Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum

Allgemeines => Tintenzirkel => Thema gestartet von: Arne am 06. November 2013, 22:03:04

Titel: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: Arne am 06. November 2013, 22:03:04
Nach den vielen wenig guten Nachrichten in Bezug auf die Chancen als deutscher Fantasy-Erstling wage ich mich gegenwärtig an ein Experiment. Bisher habe ich drei phantastische Romane geschrieben, wovon ich seit längerem versuche, zwei an den Mann zu bringen (Der Dritte - eigentlich Erste - wird irgendwann einmal eine Neufassung verpasst und dann seine Chance bekommen). Wie vielleicht zu erahnen, hatte das bislang keinerlei Erfolg.
Da aber in meinem letzten Buch der phantastische Teil sehr hinter dem menschlichen Aspekt der Geschichte in den Hintergrund gerückt ist, kam mir die Idee, es einmal auf die "normale" Weise zu versuchen. Nun mache ich mir also zum ersten Mal die Füße in einer ganz unphantastischen Geschichte nass und werde schauen, wohin es mich führt. Wenn es was wird, habe ich die Hoffnung, eine etwas breitere Auswahl an möglichen Adressaten zu finden, um endlich einmal als Schriftsteller weiterzukommen. Die Phantastik bleibt dabei meine erste Liebe und wird von mir nicht verlassen. Sie hat nur zurzeit Urlaub ;-)
Hat jemand hier ähnliche Ausflüge gemacht/macht sie längst? Welche Erfahrungen habt Ihr gemacht? Ich zum Beispiel hatte zu Beginn durchaus mit dem Fehlen der übergeordneten phantastischen Idee zu kämpfen. In meinen vorherigen Werken gab es stets den hintergründigen und doch alles mal subtil, mal sehr deutlich durchdringenden phantastischen Aspekt, der die Welt gleich eine Spur komplexer und ausgefüllter werden ließ. Das zu kompensieren, musste ich erst einmal ganz neu ausloten.
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: Franziska am 06. November 2013, 23:07:39
Das ist doch nicht Off Topic :psssst:
Ich glaube, die meisten hier schreiben nicht nur Phantastik. Ich habe schon immer auch realistisches geschrieben. Eigentlich mehr als Fantasy. Bisher habe ich einen Fantasy und vier realistische Romane geschrieben. Und ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich überhaupt nochmal Fantasy schreibe. Irgendwie fehlen mir da die Ideen. Wenn dann schon eher SF. Mich haben schon immer mehr die Beziehungen der Figuren und ihre Entwicklungen interessiert als komplexer Weltenbau. Mit komplexen Figuren kann man einem Text ja auch Tiefe verleihen. Und die reale Welt ist doch auch komplex genug. Aber ich glaube, ich verstehe trotzdem, was du meinst. Wenn man gewohnt ist solche komplexen Welten zu entwerfen, ist es vielleicht erstmal schwer, etwas anderes zu schreiben. Dann muss man sich auf den Plot und die Figuren konzentrieren. Wenn man sich den Buchmarkt anguckt, istder Fantasyboom offensichtlich vorbei. Es kann also nicht schaden, in ein oder zwei anderen Genre etwas zu versuchen, würde ich sagen.
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: Grey am 06. November 2013, 23:56:31
 :wache!:

Sehr richtig, das ist keineswegs Off Topic, sondern ein sehr schreibbezogenes Thema. Ich habs daher mal verschoben.
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: HauntingWitch am 07. November 2013, 09:11:57
Lustig, dass du den Thread gerade jetzt eröffnest, ich hatte das "Problem" vor etwa einem halben Jahr bzw. bin immer noch dabei. Es war so, dass ich plötzlich mehr Zugang zu realistischen Dingen hatte und so richtig Fantastisches mir einfach nicht mehr zufliegen wollte. Erst einmal war da grosse Panik in meinem Kopf, denn um Himmels willen, ich liebe die Fantasy doch und möchte sie nicht verlieren. Nachdem mich der Tizi dann ermutigt hat, habe ich diese realistischen Sachen tatsächlich in Angriff genommen und festgestellt: Das fantastische Element rutscht mir immer wieder rein, ich kann das gar nicht wirklich weg lassen. Es passiert einfach. Nur steht es teilweise nicht mehr im Vordergrund. Ein Roman ist (noch) nichts davon geworden. Einer steht vielleicht in den Startlöchern, wobei ich auch da schon wieder zu leicht fantastischen Ideen abdrifte. Das Ergebnis: Ich habe jetzt eine Menge "Übungen" in meinem elektronischen Archiv und bin vermutlich noch lange nicht fertig damit. Aber das andere ist auch noch da. Wo genau mich das hinführt, weiss ich noch nicht. Fest steht schon einmal, dass es dem Horror in meinen Geschichten (was ich eigentlich am liebsten schreibe) mächtig zugute kommt.
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: Malinche am 07. November 2013, 10:33:11
In welchem Genre versuchst du dich denn gerade, Arne? :)

Zitat von: Arne am 06. November 2013, 22:03:04
Da aber in meinem letzten Buch der phantastische Teil sehr hinter dem menschlichen Aspekt der Geschichte in den Hintergrund gerückt ist, kam mir die Idee, es einmal auf die "normale" Weise zu versuchen. Nun mache ich mir also zum ersten Mal die Füße in einer ganz unphantastischen Geschichte nass und werde schauen, wohin es mich führt. Wenn es was wird, habe ich die Hoffnung, eine etwas breitere Auswahl an möglichen Adressaten zu finden, um endlich einmal als Schriftsteller weiterzukommen. Die Phantastik bleibt dabei meine erste Liebe und wird von mir nicht verlassen. Sie hat nur zurzeit Urlaub ;-)

Zitat von: Franziska am 06. November 2013, 23:07:39
Und ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich überhaupt nochmal Fantasy schreibe. Irgendwie fehlen mir da die Ideen. Wenn dann schon eher SF. Mich haben schon immer mehr die Beziehungen der Figuren und ihre Entwicklungen interessiert als komplexer Weltenbau. Mit komplexen Figuren kann man einem Text ja auch Tiefe verleihen. Und die reale Welt ist doch auch komplex genug.

Meine phantastischen Projekte spielen ja auch in den meisten Fällen in der realen Welt und ich finde, phantastische Elemente lassen sich auch sehr gut mit komplexen Figuren verbinden. Also nicht, dass ihr direkt etwas anderes behauptet hättet, aber ich würde das jetzt nicht so als Gegeneinander aufstellen, als ob die Beziehungen und Entwicklungen der Figuren in einem Fantasy-Setting weniger herausgearbeitet werden könnten als in einem realen bzw. unter dem Einsatz phantastischer Elemente leiden müssen. Finde ich nämlich gar nicht. :)

Bei mir ist es so, dass ich momentan an meinem zweiten komplett realistischen Buch sitze (das erste ist Kinder-/Jugendbuch, das zweite wird wohl eher in Richtung Young Adult gehen). Hauptsächlich deshalb, weil meine Agentur mir recht klar gesagt hat, dass sie für Fantasy momentan keine Vermittlungschancen sehen, und nachdem mich das anfangs gefrustet hat, nehme ich es als Herausforderung, auch ohne phantastische Elemente einen Zauber in der Geschichte zu finden, der mich selbst gefangennehmen kann. Schwierig finde ich dabei nicht so sehr, dass nichts Phantastisches vorkommen "darf", sondern eher, dass ich mich mit bestimmten Genrekonventionen konfrontiert sehe, die mir vorher nicht bewusst waren. Es ist ja auch schon ein großer Unterschied, ob ich einen Krimi, einen Mystery-Thriller oder eben ein realistisches Jugendbuch schreibe. Wobei ich das jetzt nicht als unbedingtes Gegenstück zur Fantasy ansehe, denn auch da gibt es zahllose Konventionen und unterm Strich natürlich auch Anforderungen an die Markttauglichkeit - daher denke ich, den Unterschied in meinem Fall macht vielleicht eher, dass ich vorher für mich geschrieben habe und nun im Hinblick darauf, dass das Machwerk für einen ominösen "Markt" interessant und kaufbar sein soll. Was ja dann schon wieder eine andere Diskussion wäre.

