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Die Epoche eines Fantasy-Romans

Begonnen von Tasso, 22. Dezember 2011, 21:34:06

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Tasso

Hallo Leute!

Die meisten Fantasy-Romane spielen in einer erkennbar angelehnten Epoche, sei es europäisches Mittelalter, Viktorianisches Zeitalter oder Antike. Auch Kulturen sind oft erkennbar, die so auch in unserer realen Welt existiert haben haben. Manche Romane sind extrem stark daran angelehnt, andere weniger.
Meine Frage ist nun: wie kommt ihr auf die Epochen, in denen ihre eure Geschichten spielen lasst? Ist es eher so, dass ihr euch besonders für eine bestimmte Epoche interessiert und euch sagt "Ja, dazu muss ich einen Roman schreiben!", oder entwickelt ihr zuerst grob einen Plot und sucht dann nach einer passenden Epoche, in der die Story spielen könnte?

Was mir aufgefallen ist, ist dass es einfacher ist Konflikte im europäischen Mittelalter der Leserschaft zu vermitteln. Die feudalen Strukturen sind einfach klar und durch diese Epoche wurde in den letzten Jahren einfach medial stark wiederbelebt. Es gibt noch paar andere sachen die mir so bei der Problematik durch den Kopf gegangen sind, aber ich lasse die erstmal außen vor!

Ich freue mich auf eure Antworten :)

Sprotte

Natürlich greifen wir auf das zurück, was uns vertraut erscheint. Bei mir kommt schlicht und ergreifend Bewaffnung und Rüstung hinzu. Ich schreibe Heroic Fantasy. Ich benötige also eine Ära, die schmutzig und schießpulverfrei ist, feudale Strukturen mit Königen, Fürsten und Rittern aufweist.

Alana

Bei mir ist das sehr willkürlich. Manchmal nehme ich die Epoche, in der mir die Mode passend erscheint (so in meinem historischen Liebesroman) oder eine, die glaubhaft zum Charakter und der Gedankenwelt meines Protas passt.
Alhambrana

Kati

Bei mir ist es so, dass ich, wenn es nicht in der wirklichen Epoche spielt, Epochen wähle, die mich stark interessieren. Also zum Beispiel die viktorianische Epoche und der Barock. Mit dem Mittelalter kann ich vom Interesse her wenig anfangen, da könnte ich also auch nicht drüber schreiben, auch, wenn es bloß angelehnt wäre. Daher denke ich, dass meine Plots und die Epochenwahl Hand in Hand gehen. Ich würde also nie einen Plot schreiben, der mittelalterlich angehaucht ist, weil ich es nicht interessant finde.

Ich finde es nicht einfacher, Konflikte in einer mittelalterlichen Welt zu beschreiben. Die Gesellschaftsstrukturen der verschiedenen Epochen muss man ja so oder so recherchieren. Das kommt dann darauf an, wie gut man sich mit den Epochen auskennt.  ;)

Drachenfeder

Ich suche mir auch die Epoche aus, die mich persönlich sehr interessiert. Wobei es auch vorkommt, dass ich davon abgesehe, weil meine Idee einfach nicht da hinein passt. Es kommt also auf die Idee an. Kann ich diese mit meiner bevorzugten Epoche koppeln oder nicht. Bisher ist es einmal vorgekommen, dass es nicht gepasst hat. Meine Engel spielen nämlich nicht im Spätmittelalter.



Alana

@Kati: Über eine Epoche, die mich so gar nicht interessiert, könnte ich auch nicht schreiben. Und, da ich immer eine Liebegeschichte und einen interessanten Mann in der Geschichte habe, auch nicht, wenn die Männermode einfach lächerlich ist. Deswegen könnte ich nie einen historischen Liebesroman schreiben (oder auch lesen), der im Barock spielt.
Alhambrana

Kati

Barockmode rockt doch, was hast du denn?  :P ;D Nein, ich verstehe schon, was du meinst. Deshalb mag ich vielleicht auch das Mittelalter nicht, besonders die Zeit, in der es bloß lange Gewänder gab und keine richtigen Hosen. (Ich hab jetzt keine Ahnung, wie weit das stimmt, meine Modekenntnis fängt erst gegen 1500 an.)  Es gibt halt viele Faktoren, die da rein spielen, welche Epochen man gut findet und welche nicht. Bei mir geht ab 1500 eigentlich alles, aber ich habe halt meine Lieblinge.  :)

