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Wann ist ein Roman zu düster?

Begonnen von Nightingale, 24. März 2013, 21:46:38

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FeeamPC

Kommt drauf an, wo und in welcher Zeit deine Protas leben. Es gibt Gegenden (oder Zeiten), wo praktisch jeder einen düsteren Hintergrund hat/hatte.
Da passt das dann schon.
Außerdem sind glückliche Leute für den Leser bedeutend weniger interessant.

Alessa

Zitat von: HauntingWitch am 17. September 2013, 11:01:33
Und die Frage wäre: Wie viele üble Schicksale kann ich bringen, ohne dass es störend wirkt?

Ich habe 3-4 Perspektivträger und 3 davon haben einen, naja, etwas schwierigen Hintergrund aus dem Elternhaus. Im Moment mache ich Charakterbau für den möglichen vierten und es läuft wieder darauf hinaus, dass er früher irgendetwas Schlimmes erlebt hat. Ich frage mich, ob das nicht etwas zu viel ist. Es gibt doch auch "normale" Menschen (also solche, die in einem stabilen, sicheren Umfeld aufgewachsen sind), da muss ich doch auch solche haben...

Warum? Ich schließe mich da FeeamPC an, glückliche Menschen sind weit weniger für den Leser interessant. Was vielleicht daran liegt, dass kaum ein Mensch von Schicksalsschlägen erspart bleibt und es einfach daher unglaubwürdig ist, dass eine Romanfigur das gesamte Leben auf der Sonnenseite verbracht hat. Möglich ist das schon, doch dieses Leben hat auch Auswirkungen auf den Charkter der Figur, ebenso, wie der schwierige Hintergund.


Ary

Es kommt auch darauf an, was sie erlebt haben und wie sehr sich das auf ihre Persönlichkeit, ihr Leben und ihr Verhalten auswirkt. Genauso wie "nur glückliche" Menschen für den Leser langweilig sein können, kann auch ein Zuviel an Traumata Augenrollen hervorrufen. Aber wenn alles gut begründet ist und nachvollziehbar bleibt, warum eine Person so-und-so geworden ist und auf diese und keine andere Weise handelt, finde ich es nicht zu düster.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Melenis

Es kommt ja auch drauf an, wie du deine Geschichte schreibst. Ertrinken deine Protagonisten in Selbstmitleid und Depressionen, und das ständig, wäre ich auf jeden Fall genervt. Mir wäre es nicht zu düster, sondern zu langweilig. Protagonisten eine schwere Vergangenheit zu geben einfach aus reiner Boshaftigkeit oder um die Protas nicht zu glücklich wirken zu lassen, finde ich auch schon grenzwertig.
Außerdem ist es nun auch nicht so, dass jeder Mensch, der eine sorgenfreie Kindheit hatte, nur glücklich durch die Gegend läuft. Und nicht jeder Mensch, der früher z.B. vom Vater geschlagen worden ist, muss depressiv sein und sich ritzen (oder ähnliches). Von dem her, ginge das schon, kommt nur drauf an, wie du es machst. Ich habe selber zwei Hauptprotagonisten (von dreien), die eine schwere Kindheit hatten. Aber ohne diese Vergangenheit gäbe es diese Geschichte überhaupt nicht. Mein dritter Protagonist ist relativ sorgenlos aufgewachsen, und muss trotzdem noch über sich hinauswachsen, um zu überleben.
Deswegen finde ich die vorherigen Aussagen auch etwas seltsam. Warum sollten glückliche Personen bedeutend weniger interessant für die Leser sein? Mit dem richtigen Plot kann selbst die glücklichste Person interessant sein.

Damit wollte ich niemandem auf den Schlips treten, ist nur meine Meinung dazu.
Grüßle  :winke:

HauntingWitch

@FeeamPC: Nun, bei mir sind es nicht solche Orte/Zeiten. Nur teilweise.

@Alessa: Das mit den Auswirkungen ist mir klar, daher kommt es ja.  :)

@Aryana und Melenis: Nein, eigentlich mache ich das nicht krampfhaft, nur damit die Geschichte bloss nicht zu fröhlich ausfällt. Es ist irgendwie einfach so gekommen bis jetzt.

