dinge die in Richtung Urban Fantasy oder gar Mischung aus Sci-Fi und Fantasy gehen nicht so gerne. Ausnahmen bestätigen die Regel, überraschen lasse ich mich immer gerne.
Aber es war für mich keine Frage, dass ich meine Welt (bzw ihre Gegenwart) an die  mittelalterliche, genauer gesagt spätmittelalterliche Epoche anlehnen würde. Zum Einen aus meiner eigenen Vorliebe für Geschichten, die dort spielen, zum Anderen aus meinem (diese Vorliebe sicher begründenden) Ineresse hierfür. Das Ganze hat sich dann noch einmal verstärkt, als ich Germanistik anfing zu studieren und regelmäßig Mediävistik Vorlesungen hatte. Nun ist es auch so, dass ich über das Mittelalter über diese Vorlesungen einfach ein größeres Wissen besitze und mich in dieser Epoche am besten auskenne. Das musste ich allerdings schon früher, denn ich gehe gerne auf Mittelaltermärkte (natürlich in Gewandung) und zeige allgemein daher ein großes Interesse hieran. Ein wenig auskennen sollte man sich mit einem solhen Hobby allerdings schon, sonst blamiert man sich nur.
Ja Also vor allem eine Mischung aus Interesse und dem meisten Wissen hat bei mir sicher den Ausschlag gegeben.

ZitatAber gerade das! Das was-wäre-wenn-Spielchen mit einer Welt, die in einer mittelalterlichen Epoche von Elfen und Zauberern bewohnt war - wie sieht diese Welt 1000 Jahre später aus? Der Reiz ist für mich unsagbar groß, eine Highfantasy im 18., 19., 20. oder gar 21. Jahrhundert zu lesen. Klar, irgendwo verschwimmen dann die Grenzen mit Urban Fantasy, aber wenn es doch in einer anderen Welt spielt? Wah, da wird man gleich motiviert.

DAS wäre nun wiederum eine Idee, die mich trotz bekennendem Mittelalter-Fetischisten und Hasser der "Magie trifft Technik"-Konstellation dennoch interessieren würde. Ich glaube aber, dass man um so etwas wirklich umsetzen zu können verdammt viel wissen im naturwissenschaftlichen UND gesellschaftswissenschaftlichen Bereich braucht und das als Kombination findet man nicht so oft. Ich finde die Thematik durchaus spannend, sie würde mich vielleicht sogar selbst reizen (weil ich gerade an meine Welt denke, in der man so etwas ja auch machen könnte) aber ich glaube, ich könnte es nicht glaubhaft rüber bringen. Wäre ganz schön schwer so ein Projekt.

ZitatKann man als Autor eigentlich in ein und derselben Welt Geschichten unterschiedlichen Genres unterbringen oder reißen einem die Lektoren da den Kopf ab? Hätte für dieselbe Welt nämlich noch was in der Hinterhand, was vermutlich eher Dark Fantasy wird.
Also was die Lektoren dazu sagen weiß ich nicht weil ich im Moment noch für mich selbst schreibe (soll heißen, ich will mal professionelle Autorin werden, denke aber dass ich dafür noch Zeit habe und mich erst nach meinem Studium an Verlage wenden werde) und noch nie etwas abgeschickt habe. Aber ich kann dir sagen, dass ich eine ziemlich ausgefeilte Welt habe, in der bisher 3 Dark Fantasy Romane spielen, ein Low Fantasy Roman angefangen wurde, ein Social Fanntasy Roman ebenfalls angefangen, einer in der Plotphase, ein weiterer Low Fantasy Roman in Planung und was meine anderen Projekte werden weiß ich noch nicht. Aber ich möchte mich von meiner Welt nicht auf ein Genre festlegen lassen. Und schau dir Markus Heitz und seine Zwerge/Albae an. Eigentlich ist das ja die selbe Welt, wenn auch zwei unterschiedliche Kontinente sozusagen, also das diesseitige und das jenseitige Land. Die Zwerge ist High, die Albae Dark Fantasy. Scheint also zu gehen. Auch wenn das sicher noch etwas anderes ist als das, was ich so mit meinen Geschichten tue. Immerhin sind Zwerge und Albae einander gegenübergestellt. Meine Geschichten haben manchmal außer der Historie keinen Bezug zu einander. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass das Ärger geben würde ... Ich hoffe es nicht. Kann dir nur raten. es zu versuchen.

