Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum

Handwerkliches => Workshop => Thema gestartet von: Schommes am 24. April 2011, 10:59:08

Titel: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Schommes am 24. April 2011, 10:59:08
Sodele ... nachdem mir das Zerhäckseln des Tintenzirkels nicht gelungen ist, versuch ich's jetzt subversiv mit diesem Thread.  ;)
Ich ... das ist Thomas Elbel, im Tintenzirkel bekannt (oder weniger bekannt) als Schommes, 43 Jahre alter Berliner. Mein dystopischer Roman "Asylon" erscheint im August im Piper Verlag.
Dystopien sind meine Leidenschaft. Leider ist das Thema meiner Ansicht nach hier etwas untervertreten. Auch das Unterbringen bei Verlagen war nicht einfach. Mal hieß es "zu viel SF" dann wieder "zu fantastisch". Das Thema ist in Deutschland wohl noch nicht so angekommen. Aber wir alle werden das jetzt ändern ... habe ich mir jedenfalls vorgenommen.
Eine Dystopie ist laut Definition ein schlechter Ort und damit Gegenbild zur Utopie.
Belletristische Dystopien spielen häufig (aber nicht immer) in einer gar nicht so fernen Zukunft, in der unsere Welt sich irgendwie zum Schlechten verändert hat. Klassisches Beispiel ist Orwells "1984".

In diesem Thread wollte ich allen interessierten die Möglichkeit geben, sich über dieses Genre und seine schriftstellerischen Herausforderungen auszutauschen.

Für den Anfang habe ich für Euch folgende Aufgabe. Jeder nennt und beschreibt seine Lieblingsdystopie. Aber halt ... es gibt ein paar einfache Regeln:
1. Sie ist als Buch oder Film erschienen.
2. Niemand von den vorherigen Mitthreadern hat sie schon genannt.
3. Die Beschreibung ist (zu Trainingszwecken) nicht länger als fünf Sätze und hat das Gepräge eines handelsüblichen Klappentextes.

Auf, auf. Ich freu mich auf Eure Beiträge.

Allerbeste Grußies, Euer Schommes  :pompom:
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Rigalad am 24. April 2011, 11:15:44
Zitat von: Schommes am 24. April 2011, 10:59:08
Ich ... das ist Thomas Elbel, im Tintenzirkel bekannt (oder weniger bekannt) als Schommes, 43 Jahre alter Berliner. Mein dystopischer Roman "Asylon" erscheint im August im Piper Verlag.

Da du es in fast jedem Posting erwähnst, ist das mittlerweile ganz bestimmt bekannt. ;)

Zitat von: Schommes am 24. April 2011, 10:59:08
Das Thema ist in Deutschland wohl noch nicht so angekommen. Aber wir alle werden das jetzt ändern ... habe ich mir jedenfalls vorgenommen.

Seit Suzanne Collins dürften die meisten Leser, die sich einigermaßen auskennen, doch wissen, was eine Dystopie ist. Deswegen glaube ich durchaus, dass das Thema in Deutschland angekommen ist.
Und zwar schon soweit, dass meine Agentin von den Messen zurückgekommen ist und mir erzählt hat, dass die Verlage, ähnlich wie beim Vampir-Thema, schon mit den Augen rollen, wenn man ihnen mit einem Dystopie-Konzept auf den Leib rückt. Der Trend ist jetzt schon da und wer noch nicht aufgesprungen ist, wird wohl bald Schwierigkeiten haben, auf den davon fahrenden Zug drauf zu hüpfen.
Titel: Re: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Kuddel am 24. April 2011, 11:27:22
Zitat von: Rigalad am 24. April 2011, 11:15:44
Der Trend ist jetzt schon da und wer noch nicht aufgesprungen ist, wird wohl bald Schwierigkeiten haben, auf den davon fahrenden Zug drauf zu hüpfen.

Genau das. Ich habe mich auf der LBM mit einer Heyne-Autorin unterhalten und die sagte auch, wenn man einen Dystopieroman hat, sollte man ganz fix damit an die Agenturen oder Verlage gehen, ansonsten sind alle Plätze weg.

Zitat von: Schommes am 24. April 2011, 10:59:08
Eine Dystopie ist laut Definition ein schlechter Ort und damit Gegenbild zur Utopie.
Zum ersteren muss ich dir widersprechen. Es ist nich unbedingt ein schlechter Ort. Für uns vielleicht, aber die Wesen, die sich darin befinden, empfinden es per se nicht so. Einige sind sogar glücklich mit straffen Regelungen, wie Essenseinteilungen usw. Klar, für uns, die in einer ausreichenden Welt leben, definiert sich so eine Dystopie vielleicht als Ort, den wir nicht haben wollen, aber für z.B. Menschen in Afrika, die nichts zu Essen und Trinken haben, wäre es ein traumhafter Ort, wenn sie jeden Tag etwas bekommen würden, wenn auch rationiert.

Es gibt so einen schönen Spruch: Des einen Dystopie ist des anderen Utopie.
Titel: Re: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Calysta am 24. April 2011, 11:40:50
Tja, Trend oh Trend, wohin wirst du wandern... das kann keiner voraussehen.
Ich halte mich da an meinen Leitspruch: ich schreibe das, was mir liegt und was ich als interessant und massentauglich erachte.
Aber das mit dem Trend hatten wir schon anderweitig geklärt - denke ich.

Aber um Schommes nicht ganz alleine dastehen zu lassen: "V wie Vendetta"

"Remember, remember the fifth of November". Ein totalitäres Großbritannien wird von einem Kerl in Guy Fawkes Maske terrorisiert. Mitten in diese Missstände rutscht Evey, die dem Terroristen - nur V genannt - nicht ganz freiwillig zu einer spektakulären Flucht verhilft. Vom Staat verfolgt rettet V die junge Frau und Evey muss bald feststellen  dass der Terrorist vielleicht mehr ist, als nur ein Wahnsinniger, der auf Blutrache sinnt.



EDIT: Ich finde außerdem nicht, dass Zauberer, Orks und dergleichen von Dystopia fern gehalten werden sollten. Ich finde es sogar spannend, wenn man diese unterschiedlichen Genre miteinander mischt. Wäre doch langweilig, wenn alles Einheitsbrei bliebe;)
Titel: Re: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Schommes am 24. April 2011, 12:05:37
Liebe Rigalad,
und was soll ich jetzt aus dieser Aussage folgern? Wieder zurück zu Zauberern, Elfen und Orks?
Deine Agentin in allen Ehren, aber wo ist denn bis jetzt bitte der Peinkofer oder Heitz der deutschen Dystopie? Ich sage, da is noch Platz bis zur Decke. Also nich so verzagt bitte.
Übrigens, hatte ich schon gesagt, dass mein Buch "Asylon" ...  ;)

Lieber Kuddel,
vielleicht will die Heyne Autorin das Feld ja auch nur für sich von Konkurrenz freihalten.
Ansonsten: Ich wollte die Dystopie nicht politphilosophosoziologisch bewerten, sondern literarisch ausschlachten. Recht hättest Du wenn Du sagtest, dass der Protagonist einer Dystopie am Anfang meistens gegen deren Problematiken blind ist.

Liebe Calysta,
recht hast Du. Man muss machen, was man kann und will und ich liebe eben Dystopien.
Und danke, dass Du (bis jetzt) als Einzige die Aufgabe erledigt hast.
Mischen ist übrigens toll, aber dazu sollte man bitte die zu mischenden Genres bis in die Fingerspitzen beherrschen, sonst wird Haggis draus. Ansonsten hört sich Deine Idee natürlich cool an; vgl. Daybreakers.

Bin jedenfalls gespannt wie es hier weitergeht.

So ... icke verabschiede mich jetzt erstmal mit meiner Süßen zum Ritterturnier in der Zitadelle Spandau. Dort jage ich dann ... Elfen, Zauberer und Orks.

Euer Schommes
- nach Diktat verreist -
Titel: Re: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Rigalad am 24. April 2011, 12:21:58
Zitat von: Schommes am 24. April 2011, 12:05:37
Liebe Rigalad,
und was soll ich jetzt aus dieser Aussage folgern? Wieder zurück zu Zauberern, Elfen und Orks?

Was du daraus schließen möchtest, bleibt ganz und gar dir überlassen! Ich habe lediglich auf deine Aussage reagiert, Dystopien seien noch nicht in Deutschland angekommen. Und da meine Agentin aller Wahrscheinlichkeit nach beide Messen zusammen mit deinem Agenten bestritten hat, ist jetzt die Frage, inwiefern sich deren Meinungen da teilen.
Aber das will ich an dieser Stelle nicht beurteilen, ich gebe lediglich das wieder, was man mir zum aktuellen Buchmarkttrend gesagt hat. Die Agentur ist da auch nicht die einzige Quelle, aus der man das hört.

Außerdem muss es nicht zwangsläufig einen Heitz für die Dystopie geben. Das Genre ist längst nicht so ausgeweitet wie Fantasy, Thiller usw., und ob man mit einem deutschen Autoren dieselbe Zielgruppe ansprechen kann wie die derzeit gut laufenden Dystopien aus dem englischsprachigen Raum, ist wiederum eine ganz andere Frage.

Letztlich kann man immer das schreiben, was man möchte und soll es auch. Aber dass es Aufschwünge und Flauten gibt, gehört nun einmal dazu. Ich glaube eben, dass die Dystopie bald wieder auf dem absteigenden Ast sein wird, das heißt aber nicht, dass keine mehr publiziert werden. ;)
Titel: Re: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Hanna am 24. April 2011, 13:05:34
Unsere Kuddel ist übrigens auch ein Mädchen ;-)

Dystopien ... tja. Viel fällt mir dazu derzeit nicht ein, obwohl ich ein großer Fan der Klassiker bin. 1984 ist mein absolutes Lieblingsbuch, weil es obendrein noch fabelhaft geschrieben ist. Ähnliches gilt für Fahrenheit 451.

Ich denke mal, dass sich das mit dem Steampunktrend ein wenig vermischen wird. Und sicher wird die schreibende Gesellschaft auch Fukushima auf ihre Art bewältigen. Also: Hälfte der Welt verstrahlt, andere Hälfte muss wegen eines Verbots auf Atomkraft verzichten und kehrt zurück zu Dampf, Kohle whatever, da Windkraft und Solarenergie noch nicht ausgereift sind und Gelder für Forschungen fehlen.

Statt Elfen, Orks ect. gibt es dann natürlich die Mutanten aus den verstrahlten Gegenden. Ähnlich wie in Total Recall.
Titel: Re: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Grey am 24. April 2011, 13:17:38
Buah, dann kommen meine Splitter  sicherlich zu spät, wenn ich sie dann irgendwann doch mal schreibe ... :'(
Wobei, so eine richtig klassische Dystopie sind sie ja auch nicht ... naja. Egal.

Jedenfalls denke ich, dass es mit der Dystopie in Deutschland die gleichen Probleme geben wird wie mit Vampiren: Es gibt da zwei, drei sehr bis ziemlich erfolgreiche Titel aus den USA (Panem, Die Auswahl, Neva ...), und schon wird es für deutsche Autoren schwer, da noch gegen anzustinken. Was nicht heißt, dass man nichts unterbringen kann oder es keine erfolgreichen deutschen Autoren in dem Bereich geben wird. Schließlich haben wir im Vampirbereich auch eine Lynn Raven, oder eine Tanja Heitmann. Kommt also vielleicht noch, aber man weiß es nie - und vor allem weiß man nicht, was die Verlage nicht vielleicht schon eingekauft haben und demnächst auf den Markt schmeißen. Ich habe da von einem gewissen Thomas Elbel gehört, dessen Debut "Asylon" ... ;)

Nein, Scherz beiseite. Ich denke schon, dass das Thema in Deutschland angekommen ist, wenn auch vor allem im JuBu und YoungAdult-Bereich. Man muss allerdings bedenken, dass die Dystopie an sich ein viel weitläufigeres Feld ist als zum Beispiel Vampire. Vampire sind einigermaßen schnell charakterisiert, Dystopie kann ... eigentlich alles sein, n'est-ce pas? Jedes Gesellschaftsmodell kann zur Dystopie werden, wenn man es nur genug übertreibt.

Meine Lieblingsdystopie ist übrigens "Equilibrium", wo Christian Bale als Grammaton-Kleriker unterwegs ist. Da geht es um eine Zukunft, in der Emotionen verboten sind, da es Emotionen sind, die Kriege auslösen. So muss jeder Mensch jeden Tag ein Mittel spritzen, das eben "Equilibrium" heißt und Emotionen unterdrückt. Außerdem wird alles, was Emotionen provoziert, vernichtet, z.B. Gemälde, Musik, Parfum, Bücher ...

Zitat von: Schommes am 17. Februar 1974, 21:12:33
Und danke, dass Du (bis jetzt) als Einzige die Aufgabe erledigt hast.

Na ja, aber wenn du diskutieren möchtest, ist es vielleicht auch nicht ganz so schlau, gleich zu Anfang so eine Aufgabe zu stellen und sie quasi zu einer Bedingung für eine Antwort zu machen, denn a) hat vielleicht nicht jeder eine Lieblingsdystopie oder b) gerade nicht die Lust oder Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, wenn ihm oder ihr nicht sofort was einfällt. Wenn diese Leute nun aber trotzdem was zum Thema allgemein zu sagen haben, sollten sie das trotzdem tun dürfen, ohne dass du deswegen enttäuscht bist, oder? ;)

Zitat von: Schommes am 17. Februar 1974, 21:12:33
Mischen ist übrigens toll, aber dazu sollte man bitte die zu mischenden Genres bis in die Fingerspitzen beherrschen, sonst wird Haggis draus. Ansonsten hört sich Deine Idee natürlich cool an; vgl. Daybreakers.

Es soll Leute geben, die Haggis mögen ... hab ich gehört. :P
Na ja, davon abgesehen: Daybreakers! Ahhhhhhh Daybreakers! Mein ALBTRAUM! :wums:
(Zur Erklärung: Ja, das ist ein prima Beispiel, aber ich habe den Trailer für den Film entdeckt, als mein Manuskript gerade an die Verlage rausgegangen war, und ich war wirklich schockiert! Ich meine, wenn man den Klappentext von meinem Buch so liest, könnte man wirklich meinen, ich hätte völlig dreist bei diesem Film abgeschrieben, und zwar bis ins Detail, dabei hatte ich das Manu schon fertig als der Trailer veröffentlicht wurde ... aber erklär das mal der Welt. ::) Ich bin da echt traumatisiert, wenn du verstehst. :'()
Titel: Re: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Kuddel am 24. April 2011, 13:23:41
Zitat von: Schommes am 24. April 2011, 12:05:37
Lieber Kuddel,
vielleicht will die Heyne Autorin das Feld ja auch nur für sich von Konkurrenz freihalten.
Ansonsten: Ich wollte die Dystopie nicht politphilosophosoziologisch bewerten, sondern literarisch ausschlachten. Recht hättest Du wenn Du sagtest, dass der Protagonist einer Dystopie am Anfang meistens gegen deren Problematiken blind ist.

Wie Hanna schon schrieb, bin ich tatsächlich weiblich, auch wenn der Nick das nicht immer vermuten lässt.  ;)
Die Heyne Autorin ist eine der liebsten Menschen, die ich in letzter Zeit kennenlernen durfte. Und damit meine ich wirklich lieb. Die könnte glaube ich keiner Fliege etwas zu Leide tun, geschweige denn solch einen Gedanken fassen. Sonst hätte sie mir den Tipp nicht gegeben, mich damit noch zu beeilen.
Daher glaube ich nicht, dass sie eigennützige Ziele verfolgt. Zudem sind dutzende Lizenzen eingekauft worden zu diesem Thema und die werden nächstes oder übernächstes Jahr voraussichtlich den Markt füllen, also wird es wirklich knapp mit der Vorlaufzeit.
Titel: Re: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Sorella am 24. April 2011, 14:47:05
Ich oute mich an dieser Stelle: Ich liebe Konflikte.  :darth:
Nichts ist (aus Autorensicht) langweiliger als Friede-Freude-Eierkuchen. (Nein, das soll keine Anspielung auf diesen Thread sein  ;D). Ich meine damit, dass es das ist, was eine Dystopie für mich interessant macht: Die Fülle an Konfliktpotenzial.
   
Mit Agenten- und Branchengesprächen kann ich nicht dienen. Was ich kann, ist den Markt und das Thema analysieren. Wenn ich beispielsweise unter Wikipedia nachsehe, finde ich massenweise Beispiele für Dystopien von 1863 bis 2011. Das sagt mir, dass Dystopien nicht eine kurzfristige Trendwelle sind. Das gilt auch für Geschichten über Vampire. Auch die wird es solange geben, wie sich Menschen Geschichten erzählen (aufgrund der starken antagonistischen Kräfte der Spezies, das hatte ich an anderer Stelle schon mal geschrieben)

Ich behaupte demnach: Dystopien – also Szenarien, die in einer konfliktgeladene Umwelt handeln, wird es ebenfalls immer geben und ihren Marktanteil haben. Zugegeben - derzeit ist der Marktanteil höher, aufgrund der starken Jugendbuchbranche, die den Weg in diese Richtung geebnet hat. Das heißt aber nicht, dass eine genial und originell geschriebene Dystopie in fünf Jahren keine Chance mehr haben wird. Die Branche sucht händeringend nach richtig gutem Stoff, davon bin ich überzeugt.

Worin ich mit Schommes nicht ganz übereinstimme: Ich bin der Meinung, dass auch Dystopien die gleichen Plotstrukturen und Charakterentwicklungen haben, wie jede spannende Literatur. Hier lasse ich mich aber gerne belehren und vom Gegenteil überzeugen. Würde mich interessieren, wie er das gemeint hat.   :hmmm:

Um die reizvolle Aufgabe zu erfüllen (schließlich heißt das Board auch ,,Workshop"):

Ich nenne ,,Planet der Affen" 1963 von Pierre Boulle:
Astronauten von der Erde landen auf einem femden Planeten, auf dem die Evolution zu einer völlig aberwitzigen Gesellschaftsordnung geführt hat. Denn Affen - Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans - herrschen über diese Welt, während die primitiven Menschen als Sklaven und wissenschaftliche Versuchsobjekte dienen. Bald geraten die Neuankömmlinge ebenfalls in Gefangeschaft, und der einzige Ausweg besteht darin, sich den Affen als intelligente Wesen zu erkennen zu geben. Doch das hat katastrophale Folgen.

(Man sehe mir nach, dass ich aufgrund österlicher Familienverpflichtungen (und auch Faulheit) kurzerhand den Amazon-Klappentext kopiert habe  ;D)
Titel: Re: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Sven am 24. April 2011, 16:19:00
In meine Augen ist eine Dystopie nicht als eigenständiges Genre zu sehen, sondern als Setting.
Daher könnte es auch Dystopien mit Orks geben  ;), weshalb man sie nicht aussperren sollte  :P

Ein Roman, der ebenfalls als Dytopie zählt, ist "Die Straße" von Cormac McCarthy. Eine Inhaltsangabe dazu werde ich jetzt hier nicht schreiben, bin nur auf nen Sprung vorbeigekommen.
Dieses Buch ist genial durchkonzipiert und vermittelt ein nachhaltiges Gefühl der Hoffnungslosigkeit.

Ich finde  es immer wieder spannend, wenn ein guter Schuss Dystopie in einem Roman ist. Wie in "Bladerunner". Es ist SciFi, aber ordentlich dystopisch  ;D

So Leute, ich gehe zurück in die Sonne ...
Titel: Re: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Calysta am 24. April 2011, 19:23:18
Und nenn Kuddel niemals Knuddel, das wird sie dir auf lange Sicht niemals verzeihen  ;D
Zitat von: Schommes am 24. April 2011, 12:05:37
Man muss machen, was man kann und will und ich liebe eben Dystopien.
Ich muss ehrlich sagen, dass ich die großen, erfolgreichen Dystopieromane (Panem, Neva) noch nicht gelesen habe. Aber nicht aus Desinteresse, sondern weil mich das Thema nicht anspricht. Neva ist mir vom Plot her zu platt und bei Panem mag ich den Stil nicht - es sei mir nachgesehen, ich bin halt ein zartes, literarisches Pflänzchen, das von tuten und blasen (Verlag und Agenturen) keine Ahnung hat.
Ich denke auch, dass das Genre noch viel mehr zu bieten hat, als das, was bisher aus USA importiert wurde - und ich bin mir sicher, dass die Amis in dem Falle nicht das Rad erfunden haben (in diesem Fall war es nämlich Great Britain und good old Germany mit E.T.A Hoffmann und Mary Shelley).
Dystopie (wie Sven das so schön formuliert hatte) sehe ich auch als Setting, genau wie Steampunk, Teslapunk, Dieselpunk und sonstige punkige Settings, die sich noch heraus kristalisieren werden.
Zitat von: Schommes am 24. April 2011, 12:05:37
Mischen ist übrigens toll, aber dazu sollte man bitte die zu mischenden Genres bis in die Fingerspitzen beherrschen, sonst wird Haggis draus.
Zitat von: Grey am 24. April 2011, 13:17:38
Es soll Leute geben, die Haggis mögen ... hab ich gehört. :P
Oh ja, Grey, die gibt es  ;D Haggis mit Neeps, Tatties und  Stickie Toffee Pudding als Nachspeise. Nicht gut für die Figur, aber für die Seele :)
Zitat von: Grey am 24. April 2011, 13:17:38
Meine Lieblingsdystopie ist übrigens "Equilibrium", wo Christian Bale als Grammaton-Kleriker unterwegs ist. Da geht es um eine Zukunft, in der Emotionen verboten sind, da es Emotionen sind, die Kriege auslösen. So muss jeder Mensch jeden Tag ein Mittel spritzen, das eben "Equilibrium" heißt und Emotionen unterdrückt. Außerdem wird alles, was Emotionen provoziert, vernichtet, z.B. Gemälde, Musik, Parfum, Bücher ...
Habe ich letztens gesehen und war hin und weg - und das nicht nur wegen Christian Bale.


EDIT: Deine Storys sind so außergewöhnlich, Grey, ich denke, du wirst keine Probleme haben, deinen dystopischen Ansatz unter zu bekommen. Riga und ich sind uns da einig: außergewöhnliche Ansätze sind immer gefragt. Einheitsbrei ist eben langweilig.
Titel: Re: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Luna am 24. April 2011, 19:25:47
Oh, ich musste erst ziemlich grübeln, was ich alles für Dystopien kenne und dann schnipp, kam eine nach der anderen aus dem Gedächtnis, das ich Schwierigkeiten hatte, mich für eine zu entscheiden, die ich im Laufe der Zeit so in der Glotze/Kino oder gelesen habe.
Ich habe mich dann für eine der ersten entschieden, die ich gelesesen habe. In meiner Teeniezeit war ich ein großer Stephen King Fan (bin ich irgendwie immer noch, nur nicht mehr ganz so riesig). Da blieben mir Menschenjagd und Todesmarsch, was er unter dem Pseudonym Richard Bachmann geschrieben hatte, sehr eindringlich im Gedächtnis (puh, das stellte mich jetzt auch vor eine große Herausforderung, mich für eines der beiden zu entscheiden, da beide so gut und vor allem krass). 
Nun ja, Todesmarsch:
Aaaalso, so aus dem Gedächtnis: In ferner Zukunft herrscht eine Militärdiktatur in Amerika und die Bevölkerung ist ziemlich verarmt. Jedes Jahr wird ein Marsch seitens des Militärs veranstaltet, zu dem sich Freiwillige melden können. Nur, der Haken: Die Jungs müssen marschieren, bis sie nicht mehr können und wer unter vier Meilen die Stunde fällt, wird verwarnt, nach der dritten Verwarnung wird er erschossen. Zum Schluss bleibt einer übrig, dem Geld bis an sein Lebensende winkt (Stephen Kings Hungergames sozusagen). Tja, nur der Gewinner hatte leider nicht viel von seinem Glück, er wurde wahnsinnig.

Irgendwie schon komisch, das war vielleicht 20 Jahre her, als ich das gelesen habe und doch habe ich mich noch sehr gut an dieses Buch erinnern können  :hmmm:.
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: gbwolf am 24. April 2011, 19:50:19
Damit du dich nicht wunderst, Thomas, ich habe deinen Threadtitel entfernt und durch Kleinbuchstaben ersetzt. Im normalen Forenumgangston gelten Großbuchstaben als Anschreien und da jeder von uns viel Aufmerksamkeit für seine Threads haben möchte, würde das entweder zu einem heillosen Großbuchstabenmassaker werden oder wir schreiben alle normal und wissen, dass Threads auch ohne visuelles Geschrei interessant und wichtig sind.

Da sich der Thread mit einer allgemeinen Diskussion um Dytopien und deren Marktchancen mischt, könntest du dir entweder überlegen, zwei Thread zu verschiedenen Themen (Spiel, Verkäuflichkeit) zu eröffnen und wie bereits vorgschlagen in einem Überthema mit einer allgemeinen Diskussion zu verlinken oder du lässt weiterlaufen. Ist ja auch nicht schlimm, wenn sich Spiel und Diskussion mischen, finde ich.
Titel: Re: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Runaway am 25. April 2011, 01:40:09
Zitat von: Sven am 24. April 2011, 16:19:00
Ein Roman, der ebenfalls als Dytopie zählt, ist "Die Straße" von Cormac McCarthy.
Dieses Buch ist genial durchkonzipiert und vermittelt ein nachhaltiges Gefühl der Hoffnungslosigkeit.
Das Buch kenn ich nicht, aber ich hab die englische DVD hier rumstehen (aus dem Urlaub mitgebracht; da lief der hier bei uns noch nicht mal im Kino). Der Film vermittelt diese Hoffnungslosigkeit auch total. Der ist toll. Diese Art von Dystopie find ich klasse. Für solche Endzeitgeschichten lasse ich alles stehen und liegen. Muß ja einen Grund haben, daß ich eine extra DVD-Ecke für sowas hab.
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Schommes am 25. April 2011, 11:14:24
@Rigalad:
Also, wenn das Thema noch nicht so ausgeweitet ist, bedeutet das ja logischerweise, dass da noch Luft ist. Vor Harry Potter hätte niemand gedacht, dass man mit jugendlichen Zauberern irgendwelche Pudel hinter irgendwelchen Öfen hätte hervorlocken können. Wenn Du die Frage aufwirfst, ob man "mit einem deutschen Autoren dieselbe Zielgruppe ansprechen kann wie die derzeit gut laufenden Dystopien aus dem englischsprachigen Raum", sage ich dazu probieren ging schon immer über studifizieren.
Du hast ja offensichtlich auch die Courage, schon etwas hinter dem Zenit der Vampirsagawelle auch noch eine auf den Markt zu bringen.

