• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Sammelthread für gelungene Textstellen

Begonnen von Warlock, 29. Juni 2007, 15:08:38

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Alaun

#870
AngryMuffin, ich möchte bitte sofort weiterlesen! :pompom:

Ich habe mich heute mit meinem Jugendbuch befasst. Diese Textstelle hier gefällt mir besonders gut.

ZitatNie zuvor hatte sie einen so klaren Himmel gesehen. Abertausende von Sternen schienen dort zu funkeln und ihr Strahlen bis in fernste Galaxien auszusenden. Im Himmel über Berlin war das anders, die künstlichen Lichter der Stadt waren zu hell. Jara hatte das zwar immer gewusst, aber nie wirklich begriffen. Hier, unter dem freien Himmel der dunklen Insel, wölbte sich die Nacht über ihr und schien immer weiter, immer raumgreifender zu werden. Im Rücken spürte sie die Schatten der vulkanischen Felswände, die wie riesige Wächter das Tal einrahmten. Eine unbekannte Sehnsucht zog an Jaras Herz. Und es war, als würde das Meer zu flüstern beginnen. Als wären Stimmen in den Tiefen.

Naudiz

Ach, du hast auch eine Jara, Aqua? Das ist cool. Dann muss es mir ja nicht ganz so unangenehm sein, dass wir hier auch eine Userin mit diesem Nick haben. Die Stelle gefällt mir jedenfalls richtig gut!

@AngryMuffin: Deine ist auch traumhaft.

Alaun

Ha, du hast auch eine? Lustig :vibes: Wobei ich mir nicht sicher bin, ob sie nicht noch zu einer "Yara" wird.

Thaliope

@Aqua: Oh, du hast dir das La-Gomera-Jugendbuch wieder vorgenommen?  :vibes: Eine schöne Stelle. Ich mag ja diese "hab ich gewusst, aber nie begriffen"-Erkenntnismomente so gern und finde, dass du das schön in Worte gefasst hast.

@Muffin: Das ist ein ganz toller Absatz. "... im Augenblick war da nur das Wasser, das fiel." Das hat mich richtig reingesogen :)

Alaun

@Thali: Ja, endlich komme ich mal dazu. Ich möchte es bei einer Romanwerkstatt einreichen. Und falls das nicht klappt, geht es an die Agenturen. Mal sehen, was daraus wird. :)

AngryMuffin

@Aquamarin, Naudiz und Thaliope: Danke  :knuddel: Anahita hat es mir in letzter Zeit auch angetan, ich habe festgestellt, dass sie eine interessante Sicht auf die Welt und alles andere hat. :)

Assantora

So viele schöne Textstellen.
Ich habe auch endlich mal eine Stelle, die ich wirklich mag und zwar, weil es um Musik geht. Ich muss unbedingt lernen, öfters so etwas einfließen zu lassen:

ZitatSie sahen der Frau dabei zu, wie sie langsam auf der Bühne auf und ab ging und ihr Instrument spielte. Immer schneller zupfte sie an den Saiten und ihr Pferdeschwanz wirbelte hin und her, während sie sich vollkommen der Musik hingab und jede Note vollkommen auskostete, als sei es der süßeste Wein, den man sich vorstellen konnte.
Ihre Stimme schwoll an, als sie ans Ende des Stückes kam und mit einer wahnsinnigen Drehung, ging sie zu Boden und die Stille war für einen Moment zum Greifen nah.
Retal blickte auf und in diesem Moment brandete der Jubel auf. Stühle fielen nach hinten, als viele der Gäste lauthals applaudierend sich erhoben. Sofort wurden die ersten Rufe für eine Zugabe laut und Tapras sah zu dem kleinen Jungen, den er heute angestellt hatte, der das Trinkgeld der Sängerin einsammeln sollte. Er war erst zwölf und starrte Retal mit offenem Mund an.

Schreinhüter

#877
Über dreihundert Seiten mussten es werden, damit eine Stelle erscheint, dir mich emotional total fertig macht. Klar, gut Ding will Weile haben, aber dass einmal die Böse aus einem Buch mich so mitnimmt, hätte ich nicht gedacht. Sanatorium, hier kommen wir!

