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Rezensionen - Autorenleckerli, Marketinginstrument oder Leserstütze?

Begonnen von Maja, 24. Juli 2015, 11:31:33

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Maja

Vor einigen Tagen kursierte ein Bildchen auf Facebook: "Autoren brauchen Liebe - Schreib eine Rezension!". Und kürzlich kam in einer Diskussion im Geheimzirkel auf, dass eine Zirklerin bei deutschen Büchern mit englischsprachigem Titel einen halben Punkt bei der Bewertung abzieht, da sie, ebenso wie ich, eine starke Aversion gegen diese immer mehr um sich greifende Praxis hat - worauf eine andere entgegnete, damit würde sie doch nur der Autorin schaden und nicht dem Verlag. Für mich kristallisiert sich mehr und mehr heraus, dass es unter Autoren offenbar extrem unterschiedliche Vorstellungen gibt, welchen Zweck eine Rezension überhaupt erfüllt.

Für mich ist eine Rezension keine Liebeserklärung für den Autor, bzw. wenn sie negativ ausfällt, auch keine Schmähschrift. Eine Rezension soll anderen Lesern helfen, im Dickicht der hunderttausende lieferbarer plus ausleihbarer Bücher diejenigen zu finden, die zu lesen lohnen. Der Autor kommt dabei mittelbar ins Spiel, als Verursacher des Werkes, aber der Autor ist nicht der einzige, der einen Anteil an der Qualität des Endprodukts hat, und so bezieht sich auch bei meinen Rezensionen die Wertung auf das Gesamtprpodukt und nicht nur den Autorenanteil daran. Ja, Autoren sind in den Po gepickt, wenn Verlage dem Buch einen unglücklichen Titel geben, zum Beispiel in grammatikalisch falschem Englisch. Oder ein abscheuliches Cover draufklatschen, das nichts mit der Story zu tun hat. Jetzt mag man streiten, inwieweit Cover und Titel Bestandteil einer Rezension zu sein haben, aber das hängt vom Einzelfall ab und auch vom Rezensenten. Aber ebensowenig ist es Schuld des Autors, wenn der Verlag schlampt bei Lektorat und Korrektorat - und selbstverständlich fliest das in die Rezension mit ein, weil es das, wofür am Ende der Leser Geld bezahlt, runterzieht. Eine Rezension bezieht sich auf ein Buch, nicht auf seinen Verfasser, auch wenn Vergleiche mit dem Rest des Oeuvres durchaus berechtigt sind und der Autor als Hauptverantwortlicher eines Werkes dasteht.

Aber die Punkte, die es für Rezensionen gibt, sind keine Schulnoten für die Autoren, und viele hier im Forum würden es sich deutlich leichter machen, würden sie sich von dieser Ansicht lösen und eben nicht mehr jede Rezension auf sich und ihre Person beziehen. Autoren sind nicht die Zielgruppe von Rezensionen, und waren es noch nie. Emails und Briefe an den Autor sind etwas anderes, da teilen Leser nicht ihre Ansicht mit der weltweiten Leserschaft, sondern laden den Autor zu Dialog und Diskussion ein, wenn der denn interessiert ist, und diese Form ist auch die richtige, um einem Autor wirklich eine Liebeserklärung zu machen. Rezensionen sind keine Liebeserklärungen, ihre Zielgruppe sind Leser, ebenso Buchhändler und Bibliothekare, die wissen wollen, was sie ans Lager nehmen sollen, ohne dafür jedes einzelne selbst lesen zu müssen.

Vor allem aber sind Rezensionen inzwischen zum Marketinginstrument verkommen, für Verlage, aber auch für die Autoren selbst. Gab es früher Leseexemplare für Buchhändler, um die man regelrecht betteln musste, werden inzwischen Rezensionsexemplare rausgeholzt, als gäbe es kein Morgen - man braucht noch nicht mal mehr ein eigenes Blog, es reicht, auf Facebooks, Goodreads oder Lovelybooks angemeldet zu sein, um vom Verlag beschenkt zu werden. Und das wird nicht getan, weil die Verlage finden, dass ihre Autoren so viel Liebe brauchen. Würden Verlage das finden, würden sie erst einmal damit anfangen, ihre Autoren besser zu behandeln und zu bezahlen. Rezensionen, Sternewertungen, sind eine Währung für den Verlag. Als ich meine erste Lesung in Frankfurt vor zwei Jahren hatte, kündigte mein Lektor das Buch an mit der Aussage "Fast 50 Rezensionen auf Amazon, alle 4 und 5 Sterne!" - ich hätte deutlich mehr, und andere, Sachen über mein Buch zu sagen gehabt.