Mogylein

Ich finde es wichtig, dass es nicht zu überladen rüberkommt. Ich kenne zwar ehrlich gesagt nur sehr, sehr wenige Menschen, die kein zerrüttetes Elternhaus hatten, später nicht durch Schicksalsschäge, Mobbing usw noch weiter geprägt wurden, aber: all diese Menschen hatten nicht nur schlimme Ereignisse im Leben. Wenn man in einer beschissenen Situation lebt, wird sie zur Ausgangslage und es gibt bessere und schlechtere Tage. Man hat trotzdem noch Freuden im Leben, auch, wenn man nachts alleine vielleicht wegen der Allgemeinsituation nur noch am Heulen ist.
Es macht keinen Sinn, nur Schicksalsschlag auf Schicksalsschlag folgen zu lassen. Das ist einfach nicht realistisch und die Leute haben gar keine Zeit, sich in ihrer neuen, bescheidenen Situation zurechtzufinden und einen tristen Alltag zu erleben.


Drei Leute, deren Leben die Hölle war, damit hab ich kein Problem. Aber wenn ihr Leben ununterbrochen die Hölle war, nehm ich das nicht mehr ernst.
   "Weeks of Writing can save you hours of plotting."
- abgewandeltes Programmiersprichwort

Rhiannon

Ich denke, es kommt auch darauf an, was der schwere Hintergrund genau ist. Ein prügelnder Vater zum Beispiel ist noch lange nicht das Gleiche, wie z.B. eine lieblose Kindheit oder ein Aufwachsen ohne Eltern. Eine schwere Kindheit wäre es aber in allen drei Fällen gewesen. Und jeder Prota reagiert darauf unterschiedlich. Das bedeutet, um einen Prota in einer ganz bestimmten Weise reagieren zu lassen und auch für bestimmte Dinge, die diesen Prota in seiner Jugend geprägt haben müssen, hast du gar keine Wahl, als ihnen eine schwere Kindheit in der einen oder anderen Weise zu verpassen. Aber die schwere Vergangenheit muss einen Grund haben. Vielleicht reagieren sie alle deswegen so sensibel auf die Bedrohung oder sie haben sich deswegen angefreundet oder sowas.
Ich hasse es, wenn die Protas nur eine schwere Kindheit haben, weil man das ja zu haben hat.

Churke

Wo ich gerade was von schwerer Kindheit lese...

Ist nicht das Gegenteil viel schlimmer? Wenn ich einer Figur richtig Schicksalsschläge zufügen will, bringe ich sie erst mal auf die richtige Fallhöhe.

HauntingWitch

Okay, danke euch allen. :) Ich weiss jetzt, wie ich es mache.

@Churke: Ja, wenn man den Schicksalsschlag während der Geschichte geschehen lassen möchte. Aber wenn das nicht der Fall ist... Mir ging es mehr darum, was vor der Geschichte alles passiert, weil Teile davon ja in die Geschichte miteinfliessen.

Mithras

Ich finde es sehr interessant, wie stark in dieser Diskussion die Atmosphäre mit dem persönlichen Schicksal der Charaktere verknüpft ist. Düsternis als Resultat von Schicksalsschlägen? Ich bin die Sache bisher immer völlig anders angegangen.

Für mich ist es die Existenz einer ernstzunehmenden Bedrohung, die einer Geschichte eine düstere Atmosphäre verleiht - unabhängig von dem Wesen der Charaktere. Das kann auf ganz unterschiedliche Weise realisiert werden, zum Beispiel durch einen unmittelbar bevorstehenden Krieg, eine Hungersnot oder die Wiederkehr einer "phantastischen" Katastrophe. Für viel wirkungsvoller halte ich jedoch die Herrschaft des Zufalls. Er macht vor nichts Halt, schwebt über allem wie ein Damoklesschwert. In vielen Romanen sind die Gesetze des Zufalls außer Kraft gesetzt, da gewisse Charaktere natürlich immer bis zum Ende überleben werden und der Antagonist besiegt werden wird. Da kann mir ein Autor mit noch so vielen Schicksalsschlägen kommen - wenn seine Charaktere letztlich mit Sicherheit überleben werden, wirkt alles, was er ihnen antut, nur wie eine Entschuldigung dafür, dass er den entscheidenden Schritt nicht wagt. Tut er es doch, verleiht es dem Buch eine gänzlich andere Dynamik, denn nun merkt man, dass das Schicksal plötzlich jeden Charakter treffen kann. Und das ist in meinen Augen schon recht düster.

Kurz gesagt: Ein Buch ist in meinen Augen dann düster, wenn es um das nackte Überleben geht. Und je realistischer das umgesetzt wird, umso düsterer ist die daraus resultierende Atmosphäre, denn die Realität ist grausam genug.