Zitat von: Arne am 06. November 2013, 22:03:04
Hat jemand hier ähnliche Ausflüge gemacht/macht sie längst? Welche Erfahrungen habt Ihr gemacht? Ich zum Beispiel hatte zu Beginn durchaus mit dem Fehlen der übergeordneten phantastischen Idee zu kämpfen. In meinen vorherigen Werken gab es stets den hintergründigen und doch alles mal subtil, mal sehr deutlich durchdringenden phantastischen Aspekt, der die Welt gleich eine Spur komplexer und ausgefüllter werden ließ. Das zu kompensieren, musste ich erst einmal ganz neu ausloten.

Ich denke, das lässt sich eigentlich immer ganz gut lösen und hängt dann auch immer vom Genre ab, in dem man sich bewegt. Aber es lassen sich doch auch in der realen Welt genug Eigentümlichkeiten und Widersprüche finden, die man ähnlich einem phantastischen Aspekt als "Bühne" nutzen kann, als Bezugspunkt sozusagen.

Persönlich glaube ich, dass ich auch vieles über die Sprache und sprachliche Bilder ausgleiche, um es wieder ein wenig phantastischer zu Gestalten - es sind dann eben die Gedanken der Protagonistin, die sich dies oder jenes vorstellt oder etwas vergleicht, und keine tatsächlichen magisch-phantastischen Wesenheiten, die in den Schatten tanzen. ;)
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: Thaliope am 07. November 2013, 10:54:31
Zitat von: Malinche am 07. November 2013, 10:33:11und nachdem mich das anfangs gefrustet hat, nehme ich es als Herausforderung, auch ohne phantastische Elemente einen Zauber in der Geschichte zu finden, der mich selbst gefangennehmen kann.

Ach, das hast du schön gesagt  :vibes:  :wolke:
Und wenn man sich mal in der nicht-phantastischen Literatur umschaut, findet man ja an allen Ecken und Enden "phantastoide" Elemente.

LG
Thali
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: Luna am 07. November 2013, 11:05:59
Zitat von: Franziska am 06. November 2013, 23:07:39
Wenn man sich den Buchmarkt anguckt, istder Fantasyboom offensichtlich vorbei. Es kann also nicht schaden, in ein oder zwei anderen Genre etwas zu versuchen, würde ich sagen.
Fantasy wird nie totzukriegen sein. Ein Glück. Bereits in meiner Ausbildungszeit, um 1994 rum, als Fantasy noch nicht so der Trend wie heute war, hatte sie in Wiesbadens Buchläden eigene Regale und ich kann mir nicht vorstellen, dass die mal verschwinden werden.

Zitat von: Malinche am 07. November 2013, 10:33:11
Hauptsächlich deshalb, weil meine Agentur mir recht klar gesagt hat, dass sie für Fantasy momentan keine Vermittlungschancen sehen, und nachdem mich das anfangs gefrustet hat, nehme ich es als Herausforderung, auch ohne phantastische Elemente einen Zauber in der Geschichte zu finden, der mich selbst gefangennehmen kann. Schwierig finde ich dabei nicht so sehr, dass nichts Phantastisches vorkommen "darf", sondern eher, dass ich mich mit bestimmten Genrekonventionen konfrontiert sehe, die mir vorher nicht bewusst waren. Es ist ja auch schon ein großer Unterschied, ob ich einen Krimi, einen Mystery-Thriller oder eben ein realistisches Jugendbuch schreibe. Wobei ich das jetzt nicht als unbedingtes Gegenstück zur Fantasy ansehe, denn auch da gibt es zahllose Konventionen und unterm Strich natürlich auch Anforderungen an die Markttauglichkeit - daher denke ich, den Unterschied in meinem Fall macht vielleicht eher, dass ich vorher für mich geschrieben habe und nun im Hinblick darauf, dass das Machwerk für einen ominösen "Markt" interessant und kaufbar sein soll. Was ja dann schon wieder eine andere Diskussion wäre.
Marktorientiertheit und dem ,,nur Veröffentlichen, was im Trend ist" ::). Daher sind mir viele Verlage/Agenturen suspekt und mir schwillt regelmäßig der Kamm, wenn ich etwas in der Art wieder irgendwo lese. Keine Sorge, im Moment bin ich ganz ruhig ;D. Das würde bei mir eher eine Trotzreaktion im Sinne von Jetzt erst recht auslösen, aber das ist trotzdem nicht der Grund, warum ich persönlich der Fantasy treu bleiben werde.
Ich würde mich eher als Hobby- und Gelegenheitsschreiber bezeichnen. Derzeit finde ich neben meinen anderen Hobbys nicht die Zeit zum Schreiben, ok, auch aufgrund von Ideenlosigkeit sieht es ziemlich mau aus :seufz:. Ich bin zufrieden damit, nur für mich und meine Freunde zu schreiben und da schreibe ich das, was ich selbst am liebsten lese oder lesen würde. High- und Lowfantasy a là Schwert der Wahrheit, George R. R. Martin, Erikson etc., exotische, fremdartige Orte, Welten, Rassen und Kreaturen, schwebende Festungen, Schwertergeklirr, Magie, Dämonen :wolke: .... Apropos exotisch und fremdartig, da möchte ich doch dieses 896 Seiten dicke Schätzchen hier Der Weg der Könige (http://www.amazon.de/Der-Weg-K%C3%B6nige-Brandon-Sanderson-ebook/dp/B004YV7DNI/ref=dp_kinw_strp_1) und der Auftakt zu einem 10 Band Epos, ans Herz legen. Der Autor hat eine echt einzigartige eigene Welt erschaffen und in dem Buch finden sich Illustrationen und Skizzen einiger Wesen, sowie Kartenmaterial der Welt. So, genug geschwärmt.
So etwas würde ich auch gerne mal erschaffen. Eine eigene Welt. Und da liegt für mich auch der Reiz, der Zauber des Schreibens. Realität habe ich jeden Tag genug ;D. Science Fiction könnte ich mir übrigens als Mass Effekt, Star Trek (NG, Voyager, DS 9) und Babylon 5 Fan auch noch vorstellen zu schreiben, aber da mag ich mich wegen der Technik nicht so recht ranwagen.
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: Malinche am 07. November 2013, 11:22:01
[OT] @Luna: Das Kammschwellen kann ich zwar grundsätzlich verstehen, aber seit ich selbst einen Agenturvertrag habe, sehe ich es auch ein wenig differenzierter. Mir verbietet ja niemand, Fantasy zu schreiben, und tatsächlich tue ich das auch weiterhin, bringe es teilweise eben selbst unter und habe trotzdem die Hoffnung, dass irgendwann mal etwas davon auch mit auf eine Buchmesse fahren wird.
Und es lässt sich auch nicht einfach auf "nur das, was im Trend ist" runterbrechen, denke ich. Eine gute Agentur handelt zwar natürlich im Eigeninteresse, aber letztlich doch auch in dem ihrer Autoren, wenn sie realistisch bleibt und guckt, wo sie ihre Schreiber unterbringen kann, anstatt den Autorennamen mit Manuskripten zu verbrennen, bei denen ihnen von vornherein klar ist: Das können wir im Moment leider einfach nicht unterbringen. Eine gute Agentur sagt ihren Autoren außerdem: Das und das hat zur Zeit realistische Chancen auf eine Vermittlung. Wenn du es kannst, versuch das zu schreiben. Aber verbieg dich nicht zu sehr. Ich merke es zumindest bei meiner Agentur, dass es denen sehr am Herzen liegt, dass ich mich weiterhin mit meiner Schreibe identifizieren und meine eigene Erzählstimme behalten kann. Es geht also nicht ums Verbiegen. Die Herausforderung ist ja gerade, bei allem Blicken auf den Markt auch sich selbst treu zu bleiben. Und um noch mal eine Lanze zu brechen, es ist auch nicht so, dass Agenturen grundsätzlich keine Experimente machen. Klar, meinen Vertrag habe ich mit realistischem Jugendbuch bekommen und nicht mit Fantasy, aber es ist ein sehr eigenwilliges, schwieriges Projekt, das sich in der Realität schwer vermitteln lässt und das war meiner Agentur auch durchaus bewusst - trotzdem haben sie es darauf ankommen lassen und mich genommen. :)

Das passt jetzt nicht so ganz zum Thema, sorry, aber wir hatten diese Diskussion schon so oft und es ist mir einfach ein Bedürfnis, da ein wenig Differenziertheit reinzubringen. Natürlich wäre es schön, wenn sowohl Agenturen als auch Verlage sich vielleicht mal mehr trauen würden, und natürlich ist es teilweise ärgerlich, wenn viele Dinge mit dem lapidaren Verweis auf "den Markt" nicht möglich sind. Das steht außer Frage. Aber ich finde eben auch, dass wir es uns zu einfach machen, wenn wir darüber bloß schimpfen und Agenturen und Verlage als die Bösen abstempeln. Einfach ist in diesem Leben eben nix. ;) Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden ...