ZitatGreg spürte, dass dies das letzte Mal sein würde, dass die echte Isabella Plain zu ihnen sprach. Oder zumindest das, was davon übrig geblieben war. Sie würde nach diesen Worten nie mehr zurückkehren und für immer in dem Labyrinth eingesperrt bleiben, zu dem die Sonde ihren Verstand machte.
,,Wir waren in der Semiramis. Deiner Erfindung, Mutter. Joseph hat die Schlampe da getötet, wo er mich entjungfert hat ... und jetzt will er die Schwester mitnehmen, um ein echter Gott zu werden."
Greg zuckte zusammen. ,,Angela?"
,,Isabella ... was?", entfuhr es Isidora und sie presste die Hände noch fester um die ihrer Tochter.
,,Ich liebe dich, Mutter", sagte Isabella gedehnt. Ihre Stimme wurde dünn. ,,Aber ich könnte dich niemals töten ..."

Windfeuer

Was man alles schönes beim Überarbeiten entdecken kann.  :) Wie diese Textstelle, die meine Protagonisten in ein seelisches Chaos stürzen lässt, aus dem sie sich erst mal wieder befreien muss.


ZitatKyu war wie betäubt. Der Schmerz in ihrem Körper war verklungen, nicht jedoch der in ihrer Seele. Dort gab es eine gewaltige offene Wunde. Eine schwarze Schlucht voller Schmerz und Schuld. Auf der Suche und der Bitte nach Vergebung.

Coppelia

#879
@ Windfeuer

Die Textstelle ist schön, aber beim letzten Satz ist irgendein Bezug kaputt. Deshalb hört es sich an, als sei die schwarze Schlucht auf der Suche nach Bitte und Vergebung. ;)

@ Schreinhüter

Deinen Text verstehe ich leider nicht. ??? Ich habe ihn schon mehrmals durchgelesen und werde immer noch nicht klüger daraus als beim ersten Mal. Eine Erläuterung wäre hilfreich. Denn es hört sich an, als ob eine sehr interessante Geschichte dahinter steckt!

Ich bin ein gemeiner Mensch und kritisiere nicht nur ungebeten meine Vorposter, sondern quäle auch meine Figuren. :darth: Diese Textstelle gehört zu meinen Favoriten der letzten Zeit.

ZitatSchnee fiel, fiel auf das gefrorene Gras, bedeckte die scharfen Formen der Winteräste mit flaumigem Weiß. Jeskar versuchte sich zu erinnern, wie lange er keinen Schnee mehr gesehen hate. Er stand da, in einen Wollumhang gehüllt, und verfolgte den Flug einer einzelnen Flocke vom Himmel bis zur Erde. Die Philosophen schrieben, dass Gottheiten im Himmel wohnten, strahlend schöne Wahrheiten, deren Anblick einer Seele die Unsterblichkeit schenkte. Und die Kessler Bauern behaupteten, dass Geister in der Erde lebten, die unschuldig vergossenes Blut tranken und die zarten Seelen von Neugeborenen mit sich zerrten in ihr Nachtreich.
Er hatte genug Schlachten miterlebt, genügend Menschen sterben sehen, um sich eine Meinung darüber zu bilden, wie es mit solch komplizierten Dingen stand: die Seele, Leben und Tod. Aber die Wahrheit war, er hatte keine Ahnung. Es war nicht die Aufgabe eines Feldherrn, sich darüber Gedanken zu machen. Es hätte ihn nur dabei behindert, notwendige Entscheidungen zu treffen. Und nun wusste er nicht, was er denken oder wie er sich trösten sollte.
Sens Kind — sein Kind — war bei den strahlenden Wahrheiten oder den Erdgeistern, oder vielleicht war auch gar nichts mehr von ihm übrig, wenn die Seele sterblich war. Auch das behaupteten einige Philosophen. Sein Sohn hatte die Welt verlassen, ohne sie kennen gelernt zu haben. In seiner Bitterkeit dachte Jeskar, sein Sohn wäre ein weiser Mann geworden, wäre er nicht bei seiner Geburt schon allzu weise gewesen.