Churke

Zitat von: Nirathina am 28. Dezember 2011, 12:16:34
Und mal ehrlich: Es wäre wohl ein bisschen unrealistisch, wenn man sich über einen Zeitraum von 1000 Jahren in einer stagnierenden feudalen Gesellschaft bewegte.

Es gibt durchaus historische Beispiele, in denen so etwas gewollt war. Die Japaner haben im 16. Jahrhundert die portugiesischen Musketen 1:1 kopiert - und 400 Jahre lang absolut NICHTS daran geändert. Das haben die nicht nur mit den Musketen so gemacht, sondern mit der ganzen Gesellschaftsordnung. Bis im 19. Jh. westliche Kriegsschiffe auftauchten...

Die Römer bewegten sich auch in einer statischen Welt. Sie hielten sich für den finalen Staat, die Krönung der Geschichte. Die Senatoren konservierten über 500 Jahre den Sprachstand zur Zeit Ciceros - das ist als ob wir heute wie Martin Luther und Albrecht Dürer reden würden. Und wenn das Imperium nicht zusammen gebrochen wäre, dann täten sie es heute immer noch tun. Ich finde eine solche Realitätsverweigerung als Gegenmodell zu unserem heutigen Fortschrittsglauben hochinteressant.

Arcor

@Kati, Nirathina & Valaé
Danke für eure Meinungen. Ihr beruhigt mich ein wenig.  ;D Ich hatte nämlich gerade keine Autoren auf dem Schirm, bei denen das vorgekommen ist. Aber es ist für mich einfach praktisch, da ich auch durch die Zeitsprünge auf Ereignisse aus anderen Büchern anspielen kann - ganz davon abgesehen, dass ich mich in der Welt einfach zu Hause fühle (kein Wunder nach 7 Jahren  :P)

Ich glaube, ich wüsste allerdings ein Genre, was ich nicht in der Welt spielen lassen würde - Comedy Fantasy.  ;D Die würde zu albern werden, dafür brauche ich ein anderes Weltkonzept, sonst passt es irgendwie nicht zusammen.
Not every story is meant to be told.
Some are meant to be kept.


Faye - Finding Paradise

Valaé

Ohja, Anspielungen sind toll. Ich finde es immer wieder wunderbar zu sehen, wie sich alles fügt und irgendwie alles zusammengehört wenn man über Jahre an einer Welt arbeitet und verschiedenste Romane dort spielen lässt.
Scheint so als hätte sich da noch ein Weltenbastler gefunden, der bei einer Welt bleibt? Ich kann mir nach mittlerweile 6 jahren (also fast genauso lang) auch nicht mehr vorstellen, Romane irgendwo anders spielen zu lassen. Ich denke, wenn man es gut macht wird es keine Probleme geben.

*lach* Ja, Comedy Fantasy kann ich verstehen, dass man die nicht in so einer Welt spielen lassen würde... Wobei ich einen Roman habe, der starke Tendenzen in diese Richtung aufweist  ;D. Ging ganz gut  ;).

Nirathina

Comedy Fantasy würde ich persönlich auch Richtung Mittelalter ansetzen: Vater ist ein strahlender Held im Ruhestand, die Tochter ist in den Vampir von nebenan verknallt und der Sohn will unbedingt ein Werwolf werden, weil das "cool" ist. Du meine Güte, ich sollte mal mein Hirn entrümpeln  ;D

@ Churke:

Musketen hin oder her - es geht mir mehr um den Extremfall. Durch den Einmarsch der Hunnen und den Beginn der Völkerwanderung war natürlich ersichtlich, dass die Erben der großen, römischen Feldherren und Staatslenker sich nicht lange halten konnten, wenn sie weiterhin an ihrem bisherigen Denken festhielten - Realtätsverweigerung, ja, aber die wurde von äußeren Faktoren zwangsläufig durchbrochen. Wenn es also der Staat nicht gerade selber will und sich als Krone der Schöpfung ansieht, ist es eben eine andere Kultur, ein anderes Volk, das die Veränderung bringt. Die Germanen waren sicherlich auch nicht sonderlich angetan davon, dass plötzlich kleine Männchen mit Stahlröcken bei ihnen einmarschiert sind und sie einen Teil ihrer Kultur den Römern angleichen mussten.  ;)
Der Fortschrittsgedanke muss nicht nur von innen kommen. Wenn wir ganz kleinlich sein wollen, hat sich ja im Handwerk, abgesehen von der Einführung einiger Maschinen, auch nicht viel getan. Um Pflanzen großzuziehen ist man immer noch aufs Wetter angewiesen und Häuser werden auch immer noch mit Ziegeln gebaut.  8)