[/OT]

Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: Franziska am 07. November 2013, 11:24:38
@Malinche: ich habe doch nicht gesagt, Fantasy wäre nicht komplex, oder in Fantasy wären die Figuren nicht kompley. Man kann natürlich eine komplexe Welt, komplexe Figuren und einen komplexen Plot haben. Ich wollte nur sagen, dass realistische Stoffe eben auch komplex sein können.

@Luna: Klar wird Fantasy immer da sein. Aber es geht eben nicht mehr so gut wie vor fünf Jahren. Ich habe ja nicht gesagt, dass man aufhören soll Fantasy zu schreiben, wenn es einem Spaß macht.
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: Malinche am 07. November 2013, 11:31:52
Zitat von: Franziska am 07. November 2013, 11:24:38
@Malinche: ich habe doch nicht gesagt, Fantasy wäre nicht komplex, oder in Fantasy wären die Figuren nicht kompley. Man kann natürlich eine komplexe Welt, komplexe Figuren und einen komplexen Plot haben. Ich wollte nur sagen, dass realistische Stoffe eben auch komplex sein können.

Hatte ich ja auch nicht so verstanden. Es klang nur ein wenig, als ob der Fokus auf der Figurenentwicklung ein Hauptgrund für ein eher realistisches Setting wäre, was ich nicht so empfinde. Aber ich glaube, wir sind in der Hinsicht einer Meinung. :)
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: Luna am 07. November 2013, 11:35:07
OT
@ Malinche
Das ist wirklich eine andere Geschichte, aber das, was Du von Deiner Agentur schreibst, hört sich doch gleich viel besser an. Mir fällt eben so oft nur das Negative auf, blöde selektive Wahrnehmung :pfanne: , wie z. B. Theas geniale Idee im Mein Roman Thread, die mit "Zeitreisen sind in Deutschland nicht verkäuflich" abgetan wurde und das fände ich wirklich schade, wenn diese Geschichte für die Schublade wäre.
/OT
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: Pygmalion am 07. November 2013, 11:41:40
Hm, zählt die freundliche Unterhaltung eines Mädchens mit dem Tod, der sie dann auf ihren Wunsch hin auch mitnimmt, jetzt noch zu Fantasy? :D

Geschichten in der "Realen Welt" können auch finanziell lohnend sein, denn da gibt es mehr Ausschreibungen, die zum Teil auch ordentlich Geld abwerfen (neben einer Veröffentlichung). Bisher habe ich aber zu den Themen nie einen Zugang gehabt, vielleicht kommt das noch. Bis dahin bleibe ich beim Fantasy mit gelegentlichen Ausflügen woanders hin ;)

ZitatMarktorientiertheit und dem ,,nur Veröffentlichen, was im Trend ist" ::). Daher sind mir viele Verlage/Agenturen suspekt und mir schwillt regelmäßig der Kamm, wenn ich etwas in der Art wieder irgendwo lese. Keine Sorge, im Moment bin ich ganz ruhig ;D. Das würde bei mir eher eine Trotzreaktion im Sinne von Jetzt erst recht auslösen,
Du hast eben einen anderen Anspruch an dich, nämlich nicht, davon leben zu wollen oder möglichst viel zu verkaufen. Wenn jemand aber von seinen Büchern leben möchte, würde so eine Trotzreaktion zu seinem finanziellen Ruin führen. Daher muss sich so jemand immer ein wenig am Markt orientieren und an dem, was eben relativ gute Chancen hat, verkauft zu werden. Oder man schreibt eben das Hammerbuch und kann danach quasi schreiben, was man will und den Markt dazu bringen, sich an einem selbst zu orientieren :D
Stephen King könnte vermutlich auch eine Bauanleitung für ein Kartenhaus gewinnbringend verkaufen.
Zu langsam geschrieben: Ein Verlag muss eben Geld verdienen... wenn er schon 2 Experimentbücher in seinem neuen Programm hat, von denen er nicht weiß, wie sie sich verkaufen werden, kann er sich wirtschaftlich dann eben kein drittes leisten...Das heßt ja nicht, dass sowas generell unverkäuflich ist.
Ich glaube das ist mit jedem Genre so, dass es da "auf und ab" gibt. In weiteren fünf Jahren könnte Fantasy wieder voll boomen, wer weiß das schon?

Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: Alastair Kaya am 07. November 2013, 12:16:37
Dieses Thema spricht mir so aus der Seele! Zu meinen Anfangszeiten habe ich immer wieder herum probiert und musste beim Schreiben feststellen, dass ich es nicht lassen konnte, irgendetwas Fantastisches in die Geschichte zu packen. Eine geheime Welt, eine dunkle Organisation, einen Fluch oder Bann, eine Weissagung, oder einfach nur eine Kreatur, die es eigentlich nicht gibt. Es gab mir das Gefühl, die Schranken, in die mich unsere reale Welt weist, zu ignorieren und meiner Fantasie freien Lauf zu lassen.  :wolke:

Mit der Zeit, nachdem ich die Skizzen für mein aktuelles Fantasy-Projekt verfeinert habe, beschlich mich immer öfter der Gedanke, was denn passierte, wenn Kalayda (so der Arbeitstitel) meine vorerst letzte Romanreihe dieses Genres würde. Wenn ich mein ganzes Pulver in dieser Welt verschieße. Erst war ich entsetzt. Der Gedanke, ich würde meine Fantasy betrügen! Nicht doch! Letztlich bin ich dennoch zum Entschluss gekommen, es würde keinen Unterschied machen. Die Schranken, die ich in der wahren Welt zu sehen glaubte, gibt es nicht wirklich. Was zählt, ist Schlüssigkeit! Und die kann mir sowohl bei der Fantasy, als auch im Realismus entgleiten.

Ich bekenne mich unbedingt als Fantasy-Liebhaber. Es macht mir einfach zu sehr Spaß, irgendwelchen Hirngespinsten nachzugehen, sie zu etwas Großem zu formen und mich in dieser Welt immer und immer wieder zu verlieren. Das heißt aber nicht, dass unsere Welt nicht auch ein Grund zum Träumen ist. Damit schließe ich mich auch der Meinung meiner Kollegen an. Im Realismus gibt es genug Elemente, die etwas Magisches an sich haben. Sei es eine mysteriöse Verschwörung in Form einer Verbrecherorganisation, oder einfach nur der Zufall, dass sich zwei unglücklich Verliebte unentwegt begegnen, als wollte das Schicksal sie mit allen Mitteln zusammenführen.

Jetzt fühle ich mich frei im Schreiben, was mir passt, und es ist einfach nur schön. Und auch in der realen Welt gibt es genug Möglichkeiten, zu schummeln. Vielleicht träumt ein Charakter auch nur. Solange es nicht völlig aus dem Zusammenhang gegriffen scheint, ist alles möglich. Genres sind Schubladen, und in solche werde ich mich nicht stecken lassen.
Oder mit anderen Worten: Ich liebe Schokolade, aber manchmal muss es eben eine Tüte Gummibärchen sein. ;)

Und was die Marktorientierung angeht ... primär ist mir das herzlich egal. Ich schreibe, weil ich Spaß dran habe. Zu schreiben, nur um Hinz und Kunz zu gefallen, würde mir so vorkommen wie ein Arzt, der nur für ihn lukrative Krankheiten behandelt. Klar leiste ich keinen Eid, der mich an meine "Muse" bindet, aber sind wir uns es nicht selbst schuldig, unser Herz sprechen zu lassen und einfach zu schreiben, was wir am besten können? Zu oft stehe ich in meiner Buchhandlung und packe Kisten aus, wobei ich jedes Mal wütender werde, wenn ich sehe, wie schamlos kopiert wird und "dem Trend" hinterher gejagd wird. Sei es "Shades of Grey", wonach jeder meinte, es muss jetzt Erotik her, oder "Twilight", wonach alles plötzlich Romantasy genannt wurde und nicht eher Ruhe gegeben wurde, wenn nicht mindestens einer gebissen wird.

