Aus gegebenem Anlass grätsche ich hier mal mit einer eher allgemeinen Frage rein. Wenn ihr einen Ratgeber schreiben würdet, wir würdet ihr die Leser ansprechen? Per du, oder per Sie?
Wie würdet ihr als Leser angesprochen werden wollen?
Lässt sich pauschal schwer sagen, denke ich. Es hängt ja auch davon ab, worum es im Ratgeber geht, wer die Zielgruppe ist, wie man sich als Autor selbst präsentieren möchte.
Ein Ratgeber für karrierebedachte Businessmenschen hat ein komplett anderes Konzept und eine ganz andere Zielgruppe als einer für umweltbewusste Studis. Ein Autor, der vor allem seine Seriosität und Expertise untermauern möchte, wird anders formulieren als einer, der die möglichst große Nähe zu seinen Lesern sucht. Von daher: Du und Sie kann je nach Kontext passen oder fehl am Platz sein, aber ohne diesen Kontext lässt sich das eben nicht entscheiden.
Sehe ich genauso. Es muss vor allem authentisch sein. Ich bin, was Anreden betrifft, offen, aber z.B. die penetrante Duzerei in der Ikea-Werbung geht mir auf den Senkel. Ja, ich weiß, dass die Skandinavier auch auf Deutsch nicht siezen, aber das ist authentisch und kein Werbegag wie bei Ikea.
Ich mag das Du bei Ikea sehr gerne und fühle mich sehr wohl damit. Ein "Werbegag" ist das auch nicht, sondern schlicht die Unternehmenskultur aus dem Schwedischen. Ich habe lange Zeit in einer Firma mit schwedischer Mutterfirma gearbeitet, und da war das Du aus genau dem Grund auch Gang und Gäbe. (Das Du mochte ich aber schon davor grundsätzlich lieber als das Sie.)
Generell gefällt mir in Ratgebern das Du deutlich besser, ganz egal, was für ein Ratgeber das ist.
Meine persönliche Erfahrung ist, dass "Internetkinder" generell eher mit dem Du glücklich sind, weil im Internet das meiste über diese persönlichere Form läuft. Ältere Semester und/oder Menschen, die weniger mit dem Internet zu tun haben, sind bei Fremden eher auf Sie gepolt.
Ich schreibe kleine Ratgeber für genau zwei Gruppen: Apothekenkunden und Autoren. Bei den Apothekenkunden lande ich wohl eher beim "Sie", da überwiegend älter. Und bei Autoren?
Ich lasse mich von Ratgebern gern duzen.
Allerdings, Fee, bei den Apothekenratgebern würde ich auch sagen, dass Menschen, die die lesen, vermutlich lieber gesiezt werden wollen. Für die Autoren finde ich das du schon passend.
Mir geht es exakt wie Pandorah. Sowohl was IKEA angeht, als auch beim Rest. Ich finde Sie schrecklich gestelzt, ganz besonders auf Blogs und in den sozialen Medien, und Ratgeber, die so geschrieben sind, lege ich gleich wieder weg, weil ich mich davon nicht angesprochen fühle. Gerade in der modernen Businesswelt setzt sich das Du auch immer mehr durch, jedenfalls in den eher modernen Branchen und der StartUp Szene.
Aufpassen muss man nur, dass das du nicht anbiedernd rüberkommt, was leider in vielen Blogs und Podcasts der Fall ist, wenn es inflationär eingesetzt wird. Meinem Gefühl nach sollte man in Ratgebern und auch Blogartikeln die direkte Anrede des Lesers vermeiden und sehr homöopathisch dosieren. Zusammen mit dem Du hat man dann für mein Empfinden eine Mischung, die seriös aber nicht steif wirkt.
Liebe Fee,
die ersten beiden Schreibratgeber, in die ich jetzt mal probeweise reingeschaut habe, nutzen "Sie". Spontan hätte ich das auch angebracht gefunden. Ja, im Buchmarkt ist man schnell per du. Allerdings in der Regel auch erst nach der dritten oder vierten Mail. Du könntest ja auch mal umgekehrt fragen: Möchte ich, dass mich unbekannte Autor*innen im Erstkontakt Duzen oder Siezen?
Da es sich ja doch um eine Geschäftsbeziehung handelt, würde ich persönlich im Erstkontakt immer das "Sie" wählen. Es wirkt professioneller. Und daran würde ich auch einen Schreibratgeber orientieren.
Ich gebe allerdings zu, dass ich nicht viel Erfahrung mit Schreibratgeber habe und daher jetzt nicht sagen kann, ob das generell so ist. Es kommt sicherlich auf Thema und Zielgruppe an. Bei Entspannungsübungen z. B. stelle ich mir das "Du" angenehmer vor ...
