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Können Orks auch gut sein?

Begonnen von newdevilraider, 25. April 2007, 12:27:05

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canis lupus niger

#45
Es gibt ja nun "Den Ork" als historischen und biologischen Fakt auch gar nicht. Wer die literarische Idee zuerst hatte, auf der Grundlage welcher Mythologie oder welchen Volksglaubens, sei jetzt mal dahingestellt. Es gibt keine Orks, sie sind literarische Fantasiegestalten und in allen ihnen zugeschriebenen Eigenschaften einzig den Vorstellungen ihrer Erfinder/Autoren unterworfen. Somit kann es so viele Ork-Varianten geben, wie es Geschichten über sie und mit ihnen gibt.

Tolkiens Orks wurden bereits erwähnt, die vielen Lesern, Filmkonsumenten und Autoren bekannt sind und ihnen als Originalvorlage gelten.
Ganz anders sind aber zum Beispiel die Orks von Stan Nichols "gestrickt", die eine Fantasy-Art unter vielen darstellen, keine gequälten, traumatisierten und verstümmelten/verzerrten Alptraumgestalten, nicht krankhaft böse, sondern urtümliche, kriegerische Wesen mit einem ausgeprägten Ehrencodex, liebenswerte Rabauken, vergleichbar den Klingonen aus dem Star Trek Universum ab "Next Generation" und "Deep Space Nine". Leute wie du und ich, bloß weniger zivilisiert vielleicht.

In der Welt von Isrogant, zu der ich mein letztes Buchprojekt und für die dritte Athologie eine KG beigesteuert habe, sind Orks ebenfalls nicht "böse", sondern einfach anders, und sie werden deswegen von vielen ihrer Mitgeschöpfe als "böse" angesehen. So, wie das in der Realität ethnischen und kulturellen Randgruppen leider immer wieder passiert. Orks sind in Isrogant die älteste der intelligenten Lebensformen und wurden mit ihrer urtümlichen Lebensweise von den anderen immer mehr verdrängt und dämonisiert, was natürlich von den Orks auch nicht widerstandslos hingenommen wurde. Allein in zwei KGs werden die Orks und ihr Verhältnis zu Menschen und anderen Mitgeschöpfen speziell thematisiert. Es handelt sich um persönliche Erstbegegnungen, eine aus Sicht eines Menschen, eine aus Sicht eines jungen Ork. Nicht, weil ich eine davon geschrieben hab, ... aber die sind wirklich lesenswert!  ;D

Zitat von: Wolli am 17. Januar 2010, 19:39:24
Es ist wirklich erschreckend wenn man sich das mal vor die Augen führt. Alles Böse ist hässlich, und alles Hässliche scheint gleich Böse sein zu müssen. Sähen Orks wie Elfen aus, hätten aber die selben Eigenschaften wie zuvor und behielten auch ihren Namen, ich glaube, man würde sie nicht so einfach in die "böse Kategorie" schubsen.  :hmmm:
Interessanterweise hat Sir Terry in "Lords and Ladies" und auch in "Wee Free Men" die Elfen charakterlich beinahe wie Orks auftreten lassen, nur in der menschlichen Wahrnehmung sind sie verschönert durch ihre besondere Magie, ihren "Glamour". Da fällt mir ein, dass auch Markus Heitz´ Albae solche schönen Monstren sind und dass Jim Butchers Feen in den Dresden-Files ebenfalls das Gegenteil von nett sind.

PBard

Zitat von: Aphelion am 08. März 2018, 22:25:57Unbekannte Rituale erschließen sich nicht immer von allein, weil das Hintergrundwissen und das implizite Wissen über Normen, Hierarchien, Werte usw. fehlt - dadurch neigen außenstehende Betrachter zur Vereinfachung.
Das ist etwas, das mich persönlich bei der Wahrnehmung fremder Völker stört. Da werden gerne Urteile über etwas gefällt, das man noch nicht einmal im Ansatz verstanden hat.

Ich hab bei meinen Goblins auch eingebaut, daß sie ganz klischeehaft überall in ihren Dörfern aufgetürmte, aufgehängte oder "gepfählte" Totenschädel angebracht haben. Ganz so, wie man es eben von den bösen Goblins erwartet. Und jeder Hinz und Kunz "weiß", warum sie das tun: Um die ehemaligen Besitzer der Schädel zu demütigen und potenziellen Feinden Angst einzujagen. Oder einfach, weil sie als ungemein böse Goblins einfach alles lieben, was mit Tod und Verderben zu tun hat.

In Wirklichkeit ist es einfach nur eine liebevolle Art der Ahnenverehrung, bei der man den Schädel eines verstorbenen Familienmitglieds sorgfältig präpariert und ihn mit anderen am Lagerfeuer aufstapelt, um den Seelen einen Ankerpunkt zu geben, über den sie mit ihren lebenden Nachfahren gemeinsam Zeit am Feuer verbringen können. Oder man hängt sie an Zelteingänge, damit der Ahne über die Familie wachen und deren Entwicklung über die Jahre hinweg verfolgen kann.

Goblins wiederum verstehen dann das "barbarische" Verhalten von Menschen nicht, die ihre Vorfahren in der Erde verscharren und sie damit für den Rest der Ewigkeit in ein Gefängnis aus Dunkelheit und Einsamkeit verbannen.

