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Wenn Emotionen die Handlung eines Werkes bestimmen

Begonnen von Telas, 22. März 2011, 16:53:23

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Telas

Was ich von euch anderen unbedingt mal wissen möchte ist, ob ihr eure eigenen Emotionen, die sich in eurem Alltag aufstauen, beim Schreiben komplett ausblenden könnt. Oder vielleicht fangt ihr an einem Tag, an dem ihr euch ein wenig geärgert habt, gar nicht erst an zu schreiben? Bei mir ist es so, ich bin ein recht emotionaler Mensch und kann deshalb oftmals nicht mit der nötigen Coolness an meine Werke gehen. Da ich mich aber am meisten ärgere, wenn ich gar nichts tue, fange ich dann aber oftmals dennoch an zu arbeiten.
Leider müssen meine Figuren dann oftmals dafür büßen, weil ihnen mächtige Feinde gegenübergestellt oder Krankheiten und Verletzungen angedichtet werden.
Andersherum ist es, wenn ich gute Laune habe, dann lasse ich auch gerne einmal eine Romanze oder ähnlich erfreuliches für die Charaktere einfließen.
Was haltet ihr davon? Läuft man damit nicht Gefahr, das Buch komplett zu vernichten, oder kommen vielleicht auf diese Art und Weise bei einem festgefahrenen Plot die entscheidenden Ideen? Habt ihr euch auch schonmal von euren Gefühlen beim Schreiben hinreißen lassen, mit gewollt offenem Ausgang?

Runaway

Oh, mich beeinflussen meine eigenen Emotionen total. Was ich schon vor Jahren an mir festgestellt habe und was mir auch gar nicht gefiel: Ich werde umso produktiver und besser, je schlechter es mir geht. Ist das nicht herrlich?  :pfanne:
Meine allerkreativste Phase hatte ich, als ich mal so richtig schön depressiv war. Da hab ich gedichtet und geschrieben und mir den Frust von der Seele getippt...
Funktioniert auch heute noch so. Klausurphase? 7 Klausuren in 4 Wochen? Super! Da kommen dann gleich 150 Ideen für mein aktuelles Projekt um die Ecke. Und sobald Ferien sind, sitze ich da, glotze die Wand an und schreibe gar nichts (so kürzlich erst passiert).
Ich liiiiiebe es. (Ironie)
Umgekehrt kann ich aber auch große Emotionen aus meinen Texten in den Alltag rüberschleppen. Dann passiert mir irgendwas, ich hab irgendein Gefühl und denke mir: Hey, so hat mein Held XY sich bestimmt auch gefühlt.

Meine Produktivität ist überhaupt sehr unterschiedlich. Mal kann ich nur gut schreiben, wenn ich frei habe und dementsprechend auch den Kopf frei habe.
Aber manchmal, wenn ich total gestreßt nach Hause komme, dann setze ich mich hin und die Buchstaben fließen nur so.
Daß ich dann anfange, meinen Helden besondere Dinge anzutun, könnte ich nicht behaupten. Im Großen und Ganzen halte ich an meinen Plänen fest, aber manchmal passiert's mir, daß meine aktuelle Stimmung besondere spontane Ideen hervorbringt, die sich echt gut machen.
Ich versuche, das alles gewinnbringend einzusetzen.

sirwen

#2
Für Kurzgeschichten eignet es sich total gut, eigene Emotionen und Erlebnisse einfliessen zu lassen. Bei Romanen kann ich das aber so weit es geht ausblenden, da lasse ich mich eher von Emotionen meiner Figuren beinflussen. Praktisch, wenn es mir schlecht geht, die Figuren aber gerade was tolles durchmachen ...

Ary

Sirwen? Was wolltest Du uns sagen? Da haben wohl ein paar Tintenzirkeldämonen Deinen Beitrag gefressen!  :laken:

EDIT: Ahja. Viiieeeeel besser, danke! :)

Ich schreibe komplett emotinsabhängig. Am besten und am intensivsten schreibe ich, wenn ich so richtig schön mit meinen Charakteren mitfiebern kann. Was bedeutet, die ganzen Füllszenen, die man so baucht, die Stellen, in denen es ausnahmsweise mal allen gut geht, gehen mir eher schwer von der Hand. Schlägt sich auch aufs Schreiben nieder (Originalton Verlag: Die Szenen da in Kapitel 10 und 11, wo so viel Friede-Freude-Eierkuchen ist, kürzen Sie das bitte mal...). Was mich beim Schreiben komplett hemmt, sind Sorgen und Stress - wenn ich zu viel über unsere finanzielle Situation nachdenke oder mir mal wieder im Labor die Arbeit über den Kopf wächst, mag ich nicht mehr schreiben.

Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Rakso

Mir geht's da so ähnlich wie Runaway.

Wenn ich möchte kommt nix und wenn ich keine Zeit habe, da kann ich mich vor Ideen, Geistesblitzen und so kaum retten. Leider geht dabei auch viel verloren.