Ebenso wie die Autoren, betrachten sich die Verlage als Zielgruppe der Rezensionen, damit sie diese zu Marketingzwecken verwenden können. Ich hatte Kontakt zu Bloggern, die denken, eine Rezension muss positiv ausfallen, wenn das Buch doch ein Geschenk vom Verlag war, und auch wenn ich denen dann gesagt habe, dass der Verlag sich das vielleicht wünscht, sie aber vor allem an sich und die Leser denken müssen - viele Rezensionen sind eben nicht die ehrliche Meinung des Verfassers, sondern so etwas wie die Währung, in denen ein umsonst erhaltenes Buch bezahlt wird. Andere Rezensionen sind für Geld erkauft. Weder das eine, noch das andere, ist eine Liebeserklärung an den Autor, und doch sehe ich Autoren, die jede neue Rezension auf Facebook mit glühenden Wangen und den Ziertränchen einer Oscarpreisträgerin teilen, als hätten sie gerade den FAZ-Rezensenten begeistert oder mindestens den Literaturnobelpreis gewonnen.

Lösen wir uns von der Vorstellung, dass die Rezis für uns sind. Dann können wir auch deutlich besser damit umgehen, wenn sie nur einen oder zwei Sterne mit sich bringen. Und dann dürfen unsere Rezensenten selbstverständlich Punkte abziehen für Entscheidungen, die allein der Verlag zu verantworten hat.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Leann

Kann ich alles so unterschreiben, weil es sich so ziemlich mit meiner Meinung zu dem Thema deckt.

ZitatEine Rezension soll anderen Lesern helfen, im Dickicht der hunderttausende lieferbarer plus ausleihbarer Bücher diejenigen zu finden, die zu lesen lohnen.
Hier finde ich, dass das "lohnend" nicht für alle Leser gelten kann. Geschmäcker sind verschieden. Eine Rezension kann dem Leser allerdings Entscheidungshilfe bieten, ob der Roman etwas für seinen persönlichen Lesegeschmack sein könnte. Hier können auch Dinge, die dem Rezensenten nicht gefallen haben, z.B. "kitschiges Happy Ending" etc. dazu führen, dass ein andere Leser sagt: "Das ist genau mein Ding!"

Ansonsten muss ich mich outen als jemand, der auch gerne mal eine Rezension bei FB postet. Ich gebe zu, hauptsächlich mache ich das, weil ich mich darüber freue und den Rezensenten auch zeigen möchte, dass ich ihre Arbeit zu schätzen weiß. Außerdem kann ich so ein wenig Werbung für Blogs machen, die mir gefallen (ich mache das oft auch unabhängig davon, ob der Blog ein Buch von mir rezensiert hat). Ein anderer Grund ist, dass ich den Followern meiner FB-Seite eine Entscheidungshilfe geben kann, ob der Roman etwas für sie ist. Darum poste ich nicht nur lobende Rezensionen, sondern auch gerne mal kritische. Mich stört es auch nicht, wenn andere Rezensionen posten, solange es sich im Rahmen hält und die FB Timeline nicht nur aus Rezensionspostings besteht, das wird auf Dauer öde.