Liebe Grüße,
caity
Zitat von: Pandorah am 09. August 2018, 14:09:56
Ein "Werbegag" ist das auch nicht, sondern schlicht die Unternehmenskultur aus dem Schwedischen.
Warum wird der Kunde auf ikea.fr dann gesiezt? :hmmm:
Zielgruppenorientiertes Marketing!
Ikea Deutschland spricht den Kunden auch gezielt an, der Satzbau ist so gewählt, dass das Du fallen muss. Damit der Kunde sofort merkt, dass er in Schweden einkauft. Würde mich nicht mal wundern, wenn das von einer deutschen Werbeagentur stammt. ;D
Zitat von: FeeamPC am 09. August 2018, 14:16:20
Ich schreibe kleine Ratgeber für genau zwei Gruppen: Apothekenkunden und Autoren. Bei den Apothekenkunden lande ich wohl eher beim "Sie", da überwiegend älter. Und bei Autoren?
Da lauten die Fragen: Welche Art Autoren? Welche Art Ratgeber? Im Prinzip steuerst du über die Anrede die "Lernatmosphäre".
Immer schön an Schiller denken: "Ich kenne meine Pappenheimer."
Autoren generell, Autoren im TiZi spezieller, Autoren, die ich verlege, vielleicht auch noch (sozusagen in-house-style-Anforderungen). Und die Ratgeber können alles sein. Von einseitigen gratis Druck/pdf-Flyer bis hin zu einem kleinen Buch/Ebook, das verkauft wird.
Zwischen Autoren bewegt man sich im du, bei Facebook, whatsapp oder twitter ja auch, aber bei einem richtigen, echten Buch für Erwachsene würde ich persönlich förmlicher bleiben. Es hat etwas mit dem Abstand zu tun, du weißt etwas, und verkaufst das Wissen weiter. Nichts als hilfreicher Kumpel, als Profi. gilt natürlich nur bei Erwachsenen, logisch.
Bei Ikea finde ich das du übrigens extrem aufgesetzt, absichtlich. Es verschafft der Werbung auch gleich einen Wiedererkennungswert.
Edit: Bei 'deinen' Autoren und welchen die du kennst, würde ich dann aber schon bei du bleiben. Das passt besser.
Mit dem "Sie", machst Du nie etwas verkehrt. Ich bin bei meinen beiden Ratgebern bei "sie" geblieben, weil die Zielgruppe Leute aus der Wirtschaft waren. Die lassen sich nicht so gerne duzen.
Ich habe gerade im Sol Stein nachgeschaut (deutsche Ausgabe). Ein "Sie" in allen Anekdoten. Wenn vom Ton klar wird, dass Du Dich generell an Autoren, also vorwiegend solche, die Du nicht persönlich kennst, wendest, würde ich beim Sie bleiben. Sind es vorwiegend Forumsteilnehmer aus welchen Foren auch immer, könnte das "Du" besser sein. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass einige Montsegur-Autoren von anderen Autoren außerhalb ihres Forums lieber gesiezt würden. "Soll ich meinem Agenten(?) oder war es Lektor das Du anbieten (Ihn, sie duzen?)" - Ich müsste für den genauen Wortlaut nachschauen- war da mal ein thread.
Also lieber "Sie".
meint Trippelschritt
Hm. Facebook bin ich meistens per Sie unterwegs, außer bei Leuten, die ich ohnehin irgendwoher kenne. Ich schätze mal, dann läuft das wohl heraus auf Sie, außer bei Hausautoren und TiZis, die bekommen ein "Du" (selbstredend mit Ausnahme von Feuertraum).
Ich wäre da auch sehr für das "Sie". Also, bei allem, was an Fremde geht. Es dreht sich ja um professionelle Inhalte.
Ein "Du" fände ich nur bei ganz speziellen Zielgruppen (Jugendliche/junge Erwachsene) oder Themen (Flirttips oder so was sehr persönliches) angebracht.
Ich persönlich bevorzuge überall das Du und würde es auch in einem Ratgeber favorisieren, da es eine gewisse Nähe erzeugt.
Wie schon von einigen Tizis angesprochen, kommt es auf die Zielgruppe an. Ich selber bin jemand, der auch in Ratgebern ein "Sie" bevorzugt. Allerdings versuche ich den Mittelweg zu gehen und neutral zu schreiben, sprich, so zu schreiben, dass weder "Sie" noch "Du" nötig sind.
