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Show, don't tell?

Begonnen von Maja, 24. Februar 2015, 00:23:18

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chaosqueen

Alana, ich glaube, dass genau das mein Problem ist: Ich habe keine Ahnung vom Handwerk. Da man aber selbiges in allen anderen Bereichen lernen kann, muss das doch auch fürs Schreiben gelten. Nur: Wie?! Ich bin kein Mensch, der nur durchs Selbermachen lernt, ich brauche jemanden, der es mir erklärt oder besser noch zeigt.
Wenn aber die ganzen Schreibratgeber am Markt alle nur noch "show, don't tell" lehren, dann hilft mir das fürs Handwerk auch nicht. Hat jemand einen guten Tipp für einen Grundlagenratgeber? Also sinngemäß wirklich "Literarisches schreiben für Dummies"?

Ary

Maja, Thali, danke für eure Meinungen zu dem Thema!

Ich habe "show, don't tell" von Betalesern um die Ohren gehauen bekommen, bis es mir zu selbigen wieder herauskam, und mir ging es ein bisschen wie Chaos, ich hatte nie so richtig verstanden, was mir dieser Satz sagen soll (Sol Stein habe ich auch nie gelesen), bis mir die Interpretation "zeigen, nicht behaupten" über den Weg lief. Damit konnte ich umgehen. Trotzdem gibt es einiges an "tell" in meinen Texten, ich halte es da ähnlich wie Maja - ich sehe mich als Erzählerin, nicht als Filmregisseurin, ich schreibe Bücher, die nun mal keine Filme sind, auch wenn ich mich natürlich über Kommentare wie "da sprang das Kopfkino an" freue.
Zwanghaftes "show" zum Vermeiden von Adjektiven, die Emotionen ausdrücken, empfinde ich oft als krampfhaft und nicht selten auch als unfreiwillig komisch. Manchmal ist ein "Sie war traurig" viel eindrücklicher als ein "Ihre Augen füllten sich mit Tränen...". Es kommt immer auf den Kontext und die Szene selbst an.

Zu Schreibratgebern stehe ich ein bisschen wie zu Kochrezepten. Wenn ich etwas neues ausprobiere, halte ich mich sklavisch ans Rezept, damit bloß alles klappt, aber wenn ich das Gericht ein paar Mal gemacht habe, fange ich an zu improvisieren. Genauso beim schreiben. Ich schreibe nach meinem Geschmack - das muss nicht jedem gefallen, aber es ist wichtig, dass esmir gefällt, damit ich auch zu meinem Geschriebenen stehen kann, wenn andere es kritisieren.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Nycra

Zitat von: chaosqueen am 24. Februar 2015, 09:37:33Wenn aber die ganzen Schreibratgeber am Markt alle nur noch "show, don't tell" lehren, dann hilft mir das fürs Handwerk auch nicht. Hat jemand einen guten Tipp für einen Grundlagenratgeber? Also sinngemäß wirklich "Literarisches schreiben für Dummies"?
Ich halte ja nichts von Schreibratgebern, weil die mich zu sehr in ein Schema pressen, aber vielleicht helfen dir die Ratgeber von Hans Peter Roentgen, der ja auch im Tempest die Textstellen lektoriert.

Den Vorrednern schließe ich mich an: Danke @Maja fürs Aus-der-Seele-Sprechen.  :knuddel:

Alana

#18
@Chaos: Ich habe hier mal eine Liste meiner liebsten Schreibratgeber gemacht: http://alanafalk.jimdo.com/blog/schreibtipps/schreibratgeber/
Ich glaube, in dem von Ron Rozelle (Description and Setting) findet sich auch eine ganz differenzierte Stellungnahme zu Telling als schönes Stilmittel im Gegensatz zur sonstigen Verteufelung, das fand ich damals sehr angenehm. Bin aber ehrlich gesagt nicht ganz sicher, ob es dieses Buch war, wo das drin war. Allerdings bin ich selbst ein extrem Show-Lastiger Autor und lese es so auch am liebsten. Ich setze Telling sehr bewusst, aber auch sehr sparsam ein, weil ich persönlich es einfach nicht mag, aber das ist eben Geschmackssache. Nur kann ich dir leider deshalb keinen Ratgeber empfehlen, wo gutes Telling gelehrt wird. Aber vielleicht hilft dir die Liste ja trotzdem.