Wenn ich Bücher schreiben würde, weil ich Liebe in Form von positiven Rezensionen dafür erwarte, hätte ich schon längst aufgegeben und würde mich lieber der Schafzucht widmen.  ;D
Natürlich freue ich mich über Rezensionen, mehr über positive, das wäre Heuchelei, wenn ich etwas anderes behaupten würde. Aber ich weiß auch eher negative Rückmeldungen zu schätzen, wenn ich merke, dass sich der Rezensent Gedanken zu dem Roman gemacht hat. Persönliche Beleidigungen in Rezensionen oder Nörgeleien ohne Begründung mag ich nicht, es sei aber jedem Leser unbenommen, sowas zu schreiben. Ist halt so, wenn man veröffentlicht. Dann ist die Geschichte raus und jeder kann seinen Senf dazugeben, ob mir das passt oder nicht. Tut mir meistens leid, dass der Roman den Geschmack des Lesers nicht getroffen hat. Ich schreibe ja, weil ich Freude daran habe und auch die Leser erfreuen möchte. Manchmal gelingt es, meistens eher nicht, shit happens, aber mit Liebesbedürfnis hat das nichts zu tun.

Alana

Ich stimme dir zu, Maja, es ist nur leider so, dass - wenn man kein Bestseller-Autor ist - schon ein Schnitt von vier Sternen, der eigentlich gut ist, den Verkaufszahlen enorm schadet. Und das ändert für mich alles. Wenn man Großverlagsautor ist und hauptsächlich über den Buchhandel verkauft, dann ist das egal, aber wenn man auf Online-Verkäufe angewiesen ist, kann das ziemlich bitter sein. Ich überlege allerdings schon länger, ob dieses Sternesystem überhaupt wirklich was bringt und wenn ja, wem. Autoren, die weniger als 4,5 Sterne haben, schadet es eher, Leser können durch den Dschungel an Rezensionen kaum noch durchblicken, wenige Rezensionen ergeben unter Umständen ein völlig falsches Bild vom Buch. Ich habe keinen Lösungsansatz, denn prinzipiell finde ich es hilfreich, die Rezensionen zu haben und - wenn sie funidert sind - auch die schlechten.
Alhambrana

Lynn

Zitat von: Maja am 24. Juli 2015, 11:31:33
... für Entscheidungen, die allein der Verlag zu verantworten hat.

Auch wenn ich deinem Post an einigen Stellen zustimme, hier muss ich widersprechen - ich gehe mal davon aus, dass sich das Zitat auf die Sache mit dem Titel bezieht: Den Titel verantwortet nicht allein der Verlag, sondern auch der Autor. Ich zumindest kenne es so. Er ist eine Co-Produktion. Manchmal wird auch der Arbeitstitel - der ja vom Autor kommt - übernommen. Weil er einfach optimal zum Buch passt. Also ist zumindest der Titel keine Entscheidung die nur der Verlag zu verantworten hat. Zumindest nicht in allen Fällen.  :hmhm?:

Nycra

Vom Inhaltlichen her stimme ich dir durchaus zu, Maja.

Aber das Problem ist, eine schlechte Rezension aufgrund von Abzügen in der B-Note (Cover, Titel, Korrektorat), die eindeutig den Verlag treffen müssten, fallen beim Leser nicht auf diesen zurück, sondern auf den Autor. Dem dann der Ruf anhaftet, schlampig zu arbeiten. Ich habe derlei PNs vielfach bekommen, also weiß ich, wovon ich rede. Es ist der Name des Autors, der geschmäht wird, nicht der Verlag, dem eigentlich die Schelte gehört.

Und der dankt es im schlimmsten Fall dem Autor dann damit (bei Großverlagen zumindest), dass er den Autor, weil er nur schlechte oder mäßige Rezis einfährt, dass er beim nächsten Mal eben nicht mehr veröffentlicht wird.

In Fällen, in denen sich der Leser über diese meist nicht vom Autor beeinflussbaren Fakten ärgert, wäre ein Leserbrief an den Verlag sinnvoller, als ein gutes Buch, das inhaltlich gefallen hat, schlechter zu bewerten, nur weil es optisch oder vom Titel nicht viel her macht.

Meine Meinung dazu.

@Lynn Da widerspreche ich. In meinen Verträgen steht drin, dass ich zwar ein Mitspracherecht habe, die Endentscheidung aber beim Verlag liegt. Ich darf drei Mal ablehne oder so, danach entscheidet der Verlag. Im schlimmsten Fall hat der Autor dann tatsächlich keine Möglichkeit mitzureden. War das nicht bei @Alana auch mal ein Streitpunkt oder verwechsele ich das gerade mit dem Cover?