Arcor

Zitat von: Valaé am 28. Dezember 2011, 14:45:43
Ohja, Anspielungen sind toll. Ich finde es immer wieder wunderbar zu sehen, wie sich alles fügt und irgendwie alles zusammengehört wenn man über Jahre an einer Welt arbeitet und verschiedenste Romane dort spielen lässt.
Scheint so als hätte sich da noch ein Weltenbastler gefunden, der bei einer Welt bleibt? Ich kann mir nach mittlerweile 6 jahren (also fast genauso lang) auch nicht mehr vorstellen, Romane irgendwo anders spielen zu lassen. Ich denke, wenn man es gut macht wird es keine Probleme geben.

Weltenbastler ...? :hmmm:
Vielleicht, ich denke mir jedenfalls auch jede Menge Kram aus, der in den Geschichten nur eine untergeordnete Rolle spielt oder gar nicht erwähnt wird, einfach weil ich mich dann wohler fühle und weiß, dass ich darüber nachgedacht habe (Staatssysteme, Religion inkl. Riten etc). Aber ich brauche dafür unwahrscheinlich lange. Das ist eher ein schleichender Prozess, in dem mir nach und nach Ideen zugeflogen kommen, die ich dann zusammenbastele. So richtig aktives Weltplotting betreibe ich eigentlich eher selten, bzw. meistens gefällt mir dann nicht, was dabei rauskommt.
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Faye - Finding Paradise