Aber ich gebe zu, dass ich es vielleicht auch mit dem Mittelalter versuchen würde, wenn ich jetzt die Idee hätte, die nur zu dieser Zeit funktioniert. Ich habe ja sogar eine um Isabella of France, aber das ist mir einfach viel zu früh, das hindert mich total.  :d'oh:

Rakso

Also bei mir ist das eher unterschiedlich. Manchmal habe ich Ideen zu einer Handlung und suche mir dann das geeignete Setting. Oder anders herum, dass ich eine Epoche habe, über die ich gerne Schreiben möchte (Antike, Frühmittelalter, Industrialisierung, I. WK) und dann entsteht der Plot dann außenherum.

Was ich auch gerne mache, ist (in reinen Fantasy-Projekten, die auf einer anderen Welt spielen), dass ich Epochen mische, und mir z. B. das Militärwesen aus dem 19. Jahrhundert hole, die gesellschaft aber im Stiel der frühen Antike aufbaue.
Oder ich versuche Settings zu finden, die nicht auf den üblichen (nord-)europäischen Kulturkreis zurückgreifen, sonder aus anderen Regionen, z. B. aus der zentralasiatischen Steppe oder dem pazifischen oder amerikanischen Raum. Dann greife ich auch gerne auf, aus europäischer Sicht, ausgefallene Sachen zurück, wie zum Beispiel die chinesische Papierrüstung oder antike Dampfautomaten.

Manbou

ZitatAber ich gebe zu, dass ich es vielleicht auch mit dem Mittelalter versuchen würde, wenn ich jetzt die Idee hätte, die nur zu dieser Zeit funktioniert.

Also, ich finde ja, dass das Mittelalter für Fantasy ein relativ leicht aufzubauender "Rahmen" ist, aber das ist wohl subjektiv. Bei mir ist es ja so, dass ich mir Epoche und Figuren/Plot so ziemlich gleichzeitig ausdenke, d.h. wenn ich eine Idee für eine Geschichte habe, hat die irgendwie automatisch eine Zeit, zu der die passt. Freilich finde ich es auch interessant, Aspekte aus verschiedenen Zeitaltern zusammenzumischen, genauso wie Regionen. Man muss da halt nur aufpassen, dass das nicht zu übertrieben wirkt , und vor allem dass man das nicht allzu oft macht.
Ohne Epoche kann eine Story/ ein Charakter nicht leben, ohne Charakter/Story kann eine Epoche nicht leben, außer es soll halt ein Sachbuch werden  :P . Das ist zumindest meine Ansicht.

Alana

#9
@Kati: Ja das mit den langen Gewändern stimmt, deswegen gehe ich auch ganz ans Ende vom Mittelalter, wo die Gewänder kürzer wurden und es sogar richtige Hosen gab. (Nachdem angemahnt wurde, dass man ja durch die Strümpfe die Unterhose sehen könne.)  :rofl:

@Manou: Ich sehe das ähnlich, ich finde das Mittelalter bietet einen glaubhaften Rahmen für Fantasy ohne zuviel Beiwerk, das davon ablenkt. Aber ich möchte mal stark vermuten, dass das vielleicht einfach bloße Gewohnheit ist. Die meisten Fantasy-Bücher haben ja das Mittelalter als Basis.

Für mich hängt das auch ein wenig mit der Stimmung zusammen. Mittelalter ist düster, geheimnisvoll, ich sehe einen Lichtschein in dunkler Nacht. Das macht gleich was her als Grundlage für einen schönen Prota. Nehm ich mal das Barock als Gegenstück, da ist alles weiß und gold und lichtdurchflutet, die Herren in rosa mit Lippenstift. Da sehe ich Intrigen, komplizierte Machtverhältnisse, auch spannend und interessant, aber weniger in Richtung Fantasy. Obwohl ich mir schon vorstellen kann, dass das funktioniert, wenn es gut gemacht ist.
Alhambrana

Kati

Alana: Ich finde die Mode zu Zeiten der Tudors ja ganz wunderbar.  :wolke: So viel Geglitzer in einer so düsteren Zeit. Hach. Aber das kann man ja sogar mit sehr viel Wohlwollen zum späten Mittelalter zählen.  ;)

ZitatAber ich möchte mal stark vermuten, dass das vielleicht einfach bloße Gewohnheit ist. Die meisten Fantasy-Bücher haben ja das Mittelalter als Basis.