Damit will ich sagen, wer eine Vampirsaga schreiben will, soll das tun, wenn das sein Bedürfnis. Aber eine halbgare Kopie rauszuhauen, nur weil der Markt gerade scharf drauf ist, ist für mich keine Kunst, sondern nur einfallsloser Dilettantismus. Ich muss aber auch sagen, dass ich ein Idealist bin, also dürft ihr mir da ruhig widersprechen.
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: Naudiz am 07. November 2013, 12:52:42
ZitatHat jemand hier ähnliche Ausflüge gemacht/macht sie längst? Welche Erfahrungen habt Ihr gemacht?

Ich bin niemand, der sich gerne in Schubladen stecken lässt, also ja, ich habe schon nicht-phantastische Projekte in Angriff genommen. So wirklich von Erfolg gekrönt (im Sinne von "zu Ende geschrieben") war das zwar bisher noch nicht, aber es hat mir mindestens genauso viel Spaß gemacht wie meine phantastischen Projekte. Wenn nicht sogar mehr, denn auch wenn die Fantasy natürlich die Möglichkeit bietet, so gut wie alles einzubauen, worauf man gerade Lust hat, lebe ich nun einmal in der Realität, und das macht es für mich einfacher, loszulassen und einfach drauf los zu schreiben. Weil ich weiß, wovon ich schreibe, und bereits von Anfang an ein Gefühl für das Setting und damit meist auch für die Geschichte habe.

Ehrlich gesagt, vermisse ich in meinen realistischen Projekten das Fantasy-Element so überhaupt nicht. Das liegt daran, dass für mich die Realität genug phantastisch anmutende Dinge zu bieten hat. Krankheiten, auf die sich die Mediziner keinen so rechten Reim machen können, naturwissenschaftliche Phänomene, die sich kein Professor erklären kann, wahnwitzige (Verschwörungs-)Theorien, ... Die Auswahl ist so groß, ich kann mich manchmal gar nicht so recht entscheiden, was ich nun behandeln will.

Das erleichtert es mir schon einmal ungemein, einmal eine nicht-phantastische Geschichte zu schreiben. Der eigentliche Punkt, der es mir so leicht macht, ist aber glaube ich, dass in meinen Romanen ohnehin nie das Genre im Vordergrund steht, noch nicht mal so wirklich die Story, sondern viel mehr die Figuren, ihre Beziehungen zueinander, ihre Motivationen, Emotionen und Abgründe. Und ich weiß aus eigener Erfahrung, dass gerade die Abgründe interessanter sein können als jede epische Schlacht zwischen Orks, Elfen und Drachen.
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: Churke am 07. November 2013, 13:54:25
Ich habe mich mal historisch versucht. Ein Rundumschlag über den Untergang des alten Rom. Es beginnt im Jahr 406 mit dem Triumph bei Faesulae und endet im Jahr 410, nach der Plünderung Roms. Es ist die Geschichte eines dekadenten, durch und durch korrupten Imperiums, das, sich der Realität verweigernd, noch im Zusammenbruch nach der Weltherrschaft greift. Die Verlage fanden's nicht so gut wie ich und dabei ist es dann geblieben.  Hat aber trotzdem Spaß gemacht und war sehr interessant. Die besten Geschichten schreibt immer noch das Leben. ;)
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: Arne am 07. November 2013, 20:28:21
@Grey: Da über dem Forum ganz groß "Das Fantasyautorenforum" steht, war ich unschlüssig, ob dieser kleine Thread nicht per se Off Topic ist. Aber die Weisen haben gesprochen ;-)

@Malinche: Mein jüngster Roman ist eine klassische Entwicklungsgeschichte im Schatten eines was-wäre-wenn in Bezug auf eine tatsächliche Staatspleite der USA. Ich lasse darin einige Charakterideen aufleben, die ich im Zuge meiner phantastischen Bücher gesammelt habe.

Insgesamt glaube ich, dass es ein Autor, der aus dem Phantastischen kommt, sogar leichter hat, eine gewisse Qualitätsschwelle in der Welt der realistischen Geschichten/Welten zu erreichen. Das liegt ganz einfach daran, dass wir es gewohnt sind, unsere Ideen sehr stark auf Schlüssigkeit in sich zu überprüfen. Es braucht schon ein gewisses Geschick, den Leser dazu zu bringen, seine Skepsis hinter sich zu lassen und die phantastischen Elemente hinzunehmen und als stehende Basis zu akzeptieren.
Ich freue mich auf jeden Fall sehr, diese neue Herausforderung anzugehen. Im weiter gespannten Prinzip brauche ich ja "nur" einen Ersatz für die eingebauten Konflikte, die mir die phantastischen Elemente zuvor gegeben haben. Und die Welt ist wahrlich komplex genug, um darin spannende Konflikte finden zu können.

@Luna: "The Way of Kings" ist wirklich großartig. Allein die wirklich mal von Grund auf neu entworfene Flora und Fauna einer schlichtweg etwas anders als unsere vertraute Welt funktionierenden Welt ist faszinierend. Für seine Magiesysteme ist Brandon Sanderson ohnehin berüchtigt - im positivsten Sinne natürlich. Die Qualität seiner Bücher schwankt zwar mitunter, aber ich lese ihn gern. Und ich höre gerne den Podcast von ihm und drei Weiteren www.writingexcuses.com (http://www.writingexcuses.com). Es lohnt sich, auch die alten Folgen zu hören, da man so nicht nur sehr wertvolle Aspekte des Schreibens mitbekommt und die eigenen Herangehensweisen damit schärfen kann. Es ist auch ein interessanter Einblick in den Weg mehrerer junger Autoren hin zum Erfolg, teilweise nach ganz oben.
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: zDatze am 08. November 2013, 10:54:01
Realistische Geschichten reizen mich von Zeit zu Zeit immer wieder und sie gehen mir auch leichter von der Hand als meine phantastischen Projekte. Das mag durchaus auch an meinem Leseverhalten liegen, welches Genre präsenter ist und welche Ideen sich gerade in meinem Kopf tummeln. Grundsätzlich finde ich ja, dass man nicht nur in mehreren Genres lesen, sondern sich auch schreiberisch austoben sollte.

ZitatInsgesamt glaube ich, dass es ein Autor, der aus dem Phantastischen kommt, sogar leichter hat, eine gewisse Qualitätsschwelle in der Welt der realistischen Geschichten/Welten zu erreichen. Das liegt ganz einfach daran, dass wir es gewohnt sind, unsere Ideen sehr stark auf Schlüssigkeit in sich zu überprüfen.
Da muss ich jetzt aber widersprechen. Ich glaube, dass gerade in ralistischen Geschichten/Büchern die Schlüssigkeit nicht so im Vordergrund steht, da man es aus dem eigenen Leben gewohnt ist, dass eben auch unschlüssige Dinge passieren. Zufälle kann man - meiner Meinung nach - in einem realistischen Buch leichter verpacken. In einem phantastischen Roman wird das schnell angekreidet, weil dort eben gerade auf Schlüssigkeit gepocht wird, da die Welt vom Leser viel schneller als inkonsistent angesehen wird.

Wenn es dir primär ums Veröffentlichen geht und das Genre zweitrangig ist, dann wäre vielleicht der Thread Trends und Übersättigung (http://forum.tintenzirkel.de/index.php/topic,11654.0.html) noch intressant für dich.

Ansonsten bleibt eigentlich nur noch eins zu sagen: Gutes Gelingen!
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: HauntingWitch am 08. November 2013, 13:59:39
Zitat von: Arne am 07. November 2013, 20:28:21
Insgesamt glaube ich, dass es ein Autor, der aus dem Phantastischen kommt, sogar leichter hat, eine gewisse Qualitätsschwelle in der Welt der realistischen Geschichten/Welten zu erreichen. Das liegt ganz einfach daran, dass wir es gewohnt sind, unsere Ideen sehr stark auf Schlüssigkeit in sich zu überprüfen. Es braucht schon ein gewisses Geschick, den Leser dazu zu bringen, seine Skepsis hinter sich zu lassen und die phantastischen Elemente hinzunehmen und als stehende Basis zu akzeptieren.