Aber wenn es mit dem Schreiben klappt, versuche ich natürlich die Emotionen da einfließen zu lassen, wo sie am besten wirken. Und manchmal fließt auch etwas mit ein, was ich vorher nicht bedacht hätte, aber doch ganz willkommen ist. Man kann seinen Geschichten ganz neue Aspekte abgewinnen.

Luna

#5
Zitat
[Meine allerkreativste Phase hatte ich, als ich mal so richtig schön depressiv war. Da hab ich gedichtet und geschrieben und mir den Frust von der Seele getippt...
Ich wünschte, mir würde das mal gelingen. Meine Verstimmung hat mich beim letzten Nano eine Woche gekostet. Ich hab nichts mehr auf die Reihe gekriegt.
Die besten Ideen hab´ ich echt, wenns mir gut geht und ich den Kopf frei habe. Da sprudeln nur so die Ideen. Was nicht heißt, dass ich dann nur über friede freude Eierkuchen schreibe. Das, was mich so beschäftigt hat, versuche ich, in meiner Story zu verarbeiten, aber das geht bei mir erst mit einem gewissen Abstand. Wenn es noch zu akut ist und ich noch zu sehr von meinen Emotionen überwältigt bin, wird das bei mir die reine Betroffenheitssache und das lösche ich meist wieder, wenn ich ne Nacht oder zwei drüber geschlafen habe. 

Nachtblick

Tatsächlich habe ich nie meine Emotionen großartig in Geschichten verarbeitet, nicht mal in meinen Anfängen. Ich habe für eine 13-jährige erschreckend nüchtern geschrieben, nichts Kitsch und Herzensschwere und Liebeskummer. ;)

Mittlerweile beeinflussen meine Launen nur wenige Szenen so weit, dass die Handlung daraus unkontrolliert weiterläuft. Für mein sehr fragmentarisches Projekt über zwei Liebende arbeite ich mittlerweile bewusst nach Laune, aber ich merke, dass ich schlechter und unkonkreter schreibe, wenn ich aufgeregt bin. Andererseits schätze ich das Impulsive der Szenen, ich muss sie dann bloß von Stil und Logik manchmal nachträglich korrigieren.

Ich löse meist aber bewusst Emotionen und Schreiben so voneinander, dass ich mit Spaß arbeiten kann. Das geht meistens auch aus wirklich mieser Laune. Ich würde mir und meiner Geschichte damit nur selbst im Weg stehen, und bislang konnte ich das so überwinden.

Alaun

#7
Hm, das ist eine interessante Frage  :hmmm:

Generell ist mein Schreiben wenig von meinen aktuellen Emotionen beeinflusst. Das kriege ich aber auch erst seit einiger Zeit so hin. Ich habe mir angewöhnt, regelmässig "Morgenseiten" zu schreiben. Da geht es darum, eine bestimmte Zahl an Seiten zu füllen, EGAL, wie es einem gerade geht. Ob man sich inspiriert fühlt, steht nicht zur Debatte, es wird eben geschrieben. Mir hat diese (zugegeben etwas fatalistische Art) sehr geholfen, mich von der Abhängigkeit der Laune meiner diversen Musen zu lösen. Musen sind einfach ein unverlässliches Gschwerl  ;)

Will also sagen: ich schreibe halt. Sofern es die Zeit zulässt, die ist momentan wirklich das größere Problem.
Aber ich merke natürlich auch, dass es bessere und schlechtere Stimmungen für Texte gibt. Generell schreibe ich besser, wenn ich in Kontakt zu dem bin, was mich antreibt. Das können Menschen sein oder Themen, manchmal ist es ein Gedanke beim Aufstehen. Ein Lied. Alles, was dazu führt, dass irgendetwas in mir zum "schwingen" kommt. Manchmal schwingt es eben eher schräg und manchmal strukturiert und klar. Aber generell denke ich, dass ich recht unabhängig von meinen eigenen Launen schreibe. Doch das war ein steiniger Weg, den ich noch längst nicht für abgeschlossen halte...

Farean

Zitat von: Aquamarin am 23. März 2011, 08:11:01
dass es bessere und schlechtere Stimmungen für Texte gibt. Generell schreibe ich besser, wenn ich in Kontakt zu dem bin, was mich antreibt.
Das kann ich so unterschreiben. Bei mir beeinflussen sich reale Emotionen und die Stimmung im Buch gegenseitig. Der Einstieg in ein Szenario, wenn alles noch "Tabula Rasa" ist und jede beliebige Form annehmen kann, wird sehr stark von meiner Stimmung in dem Moment beeinflußt. Sind die Dinge ab da im Fluß, muß ich mich zum Weiterschreiben jedesmal erst wieder auf das Szenario "einstimmen". Das geht natürlich um so leichter, je näher ich mit der Stimmung ohnehin schon an dem dran bin, "was gerade geschieht".

Wenn ich erst mal drin bin, ist es bei mir eher umgekehrt so, daß die Geschichte mich mit ihrem Emotionen mitreißt. Ist wie beim Lesen, nur aktiver. :)

Telas

Die Antworten sind ja echt interessant!
Die einen schreiben am liebsten mit freiem Kopf und die anderen mit Emotionen.
@ Runaway, also wenn ich wirklich ganz down bin, ist das bei mir der eigentlich einzige Zustand, in dem ich wirklich nichts mehr zu Papier kriege. Interessant, dass du hier einen wahren Schreibfluss hast, wobei du gegen eine bessere Gesamtsituation dann wohl sicher auch nichts einzuwenden hättest.