Übrigens, Du und ich sind bei derselben Agentur.  Offensichtlich gibt es da innerhalb der Agentur also auch geteilte Meinungen über die Vermarktungsfähigkeit von Dystopien. ;)


@ Gothanna:
Danke für den Hinweis. Da hatte ich jetzt wirklich nicht mit gerechnet.
Fahrenheit 451 ist große Kunst, aber wo ist Deine fünfsätzige Beschreibung???  ;)

Ich selbst werde jetzt übrigens ein Stoßgebet an den Herrgott richten, dass sich Steampunk nicht mit Dystopien vermischt. Steampunkt wollte ich mir nämlich als nächstes nach Dystopien vornehmen. Auch wenn mein Agent mich dafür vermutlich kreuzigen wird. Um danach allem die Krone aufzusetzen, werde ich Cyberpunk wiederbeleben. Jawoll.
Total Recall passt hier übrigens super hin, weil es der literarischen Vorlage eines Autors entstammt, der die Vorlagen für ein halbes Dutzend verfilmter Dystopien geliefert hat. Wer ihn zuerst nennt, bekommt drei Smileys.


@ Grey
Splitter??? Klingt interessant. Wo ist der fünfsätzige Klappentext???
Und wie schon gesagt. Man sollte sich nicht entmutigen lassen. Bei mir hieß es auch erst: "Dystopie??? No!!!" Da wußte ich selbst noch nicht einmal, dass mein Erstentwurf in dieses Genre gehört. Dann kam mein Agent mit dem Beispiel "Panem bzw. Gone" und zack die Kaffebohne hieß es aufspringen auf den Zug nach Schlimmland.
Noch einmal generell zu meinem Thread. Ich wollte eigentlich auch gar nicht diskutieren, sondern hatte eher so eine Art gemeinsames Arbeiten unter Profis im Sinn, aber vielleicht ist ein Forum einfach nicht das Medium dafür.
Leute die Haggis mögen??? Pervers  ;)
Und nochmal: von der Nähe einer Idee zu Daybreakers solltest Du Dir nicht den Schneid abkaufen lassen. Das zeigt doch nur Deine Massentauglichkeit. Und wie lautet der Klappentext zu diesem Buchentwurf???


@ LiebE Kuddel, nix für ungut. Bin Kuddl Schnöf bzw. Kuddl@Tote Hosen geprägt.
Dann will ich nichts gegen die Heyne Autorin gesagt haben. Aber nochmal: Das ist eine Stimme unter vielen. Vielleicht liegt Ihr das Thema auch nicht und außerdem ... wenn die Welle jetzt gerade abebbt, sollte man sich tunlichst schonmal auf die nächste vorbereiten, denn die kommt bestimmt, oder?!


@Sorella
Genauso gehts mir nämlich auch. Außerdem sagt der Pessimist in mir, dass wir sowieso auf dem Weg in eine Dystopie sind. Die lieben Leute in Afghanistan, Libyen (sprecht Ihr das auch immer genau umgekehrt, also Lybien?) Irak und Iran leben gerade in einer.
Zu Deiner Frage mit den Plotstrukturen hatte ich in irgendeinem der früheren Posts glaube ich schon etwas gesagt. Ich wiederhole mich also möglicherweise: Ein Klassiker der Dystopie ist, dass der Protagonist am Anfang der Geschichte häufig (nicht immer) selbst Teil des schlechten Systems ist (vgl. Fahrenheit 451, Equlibrium, Bladerunner, Logan's Run) oder zumindest ahnungsloser Bürger (Schöne, neue Welt, Truman Show), der erst ein Erweckungserlebnis haben muss. Oft gibt es einen Sidekick, der eine ambivalente Rolle hat, also die klassische Rolle des Shapeshifters einnimmt (vgl. Equilibrium).
Genau darum geht es mir übrigens, ums Fachsimpeln. Also danke für diese schöne Frage. Und um mal selbst ein gutes Beispiel zu setzen:
"Dark City - John Murdoch erwacht erinnerungslos in einer Badewanne. Unmittelbar nach seinem Erwachen erreicht ihn der Anruf eines Psychiaters namens Schreber. John soll das Hotel verlassen, da er von den 'Fremden', einer geheimnisvollen Gruppe gejagt wird. John entkommt und erfährt, dass er ein Serienmörder ist und eine Frau hat, erinnert sich aber weder an seine Gemahlin noch an die Morde. Auf der Flucht vor den Fremden bemerkt John, dass in der Stadt in der er sich befindet, immer Nacht ist und dass alle Bewohner außer ihm und den Fremden fallen zu einer bestimmten Zeit ins Koma fallen."
Klappentext abschreiben ist verziehen. Ich habe den Wikipedia-Eintrag als Ausgangspunkt genommen. Es geht ja nur darum, hier was ins Rollen zu bringen.



[ModWölfin]Mehrere Beiträge zu einem zusammengefasst.[/ModWölfin]
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Rigalad am 25. April 2011, 11:52:12
Zitat von: Schommes am 25. April 2011, 11:14:24
@Rigalad:
Wenn Du die Frage aufwirfst, ob man "mit einem deutschen Autoren dieselbe Zielgruppe ansprechen kann wie die derzeit gut laufenden Dystopien aus dem englischsprachigen Raum", sage ich dazu probieren ging schon immer über studifizieren.

Wenn du dir meinen letzten Beitrag durchliest, wirst du sehen, ich habe nichts Gegenteiliges behauptet.
Zitat von: Rigalad am 24. April 2011, 12:21:58
Letztlich kann man immer das schreiben, was man möchte und soll es auch. Aber dass es Aufschwünge und Flauten gibt, gehört nun einmal dazu. Ich glaube eben, dass die Dystopie bald wieder auf dem absteigenden Ast sein wird, das heißt aber nicht, dass keine mehr publiziert werden. ;)

Das ist eben meine persönliche Meinung, begründet durch Aussagen von Menschen, die viel mehr Ahnung haben als ich.

Zitat von: Schommes am 25. April 2011, 11:32:54
außerdem ... wenn die Welle jetzt gerade abebbt, sollte man sich tunlichst schonmal auf die nächste vorbereiten, denn die kommt bestimmt, oder?!

Ich dachte, die Welle ist gerade total da?  :vibes:

Oh, und:
Zitat von: Schommes am 25. April 2011, 11:14:24
Du hast ja offensichtlich auch die Courage, schon etwas hinter dem Zenit der Vampirsagawelle auch noch eine auf den Markt zu bringen.

Geschrieben habe ich das Ding 2008, also vor dem Hype, oder gerade zu Beginn. Dass der Verlag, in dem ich das veröffentliche, erst jetzt einen Programmplatz frei hatte, ist eben so. Hat nichts mit Courage oder Trend zu tun.
Und wie ich schon sagte: Trotz Abflauen von Trends wird trotzdem weiterhin publiziert. Genres sterben ja nicht für ein paar Jahre aus.


Whatever, da gehen unsere Meinungen wohl einfach auseinander. Am Ende sollte man immer das schreiben, was man möchte, denn irgendwann ist die Zeit dafür immer wieder da.

Übrigens musst du nicht für jede Antwort einen eigenen Beitrag schreiben, das passt auch in einen. ;)


Lieben Ostergruß,
Kati
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Schommes am 25. April 2011, 11:53:04
@Sven:
KREISCH
Sag doch nicht sowas. Dann behaupte ich Vampirromane sind auch nur ein Setting, in dem manche Menschen spitze Zähne haben und andere nicht. Ist historische Fantasy demnach auch nur ein Setting? oder doch ein Subgenre??? Fragen über Fragen. Sollen doch die Germanisten drüber entscheiden.
Für mich ist der Begriff Dystopie ein begrifflicher Fixpunkt an dem ich meine literarischen Phantasien aufhängen kann. Übrigens Wikipedia führt es durchaus als Genre.

Ach ja, "The Road". Das ist der klare Beweis, dass Dystopie auch lange nach 1984, Fahrenheit 451 und Schöne, neue Welt wieder hohe Literatur sein kann. Ich verbeuge mich demütig vor Herrn McCarthy.
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Grey am 25. April 2011, 11:59:21
@Schommes
Wahh ... darf ich dich bitten, mit Frage- und Ausrufzeichen nicht so inflationär umzugehen? Sie verlieren sonst echt an Wert, mal abgesehen davon, dass ich nervös werde wenn man mich immer so anschreit. ;)

Zitat von: Schommes am 25. April 2011, 11:30:33
Splitter??? Klingt interessant. Wo ist der fünfsätzige Klappentext???

Die Splitter sind ein Romanprojekt im Umbau, auf dessen Klappentext ich mich jetzt noch nicht festlegen kann. Es war als JuBu Konzept angedacht, aber das geht nicht, weil ich da zu sehr zurückhalten muss und das wäre nicht schön, also stelle ich es jetzt mal wieder um. Bei Gelegenheit darfst du aber gern im "Mein Roman"-Board vorbeischauen und dir den Entwurf ansehen. ;)

Zitat von: Schommes am 25. April 2011, 11:30:33
Und wie schon gesagt. Man sollte sich nicht entmutigen lassen. Bei mir hieß es auch erst: "Dystopie??? No!!!" Da wußte ich selbst noch nicht einmal, dass mein Erstentwurf in dieses Genre gehört.

Was heißt entmutigen - nicht die Spur. Keiner von denen, die hier bisher geschrieben haben, ist der "Ich lasse mich entmutigen"-Typ. Es spricht aber m.E. nichts dagegen, so ein Thema kritisch und realistisch zu betrachten. Das heißt ja nicht dass man sich von einem Versuch abhalten lässt. Versuchen kann mans immer.

Zitat von: Schommes am 25. April 2011, 11:30:33
Noch einmal generell zu meinem Thread. Ich wollte eigentlich auch gar nicht diskutieren, sondern hatte eher so eine Art gemeinsames Arbeiten unter Profis im Sinn, aber vielleicht ist ein Forum einfach nicht das Medium dafür.

Ist es im Gegenteil absolut. Denn wie willst du arbeiten ohne zu diskutieren? Das Ding ist, im Tintenzirkel ist das Aufnahmekriterium Nr. 1 die Begeisterung fürs Schreiben an sich, nicht der Grad der Professionalität mit der man es betreibt (mal abgesehen von der Menschlichkeit und Persönlichkeit, soweit man die in einem Vorstellungstext erkennen kann). Und wir werden ganz bestimmt nicht damit anfangen, da in irgendeiner Form zu trennen. Jeder der sich für ein Thema interessiert, soll einen Beitrag dazu leisten dürfen, ob sie nun selbsternannte Experten auf dem Gebiet sind oder nicht. Und Regeln, so viel sei auch mal gesagt, stellen sowieso nur die Moderatoren auf, und nur die Moderatoren haben die Aufgabe, auf ihre Einhaltung zu achten. Engagement ist prima, ein Thread wie dieser kann sicher zu schönen Ergebnissen führen, aber andere gezielt aus einem Thread ausschließen, das passiert hier garantiert nicht. Du weißt schon: "When you're in Rome, do as the Romans do." ;)

Zitat von: Schommes am 25. April 2011, 11:30:33
Und nochmal: von der Nähe einer Idee zu Daybreakers solltest Du Dir nicht den Schneid abkaufen lassen. Das zeigt doch nur Deine Massentauglichkeit. Und wie lautet der Klappentext zu diesem Buchentwurf???

Und auch von mir nochmal: Keine Sorge, ich stecke so schnell nicht den Kopf in den Sand. Und da es schon kein Entwurf mehr ist, sondern ein bereits veröffentlichter Roman, behaupte ich einfach mal, ich habe mir den Schneid keineswegs abkaufen lassen und spare mir außerdem den Klappentext. Wenn du interessiert bist, kannst du aber hier (http://forum.tintenzirkel.de/index.php/topic,7204.0.html) mal gucken. ;)
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Schommes am 25. April 2011, 12:00:32
@Calista
Die Kuddel ungefragt zu KNuddeln würde mir auch nie in den Sinn kommen.
Stell Dein Licht nicht so unter den Scheffel. Wenn Dich das Genre persönlich nicht anspricht, is es eben so.
Teslapunk??? Fällt mir eigentlich nur Prestige zu ein. Gibt es da noch mehr???
Shelley und Hoffmann sind für mich aber Schauerroman (Gothic Novel) gemeinsam mit Stoker und Stevenson (coool. Noch ein Genre).

Und jetzt nochmal für alle: Du isst gedünstete Innereienwurscht??? Welche Drogen wirfst Du vorher ein???  ;)


@Luna
Wow. Von der habe ich noch nichts gehört. Muss ich mir gleich mal anschauen. Und dann noch vom Altmeister persönlich. Kennst Du Under the Dome: "Die Kleinstadt Maine wird plötzlich und unerwartet von einer (fast) undurchdringlichen, transparenten Kuppel eingehüllt. Der frühere Army Captain Dale Barbara, der die Stadt gerade wegen Problemen mit der lokalen Ordnungsmacht verlassen hat, wird eingeschlossen. Während er gemeinsam mit ein paar Freunden versucht, der sich zunehmends verschlechternden Versorgungslage Herr zu werden, wollen seine Feinde mit ihm alte Rechnungen begleichen. Zu allem Überfluss macht Sohn des Bürgermeisters als psychopathischer Killer die Stadt unsicher."


@Die Wölfin
Der Anfänger dankt für den Hinweis. Ich glaube ich muss selber noch ein bisschen herausfinden, wo ich mit dem Thread eigentlich hin will. Das Thema Verkäuflichkeit ist mir eigentlich gar nicht so wichtig, wie einigen anderen. Ich möchte am Liebsten über Plotstrukturen und typische Figuren etc. nachdenken. Mal sehen, vielleicht wirds ja noch.


@Dani
Ja, das Teil is Hammer. Heartwrenching, wie der der Engländer sagt.


@Rigalad/Kati
In allem d'accord.
Was mir noch ein bisschen fehlt, ist der Gedanke, dass eben nicht nur der Markt den Autor beeinflussen sollte, nach dem Motto "Das sollte ich nicht schreiben, denn das ist gerade out", sondern, dass ein guter Autor vielleicht auch ein bisschen den Markt verändern kann (siehe wiederum "Harry Potter"). Und ist es nicht das, was wir alle wollen?




[ModWölfin]Mehrere Beiträge zu einem zusammengefasst.[/ModWölfin]
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Derexor am 25. April 2011, 12:25:05
@Schommes "Under The Dome" oder "Arena" war mein erstes Buch von King. Es ist ein bisschen träge, aber stellenweise wirklich gut. Nur gehört das im engeren Sinne ja eigentlich nicht zu einer Dystopie oder?
Wenn ich mir so den Wikipedia-Eintrag zur Definition einer Dystopie anschaue, dann habe ich da auch einiges gerade in Planung. Aber allerdings nicht so generisch, als das es zu einem "Hype" passen würde, der wieder abflaut. Wenn du über Strukturen und typische Figuren nachdenken willst, dann mach doch einfach mal weiter. :)
Deine Definition eines "Klassikers" fand ich schonmal sehr interessant.



Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Calysta am 25. April 2011, 12:26:26
Zitat von: Schommes am 25. April 2011, 12:00:32
Stell Dein Licht nicht so unter den Scheffel. Wenn Dich das Genre persönlich nicht anspricht, is es eben so.
Ich habe nicht mitbekommen, dass ich mich unter einen Scheffel gestellt habe. Im Grunde bade ich auch lieber in der Sonne - aber das ist ein anderes Thema. Ich mag Dystopien sogar sehr gerne. Ich finde es interessant, wie man die Historie verdrehen und das Schlechteste im Menschen zum Vorschein bringen kann.
Zitat von: Schommes am 25. April 2011, 12:00:32
Teslapunk??? Fällt mir eigentlich nur Prestige zu ein. Gibt es da noch mehr???
Leider gibt es derzeit keine mir bekannten Bücher, aber warum nicht selbst ein Setting für sich entdecken? Das Rad muss nicht aus der neuen Welt kommen. Wenn ich mich nicht irre, gab es die weltweit erste elektrotechnische Ausstellung 1891 in Frankfurt am Main. Das spricht für mich nicht nur Bände, sondern schreit mich förmlich an. Ich habe außerdem gehört, dass Hochspannungstechniker für dieses Setting sogar das nötige know-how mitbringen ;)
Zitat von: Schommes am 25. April 2011, 12:00:32
Shelley und Hoffmann sind für mich aber Schauerroman (Gothic Novel) gemeinsam mit Stoker und Stevenson (coool. Noch ein Genre).
Müp. Tut mir leid, Sie haben leider den Zonk erwischt. E.T.A. Hoffmann und Mrs. Shelley benutzten nicht bewusst dystopische Elemente - und doch waren sie die Ersten, die diese Elemente gebrauchten. (Gegner von Naturwissenschaft und technologischem Fortschritt) Mr. H. G. Wells nutzte auch dystopische Elemente, ohne zu wissen, dass es Dystopie hieß. Erst John Stuart Mill prägte das Wort Dystopie - bzw. nutzte es das erste Mal.
Zitat von: Schommes am 25. April 2011, 12:00:32
Und jetzt nochmal für alle: Du isst gedünstete Innereienwurscht??? Welche Drogen wirfst Du vorher ein???  ;)
Bitte beleidige nicht das schottische Nationalgericht, darauf reagieren die Einheimischen mit Entmannung und Strangulation.
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Schommes am 25. April 2011, 12:28:21
@Grey
Sorry, ist wohl meine expressive Ader.  :d'oh:
Bin dann gespannt auf Greys Romanboard.
Ausschließen? Ich will bestimmt niemanden ausschließen. Ich bin vielleicht ein bisschen betrübt, weil das erste was passiert, wenn ich so einen Thread aufmache, ist das erstmal ein bisschen: "Dystopie? Ist das nicht schon out? Ist das überhaupt ein Genre?" kommt. Klingt so ein bisschen verhalten und zaghaft. Da hatte ich in einem Forum von Literaturfreunden ehrlich nicht mit gerechnet. Aber Du hast natürlich recht: Zum diskutieren ist das hier ja da.
Jetzt schaue ich mir erstmal Deinen Link an. *Spannungsteiginsunerträgliche*
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Derexor am 25. April 2011, 12:38:06
@Schommes, ich denke das die "zaghaften" Fragen Dinge sind, die auch Leute interessiert, die bis jetzt keine Dypstopie geschrieben haben und sich einfach informieren wollen.
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Sven am 25. April 2011, 12:46:10
Zitat von: Schommes am 25. April 2011, 12:28:21
Ich bin vielleicht ein bisschen betrübt ... "Dystopie? Ist das nicht schon out? Ist das überhaupt ein Genre?"

Das betrübt Dich? Na, na, na. Ob man eine Dystopie als Genre sieht, oder als Setting ist doch kein Grund, um betrübt zu sein. Das wertet sie ja nicht ab.
Ich persönlich sehe sie als Möglichkeit, seine Geschichte zu gestalten. Böse Cyborgvampire haben ein mächtiges Imperium geschaffen. Menschen werden als Vieh gehalten, um zu dienen und um als Nahrungsquelle herzuhalten.
Das wäre eine Dystopie. Das wäre ein Vampirroman, eine SciFi Novelle und ein Fantasyroman. Welches Genre? Welches Setting? Das müsste man im Einzelnen aufbröseln, aber würde die Geschichte dadurch weniger dystopisch sein? Ich denke nicht.
Also nicht gleich betrübt sein, wenn jemand fragt, ob die Dystopie out, oder überhaupt ein Genre ist.
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Grey am 25. April 2011, 12:47:53
Zitat von: Schommes am 25. April 2011, 12:28:21
Bin dann gespannt auf Greys Romanboard.

Damit keine Missverständnisse entstehen: Das Romanboard ist hier (http://forum.tintenzirkel.de/index.php/board,87.0.html), und es ist nicht nur meins. :)

Zitat von: Schommes am 25. April 2011, 12:28:21
Ausschließen? Ich will bestimmt niemanden ausschließen.

Das dachte ich mir, aber es wirkt nun mal ein bisschen so, wenn im Threadtitel gleich etwas von "... bitte draußen bleiben" steht und du dann etwas von "Ich wollte eigentlich auch gar nicht diskutieren, sondern hatte eher so eine Art gemeinsames Arbeiten unter Profis im Sinn" schreibst. Das kann durchaus so verstanden werden, dass hier bitte nur die Beteiligung von Dystopieprofis oder zumindest doch Dystopiebegeisterten erwünscht ist, und sowas machen wir hier nicht. :)

Zitat von: Schommes am 25. April 2011, 12:28:21
Ich bin vielleicht ein bisschen betrübt, weil das erste was passiert, wenn ich so einen Thread aufmache, ist das erstmal ein bisschen: "Dystopie? Ist das nicht schon out? Ist das überhaupt ein Genre?" kommt. Klingt so ein bisschen verhalten und zaghaft. Da hatte ich in einem Forum von Literaturfreunden ehrlich nicht mit gerechnet.

Um ehrlich zu sein glaube ich, dass das an der Art deines ersten Beitrags lag, der a) schon diesen leicht missverständlichen Titel hat und b) du nun mal seit ewigen Zeiten hier bist ohne einen einzigen Pieps von dir zu geben, jetzt aber wo du bald veröffentlichst, herkommst und den Forenmitgliedern erzählst, dass sie bittedanke Dystopien toll finden sollen, wobei du ganz nebenbei immer wieder darauf hinweist, dass du demnächst eine ebensolche veröffentlichen wirst. Versteh mich nicht falsch, ich will dir nichts unterstellen, aber vielleicht war dir nicht klar, dass sich das eher nach massiver Eigenwerbung anhört als das ehrliche Bedürfnis, sich über ein Thema auszutauschen, das dir als Autor ganz unabhängig von der Veröffentlichung am Herzen liegt. Ich weiß wie sich der Weg zur Erstveröffentlichung anfühlt, da schießt man schon mal übers Ziel hinaus in seiner Euphorie, das ist mir klar. Aber es kommt halt schnell komisch rüber, und dann geraten die Reaktionen eben oft auch entsprechend verhalten.
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: gbwolf am 25. April 2011, 13:17:10
Hallo Thomas,

ich habe jetzt einige deiner Beiträge zusammengelegt, damit wir hier ein bisschen mehr Übersicht reinbekommen. Es gibt Foren, da gilt es als höflich, pro Antwort einen eigenen Beitrag zu eröffnen, bei uns reichen das "@" oder ein kurzes Zitat, wenn man sich auf einen bestimmten Satz bezieht. Das scheint mir im Piperforum und vor allem über die dortige Blogfunktion anders zu sein (Finde ich dort übrigens ziemlich unübersichtlich, wer wem wann geantwortet hat).
Von der Forenstruktur her ist es meines Erachtens sinnvoll, in einem Thread immer nur ein Thema zu behandeln, also den von dir angedachten spielerischen Einstieg von der Handwerksdiskussion zu trennen. Aus deinem ersten Posting habe ich beispielsweise nicht gesehen, wohin du mit dem Thread insgesamt möchtest. Ich dachte eher, das wird jetzt die Klappentextauflockerung und über Besonderheiten der Dystopie wird in einem anderen Thread diskutiert, wobei man sich auf die Beispiele hier konzentriert (Du hast ja schon gesehen, dass hier einige Leute mehr mitreden als im Piperforum und das schnell ein sehr, sehr langer und unübersichtlicher Thread werden kann). Für die Diskussion fehlt ein wenig ein allgemeiner Dystopienthread, wo man über zeitgemäß und Co. diskutieren kann (Thema "Arabien" ist meines Erachtens zum Beispiel zu spannend, um irgendwo zwischengequetscht zu werden, auch wenn ich das eher aus der Poltthrillerperspektive betrachte).

Ansonsten arbeite ich gerade an zwei Dystopien, die werde ich aber höchstens in der "Mein Roman"-Rubrik vorstellen, wo nicht das ganze Internet mitlesen kann (Ich bin jetzt nicht überparanoid, was Ideenklau angeht, aber ich mag es trotzdem nicht so gerne, alles auf den Präsentierteller zu packen).

Meine letzte, aufwändigere Kurzgeschichte war übrigens auch eine Dystopie:

"Kamera(d), Action!" erschien in der Anthologie "Hinterland" bei Wurdack.
Es geht auf zwei Ebenen um einen Ex-Soldaten, der seinen finalen Plan in markigen Worten vor einem Journalisten ausbreitet, der diese letzte Rache an der Gesellschaft filmen soll - wobei der Ex-Soldat sich mit genau den Mitteln rächen wird, die er vorher noch großtönend verachtet.
In der zweiten Ebene verhandelt ein Texaner mit einer europäischen Politikerin, die in der totalen Mediendemokratie beinahe pausenlos die Meinung des Volkes vertreten muss, will sie nicht in einer Live-Wahl abgewählt werden.. Das Versiegen des Golfstroms ist Wirklichkeit geworden, Europa liegt unter Eis, Hungersnot und Kältetote. Die Verhandlungen drehen sich darum, dass die Europäer billige Arbeitskräfte schicken und die Amis Weizen.

Und ich bin ein wenig beleidigt, dass die Geschichte nicht für den KLP nominiert wurde, sondern eine Gesellschaftssatire. Pöh!
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Churke am 25. April 2011, 14:31:23
Zitat von: Schommes am 25. April 2011, 11:14:24
@Sorella
Genauso gehts mir nämlich auch. Außerdem sagt der Pessimist in mir, dass wir sowieso auf dem Weg in eine Dystopie sind.

Ich denke da allerdings weniger an Krisen und Kriege, im Gegenteil: Dystopien sind die Folge eines totalitären Herrschaftsanspuchs des Staates. In einem Land, in dem der Krieg alle staatlichen Strukturen auflöst, ist der Staat viel zu schwach für so etwas.

