• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Das Wiedergeben von Akzenten, authentisch oder lächerlich?

Begonnen von Telas, 23. August 2011, 17:17:37

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Sanne

Hmm - eigentlich wäre es eher unglaubwürdig, wenn sie die Grammatik beherrschen würden?

Trotzdem - nicht zuviel davon. Verstehen sollte man es noch - sprechen sie denn viel? Ab und zu so einen Satz einzustreuen ist vielleicht ganz amüsant. (Ich kann sowas in Fremdsprachen auch ganz gut und sorge schon mal dafür, dass mein Gegenüber versteckt schmunzelt ... das kann ich dann sogar durchs Telefon sehen!  ;))

Pestillenzia

Zitat von: Leandors am 23. August 2011, 18:00:47
Wie währe es mit Fussnoten? :rofl:

Lach nicht, so etwas hatte ich mal in den Fingern. In diesem Roman (SF) wurden ständig irgendwelche Ausdrücke oder Redewendungen, die in einem merkwürdigen Kauderwelsch abgefasst waren und wohl ein Dialekt sein sollten, durch Fußnoten erklärt. Nach anstrengenden 30 Seiten war bei mir Schicht im Schacht, ich war schlicht genervt und hatte keine Lust mehr.

Zitat von: der Rabe am 23. August 2011, 21:40:53
Ich habe in ihrer Rede einige Grammatikfehler eingebaut

Zitat von: Sanne am 24. August 2011, 07:01:08
Hmm - eigentlich wäre es eher unglaubwürdig, wenn sie die Grammatik beherrschen würden?
Trotzdem - nicht zuviel davon.

Ich sehe das auch wie Sanne. In einer gut verdaulichen Dosierung ist das okay. Als Negativbeispiel fällt mir automatisch die deutsche Synchronisierung von Yoda aus Star Wars ein. Ich würde dem Kleinen für seine Sprechweise die Ohren jedesmal am liebsten so lang ziehen, dass er sich darin einwickeln kann. Im Original habe ich Star Wars allerdings nie gesehen, so sehr interessieren mich die Filme nicht.

Vor kurzem habe ich von Elizabeth George "Am Ende war die Tat" gelesen. Der Roman spielt hauptsächlich in der "Unterschicht" (bitte nicht hauen, mir fällt gerade kein passender Begriff ein). Ich habe auch hier den Roman nicht im Original gelesen und selbst wenn, hätte ich nicht sagen können, wie die Dialoge auf einen Muttersprachler wirken. Im Deutschen fand ich es allerdings sehr bemüht und nach einer gewissen Zeit auch nervtötend, weil die Herkunft der Figuren durch ihre Sprache verdeutlicht werden sollte und sie in hoher Konzentration "nich" oder ähnliches sagten. Ich persönlich empfand das als sehr anstrengend und auch unnötig, da ich auch ohne diese Hilfestellung ein gutes Bild von den Figuren hatte.

Insgesamt also in meinen Augen eine schwierige Gratwanderung.

der Rabe

Hmmm... es gibt zwei Abschnitte, in denen Gäste bzw. ein fremdländischer Händler auftauchen, dabei gibt es mäßig viel wörtliche Rede.
Beim ersten Mal reden sie mit grammatischen Fehlern, beim zweiten Mal rutscht dem Händler zusätzlich noch ein "Fremdwort" raus, weil er verärgert ist...

Ich finde es schwierig zu handhaben, weil es doch leicht ins Lächerliche rutscht. Ich musste dabei auch ständig an Fleur Delacour aus HP denken, bei es ich auch finde, dass es wirkt, als würde sich jemand lustig darüber machen - so als würde man die andere Person nachmachen.

Naja. Ich muss mal sehen, ob die dieses "in Maßen" noch weiter einschränke...

Vielen Dank für die Antworten. :winke:
Bist du erst unten im Tal angekommen, geht es nur noch bergauf. (C) :rabe:

Pestillenzia

Zitat von: der Rabe am 25. August 2011, 00:08:58
Beim ersten Mal reden sie mit grammatischen Fehlern, beim zweiten Mal rutscht dem Händler zusätzlich noch ein "Fremdwort" raus, weil er verärgert ist...

Wenn ihm ein Fremdwort (oder auch Schimpfwort) in seiner Sprache rausrutscht, weil er verärgert ist, finde ich das wiederum glaubwürdig und passend, weil man in solchen Situationen gerne mal in seine Muttersprache zurück rutscht.