In meinen Augen erreicht ein Autor viel mehr, wenn er Grausamkeiten jeglicher Art eher am Rande erwähnt als sie auszuschlachten. Wenn er mir Gemetzel oder Schlachtfelder mit Tausenden von Toten präsentiert, habe ich den Eindruck, als wolle er mir mit Gewalt zeigen, wie brutal seine Welt doch ist. Die beiläufige Erwähnung von Gewalt kann dagegen viel verstörender wirken, weil einem schlagartig bewusst wird, wie wenig ein Menschenleben doch zählt und wie schnell es sich beenden lässt.

Die Existenz eines Hoffnungsschimmers sehe ich im Übrigen nicht nur als notwendigen Kontrast, sondern vor allem als geschickten Kniff, um die düstere Atmosphäre zu verstärken. Wen kümmert es, dass die Welt untergeht, wenn ohnehin schon alles düster und trostlos ist? Die Beklemmung und die Schockwirkung sind umso größer, wenn man als Leser - je nach gewünschtem Effekt - wahlweise ein Rettungstau oder einen Strohhalm gereicht bekommt, an das bzw. an den er sich klammern kann.

Remy

Wann ist ein Buch zu düster? NIEMALS!
Aber mal im Ernst. Das ist wohl am ehesten Geschmackssache. So habe ich auf Amazon Rezensionen von A Song of Ice and Fire gesehen, in denen sich jemand beschwert, GRRM würde ja alle Figuren systematisch kaputt machen. Hah. Exakt das ist es, was die Bücher für mich ausmacht. Dass es eben immer wieder solch heftige Schicksalsschläge gibt, dass die Reaktionen aller Figuren darauf, deren wahren Charakter ans Licht kommen lassen. Dazu kommt die kleine Tatsache, dass einfach niemand vor dem Stranger sicher ist (Dem Aspekt des Todes in einer der Religionen).
Das ist hemmungslos realistisch und grausam, Krieg mal nicht als aufeinander zu stürmende Fronten sondern in Form von hungernden Bauerskindern etc.

Es gibt natürlich viele Arten von Düsternis. Hunger Games ist gnadenlos düster. Nicht nur wegen dem, was passiert, sondern eben weil all das aus Katniss eine unglaublich kühle, berechnende aber dennoh extrem menschliche Figur macht. Und man weiß genau, dass ihre Art der einzige Grund ist, warum sie noch lebt. Ups, Spoiler-Alert.

Dann gibt es die Art von düster wie in Harry Potter, Heiligtümer des Todes. Das ganze Buch ist im Grunde genommen tiefschwarz. Als ich es gelesen habe, dachte ich zurück an den ersten Band und fragte mich, wo denn Hogwarts mit all seinen Lichtern und Wundern geblieben war. Aber so ist das nun einmal mit großen Gefahren, und es hat aus Harry keinen vollkommen zerstörten Menschen gemacht.
(Auch wenn der Gute ordentlich PTSD gehabt haben wird, siehe Phoenix Lament von Ministry of Magic. Ja, ich bin ein Potterhead.)


Aber mal ein anderer Aspekt. Es ist schon auffällig, dass gerade in den letzten Jahren so eine Faszination mit düsteren Themen aufgetaucht ist. Aber vollkommen überraschend ist es nicht. Es gibt einige Studien, die herausgefunden haben, dass Jahrhundert- und Jahrtausendwenden dazu neigen, besonders emotionale und/oder extzentrische Ströhmungen in der Kunst hervorzubringen.
Voila!
Natürlich muss nicht alles düster sein. Natürlich ist noch Platz für Schönes und Lustiges in der Welt. Aber wenn man für ein Werk eine starke Motivation erschaffen will, dann ist das doch meist durch die Bedrohung eben dieser heilen Welt.
Es sei denn der Protagonist ist eher ein Antagonist, der nichts lieber sähe, als eine Zerstörung der widerlich glücklichen Welt. Hey, Plotbunnies!

Es muss aber auch betrachtet werden, warum ein Buch gelesen wird. Es gibt Bücher/Filme/Lieder, die schmerzhaft sind und die man trotzdem durchsteht, weil man einen Wert in dieser Welt aus Schmerz erkennt. Katharsis, wenn man so will. Das ist nicht jedermanns Sache und das ist auch gut so. Aber ich für meinen Teil behalte mir das Recht vor, ab und an kathartisch tiefschwarz zu schreiben, auch gerne ohne Hoffnungsschimmer. Ich erwarte nicht, dass es jedem gefällt, aber für mich hat so etwas in sich einen Wert. Künstlerischer Ausdruck und so. Die Welt ist nicht immer schön, die Welt hat keinen Spannungsbogen, an dessen Ende der Regenbogen die Erde berührt. Also müssen es Bücher auch nicht sein.