HauntingWitch

Maja, dem ersten Teil deines Posts kann ich vollkommen zustimmen. Ich finde, man kann es auch niemandem übel nehmen, wenn Dinge wie Titel und Cover in die Rezension miteinfliessen, eben weil sie ja eine Empfehlung für andere Leser darstellt und welcher Leser, der nicht selber Autor ist, weiss schon, was genau da der Verlag verantwortet und was genau der Autor? ;)

Ich sehe Rezensionen aber schon auch als Marketing-Instrument. Insofern, dass sie neugierig machen können, dass man "gesehen" wird, dass man empfohlen wird (oder nicht, das ist halt die Kehrseite). In einem Leserforum kann mich als Leser z.B. eine positive Rezension von jemandem, der einen ähnlichen Geschmack hat wie ich, zum Kauf bewegen. So geht es anderen auch und daher halte ich es schon bis zu einem gewissen Punkt für ein Werbemittel von Seiten Autor und Verlag. Ich denke, man muss sich einfach bewusst sein, dass der Leser primär für die anderen Leser schreibt und nicht "um den Autor zu lieben" (das besagte Bildchen finde ich übrigens auch nicht so toll).

Alana

@Nycra: Das trifft auf alle diese Dinge zu. Cover, Titel, Klappentext. Von einem netten Verlag wird man gefragt und darf ein bisschen mitreden, ich kenne aber auch Fälle, da hat der Autor Cover, Klappentext und Titel zum ersten Mal gesehen, als der Verlagskatalog ins Haus flatterte. ;)

Abgesehen davon hab ich noch mal überlegt: Rezensionen sollen in meinen Augen dem Leser zeigen, ob dieses Buch für ihn Lesegenuss bereithält. Deswegen kann man ein schlechtes Cover ruhig erwähnen, aber Punkte dafür abziehen finde ich eigentlich nicht richtig und der Sache dienlich. Nehmen wir mal das Beispiel: Der Leser findet den Titel interessant, das Cover gefällt ihm aber nicht. Nun haben schon mehrere Leser für das Cover Punkte abgezogen und der Schnitt ist dadurch bei 4 Sternen, obwohl alle Leser vom Inhalt begeistert waren. Ist es der Sache wirklich dienlich, wenn dieser neue Leser nun vom Cover und der durch das Cover resultierende schlechtere Bewertung abgeschreckt wird? Das hässlche Cover beeinträchtigt ja am Ende nicht den Lesegenuss.
Alhambrana

Maja

Oh, ich teile auch ab und an mal eine Rezension, die ich besonders interessant, gelungen und natürlich auch werbeträchtig finde - wenn Verlage das als Marketinginstrument nutzen können, kann ich das auch. :) Aber ich habe ein paar (nicht-Tizi) Autoren auf Facebook entfreundet, weil sie auf ihrern privaten Seiten (nicht den Fanseiten) jeden einzelnen Tag drei Rezensionen geteilt haben. Habe mich vor ein paar Tagen mit einer Autorin angelegt, die eine Rezensentin teilte, bei der schon der Seitenname einen dicken Schreibfehler enthielt - sowas zu teilen, wäre mir echt zu peinlich, auch bei fünf Punkten.

Mich freuen Rezensionen, wenn ich das Gefühl habe, dass sich die Rezensenten mit dem Buch auseinandergesetzt haben, dass sie mein Buch ans Denken gebracht hat. Meine Lieblingsrezension der letzten Zeit war eine zu "Geigenzauber", bei der das Buch zwar ziemlich schlecht wegkam, ich mich aber richtig gefreut habe, dass mir endlich der Schluss, mit dem ich nicht glücklich war, um die Ohren geflogen ist. Da "Geigenzauber" schlecht läuft und es sehr wenige Rezis gibt, ist jede neue ein kleiner Sieg - den ich dann auch für mich verbuche, weil ich weiß, dass es dem Verlag ohnehin hackegal ist.