Das würde ich auch sagen. Ich finde das Mittelalter mit seinen Ordnungen und Regeln auch recht kompliziert und gar nicht so leicht zu schreiben. Ich denke eher mal, dass es Gewohnheit ist, weil es sich irgendwie so eingebürgert hat, dass High Fantasy mittelalterlich angehaucht ist.

Zitat
Nehm ich mal das Barock als Gegenstück, da ist alles weiß und gold und lichtdurchflutet, die Herren in rosa mit Lippenstift. Da sehe ich Intrigen, komplizierte Machtverhältnisse, auch spannend und interessant, aber weniger in Richtung Fantasy. Obwohl ich mir schon vorstellen kann, dass das funktioniert, wenn es gut gemacht ist.

Man muss halt auch immer gucken, welche Aspekte man aufgreift. Deine Beschreibungen passen ja wie die Faust aufs Auge, aber ich arbeite viel mehr mit den düsteren Aspekten, von denen es genug gibt, jedenfalls in England: Die Pest und das große Feuer von London zum Beispiel waren da. Und natürlich der Vanitas-Gedanke. Ich arbeite da oft mit der Symbolik. Masken, Schädel, vertrocknete Blumen, Totentänze, alles ist endlich. Ich finde, das gibt viel her für einen Dark-Fantasy-Roman.  :) Aber ich denke, jede Epoche hat seine bunten und seine düsteren Aspekte, manche mehr, manche weniger. Man muss sich halt die Seiten rauspicken und stärker ausarbeiten, die man gebrauchen kann.

Alana

@Kati: Ja, da hast du auf jeden Fall Recht. Jede Epoche bietet sicherlich einen Ansatzpunkt. Ich fände es schon sehr spannend, mal einen waschechten Barock-Fantasy-Roman zu lesen.
Die Mode aus der Renaissance begeistert mich auch nicht so, ehrlich gesagt. Aber da kann man was draus machen, das sieht man ja bei der BBC Serie "Die Tudors".
Alhambrana

Kati

Und bei "Horrible Histories", ebenfalls von der BBC.  :versteck: Ich bin Geschichtsstudentin, ich darf alberne Kindersendungen gucken, wenn sie sich mit Geschichte befassen. Alles bloß Recherche.  ;D

Die beste Mode ist eh die Viktorianische, gegen Ende des Jahrhunderts. Ich liebe da besonders die Sachen für Männer mit den gemusterten Westen und den Bowler Hats.  :d'oh: Aber wir führen die Konversation gerade relativ weit vom eigentlichen Thema weg, glaube ich.  :rofl:

Snöblumma

Ich bin sehr Mittelalter-affin, darum greife ich gerne zu Settings, die Burgen, Ritter und Feudalgesellschaften als Basis haben. Allerdings empfinde ich im Gegensatz zu den meisten hier das Mittelalter keineswegs als düster. Für mich ist es eine unwahrscheinlich spannende Zeit, die einerseits sehr statisch war und andererseits viel Veränderung durchgemacht hat. Auch die Mittelaltermode finde ich zum Teil jedenfalls toll, wobei ich mir da in Fantasyromanen durchaus die Freiheit nehme, Korsetts in ein Mittelaltersetting zu verlagern, mit allen daraus folgenden Problemen bei der Fortbewegung zu Pferde und so weiter.  :rofl:

Ich mische auch gerne, und zwar eigentlich alles von den Römern bis in den Barock. Dieses Mischen finde ich zum Teil sogar schwieriger, als klar in einer Epoche zu bleiben, immerhin muss dann trotzdem noch alles logisch erscheinen. Wenn ich also, um im oben gewählten Beispiel zu bleiben, eine Militärorganisation wie im 19. Jh. nehme, aber eine antik angehauchte Gesellschaft dazu, brauche ich eine Erklärung, wieso das so entstanden ist. Jedenfalls für mich persönlich, selbst wenn der Leser nie etwas davon mitbekommt. Bei so etwas bin ich pedantisch. Ich habe Wirtschaftskreisläufe für meine Welten erstellt, ökonomische Analysen durchgeführt, Anbaugebiete für verschiedenste Lebensmittel ausgesucht und und und. Ich bin auch in der realen Welt jemand, der soziologischen und wirtschaftlichen Zusammenhängen gern auf den Grund geht, und das transportiere ich auf meine Welten.

Dass ich bei den Vorbildern eher auf Epochen zurückgreife, die mir liegen, klar. Die Recherche soll ja Spaß machen. Darum kommt für mich alles später als Barock eigentlich kaum mehr in Betracht, das sind Zeitalter, die mich wenig interessieren - wobei ich langsam anfange, mich für die Mode des späten 19. Jahrhunderts zu erwärmen. Und auch die Welt meines Lieblingsprojekts ist dadurch entstanden, dass ich unbedingt einen High Fantasy-Roman schreiben wollte, in dem eine spätmittelalterliche Gesellschaft und eine barocke Gesellschaft zusammentreffen. Wegen der Kleider: ich wollte unbedingt Frauen in diesen herrlichen Barock/Rokoko-Kleidern haben, also musste die gesellschaftliche Umgebung dazu passen. Darum halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass ich irgendwann doch noch in den 1880ern lande als reales Vorbild.

Insgesamt brauche ich einfach ein Umfeld, das zu meiner Geschichte passt. Wenn die Figuren im Barockkleid auftauchen, bin ich machtlos. Genauso wie ich machtlos war, als mein NaNo-Projekt sich unbedingt Wikingerhäuser als reales Vorbild gesucht hat. Ich habe verfremdet, Baumaterial verändert und getan, was ich konnte, die Grundstimmung blieb. Das ergibt sich aus der Geschichte selbst heraus - daran ändere ich wenig. Aber das was dann kommt, die soziale Ordnung, Strukturen, Gerichtsverfassungen, Befehlshierarchien etc., das arbeite ich so aus, wie es mir in den Kram passt. Historische Vorbilder sind Vorbilder, mehr nicht.

Judith

Ich mag es nicht, bestimmte Kulturen unserer Welt eins zu eins abzubilden. Außer, es wird überhaupt ein bestimmtes geschichtliches Ereignis in eine Fantasywelt transportiert, so wie etwa Guy Gavriel Kay es macht.
Daher sind bestimmte Epochen immer nur eine Inspirationsquelle, aber nichts, woran ich mich wirklich "halte". Meine Welt entspricht als Ganzes am ehesten der Römischen Antike, da dies die Zeit ist, die mich am meisten interessiert (und bei der ich mich auch am besten auskenne). Dennoch gibt es viele Aspekte, die eher frühmittelalterlich sind und umgekehrt auch Kulturen und Länder, die eher an der Bronzezeit und an frühen Hochkulturen orientiert sind.
Das bedeutet nicht, dass sich bei mir in allen Dingen Parallelen zur Antike ziehen lassen. Am meisten ist wohl die Architektur daran orientiert und - je nachdem, in welchen Teilen der Welt man ist - auch die Religion und das Gesellschaftssystem.

Davon abgesehen gibt es eigentlich gar nicht so viele Fantasyromane, die sich tatsächlich am Mittelalter orientieren. Die meisten pappen ja nur so ein "Pseudo-Mittelalter" über die Welt, also eben Ritter, Burgen und was einem sonst oberflächlich zum Mittelalter einfällt, ohne aber die tiefergehenden Strukturen zu betrachten.

Naja, und ein Mischen der Epochen hat uns ja schon Tolkien vorgemacht.  ;D Das Auenland/die Hobbits ist ein absoluter Anachronismus, wie er es ja selbst mal zugab. Eine Fleckchen 19. Jahrhundert inmitten von altertümlichen Kulturen.  ;)