Liebe Grüße

Remy

Eleanor

ZitatAls ich es gelesen habe, dachte ich zurück an den ersten Band und fragte mich, wo denn Hogwarts mit all seinen Lichtern und Wundern geblieben war. Aber so ist das nun einmal mit großen Gefahren, und es hat aus Harry keinen vollkommen zerstörten Menschen gemacht.

Mir ist dasselbe aufgefallen, als ich den letzten Hp-Band gelesen habe, viele haben sich ja beschwert, dass schon vorher so mancher drauf gehen musste. Aber viele bedenken nicht, das Geschichten häufig gar nicht weiter gehen können, ohne das jemand stirbt. Wie wäre denn der siebte Teil verlaufen wenn Dumbledore *Spoiler, aber ich glaube wir kennen alle Harry Potter* noch am Leben gewesen wäre? Man muss auch unterscheiden für welche Zielgruppen Bücher gedacht sind, wenn man mir "das Lied von Eis und Feuer" für 10 jährige empfohlen hätte, hätte ich eindeutig gesagt es ist zu düster (und zu kompliziert  ;)), aber für die Erwachsene Zielgruppe ist das dann viel facettenreicher und spannender, wenn nicht die ganze Zeit Friede, Freude Eierkuchen in Westeros ist.
Auch bei der Tintenherzreihe ist mir aufgefallen, wie düster der letzte Band ist. Ich hatte mit dem ersten Band angefangen, als ich in der Grundschule war, das letzte Buch aber erst wirklich ganz durchgelesen, als ich schon älter war. In der fünften Klasse hat es mich noch zu sehr mitgenommen und ich war so frustriert, dass alles immer schlimmer und schlimmer wurde, das ich nicht mehr weiter lesen wollte. Als ich Tintentod dann später noch einmal gelesen hatte, fand ich das Buch dann sehr gut. Wenn man älter wird, macht einem die Düsternis weniger aus und es macht das Buch eigentlich spannender für einen. Das wusste ich eben erst später zu schätzen.

ZitatAber mal ein anderer Aspekt. Es ist schon auffällig, dass gerade in den letzten Jahren so eine Faszination mit düsteren Themen aufgetaucht ist.
Ich glaube, daraus erklärt sich teilweise der große Erfolg von GRRM. Die bis dahin herrschende Grundsatz Regel, der und der kann gar nicht sterben wird von ihm einfach aus den Angeln gehoben. Dieses muntere Sterben der Figuren hatte ich vor "das Lied von Eis und Feuer" eigentlich noch nie in einer Fantasyreihe gelesen. Klar ist es nie schön, wenn die Lieblingsfigur von einem stirbt, aber das ist eben das was einem am Buch besonders fesselt und ich glaube die Serie wäre nicht halb so beliebt, wenn GRRM mit dem Vorsatz schreiben würde, dass am Ende der Reihe immer noch jeder am Leben ist und genauso weiter macht wie vorher.

Liliane

#27
@Remy und auch Eleanor: Ich finde ihr habt beide Recht. Im "Lied von Feuer und Eis" sterben nach und nach alle und mancher mag das vielleicht seltsam finden und sagen, dass sei idiotisch, wieso soll man ein Buch lesen, wenn nahezu alle Hauptpersonen am Ende tot sind, aber ich denke es ist eben eher so, dass das gute Bücher ausmacht.
Es gibt Bücher, in denen grausame Dinge geschehen, die Welt voller Kriege, Kämpfe, Intrigen, Leid und Sterben ist und die wichtigen Personen leben einfach immer weiter und weiter und weiter. Gleichzeitig werden sie oft so dargestellt, als seien sie in Wirklichkeit auch nur wie alle anderen und auch bloß menschlich (sofern menschlich).
Ich denke, ein Roman ist düster, wenn die dunkle, wahre Seite, eine realitische Seite der Welt gezeigt wird, und so eben auch mal Hauptcharaktere draufgehen.
So sind in Harry Potter am Ende nicht mehr die Lichter in der Großen Halle, weil Hogwarts mitten im Krieg ist. Es wäre unlogisch, wenn es immer noch idyllisch dort wäre. Eine Welt hat mit dem Krieg und mit dem Leid zu gehen, wie die Leute, und "düster" bedeutet so einfach, dass es schlicht und ergreifend so dargestellt wird, wie es nun mal zu sein hat.

Andererseits kann man es aber auch übertreiben. Es ergibt wenig Sinn wenn jemand durch die Straßen läuft und drei mal hintereinander angegriffen wird. Ich meine, wem passiert so etwas schon? Wer hat schon so viel Pech? Das ist dann vielleicht düster, aber auch nicht mehr gut, finde ich.