Ich persönlich liebe Schreibratgeber, ich lese sie weg wie Romane, ich finde es unheimlich spannend, zu erfahren, was es für Möglichkeiten gibt, an die Dinge heranzugehen. Ich empfinde es auch nicht so, dass einen irgendwer in ein Schema pressen will. Die Autoren sagen, wie sie es machen und wie das wirkt, und ich nehme für mich daraus mit, was zu mir und meinem Stil passt.
Alhambrana

Thaliope

Zitat von: chaosqueen am 24. Februar 2015, 09:37:33
Alana, ich glaube, dass genau das mein Problem ist: Ich habe keine Ahnung vom Handwerk. Da man aber selbiges in allen anderen Bereichen lernen kann, muss das doch auch fürs Schreiben gelten. Nur: Wie?! Ich bin kein Mensch, der nur durchs Selbermachen lernt, ich brauche jemanden, der es mir erklärt oder besser noch zeigt.
Wenn aber die ganzen Schreibratgeber am Markt alle nur noch "show, don't tell" lehren, dann hilft mir das fürs Handwerk auch nicht. Hat jemand einen guten Tipp für einen Grundlagenratgeber? Also sinngemäß wirklich "Literarisches schreiben für Dummies"?

Liebes chaos, ich würde dir raten, schreib einfach (jaja, ich weiß :P). Versuch, dich auf das Gefühl, auf die Bilder in deinem Kopf zu konzentrieren. Und wenn du dann beim Lesen feststellst, dass etwas nicht stimmt, probier es mit Umschreiben. Die gleiche Szene mit anderen Stilmitteln, mit mehr oder weniger Beschreibung, szenischer Darstellung etc.
Aber versuch erst mal, deine Erzählstimme in dir wiederzufinden. Die Regeln hast du inzwischen soweit verinnerlicht, dass du überrascht sein wirst, wie viel du automatisch richtig machst, wenn du dich nur von der Geschichte treiben lässt.
Ich hab sehr lange gebraucht, um mich von den Ratgebern wieder zu lösen. Weil ich danach ewig lang viel zu verkopft geschrieben habe.


Tigermöhre

@Maja, danke für diesen Beitrag. Ich habe zwar keine Probleme mit show und tell, aber ich stelle gerade fest, dass ich immer krampfhaft versuche in der Perspektive zu bleiben, obwohl es manchmal einfach besser wäre, den personalen mit dem allwissenden Erzähler zu tauschen. Da sollte ich mich nicht so dran festhängen.


@chaosqueen,
Ich mag den Blog von Stephan Waldscheidt http://schriftzeit.de/ sehr gerne. Er erklärt die Regeln da sehr anschaulich an Beispielen. Dadurch sind sie nicht so abstrakt, sondern man kann nachvollziehen, was er damit meint. Die älteren Artikel sind aber nicht mehr online, sondern nur noch in seinen Büchern vorhanden.


chaosqueen

Thali, ich hab es an anderer Stelle heute schon geschrieben: Ich habe keine Bilder im Kopf. Das ist genau mein Problem. Ich hab eine Idee, ein Konstrukt, eine Vorstellung von einer Story, aber mir fehlen die Bilder. Ich weiß nicht, wie meine Protagonisten aussehen und ziehe ihnen dann irgendein Schema an wie einer anziehpuppe ("groß, dunkelhaarig, leicht untersetzt"), aber ich verinnerliche es nicht.
Ich sehe auch nichts vor mir, daher renne ich durch das Gerippe meines Konstrukts und zähle die Fakten auf. X und Y gehen essen, es gibt 5 Gänge, das Essen ist lecker, sie treiben sinnfreie Konversation, Ende Gelände.
Null Stimmung, Null Gefühl, und wenn, dann nur, weil ich es dem Leser aufzwinge ("er war noch interessanter als im Büro" - ja schön, aber warum?! Was macht ihn interessant? Wieso empfindet sie das so?).