Was das "lohnt für den Leser" angeht - jede Rezension ist geschmackssache, und jeder Leser mag andere Sachen. Deswegen lache ich immer, wenn Autoren fordern, Rezensionen sollten gefälligst objektiv sein - sie können genau das nicht. Sie sind immer subjektiv, weil sie eine Meinung abbilden. Selbst zwei renommierte Rezensenten können sich in die Wolle kriegen, wenn sie unterschiedlicher Ansicht über ein Werk sind, ich erinnere nur an "Karasek vs. Löffler". Ich mag es, wenn Rezensionen begründet sind, weil ich als Leserin dann sehe, wo die Rezensenten ihre Schwerpunkte haben, und wenn ich mit einem Rezensenten bei früheren Rezis zu Büchern, die ich kenne, übereinstimme, tendiere ich eher dazu, mich von der neuen Rezi zum Kauf verleiten oder davon abhalten zu lassen als bei einem Rezensenten, dessen Meinung ich tendenziell nicht teile.

Letztes Jahr habe ich einen Blogbeitrag zum Thema "Menschen, Tiere, Rezensionen" geschrieben, den ich hier nochmal in Gänze wiederholen könnte, aber dafür fehlt mir gerade die Zeit. ;) Vielleicht ist er aber trotzdem für den einen oder anderen hier interessant.

EDIT
Hat sich mit fünf Beiträgen überschnitten.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Lothen

Zitat von: Nycra am 24. Juli 2015, 12:01:37In Fällen, in denen sich der Leser über diese meist nicht vom Autor beeinflussbaren Fakten ärgert, wäre ein Leserbrief an den Verlag sinnvoller, als ein gutes Buch, das inhaltlich gefallen hat, schlechter zu bewerten, nur weil es optisch oder vom Titel nicht viel her macht.
Vielleicht könnte man so etwas einfach intensiver kommunizieren? Zumindest Amazon bietet ja die Chance, auf Rezensionen zu antworten. Allerdings besteht da wiederum die Gefahr, dass es für die Leser nach einer Ausrede von Seiten des Autors klingt ...

Ich stimme Maja auch in vielen Punkten zu, sehe aber, ähnlich wie Nycra, das Problem, dass schlechte Rezis eben doch auf den Autor zurückfallen, egal, warum sie schlecht sind. Sei es, weil 1-Punkte-Bewertungen potentielle Leser abschrecken oder weil der Verlag Konsequenzen daraus zieht.

Es ist schade, dass Amazon keine Möglichkeit bietet, differenzierter zu bewerten, z.B. in Kategorien (Inhalt - Cover - Titel - Sprache oder so). Solche Bewertungen könnten dann deutlich zeigen, wo die Stärken und Schwächen liegen. Allerdings weiß ich auch nicht, ob Leser sich wirklich die Zeit nehmen wollen, so umfangreich zu renzensieren.

Alanas Argumentation finde ich da sehr korrekt: Der Inhalt sollte das Entscheidende sein, nicht die Verpackung. Letztere entscheidet ja eher, ob ich mir ein Buch näher ansehe oder nicht. Es ist schade, wenn sie nicht gut ankommt, aber beeinflusst den Unterhaltungswert (oder Lesegenuss, wie Alana sagte) nicht. Außerdem finde ich die Qualität von Covergestaltung noch subjektiver als den Inhalt eines Buches.

Zitat von: MajaMich freuen Rezensionen, wenn ich das Gefühl habe, dass sich die Rezensenten mit dem Buch auseinandergesetzt haben, dass sie mein Buch ans Denken gebracht hat.
Absolut! Ein lapidares "Ganz toll, spannend, gern gelesen" mag zwar der Seele schmeicheln, bringt den Autor aber nicht weiter. Da würde ich mich auch eher über eine inhaltlich anspruchsvolle, aber dezidiertere Rezension freuen.