Churke

Zitat von: Liliane am 26. Oktober 2013, 16:32:42
@Remy und auch Eleanor: Ich finde ihr habt beide Recht. Im "Lied von Feuer und Eis" sterben nach und nach alle und mancher mag das vielleicht seltsam finden und sagen, dass sei idiotisch, wieso soll man ein Buch lesen, wenn nahezu alle Hauptpersonen am Ende tot sind, aber ich denke es ist eben eher so, dass das gute Bücher ausmacht.
Was die schon die alten Griechen wussten. Das Comeback der Tragik.  :engel:

Wenngleich die Frage ist, ob man Tragik mit "düster" gleichsetzen oder auch nur Schnittmengen sehen kann.

Kati

Zitat von: LilianeRemy und auch Eleanor: Ich finde ihr habt beide Recht. Im "Lied von Feuer und Eis" sterben nach und nach alle und mancher mag das vielleicht seltsam finden und sagen, dass sei idiotisch, wieso soll man ein Buch lesen, wenn nahezu alle Hauptpersonen am Ende tot sind, aber ich denke es ist eben eher so, dass das gute Bücher ausmacht.

Genau solcher Aussagen wegen hatte ich den Thread damals aufgemacht, weil ich das einfach nicht glaube. Gute Bücher zeichnet es aus, dass viel Leid, Tod und Tragik vorkommt? Das kann ich mir einfach nicht vorstellen. Natürlich kann nicht immer nur alles Friede, Freude und Sonnenschein sein, aber das muss doch nicht darauf hinauslaufen, dass am Ende alle tot sind. Ich stimme voll und ganz zu, dass ein Roman authentisch wirkt, wenn es ein Gleichgewicht aus hellen und dunklen Seiten gibt. Ich stimme nicht zu, dass das ein Buch tiefsinnig oder gut macht. Als ich jünger war, habe ich gern über "kaputte" Figuren mit schweren Schicksalsschlägen im Gepäck geschrieben. Ich dachte, das macht die Figuren tiefer und bietet mehr Identifikationsfläche. Aber das sehe ich heute anders. Jemand schrieb ganz am Anfang des Threads, dass Tiefe nur durch solche Schicksalsschläge hervorgerufen würde, auch im echten Leben. Aber ich kenne genug sehr schlaue, sehr tiefsinnige Menschen, die eine fröhliche Kindheit hatten und denen in fast 30 Jahren Leben nichts richtig Schlimmes passiert ist.

Na klar, jeder hat schonmal was Schlimmes erlebt: Trauer, Unfälle, Verluste... das kennt jeder. Aber reicht das nicht? Muss eine Figur eine schreckliche Kindheit gehabt haben oder einen richtig schlimmen Unfall, um tief und vielschichtig zu sein? Nein. Das ist im wahren Leben auch nicht so. Ich finde es besonders in Jugendromanen in letzter Zeit immer unrealistischer, was den Figuren da passiert ist. Nicht, dass es keine Jugendlichen gibt, denen so schlimme Dinge passiert sind, aber ich finde es faul vom Autor einer Figur Tiefe zu verleihen, indem er sagt, die ganze Familie ist bei einem Unfall gestorben und deshalb hat die Figur jetzt eine viel erwachsenere und tiefere Sicht auf die Dinge. Natürlich macht sowas den Leser betroffen, aber ist es nicht viel gekonnter eine ganz "normale" Figur, die in ihrem Leben nichts Traurigeres erlebt hat, als den Verlust eines geliebten Haustieres und schlechte Schulnoten als tief und facettenreich darzustellen? Ich finde es fast schon unvernünftig, eine Figur als "besser" und "erwachsener" darzustellen, als die anderen Figuren, bloß, weil ihr etwas Schlimmes passiert ist.

Dass in einem Fantasyroman, in dem Krieg herrscht, man die Figuren natürlich so darstellen muss, dass man ihnen abnimmt, dass sie Angst vorm Krieg haben und der Tod näher rückt als in einer Gesellschaft, die in Frieden lebt, ist keine Frage. Aber es gibt immer helle und dunkle Seiten, und auch im Krieg kann man einen schönen Nachmittag mit Freunden haben. Und meiner Meinung nach lässt sich die Qualität eines Romans nicht an der Anzahl der Toten und der Schicksalsschläge messen, sondern eben an dem Gleichgewicht zwischen gut und schlecht und noch viel mehr in der Darstellung der Figuren, die auch mal durchschnittlich belastet sein dürfen und trotzdem keine naiven Idioten, die keine Ahnung vom wahren Leben haben.