Ich hab das ernst gemeint, ich brauche keinen Ratgeber für gehobenes Schreiben, keine Ratschläge für oder gegen "show, don't tell" (das mich inzwischen übrigens aggressiv macht, sobald ich ihm begegne), sondern eine Anleitung für Menschen, die noch nie in ihrem Leben ein Buch geschrieben haben. Wie geht das?! ???

"Schreib einfach" ergibt bei mir seit 15 Jahren die gleichen flachen, öden Beschreibungen, ohne jeden Fortschritt. Das ist leider kein für mich passender Rat.

Tigermöhre, danke, da schau ich auch mal rein!

Alana, ich schaue mir Deine Liste mal an, vielen Dank.

Komisch, kochen kann ich, um bei dem Beispiel zu bleiben. Aber auch da muss ich Anleitungen lesen, weil mir die Kreativität fehlt, etwas Neues zu schaffen - hab ich einfach nur Hunger, gibt es Nudeln mit Gemüse. Das kann man zwar variieren, indem man unterschiedliches Gemüse nimmt, aber unterm Strich ist es halt immer wieder das Gleiche. Und beim Schreiben komme ich genauso wenig vom Fleck.
Der Unterschied: Kochen nach Rezept klappt super, auch das spätere variieren, wenn ich sicher genug bin mit einem Rezept, aber beim Schreiben schaffe ich es noch nicht einmal, "nach Ratgeber" zu schreiben.

Alana

Ich glaube, in diesem Fall wäre Description and Setting ein recht gutes Buch für dich, Chaos. Der Titel klingt sehr eng gefasst, tatsächlich steckt viel, viel mehr in dem Buch. Ansonsten eben auch "Vier Seiten für ein Hallelujah", da lernt man sehr viel über den richtigen Aufbau einer Szene, einen guten Einstieg, was wichtig ist und was nicht so sehr. Stephan Waldscheidt mag ich sehr, allerdings habe ich noch keine Ratgebertexte gelesen, sondern nur seine ironischen Artikel in der Federwelt. Die sind Klasse. ;D
Alhambrana

Thaliope

#23
@chaos: Aber mit diesen Fragen bist du doch schon auf dem richtigen Weg: Was macht ihn interessant, warum empfindet sie es so?
Ich fürchte, das kannst nur du allein rausfinden, das weiß kein Ratgeber, warum deine eine Figur für deine andere Figur interssant ist.
In Denken ohne Bilder kann ich mich allerdings nur sehr bedingt hineinversetzen. :/

Was das Aussehen angeht: Hast du schon mal versucht, dir Personen aus der Realität als Vorbild zu nehmen? (also, richtig echte, keine Schauspieler) Das hat bei meiner Laura schließlich den letzten Knoten platzen lassen.

EDIT: Um mal den Bogen zum Thema zurück zu schlagen: Ich habe vor einiger Zeit in einem Schreibratgeber eine Regel gelesen, die das Show-Thema vielleicht auch aufgreift:
Konkret statt abstrakt. Das ist für mich der springende Punkt, um den es beim Show-don't-Tell gehen sollte.
Natürlich ist das aber auch Genre-abhängig. Genre-Texte, die besonders leicht und schnell zu lesen sein sollen, fahren mit der szenishen Show-Variante sicher am besten.
Aber ich persönlich würde die Leichtigkeit gern öfter durch Virtuosität und Schönheit ergänzt sehen :) Immer natürlich - wie Alana so treffend sagte - unter Berücksichtigung der gewünschten Wirkung. Das ist wahrscheinlich die einzige Regel, die beim Schreiben immer gilt: Schreibe so, dass du die gewünschte Wirkung erzielst :)

Guddy

#24
Zitat von: Aryana am 24. Februar 2015, 09:38:40

Zwanghaftes "show" zum Vermeiden von Adjektiven, die Emotionen ausdrücken, empfinde ich oft als krampfhaft und nicht selten auch als unfreiwillig komisch. Manchmal ist ein "Sie war traurig" viel eindrücklicher als ein "Ihre Augen füllten sich mit Tränen...". Es kommt immer auf den Kontext und die Szene selbst an.
Ein Zuviel ist selten großartig. Aber "Show don't tell" bedeutet ja nicht, dass man ins Extrem gehen muss. 
Im Gegenteil. Für mich bedeutet es schlicht das, was die meisten hier wohl unter einer "fesselnden, guten Geschichte" verstehen, so wie ich das jetzt in diesem Thread herauslese.