Grammatkalische Fehler finde ich persönlich auch dann okay, wenn es nicht zu viele oder am besten nur ein markanter Fehler ist, z.B. wenn immer ein spezielles Wort verwechselt wird. Spontan fällt mir hier mir/mich ein. Im Englischen gibt es ja auch nur "me" (okay, im Dativ mit "to" vorne dran), wenn derjenige also nur "mich" und nie "mir" verwendet oder er es in bestimmten Redewendungen verwechselt.

Zitat von: der Rabe am 25. August 2011, 00:08:58
Ich finde es schwierig zu handhaben, weil es doch leicht ins Lächerliche rutscht.

Sehe ich auch so. Wenn ein Franzose so spricht: "Isch 'abe 'ungär" trägt das nicht dazu bei, dass ich die Figur lieb gewinne oder ernst nehme, weil es für mich überzeichnet wirkt.

Wohingegen ich den Piraten, der im Ausguck des Piratenschiffs sitzt und einen Kürbis an den Kopf bekommt, wieder um für den Satz
ZitatIch hab einen Kü'bis an die 'übe gek'iegt
liebe. Aber das ist eben Asterix...  ;D

Serena Hirano

*grübel* Also soweit ich mich dunkel ans HP lesen erinnere, hat Da Hagrid den eindeutigen Part des Akzents. Das war glaub ich auch beim Schreiben gaaaanz bös genuschelter Slang irgendwas. Zumindest wohl aber noch verständlich. (Hoffe das hat noch keiner gesagt, ich hab drübergelesen aber nicht so ins Detail... :versteck:)

Ich denke also auch, so lange der Sinn der Rede für die Ziellesergruppe erkennbar ist und es wohl dosiert eingesetzt wird, dann gehört es einfach dazu. Es ist, wie Du so schön sagst authentischer.
Hagrid hätte ich zum Beispiel auch nie das Hochenglisch abgenommen, warum sollte der Klotz auf einmal so fein tun?! Deshalb würde mich Fleur auch nicht stören, is nunmal Französin und nicht jeder Leser hat das gute Vorstellungsvermögen für: [...]Sie sagte im französischen Akzent "Ich habe Hunger" [...]

Alles, was aber zu viel wird, wirkt dann wieder gezwungen und künstlich erschaffen. Dann müssteste sonst so konsequent sein und ein Buch in reiner Mundart schreiben. Ich gebe zu beim Schwäbschen ne durchaus amüsante Vorstellung, aber es grenzt wohl doch die Zielgruppe arg ein  ;D

Sonnenblumenfee

Noch zum Thema Mundart=dumm: Grundsätzlich wird Mundart ja eher in ländlichen Gegenden gesprochen und da wirkt vielleicht auch noch das Bild vom "dummen Bauern" nach.
Man kann mit Mundart aber auch schön je nach Situation variieren. Wenn meine Eltenr miteinander oder mit meinen Großeltern sprechen, rutschen sie ganz automatisch ins Schwäbische, auch wenn sie sonst recht reines Hochdeutsch sprechen. Meiner Tante würde es nie in den Sinn kommen, mit ihrem Chef auf Schwäbisch zu sprechen und meine Cousine redet in der Uni auch Hochdeutsch, obwohl beide normalerweise recht stark schwäbeln. Da sunterscheidet sich also nicht nur von Mensch zu Mensch sondern ist auch von Situation und Stimmung abhängig.
"Discipline is my freedom" - Gretchen Rubin

der Rabe

@Serena: Hagrid hat einen deutlichen Akzent im Englischen. Im Deutschen bin cih der Meinung, dass es im Hochdeutschen verschwindet. Ich fände es aber auch schwierig mich zu entscheiden, welchen Akzent er bekommen sollte. Schwäbisch? Bayrisch? Starkdeutsch? ??? :no:
Bist du erst unten im Tal angekommen, geht es nur noch bergauf. (C) :rabe:

Serena Hirano

Danke Rabe, ich hab nur gehofft, dass ich nicht völlig senil bin und ihn verwechselt hab  :o

Na so lange es nich aus der Region Zwickau wär ^^ (nich falsch verstehen, ich mag se...aber manchmal...puh!)  Ich finde auch der Akzent muss irgendwie appropriat sein. Bayrisch fänd ich bei dem liebenswerten Humpen recht passend. Was ist denn aber Starkdeutsch?  ??? Bin doof. Klär mich bitte einer auf, hülfö!