Um einen kleinen Bogen zu meiner Arbeit im Handel zu schlagen: (Kleine) Kinder - so bis 12/13 Jahre duze ich auch. Sehen diese älter aus, sieze ich sie. Die Reaktionen sind da auch unterschiedlich. So mancher ist darüber verwundert, aber es gibt auch gar nicht mal wenige, die sich durch das "Sie" ernst genommen fühlen, nicht als Kind, sondern als ein vollwertiger Mensch.
Beim Bloggen schreibe ich im "Plural", also als Anrede "ihr", setze es aber sporadisch ein. Vieles lässt sich allgemein formulieren ohne Anrede oder mit "man", wenn unbedingt nötig. In Schreibratgebern bevorzuge ich auch "ihr" bzw. gar keine Anrede (der Text kann dann mehr wie eine Erinnerung oder wie ein Forenpost geschrieben werden).
Ich bin jemand, der siezt und es aufdringlich findet, wenn im Geschäft geduzt wird. Das lässt Professionalität und Respekt gegenüber dem Kunden vermissen.
Mein Arzt ist etwas sonderbar und spricht mit mir in der dritten Person.
"Sie hat wohl zu wenig geschlafen. Sie sollte das hier dreimal am Tag einnehmen."
Meine Lektorinnen duzen mich, daher nehme ich an, dass die Mehrheit der Autoren und Autorinnen heute lieber das "Du" hört.
Es ist eigentlich einfach: Du --> gleiche Ebene oder der Duzer eine Ebene über dem Geduzten (je nachdem wie dieser es empfindet)
Sie --> gleiche Ebene, oder der Siezer eine Ebene unter dem gesiezten.
Wie will ich also dem Leser gegenüber auftreten?
Kommt nicht nur auf die Zielgruppe an, sondern auf das Thema: So geht es mir in Unterhaltungen mit Fremden. Bei sachbezogenen Themen ("Weißt du, wann der nächste Bus kommt?") hab ich nix gegen "Du", dagegen schon eher, wenn es personenbezogen wird: "Verzeihen Sie, Ihre Schnürsenkel sind offen, stolpern Sie nicht". Halt eine Frage der Distanzwahrung, sei es aus höflicher Zurückhaltung oder aus Respekt. Welche Münder n. Wlatzlawick sind wie gewichtet? Selbstoffenbarung, Appell, Sachinformation, Projektionen auf den anderen. Steht die Selbstoffenbarung im Vordergrund, ist das Du eher in Ordnung als wenn der Appell im Vordergrund steht. Beispiel: Wenn jemand einen Alkoholismus-Ratgeber schreibt, der selbst Alkoholiker ist, lasse ich mich von mir aus duzen. Schreibt das aber ein Arzt, soltte er mich tunlichst siezen. Zum Glück habe ich solche Ratgeber nicht nötig, aber wär ich nur einen Tick weit anders gelagert, wer weiß. Wie ist das mit Ihnen? (rhetorisch gefragt, als Exempel, nicht drauf antworten)
Hallo Fee,
ich bin ebenfalls für das "Sie" im allgemeinen. Im speziellen, und, hier meine ich die Bekannten unter Deiner Leserschaft, die kannst Du im Ratgeber per "Du" ansprechen. Das "Du", so wie es in dem gelb-blauen Einkaufscenter Verwendung findet, kann zum Einen als nicht störend empfunden werden, - wenn man es von dieser Firmenphilosophie nicht anders gewöhnt ist.
In Einem Ratgeber würde ich aus Respekt die Leserschaft mit einem netten "Sie" ansprechen.
Ich selbst würde es befremdlich empfinden, mit einem klassischem "Du" vom Autor angesprochen zu werden. Das "Sie" ist eine Höflichkeitsform und solltest Du Dir nicht sicher sein, dann ist das "Sie" auf jeden Fall angebracht.
LG
PS:
hatte mich selbst bei einem Sachbuch/Projekt für ein Leser-bezogenes "Sie" entschieden.
Es liegt z.Z. auf Halde. Aber ich werde es irgendwann wieder aus der Schublade holen.
Ich habe oft Ratgeber zum Korrigieren da, da wird meistens gesiezt. Wenn sich ein Autor doch für das Du entscheidet, erwähnt er meist im Eingangstext, warum er das so macht - mehr Nähe zum Leser schaffen, zum Beispiel.
Beim Siezen schreiben viele meiner "Klienten" übrigens das Sie trotzdem klein, oder zumindest manchmal, was an einigen Stellen dann gar nicht so einfach zu korrigieren ist (Hm, meint er jetzt sie, die Kunden oder Mitarbeiter zB, oder Sie, der Leser?). An einigen Stellen muss ich dann mehrmals drüberlesen, bis ich sicher bin, dass ich die richtige Bedeutung erfasst habe.