Krasse, extreme Texte habe ich bislang aber auch nur beim "Tell" erlebt. Da wurde dann im wahrsten Sinne des Wortes seitenlang und gefühllos die Hintergrundgeschichte erklärt, bei Betrachtung einer Statue ewiglang die Hintergründe einer Religion erläutert etc. und auch bei der normalen Handlung kam mitunter durch das Tell keinerlei Gefühl auf. Ein Zuviel an "Show" fände ich aber auch mal interessant! Hat da jemand Beispiele, also Bücher, die in diese Richtung gehen?

chaosqueen

Zitat von: Thaliope am 24. Februar 2015, 10:18:50
@chaos: Aber mit diesen Fragen bist du doch schon auf dem richtigen Weg: Was macht ihn interessant, warum empfindet sie es so?
Ich fürchte, das kannst nur du allein rausfinden, das weiß kein Ratgeber, warum deine eine Figur für deine andere Figur interssant ist.
In Denken ohne Bilder kann ich mich allerdings nur sehr bedingt hineinversetzen. :/

Es ist nicht so, dass ich nicht in Bildern denke. Meiner Erinnerungen sind voller Bilder, ich setze alles, was ich über Berührungen wahrnehme, in Bilder um (weshalb ich genau weiß, wie es im "Dialog im Dunkeln" aussieht, obwohl ich absolut nichts gesehen habe). Das ist nicht das Problem. Das Problem ist, dass mein Gehirn nichts Neues erschafft. Auf mich trifft zu 100% zu, dass ich nicht über Dinge schreiben kann, die ich nicht selber erlebt habe. Aber selbst, wenn ich Erlebtes nacherzähle, dann ist das nicht witzig, bunt und interessant, sondern gähnende Langeweile. Ich reihe Ereignis an Ereignis, ohne Farbe, ohne Würze. Selbst journalistische Texte sind da literarischer als meine Schreibe.

Zitat von: Thaliope am 24. Februar 2015, 10:18:50
Was das Aussehen angeht: Hast du schon mal versucht, dir Personen aus der Realität als Vorbild zu nehmen? (also, richtig echte, keine Schauspieler) Das hat bei meiner Laura schließlich den letzten Knoten platzen lassen.

Mein aktueller Roman ist ja sehr stark an reale Ereignisse und Personen angelehnt (genau, weil ich nämlich nur abschreiben kann, und sei es bei meinem eigenen Leben), da versuche ich eher, von den realen Vorbildern wegzukommen. Aber ich habe trotzdem keine Bilder im Kopf, ich sehe meine Figuren nicht. Sie bleiben Schaufensterpuppen, gesichtslose Gestalten ohne persönliche Merkmale.

Zitat von: Thaliope am 24. Februar 2015, 10:18:50
EDIT: Um mal den Bogen zum Thema zurück zu schlagen: Ich habe vor einiger Zeit in einem Schreibratgeber eine Regel gelesen, die das Show-Thema vielleicht auch aufgreift:
Konkret statt abstrakt. Das ist für mich der springende Punkt, um den es beim Show-don't-Tell gehen sollte.
Natürlich ist das aber auch Genre-abhängig. Genre-Texte, die besonders leicht und schnell zu lesen sein sollen, fahren mit der szenishen Show-Variante sicher am besten.
Aber ich persönlich würde die Leichtigkeit gern öfter durch Virtuosität und Schönheit ergänzt sehen :) Immer natürlich - wie Alana so treffend sagte - unter Berücksichtigung der gewünschten Wirkung. Das ist wahrscheinlich die einzige Regel, die beim Schreiben immer gilt: Schreibe so, dass du die gewünschte Wirkung erzielst :)

Hm. Ich versuche gerade, mir vorzustellen, wie das gemeint ist. Hast Du ein Beispiel? Was ist konkret, was abstrakt? Ist für mich genauso ungreifbar wie "show, don't tell".