Lomax

Zitat von: Mogylein am 27. Dezember 2011, 14:07:05Aber gerade das! Das was-wäre-wenn-Spielchen mit einer Welt, die in einer mittelalterlichen Epoche von Elfen und Zauberern bewohnt war - wie sieht diese Welt 1000 Jahre später aus?
Nun ja, so eine Idee wäre jetzt auch nicht mehr neu - immerhin habe ich genau das bei meinen "Finstervölkern" getan. Der erste Teil trägt noch ein "mittelalterliches" Setting (auch wenn es im Hintergrund anders aussieht, merkt man das in diesem Reiseroman noch nicht, weil da viele alte Dinge zusammenkommen und die neuen Entwicklungen keine Rolle spielen); der nächste Roman spielt ein paar Jahre später und skizziert dann den Umbruch zur Moderne; und der dritte Teil spielt tausend Jahre später, und da ist die Welt so wie unsere bzw. ein bisschen weiter, mit Magie und Technik. Und ich wollte auch ganz bewusst mit den geistesgeschichtlichen Hintergründen spielen, vom mythologischen Weltbild des Mittelalters hin zum nüchtern-funktionellen Ansatz der Moderne bis hin zum Postmodernen Modell mit vielen ineinandergreifenden Regelkreisen, die aber ein chaotisches Ganzes ergeben, wo es keine klaren Seiten mehr gibt und auch keine eindeutige gesellschaftliche Kausalität mehr. Denn historische Entwicklung ist ja nicht nur technische, sondern vor allem auch eine geistesgeschichtliche. ;)
  Den Kopf abreißen tut einem der Lektor also nicht, wenn man auf ein und derselben Welt ein wenig mischt. Bei den Leser sieht es dann schon anders aus - da hat man schon deutlich gemerkt, dass die "klassische" Fantasy am besten läuft, und dass gerade die Mischung von Fantasy und SF/modernen Elementen vielen Lesern zu weit geht. Da gab es dann einige Stimmen, die gerade damit nichts anfangen konnten. Oder die einfach gesagt haben, dass sie so was in der Fantasy nicht wollen, weil es ihnen gerade an der Fantasy gefällt, dass die von alltäglichen Problemen und Fragen so weit entfernt ist.
Zitat von: Kati am 28. Dezember 2011, 12:32:32Aber, wenn mir jemand in einem historischen Roman erzählen wollte, seine Mittelalterfrauen im 13. Jahrhundert würden Korsetts tragen, dann würde ich mich beschweren. Wieso sollte ich das dann hinnehmen, wenn es kein historischer Roman ist, sondern ein Fantasyroman? ... Aber das gilt ja dann auch für alles andere wie Schusswaffen und so.
Ehrlich gesagt sehe ich das auch genau umgekehrt. Ich wüsste keinen Grund, warum in einer mittelalterlichen Fantsywelt kein Korsett auftauchen sollte. Natürlich hat das Korsett hier eine Geschichte, es war in seiner "Blütephase" eine komplexe Konstruktion - aber andererseits sehe ich rein technisch betrachtet nichts, was man nicht auch theoretisch auf einem früheren Zeitpunkt der technischen Entwicklung hätte herstellen können, bzw. kein Teil, dass sich nicht durch irgein "mittelalterliches" Material substituieren ließe. Alles, was ein Korsett in einer mittelalterlichen Umgebung braucht, wäre a) die Idee, so was zu bauen; und b) einen gesellschaftlichen Anlass, der die Nachfrage entstehen lässt.
  Andere technische Entwicklungen sind in ein viel komplexeres Netzwerk von Abhängigkeiten eingebettet, die gegeben sein müssen. Da reicht es nicht einmal, wenn man irgendeinen begnadeten Tüftler in seiner mittelalterlichen Welt die geniale Erfindung machen lässt - er wird sie in vielen Fällen nicht umsetzen können, weil die zuarbeitenden Strukturen fehlen; und wenn er sie umsetzen kann, werden sie gleich wieder vergessen, weil die Strukturen fehlen, die die Neuentwicklung verwenden und verbreiten können. Die technische Entwicklung der Menschheit ist halt keine Folge zufälliger Entdeckungen. Am Beispiel Feuerwaffen ist das sehr deutlich zu sehen: Da sieht man gerne die Entdeckung des Schwarzpulvers am Anfang, aber so einfach ist das nicht. Das Schwarzpulver war schon viel länger bekannt, in China beispielsweise, wo es teilweise als Spielerei angesehen wurde, teilweise auch schon als Waffe eingesetzt, ohne allerdings die Revolution in der Waffenkunde auszulösen, die es in Europa hatte. Aber auch in Europa war die Entdeckung des Schwarzpulvers kein echtes Novum. Es gibt durchaus Hinweise, dass solche "Sprengpulver" auch früher schon mal entdeckt worden sind bzw. Rezepte eingeführt wurden - und dann als mehr oder minder bedeutungslos auch wieder vergessen worden sind. Auch beim Schwarzpulver geht man heute eher davon aus, dass nicht zufällig von Berthold Schwarz erfunden worden ist, sondern dass vielmehr schlichweg zu dieser Zeit schon länger bekannte, überlieferte Rezepte aus irgendwelchen Schubladen herausgeholt wurden, weil man sie plötzlich nutzen konnte.
  Und der Nutzen, der das Pulver zu einer revolutionären Waffe machte, war die Kanone - der Gedanke, das Zeug in irgendein Rohr zu stecken und als Treibmittel für Geschosse zu verwenden, was es als Waffe weitaus effizienter machte als der bisherige isolierte Gebrauch bzw. die Verwendung in Raketengeschossen, die eher wenig effizient waren. Allerdings gehörte zu dieser Anwendung auch mehr als eine Idee - ein Rohr zu entwickeln, indem man Schwarzpulver zur Explosion bringen kann, ohne dass es einem um die Ohren fliegt. Ist keine triviale Aufgabe. Die Tatsache, dass den meisten Geschützmeistern in der Anfangszeit genau das passiert ist, zeigt, das eine Menge Experimente nötig waren, bevor man diese Aufgabe wirklich gemeistert hat. Das es Kanonen also nicht schon früher gab, lag nicht nur daran, dass keiner die Idee hatte, welche zu Bauen - die Metallurgie war schlichtweg noch nicht so weit, dass man das konnte, und als sie so weit war, kamen die Ideen fast von selbst.
  Aber selbst das ist nur die halbe Wahrheit über das, was nötig war, um den Feuerwaffen zum Durchbruch zu verhelfen. Wir haben das Schwarzpulver, und wir haben jemanden, der eine Kanone gießen kann. Ich möchte nicht ausschließen, dass es diese Konstellation nicht schon früher hätte geben können. Denn schon die Römer hatten teilweise eine Schmiedekunde, die im Mittelalter lange nicht erreicht war, und wer sagt, dass es da nicht auch im Mittelalter einen Meister seines Fachs gab, der lange vor allen anderen eine funktionierende Kanone hätte bauen können? Der es vielleicht sogar in irgendeinem entlegenen Winkel Europas schon mal getan hat ... und vergessen wurde.