Das denke ich nicht. Gerade bei einem realistischen Roman hat doch der Leser einen viel höheren Anspruch daran, dass das alles auch tatsächlich der Realität entspricht. In meiner Fantasy-Welt kann ich etwas hinzufügen oder entfernen, je nachdem wie ich es gerade brauche, sofern ich die innere Logik meiner Welt beibehalte. Bei einem realen Setting kann ich das nicht. Kleinigkeiten wie ein Café oder einen Park kann man vielleicht erfinden, aber sobald es um Strukturen u.ä. geht, bin ich eingeschränkter. Arbeit ist ein Beispiel. In meiner fiktiven Stadt kann ich meinen Protagonisten praktisch arbeiten lassen, was er möchte, ich kann ja eine Institution/ein System o.ä. einrichten, dank dem auch dieser Job möglich oder sogar normal ist. In meiner realen Stadt kann ich das nicht, denn es ist nun einmal nicht jede beliebige Tätigkeit zum Geld verdienen geeignet. Also muss man bei realistischen Sachen viel mehr Feinheiten beachten, denn der Realismus-Leser hat den Anspruch, dass das übereinstimmt. Sonst würde er nämlich zum Fantasybuch greifen.  ;) Daher finde ich persönlich Realismus eigentlich schwieriger. Es braucht zwar weniger Worldbuilding usw., aber es hat auch mehr Tücken.
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: Fianna am 08. November 2013, 14:22:25
Vermutlich bezieht er das mit der Schlüssigkeit auf den Weltenbau. Jedes Element, dass man als Autor festlegt (z.b. ein stehendes Heer - oder das Fehlen eines Heeres) sind direkt mit vielen anderen Dingen verbunden. Wenn ich mir also als weiteres Element etwas aussuche, was dazu nicht passt - weil die diesem Element zugrunde liegenden Strukturen oder Gegebenheiten den bisher festgelegten widerspricht - ist es nicht mehr schlüssig.

In realistischen/zeitgenössischen Settings entfallen solche Überprüfungen, da das Zusammenspiel aller Elemente und Strukturen und die Funktionstüchtigkeit der Welt durch ihre Existenz erwiesen ist.
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: Aphelion am 08. November 2013, 16:14:15
Insgesamt denke ich, dass man es sich als Autor in jedem Genre leicht oder schwer machen kann - auch wenn man das mal nur auf das Setting bezieht. In einem Realwelt-Setting kann man Stammbäume, verschiedene Wohnorte eines Charakters, die komplette Biografie etc. entwerfen, bei einem Fantasy-Charakter kann man sich umgekehrt auch nur über das nötigste Gedanken machen.

Man kann sich als Fantasy-Schreiber genau überlegen, wo ein Fabelwesen wie bluten kann (= sich über Anatomie Gedanken machen: Blugefäße, Muskeln, Nerven), aber man kann auch bei einem normalen Menschen banalste Fehler beim Bluten einer Person in einen Roman einbauen.

Zitat von: Fianna am 08. November 2013, 14:22:25
Vermutlich bezieht er das mit der Schlüssigkeit auf den Weltenbau. Jedes Element, dass man als Autor festlegt (z.b. ein stehendes Heer - oder das Fehlen eines Heeres) sind direkt mit vielen anderen Dingen verbunden.
Das ist aber auch bei Realwelt-Settings der Fall: Wenn ich über ein Kriegsgeschehen schreibe (und sei es nur, dass meine eigentliche Story am Rande des Krieges statfindet), dann kann ich mir solche Details auch nicht aussuchen - und sie sind auch in der Realität oft nicht so einfach zu recherchieren, sodass man manchmal auch bei Realwelten vor dem Problen steht: Ich weiß X, ich weiß Y, aber was ist mit Z? Über Z kann ich nichts recherchieren, aber muss/kann/soll es auch existieren?

Wir haben weiß Gott genug reale Kriege - und Kriege haben es so an sich, dass man als Normalsterblicher nicht an alle Informationen herankommt. ;)

Das Beispiel würde ich eher auf leicht/schwer zu schreibende Situationen beziehen, die sowohl in einem realen als auch in einem phantastischen Setting auftreten können. :)
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: Fianna am 08. November 2013, 17:45:38
Da bin ich jetzt aber mal wieder grandios missverstanden worden. Was Du beschreibst, ist ein reines Recherche-/Informationsangebotsproblem, und das ist ja was ganz anderes, als das was ich meinte. Mein Beitrag ging nach den ersten Sätzen auch eigentlich komplett weg vom Thema Militär.
Mir ist leider noch kein besseres Beispiel eingefallen, um meine Weltenbau-Methode zu erklären, daher muss es das stehende Heer einfach nochmal tun...



Stehendes Heer --> erheblicher Kostenaufwand --> gut organisierte Steuern-Abgabenentrichtung

Aus dem letztgenannten Punkt folgern direkt aber auch:
* Strukturierte Verwaltung/Zentralregierung
* "Grosse" Alphabetisierung, entsprechendes Bildungssystem (Steuereintreiber sind in der Regel keine Privilegierten, und in den meisten Fällen werden genau diese mit einem phantastischen Bildungssystem erreicht - oder wer einen bestimmten Beruf ergreifen soll, wie Priester, Magier, Barde...)
* effizientes Rechtssystem


In einer realen Welt bereitet einem das Plotten viel weniger Aufwand, weil alle solche Strukturen vorhanden sind. Man recherchiert da höchstens, inwiefern es sie gibt oder wie sie genau arbeiten. Man muss sich nicht grossartig mit Logik auseinandersetzen (der TE wählte hierfür das Wort "schlüssig").

Man muss sich in einem realen Setting keine Gedanken über Justizirrtüme machen, da deren Existenz allgemein anerkannter Fakt ist.
In einer phantastischen Welt dagegen muss ich - sofern die Strukturen, z.b. gutes Justizsystem, anderen Elementen oder einfach nur dem Plot entgegen stehen - eine Erklärung finden, die über "Bürokratenfehler" hinaus geht - oder der muss geshowt statt getellt werden.


Je nach Anforderungen von Plot oder anderen Elementen wird das Ganze aber komplizierter und Lösungen unserer Welt sind nicht 1:1 übertragbar oder erschliessen sich aufgrund der veränderten Umstände gar nicht; Unlogisches in der Welt, die sich zu einem grossen Teil schon logisch aus den verwendeten Elementen oder dem Plot ergeben, lassen sich nicht durch eine Einfall-Lösung in einen schlüssigen Zusammenhang bringen.
Da muss man ganz schön herumschrauben, dass es passt (i.d.R. fällt da dann noch jüngere/ältere Geschichte des Landes/der Welt oder interessante Details mit ab, die man verwenden kann) und genau das - dieses "schlüssig machen" aller Dinge - entfällt bei einem realistischen Setting.
Da hat man nur Rechercheprobleme - die viele Weltenbauer nebenbei bemerkt noch als Sahnehäubchen dazu bekommen.
(Wieviele km man mit einem Pferd schafft, ohne es tot zu reiten, wie ein Schwert geschmiedet oder ein Teppich geknüpft wird, ist wohl den wenigsten aus dem Stegreif in ausreichender Detailfüle bekannt - das waren jetzt auch nur-mal-so Beispiele, sicher die klassischsten, die es gibt.)
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: Arne am 08. November 2013, 17:59:26
Ho! Wer hätte gedacht, dass diese kleine Bemerkung so unterschiedlich aufgefasst wird. Letztlich war es mit dem Schwerpunkt auf den Gedanken gemeint, woher der Schreibende kommt. Hat er bislang ausschließlich im Realen geschrieben, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass das automatisch in ihm durchlaufende Überprüfen des Plausiblen und Schlüssigen die meiste Zeit nicht weit über das automatische "geht das wirklich so/kenne ich das so/hat es das schon gegeben?" hinaus geht. Dass zugleich gerade im Realen ein akribisches Überprüfen und Hinterfragen nötig ist - mitunter sogar kritischer als im Phantastischen - steht dabei außer Frage. Aber es geht hier nicht um das Gegenüberstellen der jeweiligen Maximalherausforderung, sondern um den eher subtilen Unterschied in der Breite.
Und diesen Unterschied sehe ich darin, dass der Schreiberling, der sich im Phantastischen die Hörner abgestoßen hat, sich oft an ganz anderen Stellen besonders tiefergehend die Frage der Plausibilität stellt, da er auch das entsprechende Gerüst bereitstellen muss. Zudem muss er sich nicht nur um das Gerüst seiner phantastischen Ergänzung selbst Gedanken machen, er muss es auch im richtigen Maß und an den richtigen Stellen etablieren - zusätzlich zu allen realistischen Aspekten, die er natürlich auch ausreichend einführen und nachvollziehbar halten muss. Dadurch sollte man doch gelernt haben, Systematiken noch eine Spur besser zu verstehen und in der Geschichte zu etablieren als jemand, der sich ausschließlich vorhandener Systematiken und Alltagszusammenhänge bedient, bei denen man sich zumeist auch auf vorhandene Erfahrungen des Lesers verlassen kann.
Im Endeffekt hat sich von den zwei Schreibenden - Phantast und Realist - der Phantast eine weitere Art des Hinterfragens antrainiert, die über den normalen Fakentcheck hinausgeht. Sozusagen ein kleiner, zusätzlicher Blickwinkel auf die Frage "Geht das so?". Ich will nicht sagen, dass der Unterschied besonders groß ist. Aber ich denke doch, dass so die Plausibilitätsprüfung von Systemen, Zufällen und Ereignissen eine Spur natürlicher von der Hand geht.