Überhaupt sind Dystopien die natürliche Folge, wenn Weltverbesserer und Verrückte zuviel Macht erhalten. Aus seinem Anspruch, *gut* und *gerecht* zu sein, bezieht der dystopische Staat seine totalitäre Legitimation. Wer sich gegen das System stellt, stellt sich gegen die Volksgemeinschaft.

Totalitarismus findet man schon bei Platon. Die Vorstellungen der Politeia sind total krank.  :o

Der Gottesstaat Konstantins des Großen.
Die Schreckensherrschaft des Nationalkonvents.
Die Diktatur des Proletariats.
Das Tausendjährige Reich des Adolf Hitler.
Die Plutokratie von Goldman Sachs.

Und jedes Mal erzählt man den Leuten, dass alles toll & super ist.
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Rigalad am 25. April 2011, 15:11:01
Zitat von: Schommes am 25. April 2011, 12:00:32
@Rigalad/Kati
In allem d'accord.
Was mir noch ein bisschen fehlt, ist der Gedanke, dass eben nicht nur der Markt den Autor beeinflussen sollte, nach dem Motto "Das sollte ich nicht schreiben, denn das ist gerade out", sondern, dass ein guter Autor vielleicht auch ein bisschen den Markt verändern kann (siehe wiederum "Harry Potter"). Und ist es nicht das, was wir alle wollen?

In beiden Beiträgen habe ich geschrieben, dass jeder Autor das schreiben soll, woran ihm das Herz hängt. Die Zeit dafür ist entweder da oder wird kommen. Manche haben auch einfach Glück.
Von daher bin ich absolut nicht der Meinung, dass man nur für den Markt schreiben sollte, aber die Diskussion, inwiefern man davon beeinflusst wird, gibt es im Forum bereits an anderer Stelle.
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Lomax am 25. April 2011, 15:20:22
Churke bringt damit mein Unbehagen bei dieser Diskussion auf den Punkt, das ich irgendwie schon früh empfunden habe - ein Gefühl, dass irgendwas nicht ganz "trifft" ohne dass ich genau benennen konnte, was es ist. Aber das ist es genau - nämlich dass hier irgendwas durcheinanderläuft bei der Definition, z.B. zwischen "Dystopie" und "Endzeit".
  Die Dystopie als Gegenteil von der Utopie wurde schon früh in der Diskussion genannt, aber die Definition passte dann nicht recht zu den Beispielen und man ist früh davon abgekommen. Aber jetzt, nach Churkes Einwand, würde ich genau darauf zurückkommen: Dystopie ist genau das, eine negative Utopie. Und viel von dem, was unter dem Label gehandhabt wird, gehört streng genommen nicht zu diesem Genre. Beispielsweise auch "Die Straße". Das ist eher "Endzeit", ein sehr spezielles und auch nicht neues Subgenre mit Berührungspunkten zur Dystopie, das durchaus auch "dystopisch" wirken kann; aber eben nicht die idealtypische Distopie ist.
  Bei dieser würde ich eigentlich dasselbe erwarten wie Churke auch. Die Dystopie ist im Grunde ein politischer Roman. Und ich finde es irgendwie bezeichnend, dass Schommes genau das im ersten Posting auch angesprochen hat, und das eine Zeitlang Thema blieb ... und der Thread dann doch recht schnell von diesem Element der Dystopie abkam und "allgemeiner" wurde, sich von der Politik auf Fragen des "Settings" oder eines allgemeinen Gefühls von Düsternis und Hoffnungslosigkeit verlagert hat.
  Ich frage mich, ob dass nicht zugleich ein Kernproblem für Dystopien am Buchmarkt ist. Dystopien sind im Grunde politische Romane. Leser interessieren sich nicht für politische Romane, heute weniger denn je. Also müssen Dystopien, um erfolgreich zu sein, sich selbst vernebeln, indem sie die Elemente in den Vordergrund stellen, die eigentlich eine Dystopie nicht wirklich ausmachen. Und ich denke mal, genau dadurch wird Dystopie tatsächlich auch ein wenig vom Genre zum Setting - indem halt das Drumherum wichtiger wird als der Kern und die Dystopie in der Praxis regelmäßig als Hintergrund in einen anderen "Mantel" geschoben wird, um verkäuflich zu sein.
  Ich würde also mal sagen, "richtige" Dystopien sind immer ein Subgenre der "SF" im weitesten Sinne. Dystopische Themen und Inhalte können als Elemente des "Settings" in fast jedem anderen Subgenre auftauchen - und sind dann zwar keine "richtigen" Dystopien mehr, aber der Unterschied ist im Einzelfall auch nur schwer zu greifen und in der Praxis nicht so bedeutsam, weil auch die wenigsten Leser, die Dystopien mögen, genau wegen der Kernelemente "politisch" und "Zukunftsroman" zu dem Buch greifen, sondern eben wegen der Elemente, die als Settingbestandteile portabel sind.
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Schommes am 25. April 2011, 15:34:23
Zitat von: Sven am 25. April 2011, 12:46:10
Also nicht gleich betrübt sein, wenn jemand fragt, ob die Dystopie out, oder überhaupt ein Genre ist.

Gut. Ich helle meine Stimmung wieder auf. ;) :pompom:

Zitat von: Calysta am 25. April 2011, 12:26:26
IMüp. Tut mir leid, Sie haben leider den Zonk erwischt. E.T.A. Hoffmann und Mrs. Shelley benutzten nicht bewusst dystopische Elemente - und doch waren sie die Ersten, die diese Elemente gebrauchten. (Gegner von Naturwissenschaft und technologischem Fortschritt) Mr. H. G. Wells nutzte auch dystopische Elemente, ohne zu wissen, dass es Dystopie hieß. Erst John Stuart Mill prägte das Wort Dystopie - bzw. nutzte es das erste Mal. Bitte beleidige nicht das schottische Nationalgericht, darauf reagieren die Einheimischen mit Entmannung und Strangulation.
Das finde ich jetzt hochinteressant. Was genau sind denn die dystopischen Elemente bei Hoffmann und Shelley? Würdest Du das Monster bzw. die dahinterstehende Philosophie als dystopisch bezeichnen? Dann gibt es ja neben dem dystopischen Setting auch noch dystopische Charaktere. Bitte, bitte weiter ausführen.

Zitat von: Grey am 25. April 2011, 12:47:53
Das dachte ich mir, aber es wirkt nun mal ein bisschen so, wenn im Threadtitel gleich etwas von "... bitte draußen bleiben" steht und du dann etwas von "Ich wollte eigentlich auch gar nicht diskutieren, sondern hatte eher so eine Art gemeinsames Arbeiten unter Profis im Sinn" schreibst. Das kann durchaus so verstanden werden, dass hier bitte nur die Beteiligung von Dystopieprofis oder zumindest doch Dystopiebegeisterten erwünscht ist, und sowas machen wir hier nicht. :)
Das mit dem Bitte draußen bleiben war zugegeben etwas provokativ, sollte aber eben für den Thread werben. Außerdem finde ich deutsche Fantasy auch was die Foren dazu angeht wirklich etwas Tolkien-lastig.
Wenn ich hier den Begriff Profis verwende, meine ich damit alle Anwesenden. Es ist also keinesfalls als Diss gemeint.

Zitat von: Grey am 25. April 2011, 12:47:53
Um ehrlich zu sein glaube ich, dass das an der Art deines ersten Beitrags lag, der a) schon diesen leicht missverständlichen Titel hat und b) du nun mal seit ewigen Zeiten hier bist ohne einen einzigen Pieps von dir zu geben, jetzt aber wo du bald veröffentlichst, herkommst und den Forenmitgliedern erzählst, dass sie bittedanke Dystopien toll finden sollen, wobei du ganz nebenbei immer wieder darauf hinweist, dass du demnächst eine ebensolche veröffentlichen wirst. Versteh mich nicht falsch, ich will dir nichts unterstellen, aber vielleicht war dir nicht klar, dass sich das eher nach massiver Eigenwerbung anhört als das ehrliche Bedürfnis, sich über ein Thema auszutauschen, das dir als Autor ganz unabhängig von der Veröffentlichung am Herzen liegt. Ich weiß wie sich der Weg zur Erstveröffentlichung anfühlt, da schießt man schon mal übers Ziel hinaus in seiner Euphorie, das ist mir klar. Aber es kommt halt schnell komisch rüber, und dann geraten die Reaktionen eben oft auch entsprechend verhalten.
Also so ewig bin ich dann auch noch nicht hier.
Was meinen Enthusiasmus angeht. Was mir glaube ich eigentlich am Herzen liegt ist eine stärkere Ausdifferenzierung der deutschen Unterhaltungsschreiberszene. Das macht die Landschaft einfach interessanter, finde ich.

Zitat von: Die Wölfin am 25. April 2011, 13:17:10
Von der Forenstruktur her ist es meines Erachtens sinnvoll, in einem Thread immer nur ein Thema zu behandeln, also den von dir angedachten spielerischen Einstieg von der Handwerksdiskussion zu trennen. Aus deinem ersten Posting habe ich beispielsweise nicht gesehen, wohin du mit dem Thread insgesamt möchtest. Ich dachte eher, das wird jetzt die Klappentextauflockerung und über Besonderheiten der Dystopie wird in einem anderen Thread diskutiert, wobei man sich auf die Beispiele hier konzentriert (Du hast ja schon gesehen, dass hier einige Leute mehr mitreden als im Piperforum und das schnell ein sehr, sehr langer und unübersichtlicher Thread werden kann).
Nochmals danke. Nachdem ich endlich das mit dem Zitieren gelernt habe, fällt es mir jetzt auch schon leichter mit den Threads umzugehen.

Zitat von: Rigalad am 25. April 2011, 15:11:01
Von daher bin ich absolut nicht der Meinung, dass man nur für den Markt schreiben sollte, aber die Diskussion, inwiefern man davon beeinflusst wird, gibt es im Forum bereits an anderer Stelle.
Sorry, das ganze Forum kenn ich leider noch nicht. Ich tue mein Bestes.  ;)

Zitat von: Lomax am 25. April 2011, 15:20:22
Bei dieser würde ich eigentlich dasselbe erwarten wie Churke auch. Die Dystopie ist im Grunde ein politischer Roman.

Ich sehe mich selbst als reinen Unterhaltungsschriftsteller. Daher würde ich Kategorien wie Dystopie, Fantasy oder Steampunk nie politisch oder soziologisch auslegen wollen und finde das für die Diskussion, wie man unterhaltsame Literatur schreibt auch wenig zielführend. D.h. soziologisch habt ihr sicherlich recht. Auch die in einem früheren Post unter Bezug genommene Herkunft des Begriffes ordnet ihn eher diesem Bereich zu. Aber als mein Agent mich vor zwei Jahren kontaktierte und mich fragte, ob ich etwas im Bereich dystopic Fiction schreiben kann, meinte er sicherlich nicht unbedingt einen Politroman. Richtig ist wiederum, das viele Dystopien politisch sind, aber das sind Fantasy (Tolkien als Weltkriegallegorie) und Steampunk (His Dark Materials als Antithese zu Narnia) auch, oder?!
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Runaway am 25. April 2011, 16:12:10
Willst du nur deinen Beitragscounter pushen oder warum kriegt jeder Satz sein eigenes Posting? Das kann ja keiner lesen, wie die Wölfin schon sagte... laß sie doch nicht immer das alles zusammenschnippeln!  :hmhm?:
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: gbwolf am 25. April 2011, 16:15:09
@Dani und andere: Bitte bei solchen Problemen/Fragen eine PN an die Moderatoren! Wir sind nicht überall auf die Minute genau und ab und zu dauert es länger, bis wir reagieren, aber meistens haben wir mit dem betreffenden Mitglied bereits PN-Kontakt. Es ist nicht die Aufgabe aller Mitglieder, Neulinge auf Verfehlungen hinzuweisen. Das gibt Forenanfängern das Gefühl, alle gegen sich zu haben.
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Runaway am 25. April 2011, 16:20:58
Ok, sorry, war ja nicht böse gemeint. Nur genau das dachte ich mir vorhin, nachdem du ja schon zweimal drauf hingewiesen bzw. es geändert hattest und ich find's auch einfach störend so. Wenn ich Seite 3 entlangscrolle und von einer Flut solcher Einzelpostings erschlagen werde, hab ich keine rechte Lust mehr, die alle zu lesen - aber wär ja schade drum. Deshalb wollte ich das nur kurz als Anmerkung dalassen.
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Schommes am 25. April 2011, 16:30:55
Zitat von: Dani am 25. April 2011, 16:12:10
Willst du nur deinen Beitragscounter pushen oder warum kriegt jeder Satz sein eigenes Posting? Das kann ja keiner lesen, wie die Wölfin schon sagte... laß sie doch nicht immer das alles zusammenschnippeln!  :hmhm?:
Liebe Dani,
ich vermute ma, das war sicher keine von Dir ernstgemeinte Unterstellung, sondern nur ein scherzhafter Beitrag, richtig?!  ;)
Vielleicht kannst Du mir ja dann bei der Gelegenheit erklären, wie ich Antworten mit Zitaten aus Postings von mehreren verschiedenen Postings in einem Sammelposting zusammenfasse.
Übrigens hat es vielleicht auch was mit meiner Kommunikationskultur zu tun. Ich finde es höflicher auf eine auf mich bezogene Bemerkung, der jeweiligen Person direkt zu antworten. Ist das jetzt falsch?

Beste Grüße,

Thomas
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Runaway am 25. April 2011, 16:37:02
Du riechst die Prise Ironie ganz richtig, ja. Ich hab mich wie gesagt nur sehr gewundert, daß unverändert eine Beitragsflut über uns hereinbrach.

Natürlich ist es nett, der betreffenden Person direkt zu antworten. Wenn ich mich via verschiedener Zitate auf verschiedene Leute beziehen möchte, fange ich hier immer ein wildes Tab-Chaos an - keine Ahnung, ob das auch schöner geht. Bestimmt. Ich gehe bei jedem Beitrag auf "zitieren", öffne den in einem neuen Fenster, kopier mir das betreffende Stück und packe es in mein Antwortfenster. So stell ich mir das zusammen.

Oder manchmal, wenn ich zu faul bin, schreib ich erst die Namen der Leute hin und bediene mich dann des quote-Tags, in das ich den betreffenden Text reinkopiere. Das ist die charmante kleine Sprechblase über dem Textfeld beim Antworten.

Dann macht das Lesen auch wieder Spaß ;D
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: gbwolf am 25. April 2011, 16:38:56
@Dani: Gerade wenn die Moderatoren sich bereits in einem Thread geäußert haben, kann man davon ausgehen, dass wir als nächstes per PN Kontakt aufnehmen.

@Thomas: Wie gesagt ist es bei uns nicht üblich. Vor allem, da wir so viele Mitglieder haben und wenn jeder ein separates Posting nutzt, dann wird es wirklich unübersichtlich. Ich mache das immer wie von Dani beschrieben.
Wenn du noch Fragen hast, gerne per PN an mich oder Grey. Wir sind heute Abend wieder da. Zu Anfängerfragen/Netiquette/Postings kannst du auch gerne Aryana kontaktieren, die die Neulinge unter ihren Fittichen hat.

Den Punkt mit dem politischen Roman und der Unterscheidung zwischen Dystopie und Endzeit finde ich übrigens sehr spannend!
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Lavendel am 25. April 2011, 18:16:56
So. Ich habe tatsächlich schon heute Vormittag gedacht, man müsste eigentlich eine saubere Genredefinition vorwegstellen, bevor man anfängt über zu diskutieren. Da war ich aber zu träge, um zum Regal zu laufen  :d'oh:.

Also mal ins 'Basislexikon Literaturwissenschaften' geschaut, damit wir da nicht mehr aneinander vorbeireden. ;)

Die Utopie(gr. u+topos=nicht+Ort) (das 'Vorläufermodell ;)) wird hier definiert als "konkreter philospophisch-politischer Entwurf einer Gesellschaft". Sie stellt einen positiven Gegenentwurf zur herrschenden Gesellschaftsform dar und ist dementsprechend erkennbar in ihrer Herkunftskultur verwurzelt. Namensgebend für das Genre ist Thomas Morus' 'Utopia' (1517). Die Distanz zur realen Welt erzeugten die frühen Utopien noch durch das Verlegen der Handlung an einen schwer zu erreichenden Ort. Erst später verlegten Autoren die utopische Gesellschaft auf in die Zukunft.
Beliebt war der utopische Roman vor allem vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Danach, mit der Industrialisierung und der wachsenden gesellschaftlichen Bedeutung der Technik und mit der Skepsis gegenüber allumfassenden Gesellschaftsentwürfen nach den großen politischen Unruhen der beginnenden Moderne, verdrängen sowohl die Science Fiction als auch die Dystopie die Utopie zunehmend.
Und jetzt endlich zum interessanten Teil: Während die SF in erster Linie die Folgen von möglichen technischen Entwicklungen durchspielt, ist die Dystopie ist eine überwiegend negative Utopie. Sie verlegt die Handlung in die Zukunft, kommentiert damit aber vor allem kritisch zeitgenössische Entwicklungen. Schwerpunkt ist dabei der '[...]Einsatz technischer Möglichkeiten zur Durchsetzung einer autoritären, unfreien Gesellschafts- und Staatsform'.


Schommes fragte ja auch nach den dystopischen Elementen bei 'Frankenstein'. Ich nehme mal an, das zielt darauf, das Dr. Fankenstein und seine Kreatur ein Kommentar zum Wissenschafts- und Fortschrittsopitmismus der frühen Moderne sind. Frankenstein benutzt State-of-the-Art Technik und erschafft ein Monster. Das Monster kann er nicht mehr kontrollieren, und er vierliert nach und nach alles. Ich denke, die Kritik am technischen Fortschritt ist das entscheidende, vielleicht auch, dass das Monster versucht, Frankenstein zu unterjochen, und ihn zwingen will, ihm eine Parternin zu erschaffen. Frankenstein hat dann Angst, dass die beiden für eine riesige Monsterpopulation sorgen, die die ganze Menschheit unterjocht oder ausrottet und bricht das Experiment ab (hätte er mal auf Darwin gewartet, der hätte ihm was über den Genpool erzählt ...)
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Grey am 25. April 2011, 18:31:45
Zitat von: Schommes am 25. April 2011, 15:34:23
Das mit dem Bitte draußen bleiben war zugegeben etwas provokativ, sollte aber eben für den Thread werben. Außerdem finde ich deutsche Fantasy auch was die Foren dazu angeht wirklich etwas Tolkien-lastig.

Ja nu, das mag sein, im Tintenzirkel ist das aber m.E. überhaupt nicht der Fall. Also, bezogen auf das Tolkien-lastig meine ich. Du sagst ja selbst, du kennst bisher nur einen Teil des Forums. Und ich behaupte, wir sind hier sehr vielschichtig in allen Bereichen der Fantasy unterwegs.

Zitat von: Schommes am 25. April 2011, 15:34:23
Also so ewig bin ich dann auch noch nicht hier.

Natürlich war das überspitzt ausgedrückt. Faktisch hast du aber seit Anfang Oktober exakt drei Beiträge geschrieben, bis vor kurzem eben. Wie gesagt, ich will dir damit nichts unterstellen, und natürlich freuen wir uns, wenn jemand irgendwann doch Zeit findet, sich aktiver zu beteiligen. Ich wollte nur deutlich machen, wie es wirken kann, weil dir das vielleicht nicht ganz bewusst war.

Zitat von: Schommes am 25. April 2011, 15:34:23
Ich sehe mich selbst als reinen Unterhaltungsschriftsteller. Daher würde ich Kategorien wie Dystopie, Fantasy oder Steampunk nie politisch oder soziologisch auslegen wollen und finde das für die Diskussion, wie man unterhaltsame Literatur schreibt auch wenig zielführend.

Unterhaltungsschriftstellerei und das Einflechten politischer und soziologischer Elemente schließen sich allerdings nicht aus, finde ich. Ich habe gerade "Die Auswahl" gelesen, die wirklich eine Dystopie im klassischen Sinn ist. Es geht um "Die Gesellschaft", in der das Leben der Menschen "optimiert" wurde. Und zwar, in dem alles vorgeschrieben wird: Wer was isst und wie viel, welche Musik gehört werden darf, wer mit wem "gepaart" wird, wie lange man Kinder bekommen kann, welche Aktivitäten man in der Freizeit ausüben kann und sogar, wann man stirbt: Am 80. Geburtstag nämlich. Die Heldin erbt von ihrem Großvater einen Zettel, auf dem zwei Gedichte stehen, die nicht unter den 100 Werken sind, die von der Gesellschaft nicht vernichtet wurden, und sie lernt, dass Worte auch "Funken entfachen" können. Das Buch kommt ohne Action aus und geht vor allem um das Gesellschaftssystem. Trotzdem ist es enorm beeindruckend. Von daher denke ich: Ja, inzwischen kann man sich auch so etwas trauen und hat vielleicht sogar Erfolg damit.
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Lomax am 25. April 2011, 18:33:28
Zitat von: Schommes am 25. April 2011, 15:34:23Richtig ist wiederum, das viele Dystopien politisch sind, aber das sind Fantasy (Tolkien als Weltkriegallegorie) und Steampunk (His Dark Materials als Antithese zu Narnia) auch, oder?!
Nicht jeder politische Roman ist eine Dystopie. Und in vielen Subgenres kann man politische Themen einflechten. Aber die Dystopie unterscheidet sich von anderen Subgenres schon insofern, als das Grundthema einer "richtigen" Dystopie immer ein Politisches sein muss - eine negative politische Vision, würde ich es mal nennen. Man kann das Thema kaschieren, man kann es auf verschiedene Art aufbereiten - auch unterhaltsam, das widerspricht sich ja nicht.
  Aber wenn es ganz fehlt, verlässt man die Dystopie im engeren Sinne, als Genre. Während umgekehrt andere Fantasy und auch Steampunk sehr gut ohne expliziten politischen Hintergrund auskommen. Da zählt das halt nicht zu den genrebildenden Merkmalen.
  Ich denke, was du da in deinem ersten Posting geschrieben hast - die Dystopie als Gegenteil der Utopie - ist ein sehr wichtiger und vor allem fürs Genre der Dystopie auch zentraler Gesichtspunkt, den man nicht aus dem Auge verlieren sollte. Das ist nicht nur ein beliebiges oder historisches Merkmal des Genres, über das man großzügig hinwegsehen kann. Es ist genredefinierend. Und da die Utopie eine positive politische Zukunftsvision benötigt, kann man auch nicht mehr von einer Dystopie reden, wenn so was im negativen Sinne fehlt.
  Und das, was an "dystopischischen Elementen" übrig bleibt, wenn man die negative politische Zukunftsvision weglässt, ist halt nicht mehr die "Dystopie" als Genre, sondern nur noch ein Setting, ein paar Versatzstücke, die man in so ziemlich jedes andere Genre auch einbringen kann. Was von der Dystopie übrig bleibt, lässt man den als Kommentar zur Realität gedachten politischen Entwurf davon weg, ist in der Tat etwas Beliebiges, was man mit Elfen, Orks und Einhörnern genauso ausführen könnte wie in Steampunk, Krimi oder historischem Roman. Oder mit Endzeit, Horror ... oder gar Romance ;D
  Da könnte ich mir überall Romane mit dystopischen Setting oder dystopischer Atmosphäre vorstellen, die trotzdem eher anderen (Sub-)Genres als der Dystopie zuzurechnen wären und die auch mehr stilbildende Elemente mit diesen anderen Genres gemein hätten als mit der klassischen Dystopie a la 1984, Brave New World, Fahrenheit. Romane, die gleich erheblich weiter von diesen Dystopien entfernt lägen als beispielsweise modernere Ansätze wie "Panem".
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: RubinaGela am 25. April 2011, 18:52:12
Ist ja ganz schön verwirrend hier.  ???

Würdet ihr "Dune - der Wüstenplanet" z. B. nun zu SF oder Dystopie zählen? Oder Star-Wars? Haben diese Gesellschaftsentwürfe nicht von beidem etwas?
:-\ Vielleicht habe ich den Unterschied ja auch nicht ganz kapiert. *räusper* Eventuell sind die Übergänge sogar schleichend...  :hmmm:

In meinen Augen eine Dystopie ist "Das Vermächtnis von Longlight" - 3 Bände des Kanadiers Dennis Foon. Hier wird in einer Zukunft, die durch einen zerstörerischen Weltkrieg stark gebeutelt ist, eine Gesellschaft beschrieben, die sich neu formiert hat und einige Anführer (magisch und religiös) nun um die Vorherrschaft kämpfen. Der jugendliche Held - auf dem Weg zum Erwachsenwerden - muß sich entscheiden, durch ein großes Opfer sein Volk vor dem Tyrannen, der zur Zeit alle Fäden in der Hand hält, zu retten.