  Denn das ist ja ein weiterer Punkt. Als die Europäer anfingen, mit Kanonen zu experimentieren, gab es recht schnelle Erfolge. Aber irgendwann flogen die ersten Kanonen den Entwicklern immer um die Ohren, und oft genug nahmen sie ihre Konstrukteure mit. Ein genialer Schmied hätte also nicht ausgereicht, um den Blutzoll zu bezahlen, der nötig war, um diese Technologie zur Serienreife zu bringen und weiterzuverbreiten - er wäre irgendwann in die Luft geflogen, und das war's dann erst mal wieder mit Schusswaffen.
  Außer dem Schwarzpulver und den Fortschritten der Metallurgie gab es nämlich in Europa noch etwas anderes, als die Feuerwaffen aufkamen, nämlich die passende Infrastruktuer - jede Menge gut ausgebildeter Metallgießer, die ein hervorragendes Erfahrungsnetz unterhielten. Denn die Fortschritte in der Metallurgie, die den Kanonenbau ermöglichten, kamen nicht aus dem Nichts, nicht aus der Forschung eines einzelnen, genialen Schmieds. Sie entwickelten sich aus dem Glockenguss - und da hatte das Mittelalter gerade einen wahren Rüstungswettlauf in der Kunst der besten Glocke hinter sich, durch den viele Fachkräfte herangebildet wurden, die viel Erfahrung mit den unterschiedlichsten Formen des Metallgusses und den Materialeigenschaften sammeln konnte. Das waren die "Human ressources", die die Einführung und Durchsetzung der Feuerwaffe überhaupt erst möglich machten.
  Und wer würde zuerst daran denken, wenn er sich überlegt, wie man die Einführung von Feuerwaffen plausibel begründen kann? Man denkt da an Schwarzpulver, an Weiterentwicklung in der Waffentechnik, an wissenschaftliche Erkenntnisse der Metallurgie - aber all das gab es schon lange vorher, zumindest irgendwann mal an irgendwelchen Stellen der Welt, und es wurde keine Feuerwaffe daraus. Der entscheidende neue Faktor, der Europa die Feuerwaffe brachte, war die christlich beflügelte Blüte des Glockengießens mit all dem Erfahrungsschatz, der von dort in die neue Technologie überführt werden konnte.
  Solche Zusammenhänge finde ich interessant, diese Beeinflussung scheinbar unabhängiger Bereiche, die zu neuen und gar nicht stringenten Entwicklungen führen. Nicht die "Erfindungen", sondern die Infrastrukturen, die dazu führen, dass aus "Erfindungen" auch "Technologien" werden. Und ich denke, so etwas muss man bedenken, wenn man seine Gesellschaften konstruiert - dann allerdings kann man durchaus eine Menge mischen. Und gerade bei Mode sehe ich das oft noch als leichter erklärbar an als bei Entwicklungen, die wirklich einen technisch-gesellschaftlichen Unterbau benötigen.
  Obwohl man sich bei Mode beispielsweise auch darüber im klaren sein sollte, dass Knöpfe erst nach der Entwicklung des umsäumten Knopflochs funktionieren, dass auch wiederum besondere Anforderungen ans Gewebe und die Schneiderkunst stellt und keinesfalls trivial ist, weswegen man vermutlich zuerst eher "Zierknöpfe" finden wird; u.ä. Auch Mode hat ihre Stringenzen, ihre Anforderungen an die Infrastruktur und vor allem die gesellschaftlichen Verhältnisse, die sie widerspiegelt, und man sollte sie nicht einfach ins Nichts setzen. Aber rein technisch betrachtet ist die Mode eben eine Sache, die einige Auf- und Abs erlebt hat und wo die durchaus ein paar mehr Freiheiten erlaubt als die Technik oder auch nur die Kriegstechnik (für die dann ja meist nicht nur die Waffentechnik ausschlaggebend ist, sondern die Sozialdisziplinierung der Bevölkerung. Ein sehr langer Infanteriespeer beispielsweise kann eine sehr effiziente Waffe sein, und ein Haufen Bauern mit Holzschild und Speer kann technisch mühelos ein superteures Ritterheer abschlachten, bei denen jeder Krieger mit dem Wert eines mittleren Landguts ausgerüstet ist und mit neuesten Errungenschaften der Harnischkunst. Das ist im Mittelalter nur darum so selten passiert, weil erst die Schweizer es wieder geschaft haben, die gut ausgebildeten Bauern zu bekommen, die diese langen Spieße mit ihrem komplizierten Schwingungsverhalten richtig halten konnten, und die auch wirklich stehen blieben, wenn das Ritterheer auf sie zudonnert. Solche "Fachkräfte" zu finden, die oft entscheidend sind für Erfolg oder Misserfolg einer Waffengattung, kann oft schwerer sein, als die technischen Möglichkeiten für eine neue Waffe zu entwickeln, und man sollte darum immer zuallererst auf Infrastruktur und soziale Struktur schauen, wenn man entscheiden möchte, ob irgendetwas in einem bestimmten Umfeld überhaupt möglich ist).
Zitat von: Churke am 28. Dezember 2011, 14:16:40Die Japaner haben im 16. Jahrhundert die portugiesischen Musketen 1:1 kopiert - und 400 Jahre lang absolut NICHTS daran geändert ...
Die Römer bewegten sich auch in einer statischen Welt ...
In die Reihe sollte man dann in jedem Fall auch die Chinesen zählen, die auch erst durch die europäischen Mächte wieder daran erinnert wurden, dass man den Fortschritt im Inneren nicht unterbinden soll, wenn man nicht will, dass er irgendwann von außen an die Tür klopft.
  Bei den Römern muss man allerdings darauf verweisen, dass die Welt so statisch nicht war. Politisch und vor allem verwaltungstechnisch hat sich sehr vieles geändert, von der Republik bis in die Kaiserzeit hinein. Und ansonsten waren die Zeiten im reich auch alles andere als ruhig - dass da ein gewisses kulturelles Ideal konserviert wurde, würde ich eher als Kosmetik ansehen. Auch technisch und in der Materialkunde wurde im römischen Reich eine Menge entwickelt, beispielsweise eben auch Stahlqualitäten, die sich erst in der Neuzeit wieder fanden, und auch sonst waren die Römer da durchaus modern. Welches archaische Militär sonst hatte regelrechte "Ingenieure" in seinem Heer - und auch Waffen, die solcher Fachkräfte bedurften?
  Ich denke also, man sollte die "gute Bauern"- und "früher war alles besser"-Ideologie der Römer auch nicht allzu sehr glauben. Was man vorne sagte und schrieb und hinten kaufte und finanzierte, waren da oft zwei verschiedene Dinge ;D