Thaliope

Zitat von: Alana am 24. Juli 2015, 12:05:44
@Nycra: Das trifft auf alle diese Dinge zu. Cover, Titel, Klappentext. Von einem netten Verlag wird man gefragt und darf ein bisschen mitreden, ich kenne aber auch Fälle, da hat der Autor Cover, Klappentext und Titel zum ersten Mal gesehen, als der Verlagskatalog ins Haus flatterte. ;)

Abgesehen davon hab ich noch mal überlegt: Rezensionen sollen in meinen Augen dem Leser zeigen, ob dieses Buch für ihn Lesegenuss bereithält. Deswegen kann man ein schlechtes Cover ruhig erwähnen, aber Punkte dafür abziehen finde ich eigentlich nicht richtig und der Sache dienlich. Nehmen wir mal das Beispiel: Der Leser findet den Titel interessant, das Cover gefällt ihm aber nicht. Nun haben schon mehrere Leser für das Cover Punkte abgezogen und der Schnitt ist dadurch bei 4 Sternen, obwohl alle Leser vom Inhalt begeistert waren. Ist es der Sache wirklich dienlich, wenn dieser neue Leser nun vom Cover und der durch das Cover resultierende schlechtere Bewertung abgeschreckt wird? Das hässlche Cover beeinträchtigt ja am Ende nicht den Lesegenuss.

Vor allem: Wenn eine Rezension dazu dienen soll, dem Leser entscheiden zu helfen, ob er ein Buch kaufen will oder nicht, ist die Bewertung des Covers ziemlich überflüssig, weil der potenzielle Leser das ja gerade noch selbst sieht.
Da stellt sich halt die Frage, die ja auch schon im Thread-Titel steckt: Was ist eigentlich Sinn und Zweck von Rezensionen, ist das je nach Meidum unterschiedlich (Zeitung vs. Blog vs Amazon zb), und hat sich das in den letzten Jahren geändert?
Will ich möglichst neutral bei einer Kaufentscheidung helfen, oder will ich einfach meine Meinung loswerden, weil das Cover und der Titel so dermaßen meine Augen und meinen Verstand beleidigt haben? Beides hat in meinen Augen sicher seine Berechtigung. Problematisch wird es an dem Punkt, wo beide Intentionen unter demselben Etikett leicht missgedeutet werden können.
Muss ich bei der Meinungsäußerung berücksichtigen, welche Auswirkungen sie auf die Verkäufe hat? Inwieweit verändern sich die Regeln der Fairness durch die direkte Verknüpfung zwischen Sternezahl und Verkaufszahlen? Wahrscheinlich müssen wir unseren Begriff von Rezensionen den neuen Bedingungen doch anpassen ...

Huch, jetzt bin ich im Schreiben ins Überlegen gekommen. Ich hoffe, die Gedankengänge sind trotzdem halbwegs nachvollziehbar.
LG
Thali

Fianna

Ich denke, die meisten Blogger machen sich da nicht soviele Gedanken drum, wie sie ihre Rezension schreiben.
Die haben sich mal ein System überlegt mit x Punkten, treffen nach dem Lesen eine Einschätzung, schauen vielleicht bei ihren anderen 4-Punkte-Rezensionen, ob sie das gerade zu bewertende Buch vielleicht doch besser oder schlechter finden - und das wars.

Ich finde es oft schon schwer, aus dem Text allein eine Meinung zu erkennen; oft geht das ohne Sterne dazu überhaupt nicht. Da habe ich immer das Gefühl, die haben einfach mal geschrieben und Sterne dran geklatscht, aber mit dem Text alleine kann man keine Wertung treffen. Manchmal hätte ich das Buch dann als 2 von 5 eingeschätzt und war ziemlich irritiert, wie die Bloggerin bei so einem Text auf diese "Sterne"-Anzahl kommt.

Feuertraum

Auch auf die Gefahr hin, mich unbeliebt zu machen, aber ich sehe dass einen kleinen Tucken anders:

Zitat von: Maja am 24. Juli 2015, 11:31:33


Eine Rezension soll anderen Lesern helfen, im Dickicht der hunderttausende lieferbarer plus ausleihbarer Bücher diejenigen zu finden, die zu lesen lohnen.

Was ich im Grunde genommen unmöglich finde. Nur weil 50 Leser hellauf begeistert sind von einem Werk, muss ich fair sein und mir eine eigene Meinung bilden. Verlasse ich mich auf die Meinung von 1000 anderen Lesern, müsste ich die Bücher um Harry Potter lieben.
Sie treffen aber nicht meinen Geschmack.