...und nebenbei stimme ich Fianna vollkommen zu, die ihren Post schrieb, während dieser hier entstand ;-)
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: Aphelion am 08. November 2013, 18:27:52
@ Fianna:

Der Punkt ist: Logisch erschließen muss man sich "Fakten" in beiden Fällen. Ich würde dir zustimmen, wenn es um komplett Neue Dinge gehen würde ... Aber es geht nur um Bekannte Dinge in unterschiedlichen Settings.

Selbst bei technischen Konstruktionen in SciFi findet keine tatsächliche Konstruktionsleistung statt (bzw. wohl in den wenigsten Fällen), da die Dinge nur logisch *wirken* müssen. Ich bestreite nicht, dass es diese Ausnahmen gibt. ;) Aber ein jursitsische Instanz ist keine wirkliche Neuentwicklung, egal in welchem Setting, wie auch die bloße Existenz von militärischen Strukturen.

Edit: Alles andere ist erschließen von latenten Strukturen ... Und das imho keine eigene Geistesleistung, es ist bloßes Schlussfolgern. Insofern ist es auch nicht schwerer eine Schlussfolgerung für ein erfundenes Setting zu ziehen, als das gleiche für ein reales Setting zu tun.
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: Churke am 08. November 2013, 19:27:05
Zitat von: Arne am 08. November 2013, 17:59:26
Dass zugleich gerade im Realen ein akribisches Überprüfen und Hinterfragen nötig ist - mitunter sogar kritischer als im Phantastischen - steht dabei außer Frage.
Sollte es. Aber hat sich mal jemand die Mühe gemacht, die Krimi-Kommissare mit echter Polizeiarbeit zu vergleichen? Das Kolportieren von Halb- und Nichtwissen zieht sich durch alle Genres.
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: gbwolf am 03. Dezember 2013, 10:33:47
Zitat von: Luna am 07. November 2013, 11:35:07die mit "Zeitreisen sind in Deutschland nicht verkäuflich" abgetan wurde
Es ist ganz schön Ott-Topic, aber mir ging diese immer wiederkehrende Diskussion um die Verkäuflichkeit von Zeitreisen nicht aus dem Kopf. Vor allen, als ich heute sah, dass bei Ullstein die erste Zeitreise-Krimiserie für Erwachsene erscheint: http://www.vorablesen.de/buecher/dreikoenigsmord
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: Ratzefatz am 05. Dezember 2013, 22:18:57
ZitatEs ist ganz schön Ott-Topic, aber mir ging diese immer wiederkehrende Diskussion um die Verkäuflichkeit von Zeitreisen nicht aus dem Kopf. Vor allen, als ich heute sah, dass bei Ullstein die erste Zeitreise-Krimiserie für Erwachsene erscheint: http://www.vorablesen.de/buecher/dreikoenigsmord

Und noch mal Zeitreise (interessanterweise auch bei Ullstein, allerdings schon 2007): http://www.amazon.de/Die-Hexe-General-Fran-Henz/dp/354826686X

LG
Ratzefatz
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: Fianna am 05. Dezember 2013, 23:34:57
Zitat von: Aphelion am 08. November 2013, 18:27:52
Aber ein jursitsische Instanz ist keine wirkliche Neuentwicklung, egal in welchem Setting, wie auch die bloße Existenz von militärischen Strukturen.
Das war nur ein Beispiel... ein vereinfachtes, plakatives Beispiel, in dem es darum ging, dass an einem Faktum viele andere dranhängen, was nicht immer (und in realen Settings gar nicht) berücksichtigt wird bei der Planung.

Zitat von: Aphelion am 08. November 2013, 18:27:52Edit: Alles andere ist erschließen von latenten Strukturen ... Und das imho keine eigene Geistesleistung, es ist bloßes Schlussfolgern. Insofern ist es auch nicht schwerer eine Schlussfolgerung für ein erfundenes Setting zu ziehen, als das gleiche für ein reales Setting zu tun.
Ein Übersetzer, der aus bekannten Wörtern einen flüssigen Text schreibt, hat keine eigene Geistesleistung vollbracht?
Dann ist doch sehr irritierend, wie viele schlechte Übersetzungen es gibt, wenn das eh nicht so schwer ist.

Ein Architekt, der passgenau ein Haus auf die Wünsche des Kunden konstruiert, hat keine eigene Geistesleistung vollbracht - weil die Gesetze von Statik, die Eigenschaften von Baumaterialien und ihr Wechselspiel ja bekannt sind und er nur schlußfolgern muss?
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: Luna am 06. Dezember 2013, 10:41:01
Zitat von: Nadine am 03. Dezember 2013, 10:33:47
Es ist ganz schön Ott-Topic, aber mir ging diese immer wiederkehrende Diskussion um die Verkäuflichkeit von Zeitreisen nicht aus dem Kopf. Vor allen, als ich heute sah, dass bei Ullstein die erste Zeitreise-Krimiserie für Erwachsene erscheint: http://www.vorablesen.de/buecher/dreikoenigsmord
Na das ist ja ein Ding :). Vielleicht wird dadurch ja ein neuer Trend eingeleitet und Zeitreiseromane sind plötzlich sehr gefragt. Da könnte Thea ihr Schätzchen ja doch noch unterbringen :) [/OT]
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: Cailyn am 11. Dezember 2013, 10:09:04
Danke für das interessante Thema. Das beschäftigt mich auch von Zeit zu Zeit.
Bei mir ist es so, dass ich eigentlich keine Auszeit vom - per Definition - Phantastischen brauche, sondern teilweise einfach das Bedürfnis habe, nebst meiner HighFantasy-Geschichte auch mal einen anderen Wortschatz zu gebrauchen. Mittelalterwelten fordern halt schon eine andere Sprache. Und zwischendurch hab ich Lust, wieder mal in moderner Sprache zu schreiben, gerade was Dialoge angeht.

Fianna,
ZitatIn einer realen Welt bereitet einem das Plotten viel weniger Aufwand, weil alle solche Strukturen vorhanden sind. Man recherchiert da höchstens, inwiefern es sie gibt oder wie sie genau arbeiten...
Was ist denn für dich "Plotten"? Ich glaube, wir verstehen darunter was vollkommen anderes. Für mich ist der Plot vor allem die Handlung und hat nichts mit den Strukturen einer Welt oder dem Setting zu tun.