Anj

Hui, na die Diskussion entwickelt sich aber schnell, da kommt man ja gar nicht mit.  :buch:

Ich habe inzwischen auch schon in etlichen Varianten Diskussionen über dieses Thema geführt und ich denke, ich bin mit meiner Meinung noch am nächsten an der von Thaliope. Ich übersetze die Redewendung inzwischen für mich mit "Beweisen, nicht behaupten" und meine damit, dass eine Information nicht isoliert im Text stehen sollte. Die Verknüpfung von Setting und Emotionen ist dabei absolut relevant. Nach den Beiträgen hier denke ich, kann man zwei Arten von Textstellen unterscheiden. Zum einen Beschreibungen der Umgebung und zum anderen Emotionen, die mitgeteilt werden. In den meisten Foren geht es bei Sdt erstmal um Emotionen (das war zumindest immer mein Eindruck) und meist werden dann folgende Varianten aufgeführt: Sie war wütend = tell und Sie kniff die Augen zusammen, ihre Halsschlagader pochte und ihr Gesicht schien anzuschwellen = Show. Meiner Meinung nach ist es aber irrelevant, welche Variante dort steht. Viel wichtiger ist, dass sich diese Emotion im Textumfeld wiederfindet. Wer wütend ist nimmt anders wahr und reagiert anders, als jemand der fröhlich oder traurig ist. Das muss sich im Text wieder finden. Und zwar sowohl vor, als auch nach dem einen Satz, denn sehr oft baut sich eine Emotion zwar noch auf, verschwindet aber kurz darauf von einem Moment auf den anderen wieder, wenn die relevante Szene "abgearbeitet" ist. Kurz gesagt, für mich ist die Überprüfung dieser Regel immer das Streichen des betreffenden Satzes. Kann ich dann noch die Emotion erkennen, beweise ich diese Emotion im Text. Und ich schaue immer sehr genau, ob die Emotionen wirklich passen oder ob ich als Autor durch Vorinformationen beeinflusst bin. (Hier helfen Betaleser sehr gut)

Bei den Settingbeschreibungen (Landschaften, Kleidung etc.) bin ich persönlich sehr sparsam unterwegs, weil ich selbst eine blühende Fantasie habe und Maja völlig zustimme, dass die meisten Bilder in unseren Köpfen inzwischen ohnehin schon vorhanden sind. Wenn ich diese Beschreibungen aber einfüge, dann achte ich schon darauf, dass sie mit dem Gemütszustand der Figur zusammenpassen. Insbesondere in der 1. und 3. Person. Denn auch hier gilt: Die Emotionen bestimmen was wahrgenommen wird und wie es wahrgenommen wird. Und da kann bei totaler Panik auch schon mal eine unglaublich detaillierte Beschreibung kommen, wenn dadurch Angststarre und Ausweglosigkeit deutlich werden. Wie beispielsweise in einer Stelle bei Schiffbruch mit Tiger.

Der Knackpunkt liegt für mich also auf einer anderen Ebene. Ich kann damit aber auch komplett falsch liegen, das sind nur meine persönlichen Überlegungen zu diesem Thema. Und vielleicht rechtfertige ich damit auch nur meine Vorliebe für Tell-Sätze, weil ich diese übertriebenen Show-Varianten in denen ständig irgendwas getan wird um eine Emotion zu verdeutlichen und der Leser dann rätselraten muss, was gemeint ist, absolut nicht mag.^^
"Wenn du andere Leute ansiehst, frage dich, ob du sie wirklich siehst, oder ob du nur deine Gedanken über sie siehst."
Jon Kabat-Zinn.

Thaliope

#27
Also, wenn du prinzipiell in Bildern denkst, nur nicht beim Schreiben, würde ich sagen, kennst du die Szene nicht gut genug.
In From 2k to 10k (und auch sonst sehr oft) heißt es, man darf sich erst an den Text setzen, wenn man die Szene vor seinem geistigen Auge abspielen kann. Das war damals für mich der erste Schritt aus der Blockade, weil ich, nachdem die Bilder erstmal angefangen haben zu laufen, nur noch hinterherschreiben musste und auf einmal ganz anders, viel freier und bunter schreiben konnte, weil Dinge passierten, die ich mir nicht bewusst zurechtgelegt hatte. Das Unterbewusstsein muss da mitarbeiten, weil das viel mehr Dinge jonglieren kann als das Bewusstsein ;)

@konkret vs. abstrakt: Konkret sind Wörter, die mit klaren Bildern vernküpft sind, wie Himmel, Stern, Wiese ...
abstrakte Wörter sind "bildleere" Wörter, oft Substantivierungen, gebildet, um eine höhere Verallgemeinerungsstufe zu erreichen, wie Selbstverständlichkeit, Gebäudeeinheit, (Großvieheinheit statt Kuh, eine Vertreterin der Irgendwasgewächse statt Rose ...), viele wörter auf -heit, -ung, -keit ... Hach, wie schwer es auf einmal ist, die passenden Beispiele zu finden ....