ZitatDer Autor kommt dabei mittelbar ins Spiel, als Verursacher des Werkes, aber der Autor ist nicht der einzige, der einen Anteil an der Qualität des Endprodukts hat, und so bezieht sich auch bei meinen Rezensionen die Wertung auf das Gesamtprpodukt und nicht nur den Autorenanteil daran.

Ich wage einmal zu behaupten, dass nur ein geringer Anteil der Rezenszenten den Blick hat, den Sie haben. Sie, die Rezenstenten, lesen das Buch und damit den Autoren. Lektoren, Korrektoren, Verlage, dass sehen diese Menschen nicht. Sie sehen "nur" den Autoren, und so bezieht sich ihre Kritik auf das Buch, schaffen es aber manchmal auch, den Autoren als solches ins Kreuzfeuer zu ziehen.

ZitatAber die Punkte, die es für Rezensionen gibt, sind keine Schulnoten für die Autoren

In meinen Augen indirekt schon. Bekommen meine Geschichten positive Rezensionen, so weiß ich, dass mein Schreibstil, meine Ideen ankommen und ich weiter diese Schiene fahren kann. Bekomme ich nur "Daumen runter", muss ich überlegen, woran es hapert, was ich ändern muss. Das bedeutet dann aber auch, dass ich dann mit dem Verlag zusammenarbeiten muss, um das Produkt neu zu "designen".

ZitatIch hatte Kontakt zu Bloggern, die denken, eine Rezension muss positiv ausfallen, wenn das Buch doch ein Geschenk vom Verlag war, und auch wenn ich denen dann gesagt habe, dass der Verlag sich das vielleicht wünscht, sie aber vor allem an sich und die Leser denken müssen - viele Rezensionen sind eben nicht die ehrliche Meinung des Verfassers, sondern so etwas wie die Währung, in denen ein umsonst erhaltenes Buch bezahlt wird
.

Das ist übrigens eine Technik, die auch von einem namhaften Spielzeughersteller verwendet wird. Du bekommst von uns ein tolles Spielzeug geschenkt. Schreibst du was Tolles drüber, bekommst du wieder ein tolles Spielzeug geschenkt. Schreibst du was Schlechtes, kennen wir dich nicht mehr.

Zitatund doch sehe ich Autoren, die jede neue Rezension auf Facebook mit glühenden Wangen und den Ziertränchen einer Oscarpreisträgerin teilen, als hätten sie gerade den FAZ-Rezensenten begeistert oder mindestens den Literaturnobelpreis gewonnen.

Ich will einräumen, dass ich eine solche Reaktion zwar für maßlos übertrieben halte, dennoch finde ich es gerechtfertigt, wenn sich der Autor über eine positive Rezi über sein Werk freut (und vielleicht auch seine Freude mit anderen teilt).


Ein Bekannter von mir liebt Bier so sehr - ich bekam als Schutzimpfung gegen Corona Astra Zenica, er Astra Pilsener ...

Alana

Ich teile übrigens keine Rezensionen mehr auf Facebook, die interessieren die anderen Leser meiner Seite nämlich nicht. ;)

Und man kann davon halten, was man will und jeder darf seine Meinung kundtun, wie er will. Ich persönlich schätze fundierte Kritik ja auch. Aber dennoch muss man sich, wenn man eine Rezension auf Amazon einstellt über eines im Klaren sein:

Jede Rezension, die schlechter als vier Sterne ist, kann den Autor unter Umständen eine Menge Verkäufe kosten. Sie kann zum Beispiel die Verkäufe zum Einbruch bringen, so dass das Buch aus einer Bestenliste fliegt, nicht mehr sichtbar ist, und sich nie mehr davon erholt.