Mir hat diese Geschichte sehr gut gefallen, da magische und geheimnisvolle Aspekte zwar vorkommen, aber mehr noch gesellschaftspolitische Kritik geübt wird. Außerdem gibt es jede Menge Beziehungen, wo der Schein zunächst trügt. So wird dem Leser als auch dem Prota eine große Portion Unvoreingenommenheit abverlangt.
Vergnüglich und spannend ist es auch noch.  :D
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Sven am 25. April 2011, 18:58:14
Zitat von: Lomax am 25. April 2011, 18:33:28
Und das, was an "dystopischischen Elementen" übrig bleibt, wenn man die negative politische Zukunftsvision weglässt, ist halt nicht mehr die "Dystopie" als Genre, sondern nur noch ein Setting

Das ist genau das, was ich im Hinterkopf hatte. Vielen Dank, Lomax, für die Ausführung  :pompom:

Das gilt im Übrigen nicht nur für die Dystopie. Ich denke, es gibt in jedem Bereich ein "typisches" Werk, das eine Bezeichnung bekommt (Steampunk z.B) und das im Laufe der Zeit in anderen Genres einfließt und dadurch zu einem Setting wird. Das macht eine Zuordnung zwar schwierig, den Roman als solchen aber interessanter. Deshalb spreche ich, wenn es um die Zuordnung von Romanen geht, von High Fantasy, Urban Fantasy, All Age Fantasy, Thriller, ect. als Genre, bzw. von Steampunk, Dystopie, ect. als Setting. Das mag verwirren und ist vielleicht nicht immer korrekt, ist in meinen Augen aber einfacher und beschreibt die Sache besser.
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Schommes am 25. April 2011, 19:34:07
Ihr Lieben,  bevor ich Euch jetzt gleich widerspreche möchte ich Euch erstmal für die liebevolle Beschäftigung mit dem Thema danke, damit ich nicht bald als grober Meckerklotz gelte.
So, jetze aber ...
Ich wage mal den Versuch der Zusammenfassung einer Diskussionslinie von Lomax, Grey, Sven und Lavendel:
Ausgangspunkt der Dystopie ist der Utopiebegriff. Beides sind politische Konzepte. Die Literatur, die hiervon ihren Ausgangspunkt nimmt, muss also - neben dem reinen Unterhaltungswert - einen politischen Aussagekern haben, sonst qualifiziert sie sich nicht als Dystopie.
Bei letzterem dissentiere ich entschieden.
Ich nehme mal wieder Panem als Ausgangspunkt. Hier scheint Einigkeit zu bestehen, dass es sich dabei um eine Dystopie handelt. Panem hat für mich aber gerade keinen politischen Kern, jedenfalls keinen ernstzunehmenden. Durch die comicartige Überzeichnung der Verhältnisse entsteht bei mir der Eindruck, Mrs. Collins wollte eben in erster Linie unterhalten und hat die Situation geschaffen, um maximalen Konflikt zu erzielen, der wiederum die Voraussetzung für belletristische Spannung ist. Mit "Die Straße" von McCarthy geht es mir ähnlich.
Ich würde demnach Dystopie wie folgt definieren:
Ausgangspunkt ist die Jetztwelt.
Ein oder mehrere Umweltparameter mit Bezug auf den Menschen wird/werden ins extrem Negative verändert (Extremer Hunger, extreme Unfreiheit, extreme Konfliktlagen etc.). Um die Veränderung der Welt gegenüber der Jetztwelt zu erklären wird die Dystopie häufig in eine nähere Zukunft verlegt; das muss aber nicht so sein.
Der Held sieht sich über kurz oder lang mit den negativen Seiten seiner Welt konfrontiert.  Der Konflikt besteht darin, dass der Held diese negativen Seiten überwinden muss, und zwar entweder durch deren Bekämpfung oder durch Flucht davor.
Vom SF unterscheidet sich die Dystopie dadurch, dass sie in der Regel ohne fantastisch anmutende Techniksprünge und Aliens auskommt.
Von der normalen Fantasy unterscheidet sie sich dadurch, dass sie generell nicht märchenhaft daher kommt, sondern durchaus in der Realität verankert ist.
Was denkt Ihr dazu?
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Churke am 25. April 2011, 20:05:13
Zitat von: Lavendel am 25. April 2011, 18:16:56
Während die SF in erster Linie die Folgen von möglichen technischen Entwicklungen durchspielt, ist die Dystopie ist eine überwiegend negative Utopie.

Ich möchte behaupten, dass Utopie und Dystopie zwei Seiten der selben Medaille sind.
Das Gegenteil von gut ist gut gemeint, sagt man, und Utopien sind immer nur gut gemeint. Jede Utopie hat einen totalitären Anspruch, weil sie rein denklogisch nicht zulassen kann, dass sich jemand gegen das perfekte System auflehnt. Und je perfekter sie sein und die Menschen in ihrem Tun kontrollieren will, desto unfreier muss sie sein. Das macht sie zu einem inherenten Unrechtssystem, das letztlich in einer Dystopie enden muss.

Darin besteht auch der Unterschied zu einer "normalen" Diktatur: Der Diktator verlangt lediglich Gehorsam und bereichert sich. Der politische Moralist hingegen will die Menschen ändern.

Kommen wir nun zum politischen Aussagekern: Ich sehe die Dystopie als Denksport, bei dem der Leser mit gewissen Fragen konfrontiert ist, die ihm vielleicht nie so bewusst geworden sind. Die *normale* Fantasy bietet hier deshalb wenig Spielraum, weil das Setting so entrückt ist, dass ihm der Bezug zur Realität fehlt. Aber ohne diesen Rückgriff auf die Realität kommt die Sache beim Leser eben nicht als Dystopie an, sondern vielleicht nur als Königreich, in dem es zum Himmel stinkt.
Bei historischen Romanen in dystopischen Settings (ich hatte ja Beispiele genannt) funktioniert es wiederum, allerdings hier nicht wegen der politischen Dimension, sondern, weil es um Geschichte geht.

Zitat von: Schommes am 25. April 2011, 19:34:07
Vom SF unterscheidet sich die Dystopie dadurch, dass sie in der Regel ohne fantastisch anmutende Techniksprünge und Aliens auskommt.

Also nach den Regeln des Genres ist Brave New World pure Science Fiction.
In Honor Harrington ist die Volksrepublik Haven AUCH eine Satire auf den europäischen Wohlfahrtsstaat. Das spielt zwar nur ganz am Rande eine Rolle. Es wäre David Weber aber durchaus möglich, einen Roman NUR über die Volksrepublik Haven zu schreiben und das wäre dann wohl eine Dystopie.
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Hanna am 25. April 2011, 21:01:00
Zitat von: Schommes am 25. April 2011, 11:14:24
@ Gothanna:
Danke für den Hinweis. Da hatte ich jetzt wirklich nicht mit gerechnet.
Fahrenheit 451 ist große Kunst, aber wo ist Deine fünfsätzige Beschreibung???  ;)

Total Recall passt hier übrigens super hin, weil es der literarischen Vorlage eines Autors entstammt, der die Vorlagen für ein halbes Dutzend verfilmter Dystopien geliefert hat. Wer ihn zuerst nennt, bekommt drei Smileys.

Fünfsätzige Beschreibungen hebe ich mir für nervige Exposées auf.

Philip K. Dick - I guess?
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Grey am 25. April 2011, 21:30:52
Zitat von: Schommes am 25. April 2011, 19:34:07
Ich nehme mal wieder Panem als Ausgangspunkt. Hier scheint Einigkeit zu bestehen, dass es sich dabei um eine Dystopie handelt. Panem hat für mich aber gerade keinen politischen Kern, jedenfalls keinen ernstzunehmenden.

Also, betrachtet man Collins' Biografie und ihren Bezug zum TV-Business, erkennt man den dystopischen Ansatz als Kritik der übertriebenen Medien- und Wohlstandsgesellschaft sehr deutlich, finde ich. Panem empfinde ich unbedingt als Dystopie im ursprünglichen Sinn, nur dass sie eben von der Schattenseite aus erzählt wird. So stark zu überzeichnen ist ja auch gerade ein Mittel, um diesen Ansatz besonders deutlich herauszustellen, was in Panem ja auch sehr gelungen ist, finde ich. Natürlich will sie auch unterhalten, aber das Eine schließt das Andere ja nicht aus. Ich finde so eine Kombination von ernsten Themen und hohem Unterhaltungswert sehr erstrebenswert.

An deiner Definition von Dystopien stößt mir ein wenig auf, dass du mindestens einen extrem negativen Faktor in der Gesellschaft voraussetzt. Das ist mir zu plakativ. Für mich ist es grundsätzlich, aber gerade auch bei Dystopien wichtig, dass eben nicht schwarzweiß gemalt wird, sondern die dystopische Gesellschaft auch nachvollziehbar ist - warum sie so geworden ist, warum man sie durchgesetzt hat (vielleicht sogar mit Gewalt) und warum vielleicht viele der Menschen, die in dieser Gesellschaft leben, sogar recht zufrieden damit sind, solang sie nicht hinter die Fassade schauen. Tatsächlich gebe ich Churke darin Recht, dass die Übergänge zwischen Utopie und Dystopie sehr fließend sind, und dass zu einer Dystopie auch eine Utopie gehört, die ihr zu Grunde liegt.

Zitat von: Schommes am 25. April 2011, 19:34:07
Vom SF unterscheidet sich die Dystopie dadurch, dass sie in der Regel ohne fantastisch anmutende Techniksprünge und Aliens auskommt.
Von der normalen Fantasy unterscheidet sie sich dadurch, dass sie generell nicht märchenhaft daher kommt, sondern durchaus in der Realität verankert ist.

Auch SF kann sehr gut ohne Techniksprünge und Aliens auskommen. Science Fiction beschäftigt sich mit theoretisch möglichen wissenschaftlichen Entwicklungen und Entdeckungen von unserem jetzigen Wissensstand aus. Das können bahnbrechende Technologien oder extraterrestrische Lebensformen sein, aber das sind keine Bedingungen für einen SF-Roman. Auch Frank Schätzings "Der Schwarm" zum Beispiel ist SF.

Und normale Fantasy - damit meinst du vermutlich dann alle Fantasy die nicht in unserer Welt spielt? Denn Fantasy kann ja durchaus auch sehr gut in der Realität verankert sein. Eins der populärsten Beispiele dafür ist vermutlich Harry Potter.
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Schommes am 25. April 2011, 22:47:43
 :) :) :) für Gothanna minus einen halben  :), denn Exposés sind nicht nervig, sondern notwendiges Eigenmarketing.

@Churke und Grey.
OK vielleicht kann man so resümieren. Ihr betrachtet es eher literaturwissenschaftlich und ich eher methodisch. Ich fordere Euch freundschaftlich heraus, selber eine Positivdefinition der literarischen Dystopie zu liefern, so wie ich es zumindest versucht habe. Mindestanforderung: narrative Tauglichkeit.
Und jetzt gute Nacht alleseits. Kann nicht versprechen, dass ich die nächsten zwei Tage online bin. Muss zum Jobben leider pendeln. Da ist Internet bzw. Pause nicht immer gewährleistet.  ;)
Liebe Grüße, Thomas
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Lynn am 25. April 2011, 23:35:11
Zitat von: Schommes am 25. April 2011, 22:47:43
:) :) :) für Gothanna minus einen halben  :), denn Exposés sind nicht nervig, sondern notwendiges Eigenmarketing.

Exposés sind das nervigste, was die Buchbranche erfunden hat. Das Letzte, als was ich sie bezeichnen würde ist 'Eigenmarketing'. Dummer Weise kommt man nicht um sie drum herum. - Wobei ich wette, dass es Autoren gibt, bei denen auch das nicht stimmt.   :psssst:  :ätsch:

Soweit meine 50 cent. Zum Rest kann ich nichts sagen, da ich ihn nur überflogen habe  :omn:
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Lavendel am 25. April 2011, 23:37:42
Zitat von: Schommes am 25. April 2011, 22:47:43
OK vielleicht kann man so resümieren. Ihr betrachtet es eher literaturwissenschaftlich und ich eher methodisch.
Literaturwissenschaft ist methodisch, aber ich vermute du möchtest es von der Seite des Autors aus betrachten und die praktische Umsetzung diskutieren? Das ist natürlich legitim, rüttelt aber nicht an der Genredefinition, die gerade bei der Dystopie sehr eng ist, viel enger als bei SF oder Fantasy. Das bedeutet natürlich nicht, dass Dystopien alle gleich wären, aber sie weisen notwendigerweise das Kriterium eines negativen alternativen Gesellschaftsentwurfs auf. Häufig bezieht sich das auf die Einschränkung der individuellen Freiheit und die Vernichtung der eigenen Geschichte bzw. Kulturgüter (um Freiheits- und Revolutionsgedanken vorzubeugen). Dabei überspitzt sie Zustände der bestehenden Gesellschaft, um vor ihnen zu warnen.

Das erklärt sich schon, wenn man sich anschaut, wann die ersten Dystopien erschienen. Anklänge finden sich sicher schon bei 'Frankenstein', also bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts, aber die ersten echten Dystopien gab es eben erst zur Jahrhundertwende. Zu einer Zeit, als der Nationalismus seinen Höhepunkt erreicht hatte, als die großen Industriestaaten einen imperialistischen Wettstreit leisteten, der, wir wissens, im ersten Weltkrieg mündete. Sowohl das rasante Wachstum der Industrie, als auch die Massenbewegungen des Nationalismusn weckten nicht nur Begeisterung, sondern zunehmend auch Ängste. Wenn man sich diesen Hintergrund ansieht, dann ist schnell klar, woher die Dystopie eigentlich kommt und wieso sie in diesen engen Grenzen stattfindet und wieso sie sich um totalitäre Regime dreht.


Zitat von: Schommes am 25. April 2011, 22:47:43
Ich fordere Euch freundschaftlich heraus, selber eine Positivdefinition der literarischen Dystopie zu liefern, so wie ich es zumindest versucht habe. Mindestanforderung: narrative Tauglichkeit.
Wieso Positivdefinition? Wie willst du ein Genre, dass sich über den negativen Gesellschaftsentwurf definiert, mit positiven Begriffen belegen? Und mir ist die literaturwissenschaftliche Definition ehrlichgesagt tauglich genug. Wenn sich ein Autor vornimmt, eine Dystopie zu schreiben, dann liegt die narrative Umsetzung allein in seiner Verantwortung. Was willst du mehr tun, als die genrespezifischen Kriterien aufzulisten.

Und was die Exposés angeht, die können wir getrost an anderer Stelle üben. Ich finde das Thema eigentlich zu interessant, um diesen Thread in Inhaltsangaben zu ertränken.
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Schommes am 26. April 2011, 06:48:05
@ Lynn:
Mit Verlaub. Das sind keine 50 cent, das ist nicht mal n Dime. Du verhältst Dich mit so ner Aussage wie ein Bäcker, der die besten Brötchen backt, aber sich weigert, sie am Tresen anzupreisen, weil ihm das zu anstrengend und unter seiner Würde ist.

@Lavendel:
Richtig. Mir geht es mehr um die praktische Umsetzbarkeit als ein literaturtheoretisches Konzept, wie richtig das aus wissenschaftlicher Sicht aus immer ist.  Aus demselben Grund ist die Herkunftsbeschreibung zwar erhellend aber für die praktische Umsetzung auch nicht ausreichend.
Mit Positivdefinition meine ich doch nicht, dass Du jetzt die Dystopie schönfärben sollst, sondern dass Deine Definition sich bitte nicht darauf beschränken soll, meinen - sicherlich unzulänglichen - Versuch zu negieren, sondern einen eigenen zu wagen. Und mit narrativer Tauglichkeit meine ich, dass die Definition ein Beitrag zur praktischen Umsetzung und nicht zur literaturwissenschaftlichen Diskussion sein sollte.
Und nichts für ungut, aber mit dem Hinweis, das Erzählen der Geschichte liege in der Eigenverantwortung des Autors und deswegen brauche man nicht drüber zu reden, könnte man das Forum hier auch gleich dicht machen. Wenn Dir diese Diskussion natürlich zu banal und der Rede nicht wert ist, na ja dann ... ist es eben so.
Ich muss jetzt in das eiserne Ross.

Liebe Grüße auch an alle andern,

Thomas ;)

Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Grey am 26. April 2011, 09:48:11
Zitat von: Schommes am 26. April 2011, 06:48:05
@ Lynn:
Mit Verlaub. Das sind keine 50 cent, das ist nicht mal n Dime. Du verhältst Dich mit so ner Aussage wie ein Bäcker, der die besten Brötchen backt, aber sich weigert, sie am Tresen anzupreisen, weil ihm das zu anstrengend und unter seiner Würde ist.

Also, ich behaupte jetzt einfach mal, dass Lynn mehr Erfahrung mit Exposés hat als die meisten von uns, und vor allem dass ihre Meinung eine sehr gut nachvollziehbare ist. Das hat auch nichts mit "unter-meiner-Würde" zu tun, sondern mit der schlichten Schwierigkeit, ein vernünftiges Exposé zu schreiben. Oder - Hand aufs Herz - schreibst du gern Exposés und hast keine Schwierigkeiten damit? Dann, muss ich ganz ehrlich sagen, hast du meinen Respekt und auch ein bisschen Neid, denn ja: Ich finde Exposés in den allermeisten Fällen schrecklich nervig und anstrengend, und meine würden auch niemalsnicht zum Eigenmarketing taugen. Ich reiche sie bloß vertrauensvoll an meine Agentin weiter, die dann schon die echten Marketingtexte draus zaubert. Die hat dafür nämlich ein wesentlich besseres Händchen. ::)

Zitat von: Schommes am 26. April 2011, 06:48:05
Mit Positivdefinition meine ich doch nicht, dass Du jetzt die Dystopie schönfärben sollst, sondern dass Deine Definition sich bitte nicht darauf beschränken soll, meinen - sicherlich unzulänglichen - Versuch zu negieren, sondern einen eigenen zu wagen. Und mit narrativer Tauglichkeit meine ich, dass die Definition ein Beitrag zur praktischen Umsetzung und nicht zur literaturwissenschaftlichen Diskussion sein sollte.

Jetzt wüsste ich aber doch gern mal, was dir daran:

Zitat von: Grey am 25. April 2011, 21:30:52
Für mich ist es grundsätzlich, aber gerade auch bei Dystopien wichtig, dass eben nicht schwarzweiß gemalt wird, sondern die dystopische Gesellschaft auch nachvollziehbar ist - warum sie so geworden ist, warum man sie durchgesetzt hat (vielleicht sogar mit Gewalt) und warum vielleicht viele der Menschen, die in dieser Gesellschaft leben, sogar recht zufrieden damit sind, solang sie nicht hinter die Fassade schauen. Tatsächlich gebe ich Churke darin Recht, dass die Übergänge zwischen Utopie und Dystopie sehr fließend sind, und dass zu einer Dystopie auch eine Utopie gehört, die ihr zu Grunde liegt.

zu literaturwissenschaftlich und nicht praktisch genug ist? ??? Gilt das jetzt nicht, weil ich nicht "Ich schreibe jetzt eine Definition" drübergeschrieben habe? Habe ich ja auch nicht im engeren Sinne, aber warum muss die Antwort ein direkter Gegenentwurf sein? Ich habe ja deinen Ansatz nicht grundsätzlich negieren wollen, sondern vielmehr hinzufügen, was aus meiner Sicht noch dazugehören sollte. Das ist ja hier keine Grundsatzdiskussion, wo zwei festgefahrene Meinungen vertreten werden, die am Ende doch nicht vereinbar sind. So weit entfernt sind die Standpunkte jetzt nicht, so sehe ich das zumindest. Und es ist ganz bestimmt nicht als Schlechtreden gemeint, wenn ich mir deine Definition und deine Aussagen im Allgemeinen aufmerksam durchlese, im Einzelnen darauf eingehe und erkläre, warum ich mit welchem Teil davon nicht konsens gehe. Tatsächlich fände ich es sehr nett, wenn du auch auf meinen Beitrag eingehen könntest ...? Ich habe mir mit dem Verfassen nämlich auch Mühe gegeben und wäre an deiner Meinung interessiert.
Ich bin im Übrigen kein Literaturwissenschaftler. Ich bin, wie du, Unterhaltungsschriftsteller (wobei sich das auch nicht ausschließt, aber in meinem Fall habe ich von LitWi tatsächlich keine Ahnung. ;)) Und natürlich geht mir der Unterhaltungswert einer Geschichte über starre Genrekonventionen, und ja, ich schreibe grundsätzlich nur das was mir Spaß macht - und schaue dann am Ende, in welches Genre die Geschichte vielleicht am besten passt. Oft in keines so recht. Aber dann sage ich halt, na ja, es ist z.B. ein Vampirroman ohne Kitschromanze mit SF- und Dystopieelementen und, äh, ein bisschen Splatteraction. 8) Und? Ist doch okay. Dann kann man es in vielen Kategorien anbieten und viele Leser glücklich machen. ;D Da brauche ich doch nicht ein Genre neu zu definieren, damit mein Buch da rein passt. ;)
Wenn ich mir den Promotext von deinem Roman so ansehe, dann hat es ja durchaus was von einer Dystopie selbst in unserem verkopften Literaturwissenschaftlichen Sinn. ;) Du hast eine Gesellschaft, die ihre Bewohner belügt und behauptet, das Leben wie es ist wäre das Beste für sie - dabei ist es das offensichtlich nicht. Dann hast du Endzeit drin und ein bisschen SF ... ist doch prima.
Wenn man einen Begriff definiert, dann bedeutet das ja immer, man setzt notwendige Voraussetzungen, die gegeben sein müssen, wenn etwas unter diesen Begriff fallen soll. Daher fühlen sich Neudefinitionen beim Schreiben für mich immer etwas kontraproduktiv an. Wenn eine Geschichte gut ist, ist sie gut, und Genres oder Settings zu mischen ist auch nicht verboten ... da brauche ich, persönlich, einfach keine neue Definition.
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Churke am 26. April 2011, 11:50:19
Auch ich bin kein Literaturwissenschaftler und wollte meine Wortmeldung(en) auch nicht als literaturwissenschaftlichen Beitrag verstanden wissen.
Regel und Definitionen mögen zunächst einmal doof erscheinen - erleichtern aber letztlich die Arbeit, weil sie das Feld abstecken, dass man bestellen möchte. Wenn man aus dem Bauch und in den Tag hinein schreibt, dann ist das per se noch nicht schlecht, aber eben mit dem Risiko behaftet, dass man sich verzettelt und die maximal mögliche Wirkung verfehlt.

Was ist denn der Reiz einer Dystopie? Ich kann den dystopischen Staat zweidimensional als bloße Kulisse in Szene setzen, vor der sich die Handlung abspielt. Aber verschenke ich dann nicht einen Gutteil ihrer Wirkung? Zumal eine glaubwürdige und durchdachte Dystopie notwendigerweise von philosophisch-politischen, ja, ethischen Fragestellungen begleitet ist.
Daraus folgere ich, dass eine wirkungsvolle (wir reden hier ja über Handwerk und Methode) Dystopie einen Bezug zur Jetztzeit haben sollte.
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Lavendel am 26. April 2011, 12:23:33
Schommes, du musst mir bitte noch mal erklären, was du an der literaturwissenschaftlichen Definition für nicht praktisch umsetzbar hälst und welche Aspekte genau dir dabei fehlen. Ich will nicht sagen, dass man immer in einem Genrekorsett schreiben muss, und dass eine Geschichte mit dystopischen Elementen, die aus wissenschaftlicher Sicht vielleicht keine klassische Dystopie ist, nicht gut und lesenswert sein kann. Es ging mir erstmal darum, den Rahmen abzustecken, in dem wir uns bewegen. Von da aus kann man dann gut den ein oder anderen Schritt weitergehen und die Genregrenzen auch dehnen oder überschreiten.

Dass jeder Autor selbst verantwortlich ist soll heißen, dass der Spielraum innerhalb der Genregrenzen dann schon da ist, zum Beispiel, was das 'Design' des Regimes, bzw der dystopischen Gesellschaft angeht. Ich denke von der praktischen Seite aus, könnte man vielleicht den Protagonisten diskutieren, der aber vermutlich auch immer einen ähnlichen inneren Konflikt durchlebt: Vom angepassten 'Schaf' zum Rebell gegen das System (manchmal auch unfreiwillig, weil er zufällig zwischen die Fronten gerät).

Was mich interessieren würde, sind die Unterschiede zwischen den klassischen Dystopien wie '1984' oder 'Brave New World' und den Dystopien des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts. Ich bin da leider nicht so firm, was Romane angeht.
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Schreinhüter am 26. April 2011, 20:38:40
Nun, ich erdreiste mich einmal auf eine der Anfangsaussagen Bezug zu nehmen, die mich doch in der Federseele getroffen haben. Unterrepräsentiert? Dystopien? Wenn ich mich richtig umblicke sind die aktiven Schreiberlinge hier mehr als interessiert am Thema und setzen es passioniert um. Schön auch zu sehen, mit welchen grundlegenden Konzepten diese ausgeführt werden. Denn wie wir nun bereits in dem, von Ausrufe- und Fragezeichen so durchwobenem, Thread erfahren haben gibt es feste Definitionen und große Abweichungen davon. Erfreulich auch der Hinweis auf das generelle Interesse - oder eben den abgefahrenen Zug bei den Verlagen mit den vergebenen Plätzen. Ich bin ein großer Freund und Liebhaber von Dystopien, dass sie sogar zu einem Bestandteil meiner Magisterarbeit in der Kunstgeschichte werden soll. Ein Kapitel dafür ist fest vergeben, es reicht von der realen Dystopie in den Weltkriegen zu den Vermittlungen in den Bildwerken der Künstler vor Ort. Bestia war ein solches dystopisches Projekt von mir. Eine alternative Rückschau auf einen gescheiterten Zustand in einer Steampunk-Welt (was, mit Verlaub, ebenfalls kein Begriff ist, der sich in Bronze gießen lässt) und eine kritische, gesellschaftliche Horrorvision. Auch mein nächstes Projekt wird dystopischer Natur, und - wir wollen ja zurück zum Topic, wird Magier beinhalten. Diese Herren ignorieren guten Gewissens und leider schlechter Lebensgeschichte halber den gut gemeinten Rat von eben einer solchen Dystopia fern zu bleiben. Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass die Magier sie begründen werden...Als mir enorm interessantes Beispiel in den Medien nenne ich die Stadt der verlorenen Kinder  (Steampunk)  und Lord of the Flies in der Literatur.
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: zDatze am 27. April 2011, 13:29:52
Müssen Engel auch draußen bleiben? ;D
Wobei mich der Thread gerade wieder stark ins Wanken bringt, ob meine Idee überhaupt hier einzuordnen ist. An sich habe ich unter Dystopie immer eine Welt oder ein System verstanden, das aus irgendeinem Grund völlig hinüber ist. Oder zumindest für den/die Prota eine enorme Belastung darstellt. Das müsste dann aber eher Endzeit sein, oder? *sigh* Besser ich zerbreche mir darüber nicht weiter den Kopf. An sich ist "Dystopie" aber auch nur wieder ein Label. Es geht doch darum ein spannendes Buch zu schreiben. Ob es jetzt Dystopie mit einem Steampunk/Engel/Magier/Ork-Einschlag ist, spielt doch an sich nur eine untergeordnete Rolle. Zumindest für mich. Ich mag Crossover und gerade in Kombination mit einer Dystopie kommen da garantiert interessante Storys raus. :D
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Grey am 27. April 2011, 13:39:55
Ich denke, mit der Dystopie wird im allgemeinen Sprachgebrauch über kurz oder lang ähnliches passieren wie mit dem Urban Fantasy Begriff. Inzwischen ist alles Urban, was in unserer Realität verankert ist - ob es nun wirklich in einem urbanen Setting nach der ursprünglichen Wortbedeutung spielt, ist erstmal zweitrangig.