Aphelion
ZitatMan kann sich als Fantasy-Schreiber genau überlegen, wo ein Fabelwesen wie bluten kann (= sich über Anatomie Gedanken machen: Blugefäße, Muskeln, Nerven), aber man kann auch bei einem normalen Menschen banalste Fehler beim Bluten einer Person in einen Roman einbauen.
Naja...also das mit den potentiellen Fehlern kommt auch bei einem Roman in der realen Welt nur in spezifischen Genres oder Situationen zum Tragen.
In einem Kriminalroman, wo forensische Genauigkeit gefordert ist, oder wenn der Protagonist einen medizinisches Fachwissen besitzt oder in einem Roman, wo ein Unfall oder eine Krankheit im Vordergrund steht - da ist es sicherlich von Nöten, dass z.B. eine Wunde/Bluten korrekt beschrieben wird. Aber in allen anderen Romanen, die in der realen Welt spielen, kann man eine blutende Wunde auch "lockerer" beschreiben, zum Beispiel aus Sicht eines Protagonisten, der ja auch kein medizinisches Fachwissen hat.
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: Fianna am 11. Dezember 2013, 21:39:23
Cailyn,
das Plotten ist nur das Planen des Handlungsverlaufs.
Aber in einer Fantasywelt geht das bei mir Hand in Hand mit dem Weltenbau, denn wennbich einige Dinge als gegeben annehme, weil sie essentiell für den Plot sind, definiert das direkt die Welt - und zwar nicht nur in dem oberflächlichen Punkt, der im Plot benannt wurde. Da hängen immer andere Dinge mit dran, z.b. Bildung, Ethik, Politik, Selbstverständnis...
... und wenn ich mehrere Dinge im Plot festlege, kann es sein, dass mir das ein widersprüchliches Setting bereitet. Kulturen sind wie Uhrwerke, es greifen viele Zahnräder ineinder. Wenn ich also beim Plotten etwas festlege, habe ich nicht nur das Zahnrädchen "Stadtwache" oder "Medizinischer Stand" festgelegt, da hängen direkt viele andere Dinge dran. ~ viele andere Zahnräder werden.im Uhrwerk positioniert.
Und wenn ich noch etwas im Plot festlege, weil ich diese Sache/Institution/Tradition/was-auch-immer für den Plot brauche, positioniere ich weitere Zahnrädchen - die in ihrer logischen Abfolge, in den anderen Dingen, die da dran hängen, vielleicht mit den andeten kollidieren.
Oder der Plot würde in der Welt so nicht funktionieren, so dass ich also noch etwas an der Welt schrauben muss; z.b. habe ich in einem Projekt häufige Machtwechsel gehabt, die zu der instabilen aktuellen und extrem plotrelevanten politischen Situation geführt haben. Mit einem (starken) Militär ist der Plot direkt geschrottet, so dass ich also das Militär "wegerklären" muss. Ich schraube also an der Welt, so dass sich ein stimmiges Setting für den Plot ergibt. Das gibt wiederum Hintergrund zu der Welt und Input für den Feinplot. Bei der Entwicklung desFeinplots setze ich wiederum Dinge in der Welt fest... Da die Eckpunkte der Handlung stehen, gibt es da normalerweise keine Rückkopplung mehr zwischen Weltenbau und Plotten.

Aber wenn ich fertig mit Plotten bin, ist ein grosser Teil des Weltenbaus schon abgeschlossen. Das läuft bei mir parallel. Ich kann doch nicht einfach plotten und darum eine Welt bauen; die Protas, Antas etc sind Produkte ihrer Kultur, ihrer Welt, und auch der Plot legt schon wichtige Dinge fest oder setzt Widersprüche, die es aufzulösen gilt... Wenn ich erst nur plotte und dann einen Weltenbaubogen hernehme zum Ausfüllen, der abgesehen von grundlegendsten Dingen wie "Monarchie" noch leer ist - das kann nicht funktionieren.
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: Cailyn am 13. Dezember 2013, 16:28:48
Hallo Fianna
Ja, jetzt wo du es erklärst kommt es mir auch wieder in den Sinn. Das hast du nämlich in einem anderen Thread auch mal beschrieben. Interessant, deine Vorgehensweise. Scheint mit äusserst effizient. Ich muss zugeben, davon könnte ich mir eine Scheibe abschneiden. Ich bin im ersten Schreibdurchlauf immer sehr ungenau - da entsteht also gar rein nix - und ich bediene mich nur von dem, was ich vor dem Beginn des Buches erdacht habe. Das hat dann zur Folge, dass ich im Nachhinein vieles noch einbauen muss und teilweise vor Rätsel gestellt werde, die mir Kopfzerbrechen bereiten.
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: Fianna am 13. Dezember 2013, 16:36:55
Ich hatte zudem wiederholt Probleme, dass die Welt - wie sie logisch sich ergeben würde - und die Andeutungen, die durch den Schreibprozess kamen, sich widersprachen.

Ich webe gerne Details der Kultur in den Plot oder die Biographie der Figuren, alle Figuren sind ja auch Produkte ihrer Welt und Gesellschaft - für mich funktioniert das also nur simultan.
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: HauntingWitch am 17. September 2016, 12:05:24
Wow, der Thread ist schon drei Jahre alt... Ich grabe ihn jetzt aus, weil ich das Problem wieder habe. Hatte ich ja schon einmal, aber da hat es sich wieder gelegt. Dieses Mal beschleicht mich das Gefühl, dass ich vielleicht gar kein Fantasyautor bin. Ehrlich, jetzt. Es hängt mit der Überarbeitung von dem einen Projekt zusammen, das jetzt ungefähr zum dritten Mal auf Eis liegt, weil ich nicht mehr mag. Aber die zwei Protas lassen mich nicht in Ruhe. Und immer wieder habe ich solche Szenen im Kopf, die in der Realität spielen und in denen sie gewöhnliche Menschen sind. Das habe ich aber schon, seit ich angefangen habe.

Gleichzeitig arbeite ich ja nun an einem neuen realistischen Projekt und das geht mir so gut von der Hand, dass ich dafür das andere neue Fantasyprojekt links liegen lasse. Ich habe einfach mehr Lust auf das Realistische. Und immer, wenn ich am anderen Arbeiten möchte, habe ich das Gefühl, ich müsse mich zwingen. Vielleicht ist es so, vielleicht bin ich einfach kein Fantasyautor, sondern so einer, der nur Geschichten über zwischenmenschliche Beziehungen ohne Plot schreiben kann (was ich nie sein wollte). Ich weiss, dass das jetzt von mir total absurd klingt, weil ich ja gerade einen Fantasyroman beendet habe, aber das war auch so ein Krampf. Dabei liebe ich Fantasy, ich lese nach wie vor unheimlich gerne Fantasy, ja eigentlich fast nur. Aber ich glaube langsam, dass ich es überhaupt nicht schreiben kann.

*So, Jammermodus aus*
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: Fynja am 17. September 2016, 12:23:39
Witch.  :knuddel: Der erste Gedanke, der mir gekommen ist beim Lesen deines Posts lautet: Verdammt, genau so geht es mir gerade auch. Mein bisher einziger realistischer Roman ist mir so viel leichter gefallen als alles andere und gefällt mir so viel besser, und gerade scheitere ich schon am Überarbeiten meiner Fantasy-Dystopie und am Plotten des zweiten Teils (obwohl die Lust darauf da ist), während mir der Plot eines weiteren realistischen Jugendbuchs hingegen leichter von Hand geht. Ich hatte schon ein schlechtes Gewissen, der Fantasy so lange "fremdzugehen", aber vielleicht ist das die Erklärung für alles: Ich bin einfach kein Fantasy-Schreiber.

Wie gesagt, das war der erste Gedanke, aber mein zweiter Gedanke gibt dieser Schlussfolgerung und auch deinem Eindruck Unrecht. ;D Das klingt nämlich viel eher so, als sei Fantasy für uns (oder vielleicht generell?) vielleicht schwerer zu schreiben, aber das bedeutet noch längst nicht, dass man es nicht kann! Immerhin hast du es getan, du hast den Roman beendet, und er ist sicher mindestens so gut geworden wie das realistische, auch, wenn der Weg dorthin länger und holperiger war. Vielleicht ist Fantasy an sich einfach eine größere Herausforderung, vielleicht liegt es aber auch gar nicht an dem Unterschied zwischen Fantasy und Nicht-Fantasy, sondern an Eigenschaften des Projekts selbst. Vielleicht schreibst du zum Beispiel einfach lieber charakterfokussiert als plotfokussiert? Oder es fällt eineme erst mal allgemein leichter, etwas Neues auszuprobieren, manchmal will man vielleicht einfach Abwechslung, und wenn du jetzt nur noch Realistisches schreiben würdest, wäre irgendwann Fantasy diese willkommene Abwechslung.