Das ist so und das lässt sich auch nicht wegdiskutieren. Die meisten Leser wissen das nicht, aber seit ich das weiß, sehe ich das ganze etwas anders und überlege mir genau, ob ich wirklich Sterne abziehen muss. Es ist im Prinzip unfair, dass damit eine Verantwortung auf den Rezensenten lastet, die sie nicht haben sollten, aber so ist das System. Ob und wie er nun in Zukunft rezensiert, muss jeder mit sich selbst ausmachen.
Alhambrana

Nycra

Zitat von: Feuertraum am 24. Juli 2015, 12:23:01
Was ich im Grunde genommen unmöglich finde. Nur weil 50 Leser hellauf begeistert sind von einem Werk, muss ich fair sein und mir eine eigene Meinung bilden. Verlasse ich mich auf die Meinung von 1000 anderen Lesern, müsste ich die Bücher um Harry Potter lieben.
Sie treffen aber nicht meinen Geschmack.
Aber ohne die Bewertungen, wären Sie vielleicht gar nicht darauf aufmerksam geworden und hätten sich diese eigene Meinung gar nicht bilden können. Es spricht in dem Fall doch aber auch nichts dagegen, zu bewerten, dass das Buch nach eigenem Geschmack nicht gefallen hat. Dagegen hat ja auch niemand etwas.

Zitat von: Lothen am 24. Juli 2015, 12:12:39
Vielleicht könnte man so etwas einfach intensiver kommunizieren? Zumindest Amazon bietet ja die Chance, auf Rezensionen zu antworten. Allerdings besteht da wiederum die Gefahr, dass es für die Leser nach einer Ausrede von Seiten des Autors klingt ...
Genau darauf läuft es hinaus.


Zitat von: Lothen am 24. Juli 2015, 12:12:39Es ist schade, dass Amazon keine Möglichkeit bietet, differenzierter zu bewerten, z.B. in Kategorien (Inhalt - Cover - Titel - Sprache oder so). Solche Bewertungen könnten dann deutlich zeigen, wo die Stärken und Schwächen liegen. Allerdings weiß ich auch nicht, ob Leser sich wirklich die Zeit nehmen wollen, so umfangreich zu renzensieren.
Richtig. Wenn ich an einer Umfrage teilnehme bekomme ich ja auch mehrere Bereiche unabhängig von einander zum Bewerten. Amazon (und andere Seiten) machen es sich da sehr einfach.

Ary

Ich gebe ja zu, ich freue mich über gute Rezensionen und wollte mich, als ich mit dem Veröffentlichen anfing, am liebsten irgendwo in einem Loch verkriechen, wenn eine Rezension schlecht war oder Kritikpunkte anbrachte, die mir richtig wehtaten. Irgendwie sind für mich Rezensionen immer noch sowas wie Zuckerbrot und Peitsche.
Es ist bestimmt ein Unterschied, ob man in einem Kleinverlag ist oder einem großen Publikumsverlag. Für die Kleinen ist eine Rezension immer Werbung. Das Buch kommt ins Gespräch, es wird bekannt gemacht. Darum blogge ich auch gern mal über Bücher aus Kleinverlagen und freue mich, wenn auch meine Kleinverlagsveröffentlichungen in Blogs oder auf Facebook/Twitter erwähnt werden. Allerdings mag ich dieses Sternchensystem so gar nicht, weil es eben so "individuell" genutzt werden kann. Und dann die Interpretation. Drei von fünf Sternen definiert Amazon als "kritisch" im negativen Sinn, alles ab vier Sterne ist "positiv". Drei von fünf ist für mein Empfinden aber noch nicht "schlecht" (und ich empfinde meine zwei Dreisterne-Rezensionen für "Nachtjägerherz" auf Amazon auch nicht als negativ - angemerkt wurden Kürze und eine gewisse Oberflächlichkeit und mangelnde Tiefe, wobei ich eben auch mit einem Seitenlimit von 70-80 Normseiten "kämpfte", als ich den Rohnentwurf schrieb, da war gar kein Platz für allzu viel Tiefe). Aber drei von fünf ist mehr als die Hälfte, in Schulnoten vielleicht eine "drei plus". Immerhin noch "befriedigend".
Vielleicht wäre ein anderes Bewertungssystem besser, ein gestaffeltes, bei dem man zum Beispiel Inhalt und Cover unabhängig bewerten kann und vielleicht beim Inhalt noch Punkte für Sprache, Spannung etc. vergeben kann. Oder es sollte gar kein Bewertungssystem geben und der Rezensent muss tatsächlich formulieren, was ihm gefallen hat oder eben auch nicht. Vielleicht machen die Sternchen Rezensenten faul?

Edit: Überschnitten mit Feuertraum, Alana und Nycra
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.