Genauso wird vermutlich auch Dystopie mehr und mehr mit Endzeit in einen Topf geworfen werden, weil es einfach ganz gut zusammenpasst. Ist ja auch nicht schlimm - umso hemmungsloser kann man sich austoben. ;D
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Lavendel am 27. April 2011, 13:48:30
Zitat von: Grey am 27. April 2011, 13:39:55
Genauso wird vermutlich auch Dystopie mehr und mehr mit Endzeit in einen Topf geworfen werden, weil es einfach ganz gut zusammenpasst. Ist ja auch nicht schlimm - umso hemmungsloser kann man sich austoben. ;D

Das habe ich auch gedacht, als ich mir die Liste von Dystopien im Wikipediaartikel angesehen habe. Da stehen ebenfalls einige Endzeitsachen drin. 'Die Straße' hatte Schommes glaube ich da schon angesprochen. Nur so als Beispiel.
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: RubinaGela am 27. April 2011, 14:01:23
Zitat von: zDatze am 27. April 2011, 13:29:52
Es geht doch darum ein spannendes Buch zu schreiben. Ob es jetzt Dystopie mit einem Steampunk/Engel/Magier/Ork-Einschlag ist, spielt doch an sich nur eine untergeordnete Rolle. Zumindest für mich. Ich mag Crossover und gerade in Kombination mit einer Dystopie kommen da garantiert interessante Storys raus. :D

Kann ich genau so unterschreiben. Die Mischung macht's. Und die Idee, die Story, die Spannung, die (grenzenlose!) Phantasie - und zuletzt: Freiheit für den Autor!  :pompom:  *Banner-Smiley zück*
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Erdbeere am 27. April 2011, 23:59:28
Was Dystopien und Crossover angeht, halte ich mich an die Japaner. Die haben so wunderbar geniale Geschichten wie Ergo Proxy und Jin-Roh geschaffen.

Dystopien müssen nicht streng nach Definition gehalten werden. Dann würde ja jeder nur noch das gleiche schreiben, oder? Klar, ein Genre bleibt ein Genre, aber heutzutage gebraucht man eine spezifische Bezeichnung meist nur noch, um dem Leser die Hauptrichtung der Story zu geben. Auf welchem Buchcover steht schon "Eine Mystery-Urban-Fantasy-Dystopie"?
Auch Frank Schätzings "Der Schwarm" weist dystopische und endzeitliche Züge auf, ich selbst würde das Buch allerdings als Wissenschafts-Thriller bezeichnen. Gerade der Mix macht eine gute Geschichte doch aus, finde ich.
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Schommes am 29. April 2011, 22:42:15
Zitat von: Grey am 26. April 2011, 09:48:11
Also, ich behaupte jetzt einfach mal, dass Lynn mehr Erfahrung mit Exposés hat als die meisten von uns, und vor allem dass ihre Meinung eine sehr gut nachvollziehbare ist. Das hat auch nichts mit "unter-meiner-Würde" zu tun, sondern mit der schlichten Schwierigkeit, ein vernünftiges Exposé zu schreiben. Oder - Hand aufs Herz - schreibst du gern Exposés und hast keine Schwierigkeiten damit?::)
Sagen wir mal so: Ich schreibe lieber ein knackiges Exposé mit 50 ersten Seiten, als ein komplettes Manuskript, dass dann keiner Lesen will. Was mich darüber hinaus an Lynns Beitrag gestört hat, war dies flappsige ,,Malebenreingehüpfe". Als Profischriftstellerin kann sie es sich wahrscheinlich leisten, in solchen Sachen etwas laxer zu sein. Aber in diesem Forum sind auch (mich eingeschlossen) eine Menge nicht so arrivierte Kollegen unterwegs, die sich zum Teil von anderen Kollegen mit Pfannen über den Kopf hauen lassen um die Disziplin aufzubringen, die sie so galant nonchalant von sich weist.
Zitat von: Grey am 26. April 2011, 09:48:11
Ich reiche sie bloß vertrauensvoll an meine Agentin weiter, die dann schon die echten Marketingtexte draus zaubert. Die hat dafür nämlich ein wesentlich besseres Händchen. ::)
Echt??? Jetzt bin ich neidisch. Bei meinem muss ich das alles fein selber machen.
Zitat von: Grey am 26. April 2011, 09:48:11
Jetzt wüsste ich aber doch gern mal, was dir daran:

zu literaturwissenschaftlich und nicht praktisch genug ist? ??? Gilt das jetzt nicht, weil ich nicht "Ich schreibe jetzt eine Definition" drübergeschrieben habe? Habe ich ja auch nicht im engeren Sinne, aber warum muss die Antwort ein direkter Gegenentwurf sein? Ich habe ja deinen Ansatz nicht grundsätzlich negieren wollen, sondern vielmehr hinzufügen, was aus meiner Sicht noch dazugehören sollte. Das ist ja hier keine Grundsatzdiskussion, wo zwei festgefahrene Meinungen vertreten werden, die am Ende doch nicht vereinbar sind. So weit entfernt sind die Standpunkte jetzt nicht, so sehe ich das zumindest. Und es ist ganz bestimmt nicht als Schlechtreden gemeint, wenn ich mir deine Definition und deine Aussagen im Allgemeinen aufmerksam durchlese, im Einzelnen darauf eingehe und erkläre, warum ich mit welchem Teil davon nicht konsens gehe. Tatsächlich fände ich es sehr nett, wenn du auch auf meinen Beitrag eingehen könntest ...?
Ich werd's versuchen:  Dazu muss ich ein bisschen ausholen. Meine erster Versuch als Schreiberling vor ca. zehn Jahren, war der typische, selbstbezogene  Anfängerfreestylemist, der erwartbarerweise durch einen Absagehagel bestraft wurde.
Ein heilsamer Schock, der mich dann dazu gebracht hat, mich in die Schreibtheorie von Aristoteles bis Creative Writing zu stürzen. Besonders geprägt hat mich Campbell mit dem Monomythos und seine Epigonen. Seitdem glaube ich fest an Strukturen, Konventionen und Herangehensweisen. Zum Beispiel hat mir ein Krimischriftsteller erzählt, dass Mordgeschichten immer von der Auflösung her konstruiert werden, also von hinten nach vorne. Ich vermute, solche genreabhängigen Strukturen gibt es überall. Deswegen reite ich so auf den Definitionen rum. Wobei Du Recht hast. Unsere liegen nur um Haaresbreite auseinander und die Differenz läuft auf eine reine Geschmacksfrage hinaus.
Wo ich allerdings abweiche ist die Art der Theoriendarstellung. Das liegt wohl daran, dass ich mit Leib und Seele Lehrer bin (meine Frau sagt dazu ,,manischer Klugscheißer").  Ich versuche die Theorien daher immer so zu fassen, dass auch ein Foren- bzw. Schreibneuling daraus sofort einen praktischen Ansatz entwickeln kann, also eine Struktur. Ich bin zwar keinesfalls der Meinung, dass man Romane nach Schema F schreiben kann (dann hätte ich mich wohl auch längst zur Ruhe gesetzt), aber ich bin der Meinung, dass man die Genrekonventionen perfekt beherrschen muss, um gute Umsetzungen zu liefern.
Zitat von: Grey am 26. April 2011, 09:48:11
Ich habe mir mit dem Verfassen nämlich auch Mühe gegeben
Sehe ich auch so.
Zitat von: Grey am 26. April 2011, 09:48:11
Ich bin im Übrigen kein Literaturwissenschaftler. Ich bin, wie du, Unterhaltungsschriftsteller (wobei sich das auch nicht ausschließt, aber in meinem Fall habe ich von LitWi tatsächlich keine Ahnung. ;)) Und natürlich geht mir der Unterhaltungswert einer Geschichte über starre Genrekonventionen, und ja, ich schreibe grundsätzlich nur das was mir Spaß macht - und schaue dann am Ende, in welches Genre die Geschichte vielleicht am besten passt. Oft in keines so recht. Aber dann sage ich halt, na ja, es ist z.B. ein Vampirroman ohne Kitschromanze mit SF- und Dystopieelementen und, äh, ein bisschen Splatteraction. 8) Und? Ist doch okay. Dann kann man es in vielen Kategorien anbieten und viele Leser glücklich machen. ;D Da brauche ich doch nicht ein Genre neu zu definieren, damit mein Buch da rein passt. ;)
Und genau dafür bin ich viel zu ängstlich. Bevor ich mich traue, eine eklektizistische Kathedrale zu bauen, will ich erst genau wissen, wie man eine romanische, gotische oder byzantinische baut.
Zitat von: Grey am 26. April 2011, 09:48:11
Wenn ich mir den Promotext von deinem Roman so ansehe, dann hat es ja durchaus was von einer Dystopie selbst in unserem verkopften Literaturwissenschaftlichen Sinn. ;) Du hast eine Gesellschaft, die ihre Bewohner belügt und behauptet, das Leben wie es ist wäre das Beste für sie - dabei ist es das offensichtlich nicht. Dann hast du Endzeit drin und ein bisschen SF ... ist doch prima.
Damn right. Aber stell Dir vor. Ein Buch davor hatte ich auch etwas geschrieben, was meinem Empfinden nach eine klassische Dystopie war. Antwort der Verlage an meinen Agenten war fast unisono: ,,Nett geschrieben, aber zu viel SF für reinen Thriller, zu wenig SF für richtige SF, kurzum: nicht Fisch, nicht Fleisch." Und weißt Du warum? *dramatischePausemach* Weil es vor vier Jahren auf dem deutschen Markt den Begriff Dystopie noch nicht gab. Den mussten erst die Amis hier rüber schwappen lassen. Und gleichkriege ich Pickel und Magengeschwüre. Warum rennen wir den Amis immer um eine Nasenlänge hinterher. Sogleich schrillt die Antwort in meinem Kopf: Weil die Amis uns eine viel marktorientiertere, akademischere, strukturiertere Schreibkultur haben als wir und nicht noch so von diesem dussligen SturmundDrangGeniekult geprägt sind.
Zitat von: Grey am 26. April 2011, 09:48:11
Wenn man einen Begriff definiert, dann bedeutet das ja immer, man setzt notwendige Voraussetzungen, die gegeben sein müssen, wenn etwas unter diesen Begriff fallen soll. Daher fühlen sich Neudefinitionen beim Schreiben für mich immer etwas kontraproduktiv an. Wenn eine Geschichte gut ist, ist sie gut, und Genres oder Settings zu mischen ist auch nicht verboten ... da brauche ich, persönlich, einfach keine neue Definition.
Wie gesagt ... dafür bin ich zu beamtisch. Erst einmal Genres definieren ... dann mischen. Das passt für mich.
Zitat von: Churke am 26. April 2011, 11:50:19
Auch ich bin kein Literaturwissenschaftler und wollte meine Wortmeldung(en) auch nicht als literaturwissenschaftlichen Beitrag verstanden wissen.
Super. Dann sind wir schon drei. ;-)
Zitat von: Churke am 26. April 2011, 11:50:19
Regel und Definitionen mögen zunächst einmal doof erscheinen - erleichtern aber letztlich die Arbeit, weil sie das Feld abstecken, dass man bestellen möchte. Wenn man aus dem Bauch und in den Tag hinein schreibt, dann ist das per se noch nicht schlecht, aber eben mit dem Risiko behaftet, dass man sich verzettelt und die maximal mögliche Wirkung verfehlt.
Hätt ich nicht besser sagen können.
Zitat von: Churke am 26. April 2011, 11:50:19
Was ist denn der Reiz einer Dystopie? Ich kann den dystopischen Staat zweidimensional als bloße Kulisse in Szene setzen, vor der sich die Handlung abspielt. Aber verschenke ich dann nicht einen Gutteil ihrer Wirkung? Zumal eine glaubwürdige und durchdachte Dystopie notwendigerweise von philosophisch-politischen, ja, ethischen Fragestellungen begleitet ist.
Da bin ich wieder ein kleiner Feigling, weil ich die Befürchtung habe, dass ein Anfänger wie ich, der versucht eine Botschaft in ein Buch zu packen, möglicherweise schnell in Gefahr gerät, ein krampfiges Politpamphlet abzuliefern. Auch hier möchte ich erst Mal mein Handwerk beherrschen lernen, und eine meinethalben seichte Unterhaltungsdystopie schreiben, bevor ich mich daran wage, das ganze bei einem dritten oder vierten Buch gehaltvoll anzureichern. Die Collins hat halt schon einen Haufen Schreiberfahrung.
Zitat von: Lavendel am 26. April 2011, 12:23:33
Schommes, du musst mir bitte noch mal erklären, was du an der literaturwissenschaftlichen Definition für nicht praktisch umsetzbar hälst und welche Aspekte genau dir dabei fehlen. Ich will nicht sagen, dass man immer in einem Genrekorsett schreiben muss, und dass eine Geschichte mit dystopischen Elementen, die aus wissenschaftlicher Sicht vielleicht keine klassische Dystopie ist, nicht gut und lesenswert sein kann. Es ging mir erstmal darum, den Rahmen abzustecken, in dem wir uns bewegen. Von da aus kann man dann gut den ein oder anderen Schritt weitergehen und die Genregrenzen auch dehnen oder überschreiten.
Wie gesagt ... inhaltlich liegen wir da alle sicherlich dicht beieinander. Aber mir ging es um die Form der Darstellung ... quasi so eine Art Leitfaden.
Genregrenzen überdehnen würde ich mich halt erst dann trauen, wenn ich mir der roten Linie sicher bin.
Zitat von: Lavendel am 26. April 2011, 12:23:33
Dass jeder Autor selbst verantwortlich ist soll heißen, dass der Spielraum innerhalb der Genregrenzen dann schon da ist, zum Beispiel, was das 'Design' des Regimes, bzw der dystopischen Gesellschaft angeht. Ich denke von der praktischen Seite aus, könnte man vielleicht den Protagonisten diskutieren, der aber vermutlich auch immer einen ähnlichen inneren Konflikt durchlebt: Vom angepassten 'Schaf' zum Rebell gegen das System (manchmal auch unfreiwillig, weil er zufällig zwischen die Fronten gerät).
Genau das meine ich. Und wenn wir noch ein wenig weiter drüber fachsimpeln, fallen uns bestimmt noch mehr typische Strukturen ein, sozusagen der dystopische Monomythos à la Campbell. 
Zitat von: Lavendel am 26. April 2011, 12:23:33
Was mich interessieren würde, sind die Unterschiede zwischen den klassischen Dystopien wie '1984' oder 'Brave New World' und den Dystopien des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts. Ich bin da leider nicht so firm, was Romane angeht.
Hmmm ... würde sagen: 1984, Brave New World und Fahrenheit 451, auch Herr der Fliegen reflektieren direkt auf Faschismus und Krieg. Die neueren Dystopien, so ab der 70er mit Philipp K. Dick zielen auf die Gefahren ungebrochenen Fortschrittsglaubens. Was meinst Du?
Coool, mir fällt gerade ein: Gibt es nicht noch eine viel ältere Dystopie? Die göttliche Komödie und ihre Höllenvision ist doch eine lupenreine Dystopie, oder nicht?
Zitat von: Schreinhüter am 26. April 2011, 20:38:40
Nun, ich erdreiste mich einmal auf eine der Anfangsaussagen Bezug zu nehmen, die mich doch in der Federseele getroffen haben. Unterrepräsentiert? Dystopien? Wenn ich mich richtig umblicke sind die aktiven Schreiberlinge hier mehr als interessiert am Thema und setzen es passioniert um. Schön auch zu sehen, mit welchen grundlegenden Konzepten diese ausgeführt werden. Denn wie wir nun bereits in dem, von Ausrufe- und Fragezeichen so durchwobenem, Thread erfahren haben gibt es feste Definitionen und große Abweichungen davon. Erfreulich auch der Hinweis auf das generelle Interesse - oder eben den abgefahrenen Zug bei den Verlagen mit den vergebenen Plätzen.
Wie gesagt: Vor vier Jahren gabs in D noch gar keine Plätze.
Zitat von: Schreinhüter am 26. April 2011, 20:38:40
Ich bin ein großer Freund und Liebhaber von Dystopien, dass sie sogar zu einem Bestandteil meiner Magisterarbeit in der Kunstgeschichte werden soll. Ein Kapitel dafür ist fest vergeben, es reicht von der realen Dystopie in den Weltkriegen zu den Vermittlungen in den Bildwerken der Künstler vor Ort.
Wow. Stellst Du dann eine Version davon hier online?!
Zitat von: Schreinhüter am 26. April 2011, 20:38:40
Bestia war ein solches dystopisches Projekt von mir. Eine alternative Rückschau auf einen gescheiterten Zustand in einer Steampunk-Welt (was, mit Verlaub, ebenfalls kein Begriff ist, der sich in Bronze gießen lässt) und eine kritische, gesellschaftliche Horrorvision. Auch mein nächstes Projekt wird dystopischer Natur, und - wir wollen ja zurück zum Topic, wird Magier beinhalten. Diese Herren ignorieren guten Gewissens und leider schlechter Lebensgeschichte halber den gut gemeinten Rat von eben einer solchen Dystopia fern zu bleiben. Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass die Magier sie begründen werden...
So etwas traue ich mich halt einfach noch nicht. Ich hätte dann Angst, dass mir das hoffnungslos durcheinander geht.
Zitat von: Schreinhüter am 26. April 2011, 20:38:40
Als mir enorm interessantes Beispiel in den Medien nenne ich die Stadt der verlorenen Kinder  (Steampunk)  und Lord of the Flies in der Literatur.
Yo! Danke für den alten Bal se bub. Hatte ich schon fast vergessen. Dabei ist das vielleicht sogar die stilistisch Beste.
Zitat von: zDatze am 27. April 2011, 13:29:52
Müssen Engel auch draußen bleiben? ;D
Engel sind natürlich herzlich willkommen.  Schade, dass ,,Legion" so dabei gegangen ist, dabei hatte ich nach dem Trailer große Hoffnungen reingesetzt.
Zitat von: zDatze am 27. April 2011, 13:29:52
Wobei mich der Thread gerade wieder stark ins Wanken bringt, ob meine Idee überhaupt hier einzuordnen ist. An sich habe ich unter Dystopie immer eine Welt oder ein System verstanden, das aus irgendeinem Grund völlig hinüber ist. Oder zumindest für den/die Prota eine enorme Belastung darstellt. Das müsste dann aber eher Endzeit sein, oder? *sigh* Besser ich zerbreche mir darüber nicht weiter den Kopf.
Lustig. Endzeit hätte ich jetzt selbst eher als Subgenre der Dystopie gesehen.
Zitat von: zDatze am 27. April 2011, 13:29:52
Ob es jetzt Dystopie mit einem Steampunk/Engel/Magier/Ork-Einschlag ist, spielt doch an sich nur eine untergeordnete Rolle. Zumindest für mich. Ich mag Crossover und gerade in Kombination mit einer Dystopie kommen da garantiert interessante Storys raus. :D
Tja, aber bevor die Red Hot Chilli Peppers Crossover gemacht haben, konnten sie sowohl Metal als auch Funk. Wie gesagt, ich würde mich das mit dem Mixen erst trauen, wenn ich weiß, was ich da eigentlich mixe.
Zitat von: Grey am 27. April 2011, 13:39:55
Ich denke, mit der Dystopie wird im allgemeinen Sprachgebrauch über kurz oder lang ähnliches passieren wie mit dem Urban Fantasy Begriff. Inzwischen ist alles Urban, was in unserer Realität verankert ist - ob es nun wirklich in einem urbanen Setting nach der ursprünglichen Wortbedeutung spielt, ist erstmal zweitrangig.

Genauso wird vermutlich auch Dystopie mehr und mehr mit Endzeit in einen Topf geworfen werden, weil es einfach ganz gut zusammenpasst. Ist ja auch nicht schlimm - umso hemmungsloser kann man sich austoben. ;D
Tja, bei mir schon immer derselbe Topf. So kann man auseinanderliegen. Aber schön, dass wir drüber geredet haben.
Zitat von: Lavendel am 27. April 2011, 13:48:30
Das habe ich auch gedacht, als ich mir die Liste von Dystopien im Wikipediaartikel angesehen habe. Da stehen ebenfalls einige Endzeitsachen drin. 'Die Straße' hatte Schommes glaube ich da schon angesprochen. Nur so als Beispiel.
Und ist ,,Die Straße" keine Dystopie im Wortsinne?!
Zitat von: RubinaGela am 27. April 2011, 14:01:23
Kann ich genau so unterschreiben. Die Mischung macht's. Und die Idee, die Story, die Spannung, die (grenzenlose!) Phantasie - und zuletzt: Freiheit für den Autor!  :pompom:  *Banner-Smiley zück*
Wer gut ist, kann und darf alles. Nur halte ich mich eben nicht für so gut, also sperre ich mich lieber erst Mal selber ein.
Zitat von: Erdbeere am 27. April 2011, 23:59:28
Was Dystopien und Crossover angeht, halte ich mich an die Japaner. Die haben so wunderbar geniale Geschichten wie Ergo Proxy und Jin-Roh geschaffen.
Upps. Kenn ich gar nicht.
Zitat von: Erdbeere am 27. April 2011, 23:59:28
Dystopien müssen nicht streng nach Definition gehalten werden. Dann würde ja jeder nur noch das gleiche schreiben, oder? Klar, ein Genre bleibt ein Genre, aber heutzutage gebraucht man eine spezifische Bezeichnung meist nur noch, um dem Leser die Hauptrichtung der Story zu geben. Auf welchem Buchcover steht schon "Eine Mystery-Urban-Fantasy-Dystopie"?
Müssen, muss überhaupt gar keiner. Aber bevor ich die Genrekonventionen lustvoll biege, breche und mische, muss ich doch erst Mal wissen, was ich überhaupt breche, gelle? Und nur weil die Grundstruktur dieselbe ist, sind die Geschichten ja nicht alle identisch. Im Gegenteil: Basismerkmal der narrativen Grundstruktur ist doch ihre Variabilität.

Sorry an alle, dass es so lange mit der Antwort gedauert hat. Zur Zeit ist hier etwas viel los.
Freue mich schon auf Eure Beiträge.
Thomas
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Churke am 30. April 2011, 00:27:00
Zitat von: Schommes am 29. April 2011, 22:42:15
Da bin ich wieder ein kleiner Feigling, weil ich die Befürchtung habe, dass ein Anfänger wie ich, der versucht eine Botschaft in ein Buch zu packen, möglicherweise schnell in Gefahr gerät, ein krampfiges Politpamphlet abzuliefern. Auch hier möchte ich erst Mal mein Handwerk beherrschen lernen, und eine meinethalben seichte Unterhaltungsdystopie schreiben, bevor ich mich daran wage, das ganze bei einem dritten oder vierten Buch gehaltvoll anzureichern.

M.E. ist das Design einer Dystopie nichts anderes als stinknormaler Weltenbau. Man benutzt nur anderes Handwerkszeug.
Das mit dem Plot zu verzahnen ist dann die eigentliche Arbeit.
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Erdbeere am 30. April 2011, 08:10:02
Zitat von: Schommes am 29. April 2011, 22:42:15
Upps. Kenn ich gar nicht.
...
Im Gegenteil: Basismerkmal der narrativen Grundstruktur ist doch ihre Variabilität.

Im Gegensatz zu Europa und Amerika ist in Japan die Fantasy und Dystopie in der breiten Masse verankert, dies dank der enormen Anerkennung von Manga und Anime. Gerade was Storyline, Setting und vor allem Grundhintergedanken in Sachen Moral in Dystopien angeht, kann man von den Japanern echt etwas lernen. Mach dich da mal schlau und schau dir einige Filme bzw. Serien an, lohnt sich auf jeden Fall.

Basismerkmale schön und gut, aber ich befürchte, dass mit dem Genre der Dystopie das gleiche geschieht wie mit dem der Vampire. Das wird nun gross auf den Markt geschwemmt, es kommen Jugendbücher und Romanzen hinzu und voilà, alles scheint ein Abklatsch.
Ich habe da ehrlich gesagt keine Lust, zehnmal das gleiche zu lesen. Bei Fantasy lege ich ein Buch enttäuscht weg, wenn ich merke, dass ich das so ähnlich schon einmal gelesen habe.
Für mich macht immer noch der gekonnte Mix die Würze aus.  :vibes:
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Lomax am 30. April 2011, 11:59:23
Zitat von: Schommes am 29. April 2011, 22:42:15Wo ich allerdings abweiche ist die Art der Theoriendarstellung. Das liegt wohl daran, dass ich mit Leib und Seele Lehrer bin (meine Frau sagt dazu ,,manischer Klugscheißer").  Ich versuche die Theorien daher immer so zu fassen, dass auch ein Foren- bzw. Schreibneuling daraus sofort einen praktischen Ansatz entwickeln kann, also eine Struktur.
Da muss ich doch noch einhaken - erinnert mich dieser Einwand doch sehr an ein Zitat aus meinem Studium. Dieser Professor sprach damals zwar über die Besonderheiten der Schulgrammatik, aber ich fand den Satz auch sonst sehr bedenkenswert: "Der Unterschied zwischen Schule und Wissenschaft ist der, dass ein Lehrer immer jeden Stoff auf eine eindeutige, abprüfbare Antwort reduzieren muss - egal wie falsch sie ist. Aber wenn man aus der Schule heraus ist, kann man auch akzeptieren, dass es auf manche Frage keine eindeutigen Antworten gibt und auch mal mehrere Wahrheiten gleichwertig nebeneinander existieren."
  Da ich schreiben prinzipiell für einen akademischen Beruf halte, würde ich mich da der Lehrersicht auch nicht anschließen wollen - auch wenn es sich angenehm anfühlen würde  für manchen Schreibschüler, eine algorithmisch ermittelbare Wahrheit über Dystopien zu hören, egal wie viele Aspekte, Entwicklungslinien und mögliche Widersprüche dafür ausgeklammert werden müssen. Mit all dem muss man sich m.E. nach auseinandersetzen und damit leben, dass man selbst seinen Weg dazwischen finden muss, wenn man Bücher schreiben will ;). Insofern sehe ich da also keinen Grund, warum man die literaturwissenschaftliche Definition herunterbrechen müsste - oder nicht deine und andere Definitionen einfach daneben stehen lassen kann und jeweils die Vorteile, Nachteile und Lücken der Ansätze diskutieren. Und zwar ohne sie auf ein Niveau und einheitliche Form zwecks Vergleichbarkeit zurechtzustutzen und am Ende "die eindeutig beste und einzig richtige" zu bestimmen - egal wie falsch sie ist. ;)

Das Problem mit Theorien, die auf praktische Ansätze reduziert werden, ist halt, dass sie meist eher Glaubenssätze und Lebenshilfe sind als echte Erkenntnisse. Man hält sich daran fest, fühlt sich sicher und geborgen und ignoriert so gut wie möglich alles, was nicht reinpasst - und das hilft in der Praxis tatsächlich oft weiter. Aber nicht, weil die praktische Anleitung gut wäre, sondern weil man damit einfach schneller und entschiedener etwas tut als manch anderer, der sich lange in widersprüchlichen Therien verfängt, sich verunsichern lässt und nicht vorankommt.
  Ich persönlich mag es allerdings lieber, sich das Wissen um die Komplexität und Uneindeutigkeit der Welt zu erhalten, und zumindest in theoretischen Diskussionen nicht auf einen "praxisorientierten" Konsens hinzuarbeiten, der letztendlich nur dazu dient, Widersprüche auszuklammern und sich gegenseitig zu bestätigen, dass man alles richtig macht und richtig machen kann. Darum kriege ich auch eher Bauchschmerzen, wenn Definitionen als "praktische Ansätze" anstatt von wissenschaftlich korrekten und empirischen Theorien entwickelt werden.