Churke

Zitat von: Lomax am 28. Dezember 2011, 15:26:44
  Bei den Römern muss man allerdings darauf verweisen, dass die Welt so statisch nicht war. Politisch und vor allem verwaltungstechnisch hat sich sehr vieles geändert, von der Republik bis in die Kaiserzeit hinein.

Deshalb nenne ich es ja Realitätsverweigerung. Die Veränderungen sind da, aber will sie und ihre Folgen nicht zur Kenntnis nehmen. Schriftstellerisch eine hochinteressante Konstellation, weil da ein Konflikt angelegt ist. Ob die schöne statische Welt noch drei Tage hält oder 300 Jahre ist im Grunde egal - sie ist dem Untergang geweiht und es knirscht an allen Ecken und Enden, weil die Erde sich weiter dreht.


Lavendel

#41
Nur mal nebenbei, obwohl es eigentlich ins Off-Topic driftet: Die Menschheit war zu keiner Zeit an keinem Ort je statisch, weder was technische, noch was kulturelle oder ideologische Entwicklung angeht. Dass in unserer Geschichtsschreibung gewisse Ereignisse gewichtiger erscheinen als andere, sagt wenig über die tatsächliche Vergangenheit aus. Ab ca. 1760 setzte in Europa ein immenser Fortschritt, der unweigerlich auf alle Lebensbereiche übergriff - und zwar in einem Tempo, das man bin dahin nicht kannte. Ja, da haben die Europäer sich in der Folge quasi den ganzen Erdball unterworfen. Das ist eine Tatsache, und sie waren es, die ihre technischen Errungenschaften über die ganze Welt verbreitete und auf viele Kulturen immensen Einfluss nahmen.