JulieMKober

Ihr schreibt alle so superschöne Sachen, da bin ich mir gleich garnicht mehr so sicher ob ich meine Stelle posten möchte :D

Naja ich versuchs trotzdem mal, bin gerade damit fertiggeworden :)

ZitatImmer noch wie zu Stein erstarrt stand sie inmitten der Menschen auf dem Marktplatz, und wagte es nicht sich zu bewegen. Ihr Gehirn versuchte die Situation, die äußerst verrückte Sache die sie gerade erlebt hatte, zu verarbeiten und logisch zu erklären, doch die einzige plausible Schlussfolgerung für Lucy war, dass sie langsam aber sicher verrückt wurde. Sie schüttelte ihren Kopf, ihr langes blondes Haar fiel ihr ins Gesicht und blieb daran hängen. Lange, im Sonnenlicht glänzende Strähnen verhedderten sich in ihren langen Wimpern und vollen Lippen. Schnell strich sie es sich mit beiden Händen aus dem Blickfeld, ließ diese einen Moment auf ihrem Kopf liegen und massierte sanft ihre Kopfhaut. Das machte sie immer, wenn sie ratlos war und ihren Verstand wieder zu Klarheit und Vernunft zwingen musste. Sie atmete tief ein und aus. Plötzlich drang ein hohes, schrilles Geräusch an ihre Ohren, und sie bemerkte schockiert, dass es ihr eigenes hysterisches Gelächter war. Sie wurde definitiv verrückt.
Einen Moment verharrte sie in dieser Pose und fokussierte ihre Gedanken wieder auf das wesentliche. "Verdammt noch mal, reiß dich zusammen du hysterisches Weib!" Schimpfte sie laut über sich selbst und klatsche sich mit beiden Handflächen auf ihre Wangen, bis sie ein zartes rosarot annahmen und Lucy wieder das Gefühl hatte bei vollem Verstand zu sein.

Coehoorn

Nicht schön aber sie gefällt mir trotzdem besonders

ZitatDas Dorf Brackwasser lag etwas abseits der großen Hauptstraße und machte seinem Namen alle Ehre. Die Hütten waren heruntergekommen, die Wege schlammig und die Menschen schmutzig. Die Dorfbewohner verdienten ihr Geld damit, im nahegelegenen Sumpf Torf zu stechen. Der Boden in näherer Umgebung war zu sandig um großangelegte Landwirtschaft zu betreiben. Versorgt wurde das Dorf durch fahrende Händler die den gestochenen Torf mitnahmen und Schrot, Bohnen und andere billige Lebensmittel daließen. Man erkannte sofort wer in dem Dorf fremd war. Die Einwohner schienen grundsätzlich von der Sohle bis zum Scheitel mit Dreck und Kot beschmiert zu sein. Hygiene war offenkundig unbekannt.
Mordred hasste die Gegend von der ersten Sekunde an. Er hasste die Schweineherde die vor seinem Pferd davonrannte. Er hasste den Anblick von Kindern, die sich kreischend auf dem dreckigen Boden wälzten, während sie sich balgten. Er hasste die Hunde, die frei durch das Dorf liefen und sich beliebig und von den Bewohnern ungestört hin hockten, um neben den raufenden Kindern ihren Haufen zu setzen. Er hasste es, wie ein besoffener Torfstecher es an einer Hauswand ungeniert mit einer Dirne trieb, während der Zuhälter direkt daneben stand. Er hasste es, dass die Dirne keine dreizehn Sommer alt war und leise weinte. Und am meisten hasste er den Gestank. Selbst in den ärmsten Vierteln der Kaiserstadt hatte er niemals solchen Schmutz gesehen. In Gedanken ordnete er auch die Menschen diesem Schmutz zu.

Coppelia

Was für eine miese Ecke. Am Anfang hält man Mordred noch für arrogant, aber je länger die Beschreibung geht, desto besser versteht man ihn.

Veldrys

Ich habe heute Nachmittag meine Geschichten etwas sortiert, da auf meinem Computer Chaos herrscht. Dies ist der Anfang eines englischsprachigen Romans, an dem ich neben meinen deutschsprachigen Geschichten über die Zwillingssonnen hin und wieder arbeite. Beim neuerlichen Lesen hat die Stelle mir sehr gut gefallen.

ZitatThe gods are dead. I am their murderer. I have killed them and paid the price. Was it worth it? I don't know. As I gaze upon the ruins of my life, the remains of my existence, I can't help but weep. I have done the impossible. I have broken all the rules of the multiverse – and never been punished. I have committed sacrilege after sacrilege – and I still have my immortal soul. I have won every battle. I have become more powerful than any mortal before me – and I have more power than most immortals as well – but there is no satisfaction, no sense of victory. I have won, and I have lost ... my humanity, my family, my love, my world, and I can't help but wonder why ...

canis lupus niger

Das finde ich SO schön, Veldrys! Und so traurig.