Und ganz nebenbei denke ich auch, dass Bücher besser werden, wenn Autoren intern mit einem komplexen, uneindeutigen Weltbild arbeiten und leben können und in jeder Phase ihrer Erkenntnisbildung mehr Angst vor falschen Wahrheiten zeigen als die Bereitschaft, zugunsten eindeutiger Antworten auch mal Kompromisse einzugehen. Von mir gibt's da also keine große Bereitschaft, in Diskussionen Krücken für "Schreibneulinge" zu verteilen, weil ich nicht glaube, dass Krücken eine gute Lauflernhilfe sind. ;)
  Und die Praxis sorgt ohnehin für sich selbst. Die Details und die Reichweiten von Genrekonventionen ändern sich schnell, und die konkreten Bücher bewegen sich da recht flexibel zwischen den Grenzen literaturwissenschaftlicher Theorien. Es macht also einen ziemlichen Unterschied, ob man davon spricht, was "die Dystopie" eigentlich ist und ausmacht, oder ob man darüber redet, was derzeit am Markt als "Dystopie" gehandelt wird, welche Formen dystopischer Literatur bzw. dystopischer Elemente in Literatur im Augenblick geschrieben und wie sie rezipiert werden. Da würde ich mich dann Grey anschließen und feststellen, dass für die Entwicklung des Genres die strikte Definition der Wortbedeutung erst mal zweitrangig ist. Was aber umgekehrt nicht bedeutet, dass man die literaturwissenschaftliche Definition der "Dystopie" an jeden Schlenker und jede Genrevermischung des Marktes anpassen muss. Der Markt geht seinen Weg, und im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte wird das Verständnis von "der Dystopie" die Summe dieser Bewegungen irgendwie aufgreifen. Aber bis es soweit ist, und wohl auch noch dann, gibt es durchaus ein Verständnis von "der Dystopie" als solcher, das unabhängig und neben der praktischen Ausprägung dystopischer Romane als "Ideal" existiert und an dem sich die praktischen Werke gemessen werden können.
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Sven am 30. April 2011, 12:38:00

Zitat von: Lomax"Der Unterschied zwischen Schule und Wissenschaft ist der, dass ein Lehrer immer jeden Stoff auf eine eindeutige, abprüfbare Antwort reduzieren muss - egal wie falsch sie ist.

Lehrer, die nach diesem Prinzip unterrichtet haben, habe ich gehasst. Die Welt ist nicht schwarz und weiß. Wenn man eine so vereinfachte Theorie vorgesetzt bekommt, verliert man den Blick auf die Realität. Dann werden diese Theorien/Regeln zur Maxime. Gerade Schreibforen sind voll davon. Natürlich erleichtern sie dem Anfänger die ersten Schritte, aber es ist so wie Lomax sagt:

ZitatUnd ganz nebenbei denke ich auch, dass Bücher besser werden, wenn Autoren intern mit einem komplexen, uneindeutigen Weltbild arbeiten und leben können und in jeder Phase ihrer Erkenntnisbildung mehr Angst vor falschen Wahrheiten zeigen als die Bereitschaft, zugunsten eindeutiger Antworten auch mal Kompromisse einzugehen. Von mir gibt's da also keine große Bereitschaft, in Diskussionen Krücken für "Schreibneulinge" zu verteilen, weil ich nicht glaube, dass Krücken eine gute Lauflernhilfe sind. ;)

Jetzt kommt der Ruhrpott ein wenig raus: Will man Laufen lernen,  muss man auf die Schnauze fallen. Die heruntergebrochenen Theorien können zur Orientierung dienen, aber wenn sie als Krücke fungieren, verlässt man sich schnell auf sie und lernt nie richtig Laufen.

Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Schommes am 01. Mai 2011, 04:04:56
Zitat von: Churke am 30. April 2011, 00:27:00
M.E. ist das Design einer Dystopie nichts anderes als stinknormaler Weltenbau. Man benutzt nur anderes Handwerkszeug.
Das mit dem Plot zu verzahnen ist dann die eigentliche Arbeit.
Interessante Ansicht. Ich persönliche betreibe Plot- und Weltenbau in einem Zug. Wüsste also nicht, wie ich das sinnvoll aufspleißen sollte. Aber narrativer Aufbau ist natürlich eine höchst individuelle Angelegenheit.
Zitat von: Erdbeere am 30. April 2011, 08:10:02
Basismerkmale schön und gut, aber ich befürchte, dass mit dem Genre der Dystopie das gleiche geschieht wie mit dem der Vampire. Das wird nun gross auf den Markt geschwemmt, es kommen Jugendbücher und Romanzen hinzu und voilà, alles scheint ein Abklatsch.
Ich habe da ehrlich gesagt keine Lust, zehnmal das gleiche zu lesen. Bei Fantasy lege ich ein Buch enttäuscht weg, wenn ich merke, dass ich das so ähnlich schon einmal gelesen habe.
Für mich macht immer noch der gekonnte Mix die Würze aus.  :vibes:
Ich verstehe nicht, was Du mir damit sagen willst. Eine Grundstruktur als Ausgangspunkt (und wohl gemerkt nur als Ausgangspunkt) führt zu Beliebigkeit und Seichtheit? Warum? Es geht doch nur um ein grobes Webmuster, dass dann Variation, Abweichung, Genremix und so weiter ermöglicht.
Zitat von: Lomax am 30. April 2011, 11:59:23
Da muss ich doch noch einhaken - erinnert mich dieser Einwand doch sehr an ein Zitat aus meinem Studium. Dieser Professor sprach damals zwar über die Besonderheiten der Schulgrammatik, aber ich fand den Satz auch sonst sehr bedenkenswert: "Der Unterschied zwischen Schule und Wissenschaft ist der, dass ein Lehrer immer jeden Stoff auf eine eindeutige, abprüfbare Antwort reduzieren muss - egal wie falsch sie ist. Aber wenn man aus der Schule heraus ist, kann man auch akzeptieren, dass es auf manche Frage keine eindeutigen Antworten gibt und auch mal mehrere Wahrheiten gleichwertig nebeneinander existieren."
Ich bin selbst Professor und finde das, was der Herr Kollege da von sich gegeben hat, ziemlich hochnäsig den Lehrern gegenüber. Jede pädagogisch ausgerichtete Darstellung eines Theoriengebäudes muss notwendigerweise vergröbern (wobei die Theorie denknotwendig immer schon selbst eine Vergröberung der Realität beinhaltet). Das gilt für Schule wie Hochschule. Und bevor man die Komplexität der Dinge akzeptieren kann, muss man erst einmal ihr grobes Wesen begreifen.
Zitat von: Lomax am 30. April 2011, 11:59:23
  Da ich schreiben prinzipiell für einen akademischen Beruf halte, würde ich mich da der Lehrersicht auch nicht anschließen wollen - auch wenn es sich angenehm anfühlen würde  für manchen Schreibschüler, eine algorithmisch ermittelbare Wahrheit über Dystopien zu hören, egal wie viele Aspekte, Entwicklungslinien und mögliche Widersprüche dafür ausgeklammert werden müssen. Mit all dem muss man sich m.E. nach auseinandersetzen und damit leben, dass man selbst seinen Weg dazwischen finden muss, wenn man Bücher schreiben will ;). Insofern sehe ich da also keinen Grund, warum man die literaturwissenschaftliche Definition herunterbrechen müsste - oder nicht deine und andere Definitionen einfach daneben stehen lassen kann und jeweils die Vorteile, Nachteile und Lücken der Ansätze diskutieren. Und zwar ohne sie auf ein Niveau und einheitliche Form zwecks Vergleichbarkeit zurechtzustutzen und am Ende "die eindeutig beste und einzig richtige" zu bestimmen - egal wie falsch sie ist. ;)
Das Professoren sich über Lehrer lustig machen finde ich auch deswegen bemerkenswert, weil die Lehrer im Gegensatz zu den Professoren Pädagogik gelernt haben. Daher weiß ein Lehrer, dass er seinen Schülern ein komplexes Theoriengebäude nicht einfach hinknallen kann, nach dem Motto ,,Friss oder stirb!", sondern, dass er dem Schüler geistige Schubladen sprich Ordnungskriterien vermitteln muss, in die er die Komplexität der Welt einordnen kann, damit der Schüler dann sein eigenes Koordinatensystem ausbilden kann. So läuft das schon seit Sokrates. Leider scheitern viele meiner Kollegen an dieser Aufgabe, weil sie sich ausschließlich als Wissenschaftler begreifen und ihre Studenten mit einem gewissen Dünkel betrachten. Ich persönlich finde das überaus unsympathisch.
Nochmal: Mir geht es nicht um das Finden der einzig wahren Dystopietheorie, sondern einen praktischen Ansatz, der es ermöglicht einen ersten Zugriff auf das Thema zu bekommen. So lernt und arbeitet jeder Künstler (Musiker, Maler). Erst paukt er das Handwerk und wenn er sich freigeschwommen hat, kann er Kunst entfalten. Literarisches Schreiben ist nämlich keinesfalls eine akademische Disziplin, sondern ein künstlerisch schaffendes Handwerk. Oder platt gesagt: Bevor Schumi Formel Einsen gewinnen konnte, musste er erst Mal Autofahren lernen.
Zitat von: Lomax am 30. April 2011, 11:59:23
Das Problem mit Theorien, die auf praktische Ansätze reduziert werden, ist halt, dass sie meist eher Glaubenssätze und Lebenshilfe sind als echte Erkenntnisse. Man hält sich daran fest, fühlt sich sicher und geborgen und ignoriert so gut wie möglich alles, was nicht reinpasst - und das hilft in der Praxis tatsächlich oft weiter. Aber nicht, weil die praktische Anleitung gut wäre, sondern weil man damit einfach schneller und entschiedener etwas tut als manch anderer, der sich lange in widersprüchlichen Therien verfängt, sich verunsichern lässt und nicht vorankommt.
  Ich persönlich mag es allerdings lieber, sich das Wissen um die Komplexität und Uneindeutigkeit der Welt zu erhalten, und zumindest in theoretischen Diskussionen nicht auf einen "praxisorientierten" Konsens hinzuarbeiten, der letztendlich nur dazu dient, Widersprüche auszuklammern und sich gegenseitig zu bestätigen, dass man alles richtig macht und richtig machen kann. Darum kriege ich auch eher Bauchschmerzen, wenn Definitionen als "praktische Ansätze" anstatt von wissenschaftlich korrekten und empirischen Theorien entwickelt werden.
Mit Verlaub: Aber das ist jetzt extrem unhöflich. Du unterstellst mir, ich würde einen praktischen Ansatz entwickeln, um Widersprüche auszuklammern und Scheinbestätigung zu erlangen. Und den letzten Satz verstehe ich gleich gar nicht. Erstens gibt es schon mal garkeine ,,empirische Theorie", sondern höchstens eine Theorie, die durch Empirie bewiesen wird. Außerdem gilt die Literaturwissenschaft gerade als eine nicht-empirische. Wäre sie eine empirische, würde das eher wieder mir Recht geben, weil das nämlich bedeuten würde, dass man den Erfolg literaturtheoretischer Ansätze durch Experimente und/oder Feldbetrachtung beweisen könnte. Experimente setzen aber standardisierte Versuchsaufbauten und damit wieder praxisbezogene Konzepte voraus, die man experimentell auswerten kann. Außerdem ist der Sinn jeder Theorie doch gerade die Gewinnung von Erkenntnissen zur Anwendung in der Praxis. Ich stütze mich auf die literaturwissenschaftlich vieldiskutierte und vielfach praxiserprobte Theorie des Monomythos von Campbell. Ich versuche, diese auf die Dystopie anzuwenden und daraus praktische Erkenntnisse zu gewinnen, die helfen könnten, einen Roman zu entwerfen.  Ich habe bereits an früherer Stelle und mehrfach gesagt, dass ich keinesfalls einen Entwurf nach einem bestimmten Schema F propagieren will. Allerdings halte ich daran fest, dass ein guter Autor narrative Grundstrukturen kennen und verinnerlichen muss, sei es um sich daran zu halten, oder sei es, um zum Vorteil der Geschichte davon abzuweichen.
Zitat von: Lomax am 30. April 2011, 11:59:23
Und ganz nebenbei denke ich auch, dass Bücher besser werden, wenn Autoren intern mit einem komplexen, uneindeutigen Weltbild arbeiten und leben können und in jeder Phase ihrer Erkenntnisbildung mehr Angst vor falschen Wahrheiten zeigen als die Bereitschaft, zugunsten eindeutiger Antworten auch mal Kompromisse einzugehen. Von mir gibt's da also keine große Bereitschaft, in Diskussionen Krücken für "Schreibneulinge" zu verteilen, weil ich nicht glaube, dass Krücken eine gute Lauflernhilfe sind. ;)
So. Jetzt wird mir auch noch eine simple Weltsicht und das Anhängen an falsche Wahrheiten unterstellt. Merci. Und Übrigens ... solche Unterstellungen werden auch nicht dadurch besser, dass man ans Ende einen Smiley setzt. Und überhaupt ... Krücken??? Wer redet hier von Krücken? Ich rede verdammt noch mal von gesundem, geländegängigem Schuhwerk.
Zitat von: Lomax am 30. April 2011, 11:59:23
  Und die Praxis sorgt ohnehin für sich selbst. Die Details und die Reichweiten von Genrekonventionen ändern sich schnell, und die konkreten Bücher bewegen sich da recht flexibel zwischen den Grenzen literaturwissenschaftlicher Theorien. Es macht also einen ziemlichen Unterschied, ob man davon spricht, was "die Dystopie" eigentlich ist und ausmacht, oder ob man darüber redet, was derzeit am Markt als "Dystopie" gehandelt wird, welche Formen dystopischer Literatur bzw. dystopischer Elemente in Literatur im Augenblick geschrieben und wie sie rezipiert werden.
Was heißt denn ,,was die Dystopie eigentlich ist"? Es gibt die idealtypische Dystopiedefinition oder –theorie oder wie Du das auch immer nennen willst einfach nicht. Es gibt lediglich verschiedene Perspektiven auf die Dystopie: Die literaturtheoretische, die bereits geschriebene Dystopien beschreiben und ihre Wurzeln erkennbar machen will. Die marketingtechnische, die ein für die Leser erkennbares Format schaffen will. Die schreibtechnische, die Anleitung zur Herstellung einer gelungenen Dystopie geben will etc. pp. Das sind notwendigerweise alles unterschiedliche Ansätze von denen keiner richtig oder falsch oder alleinseligmachend ist.
Zitat von: Lomax am 30. April 2011, 11:59:23
Da würde ich mich dann Grey anschließen und feststellen, dass für die Entwicklung des Genres die strikte Definition der Wortbedeutung erst mal zweitrangig ist. Was aber umgekehrt nicht bedeutet, dass man die literaturwissenschaftliche Definition der "Dystopie" an jeden Schlenker und jede Genrevermischung des Marktes anpassen muss.
Habe ich je behauptet, dass ich das will?
Zitat von: Lomax am 30. April 2011, 11:59:23
Der Markt geht seinen Weg, und im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte wird das Verständnis von "der Dystopie" die Summe dieser Bewegungen irgendwie aufgreifen. Aber bis es soweit ist, und wohl auch noch dann, gibt es durchaus ein Verständnis von "der Dystopie" als solcher, das unabhängig und neben der praktischen Ausprägung dystopischer Romane als "Ideal" existiert und an dem sich die praktischen Werke gemessen werden können.
Aha, das dürfte dann wohl das Deinige sein. Hast Du jetzt ex cathedra gesprochen? Egal ... ich werf Dir einfach mal von hier aus eine Tiara zu.
Zitat von: Sven am 30. April 2011, 12:38:00
Lehrer, die nach diesem Prinzip unterrichtet haben, habe ich gehasst. Die Welt ist nicht schwarz und weiß.
Danke. Da wär ich jetzt von selbst nicht drauf gekommen.
Zitat von: Sven am 30. April 2011, 12:38:00
Wenn man eine so vereinfachte Theorie vorgesetzt bekommt, verliert man den Blick auf die Realität.
Die Vereinfachung ist ein Wesensmerkmal der Theorie an sich. Bitte nachschlagen.
Zitat von: Sven am 30. April 2011, 12:38:00
Dann werden diese Theorien/Regeln zur Maxime.
Wie jetzt? Im kant'schen Sinne? Meinst Du nicht vielleicht doch eher Dogma?
Zitat von: Sven am 30. April 2011, 12:38:00
Natürlich erleichtern sie dem Anfänger die ersten Schritte
Sieh an, sieh an.
Zitat von: Sven am 30. April 2011, 12:38:00
aber es ist so wie Lomax sagt:
Jetzt kommt der Ruhrpott ein wenig raus: Will man Laufen lernen,  muss man auf die Schnauze fallen.
Wir Niedersachsen versuchen, das ,,Auf-die-Schnauze-fallen" durch gesunden Einsatz praxiserprobter Prinzipien weitgehend zu minimieren. Hat sich für uns bewährt.
Zitat von: Sven am 30. April 2011, 12:38:00
Die heruntergebrochenen Theorien können zur Orientierung dienen, aber wenn sie als Krücke fungieren, verlässt man sich schnell auf sie und lernt nie richtig Laufen.
Theorien als Krücken (was immer heruntergebrochen in diesem Zusammenhang bedeuten soll)? Perfekt ... Dreitausend Jahre menschliche Wissenschaftsgeschichte in einem Federstrich für obsolet erklärt. Chapeau, Schätzchen. Das macht Dir so leicht keiner nach.
So und ich habe jetzt ehrlich die Schnauze voll, mich hier für den Versuch eines praktischen Ansatzes, wie unzulänglich er auch immer sein mag, prügeln zu lassen. Ihr könnt dann gerne ohne mich weiter germanistenkongresstaugliche Theoriegebäude stricken, Dystopien dutzendweise aus dem krückenlosen Ärmel schütteln oder totale Freestylegenremixcrossoverallegrenzenüberschreitende Meisterwerke schreiben. Ohne mich!
Zong *IneinerblaurotgrünenStaubwolkeverschwind*
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Lavendel am 01. Mai 2011, 10:44:55
Zitat von: Schommes am 01. Mai 2011, 04:04:56
Ihr könnt dann gerne ohne mich weiter germanistenkongresstaugliche Theoriegebäude stricken, Dystopien dutzendweise aus dem krückenlosen Ärmel schütteln oder totale Freestylegenremixcrossoverallegrenzenüberschreitende Meisterwerke schreiben. Ohne mich!
Zong *IneinerblaurotgrünenStaubwolkeverschwind*

Och nö, das fänd ich jetzt schade! :embarassed: Ich finde, dass der Thread eine total gute Idee war. Irgendwie ist er offensichtlich von Anfang an in eine falsche Richtung gelaufen und irgendwie reden wir offensichtlich alle links und rechts aneinander vorbei,  und zwar teils sehr weit. Schon dass Schommes sich jetzt persönlichen angegriffen fühlen muss, ist ja eindeutiger Beweis dafür, und diese Entwicklung gefällt mir ehrlichgesagt gar nicht.
Ich glaube, wir haben den Ansatz alle missverstanden. Mich jedenfalls hat das Eröffnungspost schon irritiert. Ich sehe jetzt schon den didaktischen Ansatz hinter der Aufforderung, kurze Zusammenfassungen zu schreiben, aber Threads mit Aufgabenstellungen sind wir hier auch einfach nicht gewöhnt. Allerdings, und das sollten sich alle anderen Mal überlegen, ist es auch hart, wenn man als Forenneuling Engagement zeigt und so gegen Wände rennt. Und ein paar Leute hier haben auch rennen lassen, das möchte ich auch mal gesagt haben.

@Schommes: Ich fände es echt gut, wenn wir diese Diskussion noch mal 'von Null' beginnen könnten, also wenn du es auf dich nehmen würdest, einen zweiten Thread zu starten (diesmal vielleicht ohne Startaufgabe?), in dem wir dann beim Thema bleiben und es konstruktiv gemeinsam diskutieren, anstatt 'gegeneinander'. Wir könnten dann diesen Thread schließen, uns alle mal an die Nase fassen und unser Verhalten reflektieren und neu anfangen. Wenn du nicht möchtest, respektiere ich das natürlich, aber ich erkenne hier langsam kaum das Forum wieder.