Man sollte dabei aber nie vergessen, dass wir von hochentwickelten Kulturen sprechen - von Afrika über die Amerikas bis nach Japan, China usw, die nicht statisch auf dem gleichen Entwicklungsniveau verharrten. Ich glaube, man bewertet die Entwicklungsgeschwindigkeit von heutiger (und "westlicher") Warte aus in vielen Fällen einfach falsch. Ja, Chinas Staat- und Verwaltungsapparat war im 19. Jhdt schon verfahren, und man hatte offenbar nicht viel Lust, sich mit dem Rest der Welt zu beschäftigen (bis man musste), aber wer weiß, wie es in Asien ausgesehen hätte, wenn die europ. Doppelrevolution nur 100 Jahre später eingesetzt hätte?

Ich finde es ein bisschen vermessen zu sagen, da hätten erst die Europäer kommen müssen, damit sich was tut. Es ist unmöglich, das mit Sicherheit zu sagen, und es gibt viele Indizien dafür, dass die Welt heute ganz anders aussehen könnte, wenn der Zufallsgott nicht wäre. Unsere Geschichtsschreibung hat in meinen Augen heute noch allzu oft einen imperialistischen Touch, und es lohnt sich immer, sich Geschichte von einer anderen Warte, als der europäischen anzusehen.

[EDIT]: Und um nicht ganz vom Thema abzukommen: Ihr wisst ja sich, dass Epochen in Wirklichkeit gar nicht existieren, weil sie im Nachhinein die Zeit nach gewissen Kriterien in Abschnitte einteilen. Erstens gelten Epochen immer nur für einen gewissen Teil der Erde und sind räumlich begrenzt, zweitens lassen sich immer auch alternative Kriterien finden, nach denen man andere Epochen einteilen könnte (auch im selben Kulturraum). Ich finde den Gedanken in diesem Zusammenhang interessant, weil er einen dazu bringt, vielleicht mal außerhalb der festgefahrenen Epochenabfolge, die man so in der Schule (und im Rest des Lebens) lernt.

Kati

ZitatAlles, was ein Korsett in einer mittelalterlichen Umgebung braucht, wäre a) die Idee, so was zu bauen; und b) einen gesellschaftlichen Anlass, der die Nachfrage entstehen lässt.

Und da sagst du "alles"?  ;D Ich finde, genau das braucht es, aber meistens wird das vom Autor nicht geliefert, egal, worum es geht. Ich will mich nicht auf das blöde Korsett festlegen, das war nur ein Beispiel. Aber ich werde das Thema mal nicht weiter auseinanderreden, weil ich mit High Fantasy eh nicht wirklich viel anfangen kann. Ich bin da also voreingenommen.  :)

ZitatUnd ich denke, so etwas muss man bedenken, wenn man seine Gesellschaften konstruiert - dann allerdings kann man durchaus eine Menge mischen. Und gerade bei Mode sehe ich das oft noch als leichter erklärbar an als bei Entwicklungen, die wirklich einen technisch-gesellschaftlichen Unterbau benötigen.

Ich meinte auch genau das: Man soll es erklären. Ich wollte damit nicht sagen, dass es unerklärbar ist. Aber wenn da einfach nur steht: "Ihr Korsett war zu eng.", obwohl das Korsett so im Mittelalter noch nicht beliebt war, dann hätte ich gern eine Erklärung, wieso das da jetzt plötzlich so ist. Aber, wie gesagt, ich bin kein High Fantasy Fan. Vielleicht bin ich einfach zu skeptisch und zu sehr in unserer realen Welt verankert (also Setting mäßig), um das hinzunehmen.  :( Na ja, ich werde jetzt gehen und dem Korsett einen Blog-Eintrag widmen, dann kann es diese Diskussion hier wieder verlassen.  ;D

Karlmann

Zitat von: Churke am 28. Dezember 2011, 14:16:40
Die Römer bewegten sich auch in einer statischen Welt. Sie hielten sich für den finalen Staat, die Krönung der Geschichte. Die Senatoren konservierten über 500 Jahre den Sprachstand zur Zeit Ciceros - das ist als ob wir heute wie Martin Luther und Albrecht Dürer reden würden. Und wenn das Imperium nicht zusammen gebrochen wäre, dann täten sie es heute immer noch tun.