Pestillenzia

Zitat von: der Rabe am 27. August 2011, 13:47:09
Ich fände es aber auch schwierig mich zu entscheiden, welchen Akzent er bekommen sollte. Schwäbisch? Bayrisch? Starkdeutsch? ??? :no:

Ich kann mir nicht so recht vorstellen, dass eine Figur aus einer Fantasiewelt, die gar keinen Bezug zu Deutschland hat, plötzlich fränkisch, hessisch oder platt spricht.
Würde Harry Potter aus dem Ligusterweg in Rosenheim, Castrop-Rauxel oder Bad Harzburg stammen, dann wäre es etwas anderes.

Kann aber genausogut sein, dass meine Fantasie nicht ausreicht und mir z.B. Snape mit norddeutschem "Einschlag" ganz gut gefallen würde.  :hmmm:

der Rabe

@Serena: ich habe Starkdeutsch immer damit assoziiert, was quasi die Bauarbeiter reden "Ey, Alter" *hüstel* oder ähnliches. Bin aber gerade von Tante Wiki aufgeklärt worden, dass Starckdeutsch eine Kunstsprache ist, die von dem Maler Matthias Köppel erfunden wurde und nach festen Regeln aufgebaut ist. Wer hätte das gedacht.

@Pestilenzia: Mich würde das gewiss nicht ganz so stören, weil der Bezug zur STadt bei Rowling ja gar nicht so extrem deutlich ist. (meine Meinung) Bzw. Außer bei Harry selbst ist eigentlich bei keinem sonst wirklich ersichtlich, wo genau er oder sie herkommt oder aufgewachsen ist. Jedenfalls kann ich mich gerade nicht daran erinnern.

Aber was mich mal interessieren würde ist, ob es mir nur so vorkommt, weil ich eben keine Ahnung habe, oder ob es im Englischen tatsächlich einen entspannteren Umgang mit den Akzenten und Dialekten gibt als hier. Von meinem Gefühl her würde es eben nicht funktionieren, weil im Grunde jeder Akzent irgendwie lächerlich wirkt. Würde Hagrid berlinern, würde das zu seinem Job nicht passen, weil er für mein GEfühl einfach kein Großstädter ist. Ein bayrischer/schwäbischer/plattdeutscher/... Akzent käme mir aber genauso lächerlich vor. Keine Ahnung, vielleicht bin ich ja zu empfindlich, was das angeht, aber ich habe das Gefühl, es würde einfach nicht funktionieren... leider. :-[
Bist du erst unten im Tal angekommen, geht es nur noch bergauf. (C) :rabe:

Serena Hirano

mmmh...ich glaube die Assoziation von HP mit England ist im Kopf hinreichend vorhanden. Zumindest ich würde diese Verknüpfung nie bei Seite lassen. Unter diesem Gesichtspunkt würde ich zustimmen, dass eine deutsche, sozusagen nachgeahmte, Fassung mit Akzenten sehr lächerlich wäre. Es klingt nach diesen synchronisierten Youtube Videos, wo Star Wars auf schwäbisch oder dergleichen neu gesprochen wird.

Eine urdeutsche Fassung des Stückes wäre aber sicher was anderes, da man mit den Figuren einen ganz anderen Hintergrund verinnerlichen würde. Dann, denke ich, wäre alles machbar. Wobei ich es lieben würde meine liebste Minerva in Plattdeutsch zu hören. Das wär mal ein Erlebnis.


Um mal wieder den Bogen zu Andoras' Frage zu schlagen, würde ich für mich zusammenfassen:
So lange der Ort der Handlung mit den Figuren stimmig ist, wirkt der jeweilige Akzent auch dazu.


@Rabe: Danke für die Erklärung, wieder was gelernt  :hmhm?: Ich dachte immer das Angesprochene läuft noch unter Proletentum, aber auch da muss ich wohl mal nach nem neuen Stand googeln ^^

Nocturne

ZitatHmmm... es gibt zwei Abschnitte, in denen Gäste bzw. ein fremdländischer Händler auftauchen, dabei gibt es mäßig viel wörtliche Rede.
Beim ersten Mal reden sie mit grammatischen Fehlern, beim zweiten Mal rutscht dem Händler zusätzlich noch ein "Fremdwort" raus, weil er verärgert ist...

Vielleicht passiert es den Reisenden ja auch, dass ihnen ein Wort einfach nicht einfällt oder sie es nicht kennen. Zum Beispiel : "Das... Ding kostet XXX", sagte er und zeigte auf das Brot. Mir fällt gerade leider kein anderes Beispiel ein.  ;)

LG, Nocturne