[EDIT] Ah, sorry. Habe jetzt grade erst Sorellas Thread gesehen ...
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: gbwolf am 01. Mai 2011, 10:54:12
Oder - in Anbetracht von Sorellas Handwerksthread - wir starten nur das "Spiel" neu ohne jede Diskussion im Thread. Den Ansatz aus bekannten Dystopien abzuleiten, was einem daran denn gefallen hat und wo die Gemeinsamkeiten dieser Geschichten liegen, finde ich nämlich gut. Also erstmal nur zu sammeln und dann, wenn man einen Überblick hat, zu diskutieren.
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Schreinhüter am 01. Mai 2011, 11:10:07
Ich denke, als unabhängiger und wenig in die Diskussion involvierter, Beobachter, dass der grundlegende Knackpunkt des Verlaufs in diesem Thread das gegeneinander aufwiegelnde Niveau war. Lavendel, Lomax und Schommes haben das Thema bereits lange hinter sich gelassen und debattieren mit großer Geistesschärfe einen Themenkomplex aus, der sich schon in gewissen Bereichen in Unschärfen auflöst - da von uns als nicht-Literaturwissenschaftler, als nicht-Wissenschaftsgeschichts-Kenner die Instrumente der Erkenntnis mit einer hohen Wahrscheinlichkeit ein wenig fehlen. Ich denke die Signale, die Schommes mit seiner Art zu Schreiben ausgesandt hat waren ein gewisser Reiz, ein Jucken in den Fingern durchaus ebenfalls den Denkkasten einmal einen Gang höher zu schalten. Eine gute Sache, an sich, doch das Forum hat sicherlich so seine Limits, was manche Dialoge anbelangt. Chapeau dennoch an die vielen guten Ideen  :)
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Lomax am 01. Mai 2011, 12:52:45
Zitat von: Schommes am 01. Mai 2011, 04:04:56Du unterstellst mir, ich würde einen praktischen Ansatz entwickeln, um Widersprüche auszuklammern und Scheinbestätigung zu erlangen.
Zunächst einmal "unterstelle" ich gar nichts - mein Beitrag war rein zur Sache gemeint, nicht zur Person. Ausgangspunkt war, dass ich an der Stelle, wo du nach einer "Positivdefinition der der literarischen Dystopie" gefragt hattest, nicht mehr wusste, was du eigentlich willst - denn nach meinem Empfinden waren solche Definitionen mit unterschiedlichem Anspruch und unterschiedlichem Gültigkeitsbereich vorher schon gegeben worden, genau wie allgemeine Merkmale der Dystopie, die zwar nicht im Rahmen einer Gesamtdefinition gesetzt wurden, die aber sehr wohl auch ohne einen solchen auskommen und Gültigkeit besitzen.
  Dein Zitat vom "Lehrer" habe ich nur deswegen aufgegriffen, weil ich an der Stelle einfach den Ansatz gesehen habe, von dem aus ich auch wieder verstehen konnte, worauf du hinauswillst und warum du das so argumentierst, wie du es getan hast - und meine Antwort war vor allem dazu da, um zu zeigen, warum ich den Weg nicht mitgehe. Und um zu zeigen, dass man den Weg auch nicht mitgehen muss und dass diese praxisorientierte Reduktion nicht notwendigerweise der einzige oder auch nur beste Ansatz ist, sich einem literaturwissenschaftlichen Begriff anzunähern.
  Es ist halt eine Methode mit ihren eigenen Vor- und Nachteilen, ihrem Nutzen und auch notwendigerweise ihren Mängeln und einer beschränkten Reichweite, derer man sich auch bewusst sein sollte.
  Das war zunächst einmal alles. Ich habe Aussagen zu dem Ansatz und zu möglichen anderen Ansätzen gemacht - was du persönlich damit verfolgst, was davon hältst, warum du diese Ansätze vertrittst, will ich weder "unterstellen" noch bewerten. Nur feststellen, dass ich anderswo stehe, und warum. ;)
Zitat von: Schommes am 01. Mai 2011, 04:04:56
Jede pädagogisch ausgerichtete Darstellung eines Theoriengebäudes muss notwendigerweise vergröbern (wobei die Theorie denknotwendig immer schon selbst eine Vergröberung der Realität beinhaltet). Das gilt für Schule wie Hochschule. Und bevor man die Komplexität der Dinge akzeptieren kann, muss man erst einmal ihr grobes Wesen begreifen. Das Professoren sich über Lehrer lustig machen finde ich auch deswegen bemerkenswert, weil die Lehrer im Gegensatz zu den Professoren Pädagogik gelernt haben. Daher weiß ein Lehrer, dass er seinen Schülern ein komplexes Theoriengebäude nicht einfach hinknallen kann, nach dem Motto ,,Friss oder stirb!", sondern, dass er dem Schüler geistige Schubladen sprich Ordnungskriterien vermitteln muss, in die er die Komplexität der Welt einordnen kann, damit der Schüler dann sein eigenes Koordinatensystem ausbilden kann.
Nun ja, da ich ja auch auf Lehramt studiert und unterrichtet habe, kann ich das durchaus einordnen. Ich kenne den Wert der pädagogischen Reduktion und finde es gerade deswegen wichtig, dass man sich auf jeder Stufe der Vergröberung der Lücken in der Theorie bewusst ist und sie auch deutlich macht. Das steht der Erkenntnisgewinnung nicht im Weg, sondern allenfalls tatsächlich dem Sicherheitsgefühl des Lernenden, der halt sehr gerne die Überzeugung vermittelt bekommt, dass er die "Wahrheit" lernt. Da täte es m.E. nach dem schulischen Alltag auch gut, wenn da die Lehrer ein wenig deutlicher machen würden, dass sie vergröbern und dass praxisorientierte Ansätze nur für manche Aufgaben funktionieren müssen, aber nicht unbedingt immer die richtige Antwort liefern.
  Ich hätte jedenfalls so manches schon auf der Schule lernen können und nicht erst auf der Uni, wenn Lehrer offener über die Lücken in den vermittelten System reden würden und ein wenig wissenschaftlicher umgegangen wären mit Beispielen, die nicht zu den unterrichteten Theorien passen. Aber das ist nun wirklich OT, erklärt aber vielleicht ein wenig die Emotionalität, mit der ich inzwischen Vereinfachungen ablehne.
  "Vergröberungen" sind meiner Ansicht nach zwar mitunter notwendig, aus Gründen der Praxistauglichkeit oder der Vermittlung, aber wenn man sie verwendet, muss man darauf achten, jedesmal deutlich darauf hinzuweisen, mögliche daraus resultierende Einschränkungen betonen und flexibel die Modelle wechseln, wenn man im Rahmen einer vergröbernden Theorie auf Fälle stößt, für die sie nicht anwendbar ist.
  Und gar nichts verloren haben praxisorientierte Vereinfachungen meiner Ansicht nach in Theoriediskussionen, die nicht der "schulischen" Wissensvermittlung dienen. Würde ich hier "Lehrer" sein wollen, könnte ich damit leben - aber warum Vereinfachungen suchen in einer auf Erkenntnisfindung gerichteten Diskussion mit Fachkollegen auf gleichem Niveau? Was also pädagogisch sinnvoll sein kann zur ersten Kategorienbildung bei Anfängern, kann auch zu einer voreiligen Konsensfindung auf kleinerem gemeinsamen Nenner führen, wenn man es außerhalb der schulischen Situation betreibt. Das wollte ich hier vermeiden und mich darum auch nicht an der Zuspitzung des Themas auf eine einfache, praxisorientierte Definition beteiligen. Ich finde, wie gesagt, schon an den vorangegangen literaturwissenschaftlichen Definitionen nichts zu vermissen.
Zitat von: Schommes am 01. Mai 2011, 04:04:56Erstens gibt es schon mal garkeine ,,empirische Theorie", sondern höchstens eine Theorie, die durch Empirie bewiesen wird. Außerdem gilt die Literaturwissenschaft gerade als eine nicht-empirische. Wäre sie eine empirische, würde das eher wieder mir Recht geben, weil das nämlich bedeuten würde, dass man den Erfolg literaturtheoretischer Ansätze durch Experimente und/oder Feldbetrachtung beweisen könnte.
Nichts anderes wollte ich auch gesagt haben. Ich denke durchaus, die "Prognosetauglichkeit" als Schwelle zur Bestätigung einer Theorie kann man auch von gewissen literaturwissenschaftlichen Aussagen verlangen. Was hier über Dystopien gesagt wird, sollte sich halt auch an real existierenden Dystopien beobachten lassen und auch real im Gebrauch befindlichen Genreeinteilungen wie auch Definitionen gerecht werden. Wenn dieser Teil meiner Aussage deinen Ansichten Recht gibt, müssen wir uns darüber ja nicht streiten. Wie gesagt, ich habe meine Ausführungen ja nicht geschrieben, um zwanghaft zu dir im Widerspruch zu stehen. ;)
  Ich freue mich sogar über jeden, der das genauso sieht, denn in der Literaturwissenschaft gibt es leider, meiner Ansicht nach, zu viele Leute, die, wären sie Astronomen geworden und hätten beobachtet, dass der Jupiter nicht auf der von ihnen berechneten Bahn zu finden ist, nicht den Schluss daraus gezogen hätten, dass ihre Modelle zur Bahnberechnung falsch sind, sondern dass der Jupiter sich falsch bewegt :snicker:. Ich ziehe deskriptive Theorien normativen vor, so habe ich den Begriff "Empirie" verstanden. Und das auch nur als allgemeine Feststellung, und nicht als Widerspruch und Unterstellung, dass du da etwas anderes gesagt hättest - eher als Warnung, das nicht aus dem Auge zu verlieren, wenn man praxisorientierte Ansätze sucht, denn leider entgleisen viele schreibtheoretische "Gebrauchsanweisungen" in die normative Richtung und versuchen, erfolgreiche Bücher als "Unfälle" zu deklarieren anstatt sie als "Vorbilder" oder "Gegenbeispiele" zu akzeptieren.
Zitat von: Schommes am 01. Mai 2011, 04:04:56So und ich habe jetzt ehrlich die Schnauze voll, mich hier für den Versuch eines praktischen Ansatzes, wie unzulänglich er auch immer sein mag, prügeln zu lassen.
Wie gesagt, ich prügele niemanden. Ich habe nur erklärt, warum ich mich an einem Strang der Diskussion nicht beteilige, warum ich andere, dadurch abgeschnittene Äußerungen für ebenso zielführend halte ... und warum ich möglicherweise im weiteren Verlauf bei gewissen Dingen einhake, auch wenn ich zu anderen nichts sage. Ich hielt so eine Erklärung prinzipiell für höflicher, als nur scheinbar erratische Anmerkungen einzubringen ohne die grundsätzliche Position deutlich zu machen.

Zitat von: Schommes am 01. Mai 2011, 04:04:56... und finde das, was der Herr Kollege da von sich gegeben hat, ziemlich hochnäsig den Lehrern gegenüber.
Dazu muss man fairerweise den Kontext erklären, nämlich dass wir zuvor in zwei Sitzungen die komplette Schulgrammatik durchgegangen sind und danach in einer Sitzung festgestellt hatten, was daran alles nicht stimmt. Da tauchen dann natürlich auch Fragen auf, warum das mitsamt dieser offensichtlichen Fehler und Mängel trotzdem so unterrichtet wurde (und wohl auch noch wird). Und da gibt es m.E. nach keine Entschuldigung, warum die Grenzen und auch die inneren Widersprüche der Schulgrammatik in der Schule nicht zumindest angesprochen werden, wenn sich konkrete Ansätze dafür ergeben. Und ich denke durchaus, dass der Professor da ein Grundproblem schulischen Lernens angesprochen hat, das nicht nur für den Grammatikunterricht gilt, sondern sich auch auf andere Bereiche des schulischen Alltags übertragen lässt. Nicht auf jeden Fall von Vereinfachung, und sicher nicht auf jeden Lehrer gleichermaßen - ich habe da solche und solche Lehrer erlebt, die unterschiedlich umzugehen wussten mit komplexen Sachverhalten.
  Aber dass der Umgang nicht nur gelegentlich, sondern durchaus häufig suboptimal und verbesserungsfähig ist, dafür fand ich durchaus auch eine Menge Belege in den empirischen Untersuchungen, die ich im Rahmen meiner Examensvorbereitung für pädagogische Psychologie bzw. Evalutation und Prüfungsverfahren gelesen habe. Ich sehe meine Haltung zu diesem Thema also durchaus auf dem Boden des derzeitigen Stands der pädagogischen Forschung verortet ... oder zumindest auf dem Stand von Mitte der 90er, weil die letzte Fachpublikation zu dem Thema, die ich berücksichtigt habe, von 1998 stammt, wenn ich mich recht erinnere. ;) Und da klang das Zitat dann auch weniger arrogant, sondern wie eine ironische Zuspitzung mit wahrem und bedenkenswertem Kern.
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Spinnenkind am 01. Mai 2011, 18:17:02
Halli hallo,

@Lomax: Natürlich gibt es kein praktisches Nonplusultra-Schema, mit dem man arbeiten soll, um eine Dystopie zu schreiben, und man soll sich den Horizont immer offenhalten. Aber irgendwann muss man ja anfangen, die Sache thematisch einzugrenzen, oder willst du ein Buch über den kompletten Horizont dystopischer Möglichkeiten schreiben? Nein. (Denke ich mal). Und eben zu dieser Eingrenzung kann die Analyse bereits existierender Werke sehr aufschlussreich sein. Bevor man eingrenzt, muss man aber natürlich inhaltlich uneingeschränkt denken, da stimme ich dir zu.

habe den Thread jetzt eine Weile mitgelesen und wollte einmal ausdrücken, dass ich es auch sehr schade finde, wohin er letztendlich verlaufen ist. Ich studiere zwar Germanistik, habe mich aber nach einer Weile schon gar nicht mehr getraut, irgendetwas hineinzuschreiben, weil ein paar Leute, die hier etwas Kürzeres und vielleicht nicht komplett Wissenschaftliches geschrieben hatten, etwas unsanft vor den Kopf gestoßen wurden, wie ich finde.

Ich schließe mich Schreinhüter an: Schommes und Lomax sind mit ihrer Diskussion schon an allen anderen vorbeigezogen. Meiner Beobachtung nach wollte Schommes weder totale Richtigkeitsansprüche für irgendwelche praktischen Ansätze erheben, noch wollte Lomax jemandem etwas vorwerfen.

Zudem war das Problem im Thread, dass das eigentliche Thema niemals aufgegriffen wurde. So wie ich das verstanden habe, wollte Schommes das Ganze mit den Lieblingsdystopien der Mitglieder einleiten und somit zu einer Diskussion über die vielfältigen Realisierungsmöglichkeiten dieses Genres übergehen. Dazu ist es nie gekommen. Der Thread ist zu einer Endlosdiskussion aufgeufert, darüber, was eine Dystopie ausmacht und schließlich, ob man solche "praktischen Ansätze" überhaupt braucht. So gesehen ist Lomax einfach an der falschen Stelle in die Diskussion eingestiegen.

Es wäre doch schade, den Thread zu schließen, weil er etwas anderes behandelt als Sorellas Thread, zudem noch ein sehr interessantes Thema. Daher finde ich Lavendels Idee super, einfach nochmal von vorne zu beginnen.

Deswegen mache ich das jetzt mal.

Meine Lieblingsdystopie ist "Lord of the Flies" von William Golding.

Bevor hier jetzt Beschwerden aufkommen: Ja, es ist keine Zukunftsvision. Es ist ein Gedankenexperiment und enthält durchaus dystopische Züge. Es geht zwar augenscheinlich um Kinder, doch da Golding sehr viel mit Symbolik arbeitet, kann man die Handlung als dystopischen Werdegang einer Gesellschaft bezeichnen.

Eine Gruppe von Kindern landet nach einem Flugzeugunglück auf einer kleinen Insel und muss irgendwie überleben. Zu diesem Zweck versuchen sie, ein Gesellschaftssystem aufzubauen. Dabei kommen aber vor allem die tierischen Triebe des Menschen immer mehr zum Vorschein, wie Gewaltbereitschaft und Ausgrenzung von körperlich schwächeren Personen. Die Furcht vor einem "Ungeheuer" auf der Insel geht um, doch am Ende wird klar, dass dieses Ungeheuer nirgends anders existiert als im Menschen selbst, und am Ende huldigt ihm die Gesellschaft der Kinder.

Ich persönliche liebe die unheimlich starke Symbolik in diesem Buch, die Einfachheit, mit der Golding komplexe Themen bildlich zu vermitteln weiß. Die Sprache ist außerdem sehr dicht und atmosphärisch. Ja, das sind die Gründe, warum ich das Buch mag. Dystopische Welten müssen für mich gut durchdacht sein, in anderen Apsekten lassen sie sich nicht beurteilen, wie ich finde - wir können schließlich nicht in die Zukunft sehen ;)

So. Ich bitte übrigens schonmal vorsorglich um Entschuldigung, sollte ich mich irgendwo in der Terminologie vergriffen oder etwas gar nicht richtig nachgeschlagen haben. Bin ja erst im zweiten Semester.


Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Sven am 01. Mai 2011, 20:24:24
@ Schommes: Ich  habe ein bisschen das Gefühl, dass Du Dich persönlich angegriffen fühlst? Ich glaube, das hatte niemand beabsichtigt! Niemand wollte Dich prügeln. Die Aussagen, zumindest die von mir, waren eher allgemeiner Natur und nicht speziell auf Dich bezogen.
Mir ging es darum zu unterstreichen, dass eine Theorie als Orientierung funktioniert, aber in der Praxis, schnell an Bedeutung verliert. Ich arbeite in der Wissenschaft und habe von daher schon beruflich viel mit Theorien zu tun.  Die Erfahrung zeigt, dass die meisten Theorien in der Praxis nicht funktionieren, eben weil sie auf ein Minimum reduziert wurden. Dafür gibt es in der Praxis viel zu viele Einflüsse.
Theorien funktionieren unter Optimalbedingungen, aber selten im "natürlichen Umfeld".


Zitat von: SchommesWie jetzt? Im kant'schen Sinne? Meinst Du nicht vielleicht doch eher Dogma?

Ich meine, dass man Gefahr läuft, eine einfache Theorie als "obersten persönlichen Grundsatz des Wollens und Handelns" umzufunktionieren, wie es in vielen Foren der Fall ist.

Zitat von: SchommesWir Niedersachsen versuchen, das ,,Auf-die-Schnauze-fallen" durch gesunden Einsatz praxiserprobter Prinzipien weitgehend zu minimieren. Hat sich für uns bewährt.

Jeder versucht das zu minimieren. Aber das Erste, was man im Kampfsport lernt, ist das Fallen. Das hat bestimmt einen Grund  ;)

Zitat von: SchommesTheorien als Krücken (was immer heruntergebrochen in diesem Zusammenhang bedeuten soll)? Perfekt ... Dreitausend Jahre menschliche Wissenschaftsgeschichte in einem Federstrich für obsolet erklärt. Chapeau, Schätzchen. Das macht Dir so leicht keiner nach.

Krücken im Sinne von "Gehhilfen". Eine Theorie, die einem beim Vorwärtskommen unterstützt. Ich dachte, das hätte ich klar gemacht?
Damit will ich sagen, dass man sich nicht auf die Theorie allein verlassen darf (s.o)


Ich hoffe, ich konnte das ein, oder andere gerade biegen. Niemand will Dir  etwas böses. Warum auch? Ich dachte, wir diskutieren nur!?

Was diesen Thread angeht, bin ich auch der Meinung, dass die Zielsetzung etwas aus den Augen verloren wurde und wir vielleicht neu ansetzen sollten.


Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Lomax am 01. Mai 2011, 22:27:46
Zitat von: Spinnenkind am 01. Mai 2011, 18:17:02@Lomax: Natürlich gibt es kein praktisches Nonplusultra-Schema, mit dem man arbeiten soll, um eine Dystopie zu schreiben, und man soll sich den Horizont immer offenhalten. Aber irgendwann muss man ja anfangen, die Sache thematisch einzugrenzen, oder willst du ein Buch über den kompletten Horizont dystopischer Möglichkeiten schreiben? Nein. (Denke ich mal). Und eben zu dieser Eingrenzung kann die Analyse bereits existierender Werke sehr aufschlussreich sein.
Kein Problem mit mir  ;). Weder, was die Notwendigkeit der Eingrenzung betrifft, noch zur Analyse bestehender Werke. Das einzige hier in dem Thread Gesagte, was mir tatsächlich gegen den Strich ging, war die Begrenzung der Diskussion auf geschlossene positive und praxisorientierte Komplettdefinitionen. Weil das erst mal alle theoretischen und vielleicht aufschlussreicheren und hier schon genannten Definitionen genauso ausgeschlossen hat wie solche Einwände, die nicht im Rahmen einer kompletten Neudefinition einherkommen.
  So ein "Wettstreit algorithmischer Theorien", auf den das hinausläuft, bei dem man am Ende die beste Formellösung auswählt, egal was an unabhängigen Argumenten dagegenspricht und egal wie sie im Vergleich zu literaturtheoretischen Ansätzen dasteht - das war mir dann doch ein bisschen zu viel "egal", und diese Forderung, nur "praktisch umsetzbare" "Positivdefinitionen der literarischen Dystopie" als Diskussionsbeiträge zu akzeptieren, das war mir eine zu starke Begrenzung schon in der Prämisse, um noch den Blick offen zu halten für das bestmögliche Ergebnis.

Herr der Fliegen ist übrigens ein interessantes Beispiel, das irgendwann in der Diskussion auch schon genannt wurde. Interessant darum, weil ich es eindeutig für eine Dystopie halten würde, obwohl es längst nicht alle typischen Elemente enthält. Auch nicht ganz im Sinne von Schommes Definition, weil ich beispielsweise nicht sehe, dass der Held darin die "negativen Seiten seiner Welt überwinden muss". Es wird ganz im Gegenteil einfach nur dargestellt, wie diese negativen Seiten zutage kommen und sich in einer "Gesellschaft" niederschlagen. Ich würde allerdings sagen, der Roman enthält einen sehr politischen Aussagekern, wenn auch eher in Bezug auf das Menschenbild und darüber, wie die "natürliche Disposition" des Menschen seine Gesellschaftsbildung beeinflusst.
  Ich denke also, dass man diesen Kern in der Definition der Dystopie nicht gering schätzen darf, weil gerade dieses Element im Alleingang fast schon ausreicht, um aus dem "Herrn der Fliegen" eine Dystopie zu machen, die tatsächlich mehr wie eine eindeutige Dystopie wirkt als beispielsweise "Die Straße".
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Sven am 02. Mai 2011, 11:19:44
@ Lomax: Die Frage ist dann auch: In wie weit müssen die "Dystopie-typischen" Elemente direkt aufgezeigt werden, damit es sich bei der Erzählung um eine Dystopie handelt und wieviel davon darf aus dem Text interpretiert werden.
In "Die Straße" zum Beispiel, sehen wir nur die Auswirkung einer wie auch immer gearteten Katastrophe. Die dort beleuchtete Gesellschaft ist lediglich der neuen Lebensbedingungen geschuldet und damit "natürlich gewachsen".
Ist es dennoch eine Dystopie?
In meinen Augen schon, denn es ist eine negativ geartete Zukunftsvision.
"Star Wars" hingegen, wäre noch einen guten Schritt von einer Dystopie weg. Zwar ist auch hier die Zukunftvision düster und überaus politisch, aber reicht für mich bei Weitem nicht aus.

So wie ich das sehe, ist die Grenze von nicht dystopisch zu dystopisch fließend. Aber gilt das nicht für alle Genre und Untergenre?
Titel: Re: Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte draußen bleiben
Beitrag von: Lomax am 03. Mai 2011, 10:47:20
Was mich vor dem Hintergrund der vorangegangenen Diskussion eigentlich interessieren würde, ist die Frage, ob sich bei der dystopischen Literatur tatsächlich eine Entwicklung abzeichnet, aus der sich ableiten ließe, dass die Dystopie als publikumsorientiertes Genre sich derzeit tatsächlich von der Dystopie als literarischer Gattung fortentwickelt. Sprich: Gibt es überhaupt eine Empirie dafür, dass man eine mehr "praxisorientierte Definition" braucht, die von der literaturwissenschaftlichen abweicht? Muss man irgendwelche Punkte besonders berücksichtigen, sind andere Punkte vernachlässigbar im Vergleich zur klassischen Dystopie, wenn man heute Dystopien für den Markt schreiben möchte?

Ich persönlich kenne halt hauptsächlich die klassischen Dystopien und bin über die Wahrnehmung des gegenwärtigen Genremarktes auf dem Gebiet, wenn es da überhaupt einen geschlossenen Genremarkt explizit für "Dystopien" gibt, nicht so auf dem laufenden. Wenn ich es recht im Kopf habe, wurden bisher als moderne Dystopien nur Panem und die Straße genannt.
  Panem fügt sich tatsächlich noch recht gut in den klassischen Dystopiebegriff. Auch wenn Schommes den politischen Aspekt darin unterentwickelt findet - es gibt ja keine Regel, dass Dystopien vom politischen Ansatz her nicht eher dumm und naiv sein dürfen ;). Vorhanden ist dieser Ansatz jedenfalls, Panem dürfte derzeit die mit Abstand erfolgreichste Dystopie am Markt sein und mit Sicherheit ein Wegweiser dafür, wie publikumsorientierte Dystopien derzeit auszusehen haben - und es ist ein Beispiel, das keine nennenswerte Unterschiede zum klassischen Dystopiebegriff aufzeigt. Was es an Unterschieden gibt, lässt sich noch recht gut mit dem "Jugendbuch"-Anteil erklären, und von Panem ausgehend würde ich sagen, dass das Genre derzeit nicht gerade nach einer Neudefinition schreit.
  Ein etwas anderes Licht würde "Die Straße" auf die Sache werfen, ein Roman, der nach meinem Empfinden das literarische Genre "Dystopie" allenfalls knapp streift. Das würde ich als "Endzeit" eher einem komplett eigenen Subgenre zuordnen, einem Subgenre, das einige Berührungspunkte mit der Dystopie aufweist, aber weitestgehend nach eigenen Regeln funktioniert. Aber "Die Straße" ist halt auch nur ein Beispiel, und es verrät wenig über den Kontext: Was für Beispiele gibt es noch? Was für einen Rahmen spannen sie auf? Wie wird das Marktsegment, das sie bedienen, wahrgenommen? Als eigenes Genre, oder ist es für das Publikum von klassischer angelegten Dystopien wie "Panem" nicht zu unterscheiden? Wie erfolgreich sind diese Bücher, welche Werke mit welchen Schwerpunkten definieren im derzeitigen Publikumsbewusstsein das Marktsegment?
  Das sind eigentlich die Fragen, die interessant wären, um zu sehen, ob sich das Gesamtsegment der Dystopien tatsächlich derzeit weiter vom klassischen Dystopie-Begriff entfernt hat, als Panem vermuten lässt. Aber um diese Fragen zu beantworten, bräuchte man vor allem moderne Werke, deren aktuelle Rezeption in Bezug auf das Verständnis als "Dystopie" sich beobachten lässt.

Gibt es jemanden, dem dazu noch mehr einfällt als die bisher genannten Titel und der den Markt für moderne Dystopien mit geeigneten "Eck-Werken" abstecken kann? Ich denke mal, das wäre der geeignete Ansatz, um sich der Definitionsfrage anzunähern, aber da ich den modernen Markt da nicht beobachtet habe, fehlt mir selbst die Empirie dazu und ich könnte derzeit keine Antwort auf die Theorien-Frage geben. Vielleicht gibt's ja doch noch jemanden, der Werksbezogen eher up to date ist und aktuelle Titel nennen kann. ;)
Titel: Re: [DISKUSSION] Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte drau..
Beitrag von: Hoellenpfau am 08. Mai 2011, 21:03:17
Weil hier ja alle auf die Dystopie-Schiene abfahren und ellenlange Beiträge reinschreiben habe ich keine Lust gehabt mich durch alle fnf Seiten zu kämpfen und stelle einfach mal eine Frage:

Müssen Dystopien eigentlich immer in (mehr oder weniger naher) Zukunft spielen oder können sie auch in unserer Zeit spielen, nur dass sich andere politische Systeme durchsetzten oder dass es andere politische Ereignisse gibt, die die Welt prägen, die es aber eben so nicht gibt.
Ist das dann auch schon eine Dystopie?
Titel: Re: [DISKUSSION] Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte drau..
Beitrag von: Churke am 08. Mai 2011, 21:27:17
Zitat von: Höllenpfau am 08. Mai 2011, 21:03:17
Müssen Dystopien eigentlich immer in (mehr oder weniger naher) Zukunft spielen oder können sie auch in unserer Zeit spielen, nur dass sich andere politische Systeme durchsetzten oder dass es andere politische Ereignisse gibt, die die Welt prägen, die es aber eben so nicht gibt.
Ist das dann auch schon eine Dystopie?

Du meinst sowas wie eine Alternativwelt?

Ja, schon. Die Übergänge zwischen Alternativwelt und SF sind ja auch recht fließend. Sowas Ähnliches wäre im Prinzip "Vaterland". "Vaterland" ist allerdings keine Dystopie (jedenfalls die Verfilmung nicht), weil das Thema nicht "der NS-Staat" sondern "Vergangenheitsbewältigung" ist. 
Titel: Re: [DISKUSSION] Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte drau..
Beitrag von: Hoellenpfau am 08. Mai 2011, 21:41:55
Hm, na ja, Alternativwelt würde ich es auch nicht gerade nennen, weil wenn alles so ist wie in unserer Welt, nur dass nun ein politisches Ereignis geschieht, was alles verändert, dann ist das ja keine direkte Alternativwelt.
Titel: Re: [DISKUSSION] Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte drau..
Beitrag von: Schommes am 09. Mai 2011, 09:02:28
Zitat von: Höllenpfau am 08. Mai 2011, 21:03:17
Müssen Dystopien eigentlich immer in (mehr oder weniger naher) Zukunft spielen oder können sie auch in unserer Zeit spielen, nur dass sich andere politische Systeme durchsetzten oder dass es andere politische Ereignisse gibt, die die Welt prägen, die es aber eben so nicht gibt.
Ist das dann auch schon eine Dystopie?
Da ich persönlich z.B. Fight Club für eine Dystopie halte, würde ich sagen ja. Es käme in diesem Fall drauf an, die Welt quasi von Ihrer dystopischen Seite wahrzunehmen. So nach dem Motto: Wenn ich morgens mit guter Laune aufwache ist Berlin die schönste Stadt der Welt, aber manchmal bin ich übel drauf und dann ist es ein grauer Moloch der mich fressen will, voll mit unfreundlichen, oberflächlichen Menschen usw. Know what I mean?
Titel: Re: [DISKUSSION] Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte drau..
Beitrag von: Sorella am 09. Mai 2011, 10:52:34
Das sehe ich momentan anders. Es muss doch mMn zu allererst eine Grund-Utopie vorliegen.
Ein politisches Ereignis in der Realität ist für mich ein klassisches Polit-Drama.