Da muss ich dir leider vehement widersprechen. Ein Römer des 1. Jahrhunderts (Augustus, Nero, Titus) hätte sich in allen Aspekten des 4. Jahrhunderts (Diokletian, Konstantin) verwundert die Augen gerieben ob der einschneidenden Veränderungen, die vor sich gegangen sind. Dass die jeweilig Lebenden diesen Unterschied nicht wahr haben wollten oder nicht wahrnehmen konnten, mag dahin gestellt sein.
Das die Römer der Spätantike den Zustand ihrer Sprache zur klassischen Zeit von Cicero und Caesar für die erstrebenswerte Norm hielten, sagt nichts darüber aus, ob sie diese Norm auch erreichten und einhielten. Und es ist die Frage, ob sie so sprachen wie sie schrieben. Schau dir die Schreibweise der Wörter im Englischen und Französischen an. Auch sie standen mal im Einklang mit der gesprochenen Sprache, und bilden noch heute diesen Sprachzustand ab, sind jetzt aber meilenweit von der gesprochenen Sprache entfernt.

Rakso

#44
Zitat von: Karlmann am 28. Dezember 2011, 20:03:03
Da muss ich dir leider vehement widersprechen. Ein Römer des 1. Jahrhunderts (Augustus, Nero, Titus) hätte sich in allen Aspekten des 4. Jahrhunderts (Diokletian, Konstantin) verwundert die Augen gerieben ob der einschneidenden Veränderungen, die vor sich gegangen sind. Dass die jeweilig Lebenden diesen Unterschied nicht wahr haben wollten oder nicht wahrnehmen konnten, mag dahin gestellt sein.

Aber eben diese Veränderungen innerhalb des Staates zeigen doch, dass man versuchte das Ideal des römischen Staates beizubehalten. Die Strukturen haben sich kaum verändert, aber durch die äußeren Umstände konnten diese Strukturen nicht mehr erhalten werden. Man versuchte gegen die Entwicklungen innerhalb und außerhalb des römischen Reiches zu steueren.


Zitat von: Karlmann am 28. Dezember 2011, 20:03:03
Das die Römer der Spätantike den Zustand ihrer Sprache zur klassischen Zeit von Cicero und Caesar für die erstrebenswerte Norm hielten, sagt nichts darüber aus, ob sie diese Norm auch erreichten und einhielten. Und es ist die Frage, ob sie so sprachen wie sie schrieben. Schau dir die Schreibweise der Wörter im Englischen und Französischen an. Auch sie standen mal im Einklang mit der gesprochenen Sprache, und bilden noch heute diesen Sprachzustand ab, sind jetzt aber meilenweit von der gesprochenen Sprache entfernt.

Das klassische Latein war in der römischen Gesellschaft die Ideal-, Sakral- und auch Literatursprache. Latein war Teil eben dieser Ideale mit denen sich die Römer gerne verbunden haben. Sie war aber schon längst tot, wahrscheinlich schon zur Zeit der Republik Das kann man gut an Graffiti an antiken Häuserwänden sehen, oder aber auch an den modernen romanischen Sprachen, die sich alle, bis auf Rumänisch, sehr stark von der klassischen Grammatik unterscheiden, bzw. kaum noch etwas gemeinsam haben.

Die Schreibweise hat nichts mit der eigentlichen Sprache zu tun. Man könnte mühelos alle Sprachen in einem Einheitsalphabet schreiben. Französisch ist aber ein Sonderfall. Klar, hier hat sich die Aussprache total verändert, man könnte fast sagen sie ist kolabiert. Aber man ist auf die veraltete Schreibweise angewiesen, weil man sonst nicht klar die Bedeutung unterscheiden könnte. Für den Laut <o> gibt es 16 verschiedene Bedeutungen im Französischen, und die werden alle anders geschrieben.

Anderes Beispiel ist Deutsch. Hochdeutsch ist eine Erfundenesprache, zusammengekleistert aus einer Orthographie, die auf den süddeutschen Raum zurückgeht, sowie einer norddeutschen Aussprache und auch von der Bühnensprache beeinflusst wurde. Hochdeutsch transportiert ebenfalls das Ideal, aber es gibt keinen Ort in Deutschland, wo man Hochdeutsch spricht, weil wir alle mehr oder weniger in einem Dialekt sprechen. Die Dialekte sind historisch gewachsen.

(das war jetzt leider ganz schön Off-Topic  :versteck: )