Und Bright greift dieses Thema ja auch wieder mehrmals auf, am Schönsten meiner Meinung nach in der Szene mit dem Autoradio. Was von Menschen als aggressiver, unintelligenter Lärm mißverstanden wird, ist für Orks die bedeutendste Liebesballade aller Zeiten. :ätsch:

Zitat von: canis lupus niger am 09. März 2018, 15:51:37Ganz anders sind aber zum Beispiel die Orks von Stan Nichols "gestrickt", die eine Fantasy-Art unter vielen darstellen, keine gequälten, traumatisierten und verstümmelten/verzerrten Alptraumgestalten, nicht krankhaft böse, sondern urtümliche, kriegerische Wesen mit einem ausgeprägten Ehrencodex, liebenswerte Rabauken, vergleichbar den Klingonen aus dem Star Trek Universum ab "Next Generation" und "Deep Space Nine". Leute wie du und ich, bloß weniger zivilisiert vielleicht.
Argh, hör auf, mich ins Wanken zu bringen! :brüll:

Ich hab schon so oft drüber nachgedacht, mich an die Orcs-Reihen zu wagen, aber werde dann immer von den kritischen Stimmen abgehalten, die von "dumpfdämlicher Dauerschlächterei ohne nennenswertem Plot" schreiben. Der Vergleich mit den Post-Khitomer Klingonen wiederum macht mir jetzt doch wieder richtig Lust darauf, den Büchern eine Chance zu geben. :versteck:

Yamuri

Prinzipiell kann jeder Charakter, der als "böse" konzipiert wurde zum "Guten" gewandelt werden. Gut und Böse sind Kategorien die Menschen entworfen haben. Als gut bezeichnen Menschen all das, was zu ihrem Vorteil ist. Böse ist immer das, was der Mensch als für ihn schädlich empfindet. Ähnlich verhält es sich mit der Gerechtigkeit. Genau genommen gibt es kein gut und böse, nur unterschiedliche Interessen und Fraktionen. Derjenige, der durch das Handeln des Anderen zu Schaden kommt wird also immer den Anderen als böse bezeichnen.

Während meiner Fanfiction Hochphase hat es mir immer eine besondere Freude bereitet die sogenannten Antagonisten und Bösewichte auf den Pfad des Heldentums zu führen. Sie entpuppten sich dann am Ende als die wahren Helden, die den Pseudohelden (den Mitläufern korrupter Machthaber) das Handwerk legten. Die Orks haben aus meiner Sicht auch großes Potenzial um aus ihnen Helden zu machen. :) Darüber hinaus kommt es eben immer auf die Perspektive an, was wir als böse und gut wahrnehmen. Ein Ork würde einen Menschen als 'böse' wahrnehmen.

Gut gemacht finde ich die Darstellung in WoW. Sie zeigt ein wenig, wie ich mir das mit den Fraktionen und unterschiedlichen Interessen vorstelle. Abgesehen von WoW oder Tolkien sind mir allerdings noch keine anderen Orks in Büchern begegnet, was mit daran liegen könnte, dass ich weniger klassische Fantasy á la Tolkien lese.
"Every great dream begins with a dreamer. Always remember, you have within you the strength, the patience, and the passion to reach for the stars to change the world."
- Harriet Tubman

canis lupus niger

#48
Zitat von: Yamuri am 15. Dezember 2019, 18:28:51
Abgesehen von WoW oder Tolkien sind mir allerdings noch keine anderen Orks in Büchern begegnet, was mit daran liegen könnte, dass ich weniger klassische Fantasy á la Tolkien lese.

Ganz und gar anders als Tolkiens High Fantasyepos um die Welt Mittelerde: Die Ork-Romane von Stan Nichols!

Und die "Isrogant"-Reihe, hier die Anthologien "In Isrogant" Band 1 und 3. Gibt´s auch als E-Books.
Eventuell den Roman "Frevel", mit dem Setting der multikulturellen Stadt Boasp, in deren Kriegsmarine eine Orkfrau den Admiralsposten bekleidet und ein "Orkenprinz" eine Art Hippie-Subkultur gegründet hat. 

;D

Zitat von: Yamuri am 15. Dezember 2019, 18:28:51
Ein Ork würde einen Menschen als 'böse' wahrnehmen.

So erzählt in meiner KG "Töknurday" in einer Isrogant Anthologie.

AlpakaAlex

Das Konzept von bösen Spezies ist durch und durch biologistisch und trägt einen sehr tiefen rassistischen Bias in sich. Zu sagen: "Alle X sind böse", ist zu sagen: "Es gibt ein böses Gen". Und das ist eben einfach Unfug, den es zu vermeiden gilt. Denn tatsächlich sind es ähnliche Biases, die in der realen Welt eben zu Rassismus führen, mit Vorurteilen wie "alle Schwarzen Menschen sind prinzipiell gewaltbereiter". Ich hoffe, ich muss niemanden erklären, warum das halt nun einmal furchtbar problematisch ist.

Insofern finde ich es auch gut, dass bspw. bei D&D nun angefangen wurde, die Spezies der Wesen von ihrer Ausrichtung auf dem komischen Alignment-Chart zu entkoppeln. Weil nun einmal Verhalten in erster Linie nicht angeboren ist, sondern anerzogen. Von mir aus kann man mir erzählen, dass Orks eine Kultur haben, die sehr kriegerisch und sehr auf Plündern und Raubzüge ausgelegt ist. Das ist in Ordnung. Aber halt dieses "sie sind prinzipiell böse" geht halt einfach nicht.

Finde es da auch prinzipiell angenehmer, wie es bspw. in Shadowrun gelöst ist, wo eben Orks genau so, wie alle anderen, mal die Helden und mal die Bösewichte sein können. Wobei auch Shadowrun noch immer diesen sehr biologistischen Bias dadurch hat, dass die verschiedenen Spezies eben Werte haben, die besser oder schlechter sind. Das ist halt auch ... problematisch.