Das Gefühl, den Kopf ganz frei zu haben, kenne ich leider nicht, irgendein Problem, sei es hausgemacht, beschäftigt mich immer, manchmal ist es nicht ganz einfach.

@ Aryana, das kann ich gut nachvollziehen. Wenn man gut in der Geschichte drin ist und mit den Charakteren mitfiebert, würde ich mich mit Füllszenen auch sehr schwer tun.

RubinaGela

Ohne Emotionen wären wir keine Menschen, sondern Roboter. Daher ist es doch ganz natürlich, wenn unsere Gefühle uns antreiben, bremsen, beeinflussen und sogar in unsere Werke mit einfließen. Gerade das macht ja auch eine Geschichte lebendig.

Ich finde es nicht schlimm, wenn man Emotionen hat. Es kommt nur darauf an, wie der einzelne damit umgeht (umgehen kann); ob er sich ablenken läßt oder sie sogar steuern kann - und dann davon profitiert. Ich stelle mir das manchmal vor wie surfen. Auf einer Welle der Emotion. Sie trägt, wir können sie nutzen - aber auch abstürzen und untergehen. Dann müssen wir vielleicht noch mal üben...  ;D

Jara

Wie es gibt Menschen, die sich von Emotionen bei dem beeinflussen lassen, was sie tun?! Ich gehöre da sicher *nicht* dazu ;)
Als Beispiel möchte ich einen meiner ersten Romane anführen. Begonnen kurz nachdem der Junge, mit dem ich zum Abschkussball in der 10. Klasse gehen wollte, mir abgesagt hat. Das Werk trug  und- da mir, obwohl es inzwischen in der 2. Überarbeitungsphase ist, noch nichts besseres eingefallen ist- trägt immer noch den Arbeitstitel "Zwischen Tränen und Grausamkeit". Und genau davon sollte das ganze Seting geprägt sein. Leid, Tod Zerstörung, Enttäuschung, Verrat, Schwäche und allem anderen, das einer 15-Jährigen bei Liebeskummer so durch den Kopf geht.
In besseren Zeiten habe ich einige Spitzen aber wieder rausgenommen, damit es nicht nur eine Ode an das Leid wurde.

Heute beeinflusst mich das etwas weniger, weil ich öfter einen Plot habe, an den ich mich auchhalten möchte. Da gibt es dann zwar Einschläge in meiner jeweiligen Laune, aber keine neuen Plotlines, in denen ich mich dann austobe.
Für einige Szenen warte ich auch, bis ich in einer bestimmten Laune bin. Darum passiert es schon  mal, dass mein Finale vor dem Rest fertig ist.

Runaway

Zitat von: Andoras am 23. März 2011, 19:53:23
@ Runaway, also wenn ich wirklich ganz down bin, ist das bei mir der eigentlich einzige Zustand, in dem ich wirklich nichts mehr zu Papier kriege. Interessant, dass du hier einen wahren Schreibfluss hast, wobei du gegen eine bessere Gesamtsituation dann wohl sicher auch nichts einzuwenden hättest.
Du sagst es... ist nicht schön, dann am besten schreiben zu können, wenn es einem schlecht geht. Das hab ich so nicht bestellt!! ;)

Maria

Ich versuche, meine momentanen Emotionen nicht an unpassender Stelle einfließen zu lassen. Im Grunde weiß ich ja vorher, was in der Szene und im Plot an dieser Stelle passieren soll, habe es mehrfach kopfgeschrieben und wenn ich mich ransetze versuche ich, die Emotionen der Figuren darzustellen.

Wenn jetzt Figur A in der Szene verletzt und beleidigt sein soll und Figur B überdreht, dann wird bei mir nicht komplett was anderes draus, weil ich anders drauf bin als die Figuren.

Das würde zuviel von meiner Planung durcheinander bringen.

Bastian

Interessante Frage  :hmmm:

Ich glaub eher nicht, dass mich meine momentanen Emotionen sehr beim Schreiben einer bereits durchgeplanten Geschichte beeinflussen. Aber im ernst, ich könnte mich wohl nicht gut genug auseinander dividieren, um da ganz sicher zu sein.

Meistens versinke ich ja beim Schreiben in eben die zu beschreibende Welt und vergess ganz schnell den alltäglichen Kram.

Was mir aber schon aufgefallen ist, dass ich durchaus manchmal Plotänderungen vornehme, ne nachdem was mich gerade so aus dem Weltgeschehen oder den Büchern die ich grad lese beschäftigt.

Letztens habe ich ein tolles Buch fertig gelesen (Marge Piercy: Er, Sie und Es) und als ich es zuschlug und noch grübelte, da wußte ich plötzlich was genau die Prämisse meines Romans ist.

o.k. jetzt weich ich ab.  :)