Ha, habe ein Beispiel gefunden: "Schreibe nicht "Eine Periode widrigen Wetters setzte ein", sondern "Eine Woche lang regenete es jeden Tag." Abstrakte Wörter umfassen einen größeren Inhalt, eine Periode kann jeden beliebigen Zeitraum darstellen, eine Woche ist konkret, ganz genau eine Woche. "widriges Wetter" kann alles mögliche sein - da ist es schwer, ein Bild zu erzeugen. Regen ist Regen. Punkt. Bild.

Ist es so schon etwas deutlicher geworden? Konkrete Wörter sind bildhaft, vermitteln das Ding, das sie bezeichnen, ohne Umwege. Andere müssen den Umweg über den Kopf nehmen ;)
Aber ich glaube, chaos, das sind Dinge, die du eigentlich längst weißt und verinnerlicht hast. 

Und ich glaube, das Problem mit Wörtern wie "schön" oder "traurig" ist, dass sie so weit gefasst und so oft gebraucht sind, dass ihnen das Konkrete verloren gegangen ist.

EDIT: Und ich denke, das lässt sich auch auf das Schreiben von Szenen übertragen. Jedes bildhafte Wort ist ein Pinselstrich in der Szene, die du erschaffst.

Tanrien

#28
Schön gesagt, Maja! Ich glaube, es ist nicht hundertprozentig das gleiche weil es für mehr gilt, aber ich stelle mir "show, don't tell" mehr als Lupe vor. Sowas wie die genauste Beschreibung des einen Regentröpfchens vom Dienstag bei Thalis regnerischer Woche, das der Protagonistin auf die Wange fällt, oder wie bei Anjanas Beispiel ihre winzig kleinen Adern im Gesicht pochen, das ist nah dran, "Es regnete die ganze Woche" und "Sie war wütend" ist schon weiter weg, "Das Wetter war widrig" und "Sie hatte so oft schlechte Laune" ist dann nochmal weiter weg.

Und genau wie man bei einem (künstlerischen, Museums-) Bild nicht den Überblick behalten kann, wenn man die ganze Zeit nur reingezoomt auf alle Details guckt, sondern man auch mal alles sehen muss oder gar Kontext erfahren, ist auch nur ein Blick aufs Bild ohne Details nicht so spannend. So versuche ich, die Mischung zu konstruieren und "show" und "tell" zu balancieren. Was man dann genau an welcher Stelle macht und wie viel man wie draufguckt, bestimmt dann der Stil. Hilft dir die Vorstellung, chaos?

chaosqueen

Ich glaube, ich sollte langsam einen eigenen Thread eröffnen, weil mein Problem ja viel breiter gefächert ist als das verdammte SdT.

Konkret vs. abstrakt hab ich jetzt verstanden, danke. :-*

From 2k to 10k hab ich ja durch Dich kennengelernt und gelesen, und das hat eine Weile auch funktioniert. Leider ist es auch so, dass ich die Szene oft nicht mehr schreiben will, wenn ich sie schon detailliert im Kopf habe. Ich kenne sie ja dann schon, wozu noch aufschreiben?! :wums: Und sie wird geschrieben auch nicht ansatzweise so, wie ich sie im Kopf habe - da ist sie wieder, die Kleinkindnacherzählung von Goethes Texten. ;) Wobei Kleinkinder eine deutlich bildhaftere Sprache haben als ich.

Tanrien, ich hab ja kein Problem mit SdT an sich, sondern mit meiner Schreibe. Das, was Du beschreibst, ist super verständlich, hilft mir aber nicht. Ich mache jetzt einen eigenen Thread dazu auf.