So oder so - Ist es schlimm, dass dir gerade etwas anderes leichter fällt? Du schreibst, dass du "einfach mehr Lust" auf das Realistische hast, und das ist doch toll. Solange es Projekte gibt, auf die du Lust hast, solltest du sie ohne schlechtes Gewissen schreiben, das Genre ist letztendlich doch nur Nebensache.  :knuddel:
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: Waldhex am 17. September 2016, 12:43:45
@Witch: Dass Du kein Fantasy-Autor bist würde ich nicht unterschreiben. Ich lese gerade Deine Fährmänner und das Buch ist wirklich spannend.
Wenn Du aber im Moment gerade mehr Lust auf etwas realistisches hast, dann schreib das doch. Wer sagt, dass sich ein Autor in eine bestimmte Schublade zwängen lassen muss? Vielleicht hast Du nach ein oder zwei realistischen Romanen dann auch wieder Lust auf Fantasy. Das würde ich einfach auf mich zukommen lassen und bis dahin das machen, was mir gerade Spaß macht.
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: Alana am 17. September 2016, 12:53:57
Ich glaube weder, dass du kein Fantasyautor bist, noch, dass du nicht schreiben kannst.  :knuddel: Hilft es dir, wenn ich dir sage, dass ich im Gegensatz zu meinen anderen Büchern mit meinen Fantasybüchern immer schrecklich kämpfe? Die machen es mir nie leicht und ich komme bei jedem an den Punkt, wo ich verzweifle und alles am liebsten hinschmeißen würde. Ich glaube, dass es dir so geht, zeigt nur, wie viel dir das Projekt bedeutet.  :knuddel: Ich schreibe ja auch drei Genres und ich könnte es auch nicht anders. Könnte es sein, dass dir einfach die Abwechslung gut tut? Ich brauche das definitiv, um mich in einem Genre nicht auszubluten und kreativ zu bleiben. Ich nenne es schriftstellerische Dreifelderwirtschaft. ;D Ich würde an deiner Stelle jetzt einfach das realistische Projekt genießen, wenn es gerade gut läuft, und ich bin sicher, irgendwann überkommt dich die Lust, wieder an dem anderen zu arbeiten und irgendwann wirst du es fertig stellen. Vielleicht gibt die Abwechslung dir einfach die Kraft dafür.
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: FeeamPC am 17. September 2016, 13:04:10
Lol! Wer sagt, dass Fantasy-Autoren nur Fantasy schreiben dürfen? Ich habe auch schon mindestens drei andere Genres zwischendrin probiert. Das ist vollkommen normal. Und wenn dir derzeit etwas anderes mehr Spaß macht, schreib es!
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: HauntingWitch am 17. September 2016, 15:12:06
Zitat von: Fynja am 17. September 2016, 12:23:39
Das klingt nämlich viel eher so, als sei Fantasy für uns (oder vielleicht generell?) vielleicht schwerer zu schreiben, aber das bedeutet noch längst nicht, dass man es nicht kann! Immerhin hast du es getan, du hast den Roman beendet, und er ist sicher mindestens so gut geworden wie das realistische, auch, wenn der Weg dorthin länger und holperiger war.

Ja, vielleicht. Naja, im Moment habe ich nicht das Gefühl, dass er gleich gut ist wie das realistische, aber vielleicht hast du Recht und es ist wirklich nur die eigene Wahrnehmung. Was daran schlimm ist? Was heisst schlimm, es bedrückt mich einfach ein wenig. Ich liebe Fantasy, ich hätte dann quasi ein schlechtes Gewissen gegenüber der Fantasy, auch wenn sich das verrückt anhört. Ansonsten ist es nicht schlimm, es ist einfach nur, dass ich mich bisher immer als Fantasyautorin gesehen habe, aber mir wurde schon früher gesagt, dass ich mit realistischen Sachen besser wäre und nun habe ich das Gefühl halt auch selber.

@Waldhex: Oh, danke, das freut mich. :knuddel: Es geht nicht so sehr um Schublade, mehr um das Gefühl, das ich oben gerade beschrieben habe.

@Alana: Ich bezweifle eben langsam, dass es nur das Bedürfnis nach Abwechslung ist. Ich habe zurzeit auch mehr realistische Ideen.

@all: Also, es ist nicht so, dass ich mir den Spass am Realistischen verderbe. Ich mache das wirklich gerne und ich schreibe das auch fertig, keine Frage. Es scheint halt nur gerade das andere zu verdrängen und ich habe dann auch ein schlechtes Gewissen gegenüber diesen Projekten. Das neue Fantasyprojekt, von dem ich vorher sprach, ist jetzt seit etwa einem Jahr in meinem Kopf und seitdem auch immer nur "das neue Fantasyprojekt". Das wäre an sich kein Problem, ich sage ja selbst immer, was am längsten reift, kommt am besten. Aber gerade denke ich, dass ich es vielleicht lassen und nur noch realistische Sachen schreiben sollte.
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: Alana am 17. September 2016, 15:23:36
Als ich das realistische für mich entdeckt habe, ging es mir am Anfang genauso, dass ich nur noch das schreiben wollte. Mittlerweile hat es sich recht gut eingependelt und die Mischung liegt mir so, wie sie jetzt ist. Aber es macht doch auch gar nichts, wenn das bei dir nicht so ist. Ich freu mich einfach gerade für dich, dass du so viel Freude an dem Stoff hast und alles andere wird sich von selbst finden. :) Ein schlechtes Gewissen gegenüber anderen Romanen hat man immer irgendwie, finde ich, das hat bei mir gar nichts mit dem Genre zu tun. Man hat halt einfach nicht genug Zeit für alles.
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: Slenderella am 18. September 2016, 11:26:12
Ich hab gar keine Lust, mich festlegen zu lassen o.O Richtig klassisch Fantasy ist streng genommen nur eine Buchreihe von mir, das andere ist Science Fantasy, dann Dystopie ohne fantastische Elemente und dann gehts völlig daran vorbei mit Agententhrillern, Satiren usw.
Ich hab bisher durchbekommen, dass alle unter demselben Namen laufen und bisher klappt das. Manchmal ist mir einfach nicht nach Fantasy, es erscheinen aber demnächst wieder zwei Fantasybücher - nur eben nicht klassisch mit Elfen und Zwergen.

Das heißt aber nicht, dass ich nicht nächste Woche Bock auf ein Buch habe, das total anders ist. Ich schreib ja schließlich auch über Nazizombies wenn mir danach ist  :rofl:
Warum müssen sich Autoren immer definieren, wenn es die ganze Welt nicht einmal bei ihrem eigenen Geschlecht muss?
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: DoroMara am 20. September 2016, 20:35:54
@Witch: Für mich bist du eine wunderbare Fantasy-Autorin. Aber ich bin auch ganz gespannt auf deine realistischen Texte.

Im Herzen bin ich eine Fantasy-Autorin. Aber für realistische Texte bekomme ich mehr Aufträge und habe mehr Leser. Warum nicht beides schreiben? Meine realistischen Texte haben mir immer geholfen, tiefer ins Fantasy-Genre einzudringen und umgekehrt. Ich finde es eine sehr spannende Verbindung, die sich gar nicht gegenseitig ausschliesst.
Und wenn du gerade mehr Lust auf Realistisches hast: Wart's ab. Der Fantasy kommt von hinten angeschlichen, direkt durch das Herz!
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: HauntingWitch am 21. September 2016, 12:35:56
Danke, DoroMara. :knuddel:

@Slenderella: Sehe ich auch so. Es geht auch weniger darum, mich festzulegen oder an eine Sache zu binden, sondern eher um das Gefühl, dass die eine Sache vielleicht doch nicht das Richtige für mich ist. Aber ich glaube, im Moment kann ich sowieso nur abwarten und das machen, was mir Spass macht. Kommt Zeit, kommt Rat.
Titel: Re: Genrewechsel - Auszeit vom Phantastischen?
Beitrag von: Leon am 21. September 2016, 15:17:03
Fantasie ist und bleibt meine Leidenschaft. Aber zwischendurch schreibe ich auch gerne mal eine kleine Horror-, Kinder- oder eine traurige Geschichte. Krimis hab ich auch schon versucht, aber da fehlt mir einfach die Geduld. Was bei mir gar nicht liegt, ist Lustiges. Das geht mit schöner Regelmäßigkeit in die Hose. Wie dem auch sei, all die kleinen Abstecher helfen mir nicht betriebsblind zu werden, und den Boden unter den Füßen zu verlieren.

Grüßle
Leon