Außerdem habe ich mir jetzt Herr der Fliegen angesehen. Die Version von 1963 ist sehr zu empfehlen. Ich kenne die neue Version nicht, habe aber gelesen, dass diese an Symbolhaftigkeit eingebüßt hat. Aber das gehört wohl in den Listenthread. Zurück zur Diskussion des Genres:
Herr der Fliegen ist für mich eine eindrucksvolle Geschichte, aber wieso soll das eine Dystopie sein? Zu keinem Zeitpunkt hatten die Jungen die Insel für einen utopischen Ort gehalten. Sie waren sich sofort einig, dass dieser Ort ein schlechter und daher zu verlassen ist. Die Handlung ist nicht dystopisch, sondern dreht sich um soziologische und psychologische Phänomene des Menschseins an sich. Von mir aus auch politisch, das kann man ja drehen wie man will. Eine Dystopie ist es aber für mich nicht, weil die Grund-Utopie fehlt.
Ich lasse mich aber gerne vom Gegenteil überzeugen  ;D.   
Titel: Re: [DISKUSSION] Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte drau..
Beitrag von: Lomax am 09. Mai 2011, 11:17:20
Dann will ich mal gleich beiden vorangegangenen Postings widersprechen  ;D

Zunächst einmal würde ich Figtclub nicht für eine Dystopie halten. Es mag sein, dass die Grundaussage diejenige ist, dass unserer Gesellschaft etwas fehlt, was sich dann in den Fightclubs ausdrückt ... Aber die bloße Tatsache, dass irgendwer mit irgendeiner Gesellschaft unzufrieden ist und versucht, daraus auszubrechen, begründet wohl kaum schon eine Dystopie :snicker:. Für eine Dystopie ist der Film viel zu uneindeutig in seinen Interpretationsebenen, und bei Fightclub ist es tatsächlich so, dass die positive "Utopie" als Gegenentwurf fehlt - weil das Aufbegehren gegen die möglichen "Missstände" am Ende ebenso diskreditiert wird und womöglich sogar selbst als bloße psychische Störung erscheint.

Ganz im Gegensatz dazu hat der Herr der Fliegen sehr deutlich einen utopischen Entwurf vor Augen, gegen den er sich wendet - auch wenn der im Buch selbst nicht ausgeführt wird. Dafür wird so ziemlich alles aufgegriffen und ins Gegenteil verkehrt, was in realweltlichen idealistischen Vorstellungen als "paradiesisch" angesehen wird - angefangen von der naturbelassenen Insel bis hin zu den Vorstellungen, dass der Mensch an sich und vor allem Kinder von Natur aus gut sind. Die positive Utopie muss dort nicht thematisiert werden, weil "die klassische Utopie" an sich vorausgesetzt und pausenlos zitiert und widerlegt wird.

Was beides nichts daran ändert, dass eine Dystopie natürlich nicht zwangsläufig in der "Zukunft" spielen muss. Die klassische Utopie spielt ja auch nicht in der Zukunft, sondern zunächst mal nur auf einer "weit entfernten Insel" oder sonst irgendwo, wo man einen exemplarischen Gesellschaftsentwurf ansiedeln kann. Die isolierten Inseln sind heutzutage rar geworden, so dass die Zukunft mittlerweile der bequemste Ort ist für einen Entwurf, bei dem man sich nicht durch die Kleinlichkeit der Realität behindern lassen mag :snicker:. Aber wenn man es schafft, sein Konzept anderswo unterzubringen, ist man an diese einfachste Lösung nicht gebunden. Das Wesen der Dystopie hängt an der Art des Entwurfs, nicht an seiner Verortung.
Titel: Re: [DISKUSSION] Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte drau..
Beitrag von: Sorella am 09. Mai 2011, 11:39:25
Zu Fight Club habe ich noch keine Meinung, da ich ihn nicht kenne. Daher kann ich nichts dazu sagen.

Zitat von: Lomax am 09. Mai 2011, 11:17:20
Ganz im Gegensatz dazu hat der Herr der Fliegen sehr deutlich einen utopischen Entwurf vor Augen, gegen den er sich wendet - auch wenn der im Buch selbst nicht ausgeführt wird. Dafür wird so ziemlich alles aufgegriffen und ins Gegenteil verkehrt, was in realweltlichen idealistischen Vorstellungen als "paradiesisch" angesehen wird - angefangen von der naturbelassenen Insel bis hin zu den Vorstellungen, dass der Mensch an sich und vor allem Kinder von Natur aus gut sind. Die positive Utopie muss dort nicht thematisiert werden, weil "die klassische Utopie" an sich vorausgesetzt und pausenlos zitiert und widerlegt wird.

Ja, ja, genau das habe ich gestern auch im Web tausendfach in allen Analysen gelesen.
Trotzdem überzeugt mich das Argument noch nicht. Nur weil ich Kinder auf eine Südseeinsel verfrachte, ist es keine Utopie. Dann müssten alle dramatischen Robinsonaden mit legendenhaft Unschuldigen, wie Kinder, Jungfrauen, Einhörnern, Engeln,  *grins* usw.,  Dystopien sein.

Ich behaupte also, es ist eine Robinsonade mit soziologischem Thema.

Zitat von: Lomax am 09. Mai 2011, 11:17:20
Das Wesen der Dystopie hängt an der Art des Entwurfs, nicht an seiner Verortung.

Hier hingegen bin ich wieder ganz deiner Meinung. :)
Titel: Re: [DISKUSSION] Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte drau..
Beitrag von: Churke am 09. Mai 2011, 13:05:59
Zitat von: Schommes am 09. Mai 2011, 09:02:28
Es käme in diesem Fall drauf an, die Welt quasi von Ihrer dystopischen Seite wahrzunehmen.

Ich denke, dass dies allenfalls sehr begrenzt möglich ist.
Eine Gesellschaft (nennen wir sie "Welt") hängt nicht in der Luft, sondern hat sich entwickelt und wird von Individuen getragen (oder bekämpft...), die durch diese Gesellschaft und ihre Vorstellungen sozialisiert wurden. Man lebt vielleicht in einer Dystopie, man merkt es aber nicht.

Ich bin der festen Überzeugung, dass Adam Smith unser heutiges System als extrem dystopisch ansehen würde.
Ebenso würden die alten Germanen sich in Somalia wahrscheinlich wohler fühlen als im heutigen Deutschland.

Nur: Was bringt das dem Leser? Wird er sich zu Adam Smith bekehren oder zum altgermanischen Thing? Wahrscheinlich wird er den Plot im besten Fall als Kuriosum ansehen, als nettes intellektuelles Gedankenspiel.

Der dystopische Roman kann nur funktionieren, wenn er ein System hat, mit dem sich der Leser NICHT identifiziert. Bei einer Gegenwarts-Dystopie stelle ich mir das ziemlich schwierig vor. 
Titel: Re: [DISKUSSION] Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte drau..
Beitrag von: Lomax am 09. Mai 2011, 13:14:01
Zitat von: Sorella am 09. Mai 2011, 11:39:25Trotzdem überzeugt mich das Argument noch nicht. Nur weil ich Kinder auf eine Südseeinsel verfrachte, ist es keine Utopie.
Es soll ja auch keine Utopie sein, sondern eine Dystopie. Und für die es ist es eben nicht erfordlich, dass eine Utopie erschaffen wird, sondern deren Gegenteil ;) Der utopische Entwurf muss darin nur insofern erhalten sein, als dass man sieht, wie es schlechter läuft, als es laufen sollte und müsste. Und das ist beim Herrn der Fliegen ja gegeben.

Im übrigen stelle ich gerade fest, dass meine oben geäußerten Bedenken inzwischen alle eingetreten sind. Aus dem Praxisthread habe ich mich ja an der Stelle zurückgezogen, als Einfachkeit zum entscheidenden Kriterium wurde für alles, was eine Dystopie ausmacht.
  Und hier sind wir jetzt an dem Punkt, wo weitgehend unbestrittene Werke des Genres in Frage gestellt werden, weil sie nicht zu der persönlichen, durch die einfache Definition gefestigten Vorstellung passen - anstatt dass man den wissenschaftlichen Weg geht und seine Theorie hinterfragt, wenn sie nicht zur Praxis passt :(. Das ist genau das, was ich gemeint habe, als ich davon sprach, dass solche Diskussionen und "Regelfindungen" letztendlich immer gerne darauf hinauslaufen, dass am Ende irgendwer die Ansicht vertritt, dass der Fehler beim Jupiter läge, wenn er sich nicht auf der von der Theorie vorgegebenen Bahn zu bewegen scheint ...
  Oben wurde mir ja vorgeworfen, ich würde etwas unterstellen. Ich stelle gerade fest, dass ich meine eigenen, pessimistischen Thesen von oben an dieser Stelle bestätigt sehe, da sie offenbar geeignet waren, die richtige Prognose zu stellen für das, was bei dem gewählten Ansatz am Ende herauskommt.
  Zwanzig Jahre Erfahrung mit Schreibwerkstätten in- und außerhalb des Internets und ihren typischen Schwächen und Abläufen sind halt doch etwas anderes als einfache Unhöflichkeit oder eine beiläufige Geringschätzung von "Lehrern" und "pädagogischen Ansätzen". Ich finde es im Gegenteil erschreckend, wie berechenbar es ist, dass solche reduzierten, "praktisch" sein wollenden Ansätze am Ende immer darauf hinauslaufen, dass irgendwelche Klassiker und Standardwerke, die das Genre definiert haben, als unpassende "Ausrutscher" wegerklärt werden sollen und müssen :seufz:.

Sorry, Sorella - ich will hier nichts gegen dich persönlich und die Diskussion über den "Herrn der Fliegen" vorbringen, die man durchaus führen kann und die nützlich ist. Es ist nur die Unausweichlichkeit und Vorhersehbarkeit des Diskussionsverlaufs bis zu diesem Punkt, die mir auf der Seele liegt. Und wenn der ein oder andere mal zurückblättert bis zu meinem Jupiter-Zitat und davor, und meine Aussagen von "damals" mit dem vergleicht, was seitdem so alles hier, im Nachbarthread und in der "Literaturliste" aufgetaucht ist, dann wird vielleicht leichter verständlich, warum ich ein paar Seiten zuvor so scheinbar voreilig bei Schommes' Ansatz die Sinnfrage gestellt habe. Ich sehe jetzt weniger denn je, dass die so gesammelten Punkte einen besseren und "praktischeren" Zugang zur Dystopie erlauben, als wäre man gleich bei den vorher hier genannten literaturwissenschaftlichen Ansätzen mitsamt ihren komplexen Deutungsmöglichkeiten geblieben :-\
Titel: Re: [DISKUSSION] Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte drau..
Beitrag von: Sorella am 09. Mai 2011, 13:37:36
Es tut mir leid, wenn dir der Diskussionsverlauf auf der Seele liegt.
Es liegt in meiner persönlichen Eigenheit gerne Meinungen, oder auch unumstößliche Wahrheiten zu hinterfragen. Ich hatte meine, zugegeben provokante, These extra offen gelassen für Gegenargumente, also für die Diskussion.
Schade, dass es uns nicht gelingt locker mit der Thematik umzugehen. Ich habe Respekt vor deiner Erfahrung, die sicher größer ist als meine und auch deiner herausragend langen Forumszugehörigkeit, die dir mehr Beurteilungsvermögen für Diskussionsverläufe im Tintenzirkel zuschreibt.

Ich entschuldige mich hiermit ein aller Form, wenn ich mit meiner Fragestellung die Diskussion gestört habe.
Titel: Re: [DISKUSSION] Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte drau..
Beitrag von: Lomax am 09. Mai 2011, 16:49:45
Zitat von: Sorella am 09. Mai 2011, 13:37:36Schade, dass es uns nicht gelingt locker mit der Thematik umzugehen. Ich habe Respekt vor deiner Erfahrung, die sicher größer ist als meine und auch deiner herausragend langen Forumszugehörigkeit, die dir mehr Beurteilungsvermögen für Diskussionsverläufe im Tintenzirkel zuschreibt.
Ich entschuldige mich hiermit ein aller Form, wenn ich mit meiner Fragestellung die Diskussion gestört habe.
Du musst dich sicher für nichts entschuldigen, und ich meinte ja auch, dass man die Frage sicher diskutieren kann. Es ist wirklich nur die Gesamtsituation und das Gefühl, das sich einstellt, wenn man irgendwas anmerkt, danach regen sich alle drüber auf, dass man zu negativ ist und so was ja nicht anmerken kann - und im weiteren Verlauf kann man dann die Liste auspacken und alles abhaken, was man von Anfang an so hat kommen sehen. Und am Ende steht man vor der unangenehmen Situation, dass man entweder sagen kann, "hab ich ja gleich gesagt" - womit man sich bekannterweise nicht beliebt macht, was man aber auch schwer unterdrücken kann, wenn man es nun mal gleich gesagt hat. :schuldig:
  Dein Hinterfragen war also schon okay, ich könnte halt einfach nur leichfüßiger darüber diskutieren, wenn das Thema nicht in diesem Kontext und als Punkt meiner "Abhakliste" aufgetaucht wäre. Was letztendlich aber auch mein Problem ist und dich nicht zu stören braucht.

Meine diesbezügliche Erfahrung bezieht sich im übrigen gewiss nicht auf den Zirkel, wo sich die so typisch verlaufenden "Werkstattdiskussionen" doch sehr beschränken. Meine Erfahrungen damit habe ich eher in zwanzig Jahren allgemeinem Fandom und Creative-Writing-Gruppen mit den darin aufzufindenen Sozialdynamiken und den üblichen Ergebnissen gesammelt. Und ich weiß auch (wieder), warum ich dankbar bin, dass beim Zirkel normalerweise entweder über Theorie gesprochen wird oder im Werkstattteil über ganz konkrete und einzelne Schreibfragen und echte Problemlösungen. Es ist halt gerade diese unselige Verquickung von Theorie und Praxis, von deren Nutzen ich nicht überzeugt bin, wenn also versucht wird, allgemeine Wahrheiten zu formulieren, aber bitte nur dann, wenn sie eindeutig, einfach und "praktisch anwendbar" sind.

Aber auch diese provokante Einstellung lasse ich gerne offen für Gegenargumente. Wenn du mich also überzeugen kannst, welchen "praktischen" Nutzen die immer größer werdende Liste von Dystopien im anderen Thread hat, wo so nach und nach alles reinwandert, was auch nur irgendein dystopisches Element aufweist, auch wenn es auf dem Markt unter anderen Genres verkauft wird, während umgekehrt klassische und allgemein als "typisch" anerkannte Dystopien in ihrer Genrezugehörigkeit in Frage gestellt werden können; oder jene Definition von "Dystopie", die im nächsten Thread gesammelt wird, wo nach und nach jedes einfach zu beschreibende Merkmal wiederzufinden ist, das je in irgendeiner Dystopie mal aufgetaucht ist, ungeachtet der Tatsache, dass es in anderen Genres genauso vorkommen kann, wohingegen komplexere Dinge, die eine Dystopie zu einer "guten" oder einer "typischen" Dystopie nach der üblichen literaturwissenschaftlichen Kategorisierung machen, fehlen, wenn sie eine feinere Abwägung erfordern als vorhanden/nicht vorhanden ... wenn du mir also diese Sinnfrage beantworten kannst, dann nur zu.
  Gut, zugegeben, man kann die Definition wie die Medien-Liste gut als Steinbruch und erste Anregung verwenden. Aber war das wirklich alles, was gemeint sein sollte, als hier von einer Definition fürs Genre oder gar einem Bauplan für eine "verdammt gute Dystopie" die Rede war?
Titel: Re: [DISKUSSION] Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte drau..
Beitrag von: Schommes am 09. Mai 2011, 22:07:13
Lieber Lomax, ich schätze Meinungsmäßig werden wir bezüglich des Themas Dystopieverfertigung in Theorie und Praxis wohl nicht unter einen Hut kommen. Das muss aber meiner Ansicht auch nicht sein. Aber um eins möchte ich Dich wirklich um der Diskussionskultur in diesem Forum inständig bitten: Respekt vor der Arbeit anderer Leute, auch wenn sie Deiner Meinung nach nicht zielführend ist. Ich bin mir sicher, Du meinst es nicht so, aber der Ton Deiner Beiträge ist häufig - ungeachtet von deren sachlichem Inhalt - in geradezu päpstlicher Weise apodiktisch und von wenig spürbarer Wertschätzung für andere Meinungen getragen. Deswegen reagiere ich darauf so sensibel und in Deiner Diskussion mit Sorella war mir genau dieser Zug wieder aufgefallen, deswegen hüpfe ich jetzt hier hinein. Sorella und meine Wenigkeit haben uns mit den DystopieFreds ganz schön Mühe gegeben und sehr viel Arbeit hineingesteckt. Das haben wir sicher nicht aus Egoismus, sondern - ich denke doch durchaus - aus Gemeinsinn getan. Ich verlange nicht, dass Du unsere Ansichten teilst, aber wie gesagt, ein bisschen Achtung wär schon schön. Versteh mich bitte nicht falsch: Ich bin fest überzeugt, Du bist n echt netten Jung bist, wie man in meinen Herkunftsbreiten sagt, aber manchmal hat man das Gefühl, dass Du aus der Dir eigenen intellektuellen Flughöhe herab die Beiträge von uns "bodengebundenen" Volk mitunter etwas ungnädig beurteilst. Nur so ein Gefühl. Eigene Beschäftigung damit stelle ich anheim. Freue mich auf weitere Diskussionen mit Dir.
Titel: Re: [DISKUSSION] Dystopia - Elfen, Zauberer, Orks, Trolle und Einhörner bitte drau..
Beitrag von: Lomax am 10. Mai 2011, 14:45:18
Zitat von: Schommes am 09. Mai 2011, 22:07:13Ich bin mir sicher, Du meinst es nicht so, aber der Ton Deiner Beiträge ist häufig - ungeachtet von deren sachlichem Inhalt - in geradezu päpstlicher Weise apodiktisch und von wenig spürbarer Wertschätzung für andere Meinungen getragen.
Dein Einwand hat ja zwei Ebenen. Erst mal die sachliche - "Respekt vor der Arbeit anderer", das mag sein, Aber es hat ja wenig mit Respekt zu tun, wenn man eine Sache für fehlerhaft und unbrauchbar hält, und sie dann wegen "Respekt" trotzdem lobt. Rein sachlich muss also erlaubt sein, dass man es auch sagt, wenn man eine Sache nicht schätzt, egal wie viel "Arbeit" sich jemand damit macht. Sonst kommen wir nämlich wieder zu dem von dir auch gerne geschmähten typisch deutschen Ansatz, der es schon als Wert an sich ansieht, dass jemand sich "Arbeit" mit einem Werk gemacht hat. Wo dann beispielsweise Autoren als Qualität ihres Werkes hervorheben, dass sie zehn Jahre daran geschrieben haben - was halt eher ein Mangel ist, wenn es am Werk selbst nicht erkennbar ist und wenn sie nicht zeigen können, dass sie in den zehn Jahren auch etwas inhaltlich besseres geschaffen haben als ein anderer Autor in einem halben Jahr.
  Die "Arbeit" an sich sollte also kein Kriterium sein, das gegen sachliche Einwände sakrosankt macht.

Ein anderer Punkt ist der Tonfall. Mein Tonfall ist jedenfalls selten zufällig, sondern möglichst präzise auf den Gesprächspartner zugeschnitten. Ich gebe beispielsweise zu, dass mein Posting, bei dem du hochgegangen bist, interpretierbar war und eine Menge Schuhe enthielt, die man sich anziehen kann ... auch wenn ich durchaus darauf geachtet habe, dass der Kern sachlich blieb und die Aussage nüchtern vertretbar. Aber genauso waren eben auch die Schuhe durchaus bewusst platziert und die Reaktion provoziert.
  Und diesen Ton habe ich nicht zuletzt als Reaktion auf deinen eigenen Ton eingebracht, es war ein Aufgreifen der potenziell aggressiven Rhetorik, die du beispielsweise mit dem exkludierenden Einstieg ins Thema angeschlagen hast, und in deiner Antwort auf Lynn. Ich sehe so was sehr genau, merke mir das für möglichst jeden Gesprächsteilnehmer und versuche darauf zu achten, jedem auf derselben Ebene zu antworten, die er anzuschlagen pflegt.
  Das ist nicht böse gemeint. Das ist ein wenig wie beim Karate. Da schaut man sich ja auch seine Sparringspartner an, und wenn man einen etwas härteren Schlagabtausch schätzt, sucht man sich halt auch die Partner für Übungen, die selbst was kompromissloser reingehen, während man, wenn man zarter besaitet ist, sich die Leute aussucht, die "konktaktlos" wörtlich nehmen ;). Ich mag es durchaus, wenn jemand auch mal ein paar rhetorische Register zieht, unterschwellige Botschaften in seine Beiträge webt oder eine klare Ansage vertragen kann.
  Ich erwarte aber auch, dass jeder, der so eine Diskussionsführung an den Tag legt, auch Antworten auf derselben Stufe vertragen kann. Das ist also meine ganz einfach Grundregel für den Tonfall. Wenn ich mit jemandem klare, aber auch harte Diskussionen führen kann, bei denen gerne auch die Fetzen fliegen und man am Ende neben dem Ring zusammensitzt und gemeinsam die Wunden leckt, dann mag ich das genauso wie subtile, unterschwellige und sehr rhetorische Schlagabtäusche, bei denen man keine Wunden sieht, aber danach noch tagelang die Stacheln aus dem Pelz sortieren kann. Und umgekehrt, wenn jemand selbst immer nett und verbindlich auftritt, wird er in mir einen Gesprächspartner finden, den ich auch mit Samthandschuhen anfasse und wo ich mich in der Regel gar nicht traue, überhaupt etwas zu sagen.
  Nur wenn jemand selbst austeilt, aber einschnappt, wenn etwas zurückkommt, dann mag ich das gar nicht. In der vorliegenden Diskussion sehe ich auch keinen Punkt, wo ich mich im Ton vergriffen hätte und irgendwen auf einer anderen Ebene angegangen wäre, als der Betreffende sich selbst vorher exponiert hat. Ich denke mal, jeder hat seinen Teil gesagt, muss die Antworten abkönnen und alles ist gut :engel:

Aber, wie gesagt, die Verbindlichkeit im Ton und die sachlichen Aussagen, zu denen ich hier stehe, sind zwei Dinge, die mehr oder minder unabhängig und je nach Gesprächspartner wechselnd nebeneinander herlaufen. Sollte ich auch meine sachlichen Aussagen jenseits des gewählten Grades rhetorischer Schärfe vielleicht ein wenig zu "lehrerhaft" vertreten, muss ich mich leider wie du selbst oben auch einfach mit beruflicher Prägung entschuldigen.
  Seit Abschluss meines Studiums verdiene ich als Schlussredakteur wie als Lektor einen Großteil meines Geldes damit, dass ich de facto andere Leute auf ihre Fehler aufmerksam mache. Und während bei Erstlektoraten wenigstens noch Zeit bleibt für Diplomatie, muss das bei redaktionellen Arbeiten vor allem schnell und effizient und allein ergebnisorientiert geschehen.
  Da kann man nicht erwarten, dass zehn Jahre beruflicher Tätigkeit auf diese Weise ganz spurlos an einem Menschen vorübergehen, und da fehlt zugegeben auch manchmal die Geduld, einen Fehler stehen zu lassen und didaktisch jemanden heranzuführen, bis er ihn selbst entdeckt, oder Mängel, die man zu entdecken glaubt, so verbrämt zu beschreiben, dass man bloß keinem auf die Füße tritt, der sie vielleicht noch für richtig halten könnte. Ich bin es halt gewöhnt, Fehler die ich sehe, auch anzustreichen - selbst wenn ich von Vernunft und Ausbildung her weiß, dass es Dinge gibt, die Neueinsteiger in irgendeinem Gebiet einfach neu entdecken müssen und Fehler, die man durchlaufen muss und die man nicht überspringen kann.
  Aber wenn ich meine Haltung da mit dem vergleiche, was man sonst noch an Schule, Uni und im publizierenden Gewerbe antrifft, finde ich die so ungewöhnlich auch nicht. Das zählt eigentlich in all diesen Bereichen zum alltäglichen Durchschnitt, eine gute Diskussion muss es auch mal aushalten, wenn nicht alle nur nett zueinander sein wollen, solange die Regeln für Höflichkeit und professionellen Umgang miteinander eingehalten werden. Und was an Aussagen und Meinungen einen Schutzraum davor bräuchte, um überleben zu können, ist ohnehin nicht praxisfähig. Ich denke, das von mir erwartbare Maß an Zurückhaltung ist gewahrt, indem ich darauf verzichte, die Zusammenstellung im Listen-Thread kleinschrittig zu kommentieren, was den Thread ohnehin nur zerrupfen würde, und indem ich meine Einwände gegen die Ergebnisse des Praxis-Threads nur hier in der "Diskussion" dokumentiere.
  So steht die Arbeit, die ihr euch macht, für jeden, der sie nutzen möchte, dort auch ohne viele ablenkende Detailfragen zur Verfügung, und ich behindere euch auch nicht bei dem, dem ich mich nicht anschließen kann. Ich denke mal, das ist der bessere Teil des Respekts. Dem Anspruch, dass dieser Respekt darüber hinaus gebietet, dass man die Ergebnisse dieser Arbeit überall nur würdigen und Einwände dagegen nirgendwo vorbringen darf, halte ich demgegenüber für überzogen.